L 9 AL 73/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 411/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 73/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7.Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Versagung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 02.06.1997 wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft des Klägers streitig.

I.

Der 1944 geborene verheiratete Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III ohne berücksichtigungsfähige Kinder eingetragen war, meldete sich am 02.06.1997 arbeitslos und begehrte die Gewährung von Alg. Er gab an, seit 01.02.1964 in der Kanzlei seines Vaters (W. R. sen.) als Steuerberater angestellt gewesen zu sein. In der Zeit vom 08.03.1997 mit 30.05.1997 habe er in U-Haft gesessen. Der vorgelegten Arbeitsbescheinigung zufolge soll der Kläger vom 01.02.1964 mit 07.03.1997 als Steuerberater beitragspflichtig beschäftigt gewesen sein. Das Arbeitsverhältnis sei am 07.03. 1997 durch den Arbeitgeber aufgrund der erfolgten Verhaftung fristlos gekündigt worden. Während im Zeitraum August mit Dezember 1996 monatlich DM 3.500,- in je 140 Arbeitsstunden erzielt worden seien, habe der Kläger von Januar mit Februar 1997 in 120 Arbeitstunden monatlich je DM 2.500,- verdient. Vom 01.03.1997 mit 07.03.1997 DM 583,-. Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit habe 39 Wochenstunden betragen, für den Kläger 35.

Der von der Beklagten eingeschaltete Außendienst ermittelte am 08.07.1997, dass sowohl der alleinvertretungsberechtigte Kläger als auch dessen Vater die Kanzlei nach außen vertreten haben. Wie die anderen Arbeitnehmer sei der Kläger an feste Arbeitszeiten von ca. 8.oo bis 17.oo Uhr täglich gebunden gewesen. Das Weisungsrecht sei durch den Vater ausgeübt worden, die angefallenen Entscheidungen seien immer nach Rücksprache mit jenem getroffen worden. Darüber hinaus habe der Kläger seine Tätigkeit durchaus frei bestimmen können und deshalb auch über ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit verfügt, Einschränkungen hätten demgegenüber nicht bestanden. Wichtige Personalentscheidungen wie Einstellungen seien mit dem Vater besprochen worden, allerdings habe das Personal keine schriftlichen Arbeitsverträge gehabt. Selten habe der Kläger Urlaub im üblichen Sinne gehabt, vielmehr habe er sich meist auf ein verlängertes Wochenende beschränkt und freie Tage selbst genehmigt. Auf die Dauer von sechs Wochen habe Anspruch auf Lohnfortzahlung bestanden, die Verbuchung der Vergütung, von der Lohnsteuer abgeführt worden sei, sei unter Lohn/Gehalt erfolgt. Eine Gewinnbeteiligung bzw. erfolgsabhängige Bezüge seien nicht gewährt worden. Ab Januar 1997 habe der Kläger seine Arbeitskraft reduzieren müssen. Bei den Stundenangaben in der Arbeitsbescheinigung handele es sich um geschätzte Annahmen, da immer ein Festgehalt vereinbart worden sei. Die geringe Bezahlung habe sich aus rein wirtschaftlichen Gründen ergeben.

