L 12 KA 137/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 3235/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 137/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 102/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 2. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin zur vertragsärztlichen Versorgung.

Die 1944 geborene Klägerin ist als Psychologische Psychotherapeutin approbiert (vgl. Approbationsurkunde vom 4. Januar 1999). Sie ist seit Juli 1987 halbtags in freier Praxis niedergelassen und nimmt seit März 1988 am Delegationsverfahren teil (vgl. Schreiben der KVB vom 29. März 1988 bzgl. Anerkennung als nichtärztliche Verhaltenstherapeutin). Die Klägerin ist zudem seit November 1992 halbtags an der psychosomatischen Abteilung des Krankenhauses M. (KMH) als klinische Psychologin (19,25 Stunden) beschäftigt.

Die Klägerin hat am 9. November 1998 Antrag auf bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Psychotherapeutin gestellt.

Der Antrag der Klägerin wurde mit Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte und Psychotherapeuten München Stadt und Land vom 13. Juli 1999 abgelehnt. Die Klägerin habe keine besitzstandswahrende Vortätigkeit im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V erbracht.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10. August 1999, der mit Schriftsatz vom 5. Juni 2000 näher begründet wurde. Die Klägerin habe im Dreijahreszeitraum (Zeitfenster) insgesamt 313 Stunden Behandlungstätigkeit zu Lasten der GKV nachgewiesen und innerhalb eines Jahreszeitraumes 157 Stunden. Der Gesetzgeber habe in § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V keine bestimmte Anzahl von Behandlungsstunden festgelegt und demzufolge auch keinen entsprechenden Nachweis von den Antragstellern gefordert. Der Gesetzgeber gehe vielmehr davon aus, dass überhaupt in diesem Zeitraum eine ambulante psychotherapeutische Versorgung innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung stattgefunden haben müsse. Diese Ansicht habe sich in Literatur und Rechtsprechung durchgesetzt. Zudem seien zu Gunsten der Klägerin Sachverhalte zu beachten, die es der Klägerin unmöglich gemacht hätten, die von der KBV vorgegebenen 250 Stunden in einem Jahr innerhalb des Dreijahreszeitraumes zu verwirklichen. Die Antragsstellerin habe seit November 1992 eine Halbtagsstelle mit 19,25 Stunden in der psychosomatischen Abteilung des Krankenhauses M ... Wer sein Einkommen aus anderen therapeutischen Tätigkeiten außerhalb der Kassenpraxis erziele, könne die vom Zulassungsausschuss vorgegebenen Kriterien nicht erfüllen. Delegations-Psychotherapeuten hätten durch ihre Tätigkeit im Delegationsverfahren vor Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes am 1.Januar 1999 zur Versorgung von Patienten in der GKV in hohem Maße beigetragen und daraus ihr Erwerbseinkommen erzielt. § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V nehme denjenigen Delegationsbehandlern, die in dem Zeitkorridor keine Behandlung zu Lasten der GKV nachweisen könnten, diesen Besitzstand. Dies sei entweder verfassungswidrig oder die Vorschrift sei im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zu verstehen, dass diesen delegationsberechtigten Behandlern gleichwohl eine bedarfsunabhängige Zulassung zu erteilen sei. Der Zulassungsausschuss habe auch keine individuelle Würdigung des beruflichen Werdegangs der Klägerin vorgenommen. Die Klägerin habe durch ihre jahrzehntelange Qualifiktion in dem Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie im Klinkum Kolleginnen und Kollegen supervidiert sowie Lehr- und Kontrollanalysen durchgeführt. Die Lebensplanung der Klägerin habe vorgesehen, sich mehr und mehr aus der klinischen Tätigkeit zurückzuziehen und nur noch in ihrer eigenen psychotherapeutichen Praxis tätig zu sein. Außerdem habe die Klägerin Kassenpatienten, wenn die bewilligten Stunden ausgelaufen gewesen seien, als Selbstzahler weiter behandelt. Die Therapieplätze hätten dann nicht mehr durch "neue Kassenpatienten" besetzt werden können. Hinzu komme, dass die Klägerin gerade im Zeitraum des Zeitkorridors aus Krankheitsgründen nur reduziert für ihre private Praxis arbeiten und Patienten der GKV habe behandeln können.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsätzen vom 4. Dezember 2000 und 9. März 2001 dargelegt, dass die Klägerin im Dreijahreszeitraum 309 psychotherapeutische Behandlungsstunden durchgeführt habe und im günstigsten 12-Monatszeitraum von Quartal 1/96 bis Quartal 4/96 108 Stunden. Hierdurch werde eine schützenswerte Praxissubstanz nicht begründet.

