L 8 AL 290/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 223/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 290/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer zwölf-wöchigen Sperrzeit und eine daraus resultierende Erstattungspflicht streitig.

Der 1949 geborene Kläger, der sich bis auf eine kurze Beschäftigung vom 03.02. bis 10.03.2000 bei der Beklagten seit 11.07.1981 im Leistungsbezug befindet, beantragte am 09.06.2000 erneut die Fortzahlung von Alhi, die ihm mit Bescheid vom 19.06. 2000 ab 01.06.2000 bewilligt wurde.

Am 25.04.2001 unterbreitete die Beklagte ihm einen Vermittlungsvorschlag als Hilfsarbeiter bei der "Gemeinnützigen Arbeitnehmerüberlassung der beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Wirtschaft" mit entsprechender Rechtsfolgenbelehrung. Die Stellenbeschreibung lautete: "Teile feilen, Metallkenntnisse, brauchbare Deutschkenntnisse, keine zusätzlichen Anforderungen". Am 26.04.2001 stellte sich der Kläger dort vor. Ein Beschäftigungsverhältnis kam nicht zustande. In seiner Stellungnahme zum Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses führte der Kläger aus, man habe ihm einen Vordruck über Ausbildung, Berufserfahrung usw. gegeben, den er in einer nicht belüfteten "Rumpelkammer" habe ausfüllen sollen. Ohne Frage habe ihn die Aussicht einer Hilfsarbeiter-Tätigkeit "fasziniert". Er habe den Personalreferent Herrn K. mitgeteilt, dass Herr S. vom Arbeitsamt wohl "geistesgestört" sei, wenn man ihm einen derartigen Vermittlungsvorschlag unterbreite. Er habe dann das Formular nicht ausgefüllt und habe dieses, nachdem er es Herrn K. überreicht hatte, wieder von diesem zurückgefordert. Dies sei ihm jedoch verweigert worden. Daraufhin habe Herr K. die Polizei gerufen. Er selbst habe Anzeige wegen Nichtherausgabe des Formulars erstatten wollen.

Der Personalreferent Herr K. äußerte sich der Beklagten gegenüber dahingehend, auf den Vorschlag vom 25.04.2001 sei der Kläger zu einem Vorstellungsgespräch gekommen. Dieser sei von Anfang an darüber erzürnt gewesen, weil er für eine Helfertätigkeit vorgeschlagen worden sei. Er habe einen Berufsabschluss und diesen Vorschlag habe wohl ein "Wahnsinniger" vom Arbeitsamt gemacht. Der Kläger habe sich dann auch geweigert, den Personalfragebogen vollständig auszufüllen. Daraufhin habe er - Herr K. - gesagt, dass das Vorstellungsgespräch ohne ausgefüllten Fragebogen nicht stattfinden könne. Daraufhin habe der Kläger über den Tisch gegriffen und ihm den Fragebogen aus der Hand gerupft, so dass dieser zerriss. Er habe den Kläger des Hauses verwiesen. Auch die Drohung, den Kläger mit Hilfe der Polizei entfernen zu lassen, habe nicht geholfen. So sei dann die Polizei gerufen worden, die die Personalien des Klägers festgestellt und ihn dann hinaus begleitet habe. Es sei sicher nachvollziehbar, dass es zu keiner Einstellung des Klägers gekommen sei.

Mit Bescheid vom 17.05.2001 stellte die Beklagte eine Sperrzeit vom 27.04. bis 30.04.2001 fest. Das unterbreitete Arbeitsangebot als Hilfsarbeiter habe den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entsprochen, weshalb die Arbeit auch zumutbar gewesen sei. Mit der Unterbreitung des Angebots sei der Kläger darüber belehrt worden, dass er Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit geben würde, sofern ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zustande komme und er für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Der Kläger habe voraussehen müssen, dass er infolge seines Verhaltens arbeitslos bleiben würde. Nach Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft sei eine Sperrzeit festzusetzen, zumal man auch in den vorhandenen Unterlagen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für das Verhalten gefunden habe. Wegen der festgesetzten Sperrzeit werde die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 330 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vom 27.04.2001 bis 19.07.2001 rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien vom Kläger in Höhe von DM 132,68 zu erstatten.