Nach dem Vertrag vom 1. Januar 1972, auf dessen Einzelheiten im Übrigen verwiesen wird, wurde zwischen dem seinerzeitigen Steuerbevollmächtigten W. R. sen. und dem Kläger (ebenfalls Steuerbevollmächtigter) gemäß § 13 Steuerberatungsgesetz ein Arbeitsverhältnis begründet und letzterer mit Wirkung vom 01.01.1972 als Mitarbeiter im Rang des stellvertretenden Chefs eingestellt. Sein Aufgabengebiet entsprach von Anfang an dem eines selbständigen Steuerbevollmächtigten (Nr.1). Gemäß § 24 Abs.1 Nrn.2 und 3 des Gesetzes bestand Zeichnungsberechtigung. Durchschriften waren zur Einsichtnahme vorzulegen (Nr.2). So oblag ihm die Ausbildung der im Ausbildungsverhältnis stehenden Lehrlinge (Nr.3). Vereinbart wurde ein Bruttogehalt von mtl. DM 2.500,- ab 01.01.1972 (Nr.4) bis vorerst 31.12.1972. Hinsichtlich einer Steigerung ab diesem Zeitpunkt sollte das Jahresergebnis/der Umsatz maßgebend sein. Darüber hinaus war zum 30.06. eines Jahres, spätestens zum 31.12., eine zusätzliche Tantieme vereinbart, die jeweils vom Vater bestimmt wurde und sich nach dem Umsatz/Jahresergebnis richtete. Als Mindesttantieme wurde ein Monatsbruttogehalt vereinbart (Nr.5). Die Sozialversicherungsabgaben wurden hälftig getragen (Nr.6), der Urlaub betrug 24 Arbeitstage und war in natura zu nehmen (Nr.7). Eine Kündigung war beidseits nur jährlich möglich, und zwar bis spätestens 31.12. eines laufenden Kalenderjahres zum 31.12. des nächsten, ansonsten nur bei beidseitigem Einverständnis (Nr.8). Dem Kläger wurde für den Fall des Ablebens des Vaters das Vorkaufsrecht an der Praxis eingeräumt (Nr.9). Neben seiner Tätigkeit als Angestellter durfte er selbständig tätig sein, soweit dieses mit der nicht selbständigen Tätigkeit zu vereinbaren war (Nr.10). Eventuelle steuerliche Belastungen, wie z.B. die Benutzung eines betrieblichen Kfz, waren im Bruttogehalt enthalten (Nr.11).

Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 09.07.1997 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Anwartschaftszeit sei nicht erfüllt. Denn in der Rahmenfrist seien nicht mindestens 360 Kalendertage mit einer beitragspflichtigen Tätigkeit belegt. Der Kläger habe das Steuerbüro in den letzten Jahren eigenverantwortlich und alleinvertretungsberechtigt geleitet, demgegenüber habe sein Vater in die Betriebsführung nicht mehr eingegriffen und auch das Weisungsrecht nicht ausgeübt. Er sei im eigenen Steuerbüro, nicht aber in einem fremden Betrieb tätig gewesen. Hiergegen wurde unter anderem eingewandt, er habe sowohl als Angestellter als auch als selbständiger Steuerberater gearbeitet. In der Kanzlei des Vaters, die nach außenhin als W. R. sen. kenntlich gemacht worden sei, habe er als Angestellter gearbeitet. Er sei hinsichtlich dessen Mandaten nach außen im Rahmen des § 23 Steuerberatungsgesetz nach Weisung vertretungsberechtigt gewesen und habe unter anderem feste Arbeitszeiten gehabt. Arbeitsort sei die Kanzlei gewesen, in der er nach dem Weisungsrecht des Vaters gearbeitet habe. Unter anderem habe er auf Anordnung des Vaters Mandantenbesuche durchführen sowie die Mandate bearbeiten müssen. Insoweit habe er seine Tätigkeit weder frei bestimmen noch gestalten können. Einschränkungen hätten sehr wohl in der Rechnungstellung, in der Unterrichtung über Betriebsvorgänge mit Mandanten, Personalfragen und Investitionen, Vorgehensweisen bei Einsprüchen, Bilanzerstellungen etc. bestanden. Der Rechtsbehelf blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07.11.1997). Bereits seit der im Arbeitsvertrag erfolgten Bestellung zum stellvertretenden Chef sei der Fortbestand eines abhängigen und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses fraglich, soweit der Arbeitsvertrag Elemente einer nichtselbständigen Beschäftigung enthalten habe, sei dieser durch die tatsächliche Entwicklung überholt worden.

Nach Verbüßung einer Strafhaft (18.01.1999 mit 22.02.2001) und bedingtem Straferlass gemäß § 16 Strafvollzugsgesetz gewährte die Beklagte aufgrund der in der Haft erfüllten Anwartschaftszeit durch Bescheid vom 25.04.2001 Alg. Auf die Einzelheiten wird Bezug genommen.

II.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Landshut hielt der Kläger an seinem Vorbringen fest, sowohl als angestellter Steuerberater für seinen Vater gearbeitet als auch eine eigene Steuerkanzlei unterhalten zu haben. Zuletzt sei er ungefähr sechs Stunden täglich für die Kanzlei seines Vaters tätig gewesen. Auch seine Tochter habe für diese gearbeitet. Vorgelegt wurden Einkommensteuerbescheide des Klägers für 1994 und 1995, aus denen sich Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von DM 12.793,- sowie aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von DM 42.000,- für 1994 ergaben, für das weitere Jahr in Höhe von DM 25.508,- bzw. DM 42.000,-. Die selbständige Tätigkeit habe nur untergeordnete Bedeutung gehabt, er habe hierfür wöchentlich ca. 15 Stunden aufgewandt. Das Finanzamt Passau teilte am 19.07.2000 mit, dass laut geändertem Bescheid für 1994 nunmehr Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von DM 117.101,- berücksichtigt worden seien. In der mündlichen Verhandlung führte der Kläger aus, die zuletzt vorgelegten geänderten Steuerbescheide beträfen die Jahre 1995 und 1996, er habe hiergegen Einspruch eingelegt, da veruntreute Mandantengelder dem Einkommen fälschlich hinzugerechnet worden seien. In seiner selbständigen Tätigkeit habe er hauptsächlich Buchhaltungsarbeiten für eigene Mandanten und solche seines Vaters verrichtet. Sein Vater, der schon längere Zeit gesundheitlich schwer angeschlagen gewesen sei, und er hätten jeweils eine eigenständige Kanzlei in getrennten Räumen unterhalten. Im Rahmen seiner Möglichkeiten habe sich der Vater um die Kanzlei gekümmert und auch gelegentlich vorbeigeschaut. In der eigenen Kanzlei des Klägers seien drei Angestellte beschäftigt bewesen, bei seinem Vater sechs bis sieben.

Das Sozialgericht hat die AOK Bayern durch Beschluss vom 05.12. 2000 beigeladen und bei der Steuerberaterkammer München ermittelt, dass das Bruttojahresgehalt bei Berufsanfängern im Jahre 1999 DM 93.400,- betragen habe, nach 10 Jahren Berufserfahrung DM 124.190,-. Der Vater des Klägers, der als Zeuge gehört werden sollte, entschuldigte sein Fernbleiben mit gesundheitlichen Gründen. Auf seine schriftliche Äußerung vom 05.12.2000 im Übrigen wird Bezug genommen. Die 6. Kammer hörte die Zeuginnen H. , F. , H. und K. , auf deren Bekundungen im Einzelnen verwiesen wird, und wies die Klage durch Urteil vom 07.12.2000 im Wesentlichen mit der Begründung ab, in der Rahmenfrist vom 02.06.1994 mit 01.06.1997 habe ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht bestanden. In den letzten Jahren habe sich der Vater des Klägers nämlich nicht mehr aktiv um die Geschäfte in seiner Kanzlei gekümmert. Er sei zwar noch ab und zu in die Kanzleiräume gekommen und habe ein paar freundliche Worte mit den Angestellten gewechselt, sich in die Geschicke der Kanzlei aber nicht mehr eingeschaltet. Auch für die Mandanten sei nur der Kläger Ansprechpartner gewesen.

Den als Zeugen gehörten Angestellten zufolge sei übereinstimmend nicht bekannt gewesen, dass der Kläger bei seinem Vater angestellt gewesen sein sollte. Aus ihren Bekundungen lasse sich nur der Schluss ziehen, dass es lediglich ein Steuerbüro W. R. gegeben habe. Es seien einheitliche Briefköpfe verwendet worden, auch sei der Stempel einheitlich gewesen. Im Geschäftsverkehr habe es nur die Kanzlei R. mit dem Kläger als Inhaber gegeben. Das Ergebnis der Beweisaufnahme würde durch die vom Vertreter der Beigeladenen berichtete Aussage des Seniors aus dem April 1997 bestätigt. Seinerzeit habe jener nämlich angegeben, schon lange nicht mehr in der Kanzlei tätig zu sein, die Beitragsrechnung solle daher an seinen Sohn geschickt werden.