Mit Bescheid vom 18.05.2001 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 17.05.2001 dahingehend ab, dass eine Sperrzeit vom 27.04. 2001 bis 09.07.2001 (Änderung des Sperrzeitendes) festgestellt wurde. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger erneut geltend, bei dem unterbreiteten Vermittlungsvorschlag handle es sich um eine artfremde Tätigkeit, die er nicht habe annehmen müsse. Im Übrigen trug er seine Ansichten über politische und arbeitsmarktliche Zustände vor und verlangte die "Stornierung der Sperre". Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2001 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die angebotene Arbeit sei dem Kläger aufgrund der Dauer seiner Arbeitslosigkeit zumutbar, zumal ein Berufsschutz vornehmlich oder ausschließlich für die von ihm favorisierte Beschäftigung im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht bestehe. Der Kläger habe sich bei seiner Vorstellung geweigert, den Personalfragebogen vollständig auszufüllen und habe nach mündlicher Auseinandersetzung schließlich mit Hilfe der Polizei aus den Geschäftsräumen des Arbeitgebers entfernt werden müssen. Dass der Kläger nach einer derartigen "Vorstellung" nicht eingestellt werden würde, läge auf der Hand und sei für ihn auch absehbar gewesen. Weil die vom Kläger provozierte Arbeitsvereitlung einer Arbeitsablehnung gleichstehe und ein wichtiger Grund für sein Verhalten nicht vorgetragen und auch nicht vorstellbar sei, sei zu Recht eine Sperrzeit eingetreten, die das gesetzliche Normalmaß von zwölf Wochen umfasse, da auch keine Umstände ersichtlich seien, die nach der Härteregelung eine Ermäßigung der Sperrzeit auf sechs Wochen rechtfertigen würden.

Ab 20.07.2001 erfolgte eine Weiterbewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ausgeführt, die Leis- tungen seien ihm vorsätzlich verweigert worden. Er sei nicht arbeitsunwillig. Allein die Vorstellung, wie ein 53-Jähriger den Wiederaufbau der "24 Wochen" zur Leistungsgewährung bei Vollarbeitslosigkeit in dem "verwahrlosten Deutschland" schaffen solle, verwehre jeden Ansatz zur vorsätzlichen Arbeitsverweigerung. Die Sperrzeit müsse deshalb mit Bedauern zurückgenommen werden.

Auf Anfrage des Gerichts teilte die Beklagte mit, dass der Monatslohn gemäß der Bestätigung des potentiellen Arbeitgebers DM 2.307,51 betragen hätte (14,20 DM Stundenlohn x 37,5 Std.: 13 x 3).

Mit Urteil vom 16.07.2003 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen und voll inhaltlich auf die Ausführungen der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden verwiesen (§ 136 Abs.3 SGG). Auch die Kammer könne das Verhalten des Klägers bei seinem Gespräch am 26.04.2001 beim potentiellen Arbeitgeber nicht nachvollziehen. Dass der Kläger seine Situation insgesamt als nicht sehr befriedigend ansehe, werde aus seinen vielfältigen Äußerungen ersichtlich. Hierüber habe die Kammer aber nicht zu entscheiden. Sie habe lediglich feststellen dürfen, ob das am 26.04.2001 an den Tag gelegte Verhalten eine Sperrzeit gerechtfertigt habe.