Es habe bei der AOK Passau zwar ursprünglich zwei Betriebsnummern gegeben, eine auf die Steuerkanzlei des Seniors, eine auf die des Klägers. Letztere sei jedoch seit 1989 nicht mehr aktiv gewesen. Gegen eine tatsächliche Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spreche letztlich auch das angeblich gezahlte Entgelt von DM 3.500,- bzw. 2.500,-. Selbst unter Berücksichtigung der reduzierten Stundenzahl seien die genannten Gehälter angesichts eines Stundenlohns von umgerechnet DM 25,- bzw. DM 20,83 völlig realitätsfremd. Insoweit bezog sich die Kammer auf eine telefonisch eingeholte Auskunft der Steuerberaterkammer München. Ein Gehalt von DM 3.500,- bzw. DM 2.500,- monatlich lasse sich auch nicht mit dem Gehaltstarif für Angestellte in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels begründen. Bereits im Jahres 1972 habe der Kläger nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag ein Gehalt von DM 2.500,- zuzüglich eines 13. Monatsgehalts als Tantieme erhalten. Dass sich die Entlohnung innerhalb von 25 Jahren nur um insgesamt DM 1.000,- brutto gesteigert haben sollte, sei unwahrscheinlich. Während des streitgegenständlichen Zeitraums sei der Kläger jedenfalls nicht versicherungs- bzw. beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Wann genau der Übergang vom angestellten zum selbständigen Steuerberater erfolgt sei, lasse sich nicht mehr aufklären, sei auch ohne Belang, da es ausschließlich auf die Verhältnisse in der Rahmenfrist ankomme.

III.

Mit der am 26.02.2001 zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und rügt unter anderem, dass die schriftliche Aussage seines Vaters vom 05.12.2000 nicht gewürdigt worden sei. Außerdem seien weder seine Ehefrau noch seine Tochter gehört worden, welche als langjährige Mitarbeiterinnen einen Einblick in sämtliche Interna der Kanzlei seines Vaters gehabt hätten. Er selbst sei hinsichtlich der Tätigkeit in dieser Kanzlei weisungsgebunden gewesen. Auch seien die beiden Kanzleien räumlich getrennt und deutlich voneinander unterschieden gewesen. Die vom SG gehörten Zeuginnen, deren Aussagen miteinander abgestimmt erschienen, hätten selbst keinen Einblick gehabt. Schließlich habe der Senior gegenüber der AOK nicht erklärt, nicht mehr Kanzleiinhaber zu sein, sondern allenfalls sagen wollen, wegen derartiger Kleinigkeiten wie Beitragsforderungen in der Kanzlei nicht mehr tätig zu sein. Außerdem sei der Senior bis in das Jahr 2000 hinein als Steuerberater tätig gewesen. Dessen Mitarbeiter seien er selbst und die Zeugin P. R. gewesen. Der Vater habe während der gesamten Zeit die Fäden für den Betriebsablauf nicht aus der Hand gegeben, er habe insbesondere nach dem Tod seiner Ehefrau den Goodwill und die persönliche Betreuung der Mandanten gepflegt. Für die Mandantschaft sei nicht notwendigerweise erkennbar oder von Interesse gewesen, ob der Kläger als Inhaber der entsprechenden Kanzlei oder als leitender Angestellter tätig gewesen sei, sondern lediglich die sachorientierte und kompetente Interessenwahrnehmung durch den Berufsträger "Steuerberater". Zur Entlastung innerhalb der Kanzlei des Vaters habe maßgeblich die als Teilzeitkraft angestellte Zeugin B. beigetragen. Demgegenüber seien in seiner eigenen Kanzlei insbesondere seine Ehefrau und seine Tochter tätig gewesen. Er habe eine Freiheitsstrafe wegen Taten verbüßt, die er erwiesenermaßen als angestellter Steuerberater seines Vaters begangen habe.