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger erneut aus, es stelle eine "menschenverachtende" Behandlung und "Abkanzelung" durch die Beklagte dar, wenn er vom Industriekaufmann über den Fachkellner eine Hilfsarbeitertätigkeit aufnehmen solle. Es müsse seine fachliche Reputation wieder hergestellt werden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.09.2004 beantragte der Kläger sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.07.2003 sowie die Bescheide vom 17.05.2001 und 18.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass dem Kläger Tätigkeiten auf der Hilfsarbeiterebene zuzumuten seien. Der Kläger habe bis auf eine kurze Beschäftigung vom 03.02. bis 10.03.2000 seit dem 11.07.1981 nicht mehr gearbeitet. Er habe fast durchgehend im Leistungsbezug gestanden. Gemäß § 121 Abs.5 SGB III sei eine Beschäftigung für einen Bezieher von Leistungen der Arbeitslosenversicherung nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie unter anderem nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehöre, für die der Arbeitnehmer ausgebildet sei oder die er bisher ausgeübt habe. Dies gelte hier um so mehr, als die letzte, vom Kläger länger ausgeübte Tätigkeit, rund 20 Jahre zurückliege. Die Weigerung des Klägers im Vorstellungsgespräch, einen Personalbogen vollständig auszufüllen und das weiter gezeigte Verhalten würden beweisen, dass der Kläger tatsächlich an einer Arbeitsaufnahme zur Beendigung seiner langjährigen Arbeitslosigkeit nicht interessiert sei. Sein Hinweis auf eine im Jahr 1964 abgeschlossene schulische Ausbildung sei bezeichnend für seine Begründung, jedoch sei ein Festhalten auf der Ebene ab- gelegter Ausbildungen und Berufserfahrungen nach dieser Zeit nicht mehr objektiv berücksichtigungsfähig.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG Landshut mit Urteil vom 16.07.2003 die Klage abgewiesen, da die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.

Denn der Kläger hat, ohne einen wichtigen Grund zu haben, das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses bei der "Gemeinnützigen Arbeitnehmerüberlassung der beruflichen Fortbildungszentren der bayerischen Wirtschaft" durch sein Verhalten verhindert.

Gemäß § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeit- gebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründet. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alhi (§ 198 i.V.m. § 144 Abs.2 SGB III). Würde eine Sperrzeit von zwölf Wochen nach den für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen für den Arbeitslosen eine besondere Härte bedeuten, so umfasst die Sperrzeit sechs Wochen (§ 144 Abs.3 SGB III).

Dem Kläger wurde am 25.04.2001 eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter (Feilen von Metallteilen) bei der genannten Einrichtung angeboten. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen hat der Kläger durch sein Verhalten beim Vorstellungsgespräch am 26.04.2001 das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses vereitelt. Nach seinen eigenen Angaben, die vom Personaldisponenten bestätigt wurden, empfand er die Hilfsarbeitertätigkeit aufgrund seiner (sehr lange zurückliegenden) ausgeübten Tätigkeiten für unangemessen. Anlässlich des Vorstellungsgesprächs teilte er dem potentiellen Arbeitgeber mit, dass er die angebotene Arbeit als unzumutbar empfinde. Diesen Vorschlag habe wohl ein "Geisteskranker" vom Arbeitsamt unterbreitet. Der Kläger war beim Vorstellungsgespräch auch nicht bereit, den Personalfragebogen vollständig auszufüllen, was aber eine Voraussetzung für das Vorstellungsgespräch gewesen wäre. Vielmehr wollte er den Personalbogen schließlich wieder zurück bekommen. Hierbei entwi- ckelte sich eine Auseinandersetzung mit dem Personaldisponenten, die schließlich mit Hilfe der Polizei gelöst werden musste.

Für sein Verhalten stand dem Kläger auch kein wichtiger Grund zur Seite. Das Vermittlungsangebot war insbesondere zumutbar, nachdem der Kläger seit über 20 Jahren im Leistungsbezug der Beklagten steht. Eine vom Kläger favorisierte Beschäftigung im Hotel- und Gaststättengewerbe kann nicht berücksichtigt werden, zumal ein entsprechender Berufsschutz nicht besteht. Auch die Vergütung für die angebotene Arbeit ist nicht zu beanstanden, da der Monatslohn DM 2.307,15 betragen hätte, was bei einer 37,5-Stundenwoche einem Stundenlohn von DM 14,20 entsprach. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Alhi aus Steuermitteln finanziert wird.

Die für den Eintritt der Sperrzeit maßgeblichen Tatsachen führen auch nicht zur Annahme einer besonderen Härte.

Der Sperrzeiteintritt stellt eine für den Anspruch auf Alhi wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 SGB X dar. Gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 Abs.3 SGB III war die Bewilligung für die Dauer der Sperrzeit aufzuheben. Der Aufhebung folgt gemäß § 50 Abs.1 SGB X eine Rückzahlungspflicht der bereits erbrachten Leistungen.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.07.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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