Die Beigeladene weist darauf hin, dass bis 15.06.1989 zwei Arbeitgeber- und Beitragskonten geführt worden seien, einerseits für den Senior, andererseits für den Kläger. Das Konto des Klägers sei seit dem 16.06.1989 nicht mehr aktiv gewesen, sämtliche Arbeitnehmer seien ausschließlich unter dem Konto des Seniors angemeldet worden, auch seien die Beiträge unter diesem Konto entrichtet worden. Nach dem Erhalt einer laufenden Monatsrechnung zum 01.04.1997 über DM 15.246,01 sei der Senior in den Räumen der AOK erschienen und habe erklärt, für die Beitragsforderung nicht zuständig zu sein, weil er bereits seit Jahren mit der Kanzlei nichts mehr zu tun habe. Aus diesem Grunde sei das Arbeitgeber- und Beitragskonto auf den Namen des Klägers berichtigt und am 15.04.1997 die korrigierte Beitragsrechnung abgesandt worden. Der Senior habe anläßlich der oben angeführten Vorsprache vorgetragen, Inhaber der Kanzlei sei der Kläger.

Demgegenüber verweist die Beklagte darauf, dass bereits der vorgelegte Arbeitsvertrag Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Tätigkeit des Klägers für seinen Vater von Beginn an nicht in Abhängigkeit ausgeübt worden sei, so sei die Höhe des Gehaltes abhängig vom Jahresergebnis/Umsatz gewesen, weshalb der Kläger von Anfang an ein gewisses Unternehmerrisiko getragen habe. Vereinbart worden sei eine ebenfalls umsatzabhängige Tantieme. Außerdem beinhalte der Vertrag eine für normale Arbeitnehmer unübliche jährliche Kündigung bzw. eine Kündigung nur im beiderseitigen Einvernehmen. Für eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sei keine Regelung getroffen worden. Vor allem aber das Aufgabengebiet des Kläger als eines selbständigen Steuerbevollmächtigten entspreche bereits nach dem Steuerberatungsgesetz nicht einem Angestelltenverhältnis. Insbesondere im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Vaters ab 1986 sei nicht anzunehmen, dass dem Kläger arbeitgeberübliche Anweisungen erteilt worden seien. Die Information über den Geschäftsgang belege nur ein weiteres Interesse des Vaters an der ehemals von ihm gegründeten Kanzlei, aber nicht, dass er noch unternehmerisch tätig gewesen sei, insbesondere nicht eine Beschäftigung des Klägers als Arbeitnehmer. Auch sei es unwahrscheinlich, dass er neben einer angegebenen Arbeitszeit von 35 Stunden in der Kanzlei des Vaters derart umfangreich in der eigenen Kanzlei gearbeitet haben könne. Für die Beklagte stehe fest, dass ursprünglich zwei Steuerberaterbüros W. R. angemeldet gewesen seien, der Vater möglicherweise auch seine Kanzleiräume tatsächlich beibehalten habe, somit eventuell sogar zwei Steuerbüros aufrecht erhalten worden seien. Real habe allerdings nur eine Kanzlei fungiert, und zwar unter der Leitung des Klägers. Falls die Steuerkanzlei R. senior weiterhin aktiv tätig gewesen sei, sei dieses völlig geräuschlos geschehen, ohne Mitarbeiter, ohne Vorsprache von Mandanten und nur mit sporadischer Anwesenheit des Seniors. Hieraus ergebe sich, dass das Arbeitsvolumen, das der Kläger für die Kanzlei seines Vaters habe aufwenden müssen, nicht mehr als kurzzeitigen Ausmaßes gewesen sein könne.

Der Außendienst habe bei der Vorsprache im Steuerbüro am 27.06.1997 nur den Kläger selbst angetroffen, obwohl dessen Arbeitsverhältnis bereits am 07.03.1997 fristlos beendet worden sei. Es sei auch nicht aufgefallen, dass sich im Hause zwei verschiedene Steuerbüros befunden haben sollten, jedenfalls sei hierüber im Außendienstbericht nichts vermerkt. Für das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sei auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Es überzeuge keineswegs, dass der Kläger noch während der maßgeblichen Rahmenfrist als weisungsgebundener Arbeitnehmer in mehr als kurzzeitigem Umfang für den Vater tätig gewesen sein wolle. Auch sei den jeweiligen Mandanten einer Kanzlei üblicherweise bekannt, bei welcher Kanzlei sie ihre Geschäfte tätigten. Die Klientel der Steuerkanzlei R. hätte aber wohl nicht gewusst, ob sie von der Kanzlei des Junior oder des Senior betreut worden sei. Der Kläger, der dem Vater allenfalls über die laufenden Geschäfte berichtet habe, habe im Übrigen im Termin vor dem SG Landshut ausgeführt, dass die von ihm benannten vier Mitarbeiter in seiner eigenen Steuerkanzlei beschäftigt gewesen seien. Auch die schriftlichen Ausführungen des Vaters des Klägers ergäben nicht, dass der Kläger in der Rahmenfrist tatsächlich 18 und mehr Arbeitsstunden wöchentlich als Arbeitnehmer beschäftigt worden sei. Er habe sich vielmehr nur von Fall zu Fall um die verbliebenen 30 Mandate gekümmert, wobei die Verwaltungs- und Bürotätigkeiten von seiner Frau und seiner Schwester abgenommen worden seien. Insgesamt sei ein Arbeitsanfall von mindestens 18 Wochenstunden nicht belegt.

Der Senat hat neben dem früheren Seniorchef, W. R. , die Tochter des Klägers, I. K. , sowie dessen Schwester, W. B. , uneidlich als Zeugen gehört. Auf deren Bekundungen im Einzelnen wird verwiesen. Mit Schriftsatz vom 15.03. 2004 verzichtete der Kläger auf die Vernehmung weiterer Zeugen, auch die Beklagte hält eine weitere Zeugenvernehmung für entbehrlich. Zu bedenken gebe, dass die Zeugin K. , die ab September 1996 ganztags in der Kanzlei des Klägers beschäftigt gewesen sei, keine Angaben über den Arbeitsumfang des Klägers in der Kanzlei seines Vaters habe machen können. Anläßlich ihrer Ganztagstätigkeit hätte ihr auffallen müssen, wenn ihr Vater aus den eigenen Kanzleiräumen in diejenigen ihres Großvaters hinübergewechselt wäre. Insbesondere nachdem Telefonate durchgestellt werden mussten und deshalb jeweils auch die Querverbindung herzustellen gewesen sei, wenn eigene Mandanten den Kläger hätten sprechen wollen. Über die tatsächliche Erteilung von Weisungen seitens des Seniors habe keine der Zeuginnen Angaben machen können. Den erstinstanziell vernommenen Zeuginnen H. , F. und H. sei die Existenz zweier nebeneinander betriebener Steuerkanzleien nicht aufgefallen, außerdem hätten letztere nicht bemerkt, dass der Kläger eine eigene Steuerkanzlei von untergeordneter Bedeutung geführt hätte und seine Hauptbeschäftigung in einem Angestelltenverhältnis in der nebenan geführten Kanzlei des Seniors bestanden habe.

Der Senat hat neben den Strafakten 3 Kls 53 Js 5071/97 die Akten der AOK Passau beigezogen. Aus ersteren ergibt sich eine Verurteilung wegen Untreue in 352 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Dem Tatbestand des Strafurteils zufolge war der Kläger als selbständiger Steuerberater in Passau tätig und betreute ca. 300 Mandanten. Im Antrag auf Aussetzung des Strafrestes vom 26.12.2000 führte der Verteidiger des Kläger aus, dass dieser 1964 in den Steuerberaterberuf eingetreten und zur Zeit seiner Verhaftung 23 Jahre selbständiger Steuerberater gewesen. Es handele sich um ein Familienunternehmen, das vom Vater gegründet worden sei, welcher heute 87 Jahre alt sei. Die Gesamtzahl der Mandanten habe mehr als 300 betragen.

Den Akten der AOK Passau zufolge teilte der Kläger unter der Betriebsnummer 84745994 mit Schreiben von 30.01.1997 mit, dass seine Tochter I. , die bis 31. August 1996 als Studentin in der Kanzlei tätig gewesen sei, ab September 1996 fest angestellt sei. Gleichzeitig wurde das Bruttoeinkommen des Klägers von bisher DM 3.500,- ab Januar 1997 auf DM 2.500,- gemindert. Nach Angaben der Beigeladenen ist der Senior Anfang April 1997 in den Räumen der AOK erschienen und hat erklärt, für die Beitragsforderungen nicht zuständig zu sein, da er bereits seit Jahren mit der Kanzlei nichts mehr zu tun habe. Aus der Vorsprache sei keineswegs zu entnehmen gewesen, dass er lediglich Aufgaben an seinen Sohn übertragen habe. Er habe vielmehr unmissverständlich dargelegt, dass er nicht mehr Inhaber der Kanzlei sei und die AOK deshalb von ihm keine Beiträge fordern könne. Die entsprechende Beitragsforderung für den Zeitraum 01.06.1996 mit 31.03.1997 in Höhe von DM 14.001,98 wurde daraufhin berichtigt und gegenüber dem Kläger geltend gemacht.

Der Senat hat neben der Leistungsakte der Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges sowie die oben angeführten Strafakten und Akten der Beigeladenen beigezogen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Landshut vom 07.12.2000 sowie den Bescheid vom 09.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 02.06.1997 Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 07.12.2000 zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge, der Leistungsakte der Beklagten, der Strafakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Landshut sowie der Beitragsakte der Beigeladenen Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 13.05.2004.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung des Klägers, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 09.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1997, mit welchem Arbeitslosengeld versagt worden ist.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Anspruch auf Alg ist § 100 Abs.1 des hier noch anwendbaren Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Voraussetzung ist danach neben dem Eintritt der Arbeitslosigkeit, § 101 AFG, der Verfügbarkeit, § 103 AFG, der Arbeitslosmeldung und Antragstellung, § 105 AFG, die Erfüllung der Anwartschaftszeit, § 104 AFG. Der Arbeitslose muss also innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht zur Beklagten begründenden Beschäftigung gestanden haben. Nach § 168 Abs.1 Satz 1 AFG waren beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren (Arbeitnehmer), soweit sie nicht nach den §§ 169 bis 169 c oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs.1 AFG beitragsfrei waren. Damit sollte sichergestellt werden, dass Leistungen nur demjenigen gewährt werden können, der bereits eine - in der Regel durch die Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung und nicht notwendigerweise durch Beitragszahlungen kenntlich gemachte - engere Beziehung zur Arbeitslosenversicherung besitzt. Letztere ist eine reine Arbeitnehmerversicherung und keine Formalversicherung, so dass die Forderung von Beiträgen durch die Einzugsstelle oder die Entgegennahme von Beiträgen durch die Beklagte keinen Vertrauensschutz begründet, vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 AFG Nr.8 mwN. Die Erfüllung der Anwartschaftzeit kann auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden, vgl. Brand in Niesel, AFG, 2. Auflage § 104 Rdnr.6. Der Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsförderungsrechtes setzt eine persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber in einem Beschäftigungsverhältnis voraus, d.h. eine Eingliederung in den Betrieb, die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Demgegenüber sind kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die Möglichkeit, frei über Arbeitsort und Arbeitszeit zu verfügen.

Wie das SG zutreffend dargelegt hat, kommt es in Zweifelsfällen darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht, allerdings zurücktritt, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend hiervon abweichen, vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, z.B. Urteil vom 14.12.1999, B 2 U 38/98R m.w.N.

Wesentliche Voraussetzung des beitrags- wie leistungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs ist gemäß § 169 a, § 101 AFG i.V.m. § 102 AFG, ob eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung während des Beschäftigungsverhältnisses in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate lang ausgeübt worden ist oder auszuüben beabsichtigt wurde. Das heißt, die beitragspflichtige Beschäftigung muss einen Umfang von mindestens 18 Stunden wöchentlich oder mehr einnehmen.

Insoweit hat sich aufgrund des Beweisergebnisses erster wie zweiter Instanz kein durchgreifender Anhaltspunkt für eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung des Klägers im Rahmen der Mitarbeit in der Steuerkanzlei seines Vaters ergeben. Insbesondere die vom Kläger benannten Familienmitglieder und vom Senat gehörten Zeuginnen I. K. und W. B. sowie der betagte Vater des Klägers haben insoweit keine verwertbare Aussage machen können. Die auf 35 Wochenstunden lautende Arbeitsbescheinigung vom 05.06.1997 enthält eigenen Angaben des Klägers zufolge eine geschätzte Annahme der Arbeitsstunden, da immer ein Festgehalt vereinbart gewesen sei und die Stunden offenbar nicht erfasst worden sind.

Der Umfang der behaupteten unselbständigen Tätigkeit in der Kanzlei des Vaters ist mithin nicht geklärt. Soweit der Kläger behauptet, für 300 eigene Mandate wöchentlich 15 Stunden aufgewandt zu haben, aber für die verbliebenen 30 Mandate seines Vaters 30 Stunden wöchentlich, vermag der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass der Kläger bei der Bearbeitung der restlichen Mandate seines Vaters durch seine Schwester und seine Frau entlastet worden ist, so dass das Vorbringen des Klägers nicht recht schlüssig erscheint. Selbst wenn für ein zehnmal größeres Volumen von Mandaten (300) nur ein fünffach höherer Stundenaufwand (5 x 18 Stunden) angesetzt werden könnte, verbliebe bei einer allenfalls zu unterstellenden 7-Tagewoche eine tägliche Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden täglich. Dieses Missverhältnis würde noch vergrößert, wenn tatsächlich die wöchentliche Stundenanzahl aus der Arbeitsbescheinigung zugrunde gelegt würde.

Was die Weisungsunterworfenheit des Klägers hinsichtlich der Tätigkeit für Mandate aus der früheren Kanzlei seines Vaters anbetrifft, so ergibt sich aufgrund des Ergebnisses der vom Senat durchgeführten Beweisaufname in gleicher Weise wenig Präzises. Hat die Schwester des Klägers bekundet, sie sei in den entscheidenden Augenblicken jeweils aus dem Zimmer gegangen, weil sie sich durch das Gespräch zwischen ihrem Vater und ihrem Bruder gestört gefühlt habe, so ergibt auch die Aussage der Tochter des Klägers hinsichtlich der behaupteten Weisungen nichts Verwertbares i.S. des Klagebegehrens, zumal letztere auch bei Besuchen des Großvaters im Krankenhaus oder in Reha-Aufenthalten maximal einmal wöchentlich dabei gewesen ist und Weisungen laut klägerischem Vortrag lediglich unter vier Augen erteilt worden seien. Bei der Sachlage verbleibt dem Senat, der sich zur Vermeidung von Wiederholungen den in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der erstinstanziellen Entscheidung anschließt und von einer weiteren Darstellung der Urteilsgründe absieht, § 153 Abs.2 SGG, lediglich der Hinweis darauf, dass sich weitere Ermittlungen nicht aufgedrängt haben, der Kläger die Feststellungslast hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen trägt und daher ihn die Folgen der Nichterweislichkeit treffen.

Nach allem ist das erstinstanzielle Urteil ebenso wenig zu beanstanden wie die streitbefangenen Bescheide der Beklagten. Der Berufung des Klägers muss der Erfolg mithin versagt bleiben.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte die Beklagte, welche für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die dem Kläger zu dessen Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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