Der Beklagte hat mit Beschluss vom 17. September 2001/Bescheid vom 22.Oktober 2001 den Widerspruch der Klägerin vom 10 August 1999 gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte und Psychotherapeuten München Stadt und Land vom 27. März 1999 zurückgewiesen. Die Klägerin habe mit 309 Behandlungsstunden, davon 108 in einem zusammenhängenden Jahreszeitraum, keinen schützenwerten Besitzstand erworben. Selbst wenn man die von der Klägerin vorgetragenen, aber nicht nachgewiesenen 313 Behandlungsstunden in drei Jahren bzw. 144 Behandlungsstunden in einem Jahr berücksichtigen würde, würde dies für die Begründung einer besitzstandswahrenden Vortätigkeit nicht ausreichen. Auch die Tätigkeit vor dem Zeitfenster zeige, das die Praxis nur nebenbei betrieben worden sei, da in 5 1/2 Jahren nur 843 Stunden, also nur etwa 3,5 Stunden wöchentlich, erbracht worden seien. Die Nichtberücksichtigung von nach dem Endstichtag (24. Juni 1997) erbrachen Leistungen sei nicht willkürlich und nicht verfassungswidrig. Die Orientierung an einem Behandlungsumfang von 250 Stunden in einem halben bis einem Jahr während des Zeitfensters innerhalb der vom BSG vorgenommenen Konkretisierung der Teilnahme (vgl. die Entscheidungen vom 8. November 2000, B 6 KA 22/00 R, B 6 KA 51/00 R, B 6 KA 46/00 R und andere). Da § 95 Abs.10 SGB V bereits eine Härtefallregelung zugunsten der Psychotherapeuten sei und allein auf den erworbenen schützenswerten Besitzstand abstelle, könnten weitere persönliche Gesichtspunkte im Rahmen der bedarfsunabhängigen Zulassung keine Berücksichtigung finden. Dies gelte neben der Erkrankung insbesondere für die anderweitige Tätigkeit, die die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum ausgeübt habe. Diese Tätigkeit sei Teil ihrer privaten Lebensplanung gewesen und könne im Nachhinein nicht dazu dienen, einen Besitzstand zu begründen. Auch die Tatsache, dass die Klägerin infolge ihres Alters nach § 25 Ärzte-ZV grundsätzlich keine bedarfsabhängige Zulassung mehr erhalten könne, begründe keinen Anspruch auf Erteilung einer bedarfsunabhängigen Zulassung.

Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin vom 22. November 2001.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2001 nochmals vorgetragen, dass die Klägerin im Zeitfenster keinen hinreichenden Besitzstand erworben habe und überwiegend im Angestelltenverhältnis tätig gewesen sei. Die Rechtsprechung des BSG sei inzwischen vom Bundesverfassungsgericht in zwei Nichtannahmebeschlüssen bestätigt worden. Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 18. Februar 2002 nochmals darauf hingewiesen, dass die von der Klägerim erbrachten psychotherapeutischen Behandlungsstunden während des Zeitfensters nicht geeignet seien, eine schützenswerte Praxissubstanz zu begründen. Sie habe im gesetzlichen Dreijahreszeitraum im Delegationsverfahren insgesamt 309 Behandlungsstunden und im günstigsten Zwölfmonatszeitraum (Quartale 1/96 bis 4/96) maximal 108 Behandlungsstunden erbracht. Dies ergebe einen durchschnittlichen Behandlungsumfang im Dreijahreszeitraum von 2,3 Wochenstunden und im obengenannten Jahreszeitraum von 2,5 Wochenstunden. Die Klägerin, die ihre Praxis bereits 1988 eröffnet habe, habe genügend Zeit gehabt, bis zum Beginn des Zeitfensters eventuelle Anlaufschwierigkeiten zu überwinden. Der Status der Klägerin sei während des gesamten Zeitfensterzeitraumes in zeitlicher wie in finanzieller Hinsicht durch die Tätigkeit am Krankenhaus H. gekennzeichnet gewesen. Unerheblich seien schließlich etwa persönliche Gründe, die die Klägerin an einer verstärkten Tätigkeit zu Lasten der GKV gehindert haben mögen. § 95 Abs.10 SGB V sei keine bloße Übergangsregelung, sondern bereis per se eine Härtefallregelung , die allein an den Aufbau einer schützenswerten Praxissubstanz, d.h. an die tatsächliche und erhebliche Teilnahme an der ambulanten Versorgung der Versicherten, nicht aber an in der Person der Klägerin liegende Gründe anknüpft. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin selbst in dem beigefügten Schreiben vom 5. November 1998 anderweitige Erwerbstätigkeiten, d.h. die Tätigkeiten am Krankenhaus M. sowie die daneben in der Klinik durchgeführten Supervisionen und Lehranalysen für Kolleginnen als Grund ihres geringen Tätigkeitsumfanges in eigener Praxis anführe.

Die Klägerin hat hierzu mit Schreiben vom 25. Juli 2002 Stellung genommen. Sie habe sich 1988 halbtags selbständig gemacht und habe als Delegationspsychologin im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie gearbeitet. Sie habe über die ganze Zeit immer 4 bis 5 Kassenpatienten behandelt, um den Status aufrecht zu erhalten. Die durchschnittliche Stundenzahl der über die GKV abgerechneten Stunden entspreche nicht den von der KV willkürlich festgelegten Stunden in einem Jahr, da sie halbtags in der Klinik (Psychosomatik, H. KH) tätig gewesen sei, sie nur acht Monate im Jahre habe behandeln können, weil sie in den bayerischen Ferien in der Klinik Vertretung gehabt habe und ihren Urlaub außerhalb der Ferienzeit habe nehmen müssen und die Patienten, bei denen das bewilligte Kontingent abgelaufen gewesen sei, selbst zahlend noch eine Zeitlang weiter in Behandlung gekommen seien. Zu keiner Zeit sei sie aufgefordert worden, die Halbtagsstelle aufzugeben oder mehr Kassenpatienten zu übernehmen. Auch eine Nachfrage (telefonisch 1996) bei der KVB, ob ihr die geringe Patientenzahl zum Nachteil gereichen könnte, sei mit "Nein" beantwortet worden. Sie habe daher davon ausgehen können, dass ihr die Kassenanerkennung sicher sei und habe sie deshalb als stabilen Faktor in die Zukunftsplanung immer miteinbezogen. Die geringe Stundenzahl komme auch dadurch zustande, dass sie in der Praxis zusätzlich Supervisionen (Kontrollanalysen) und Lehranalysen für Kollegen in einem nicht anerkannten Verfahren durchgeführt habe. Sie habe zur Zeit eine einzige Ausbildungskandidatin und 13 Kassenpatienten. Der Entzug der Kassenanerkennung würde ihre berufliche Existenz und die Existenzgrundlage überhaupt gefährden. Von der Halbtagsstelle könne sie nicht einmal die Miete bezahlen. Vor allem aber habe sie die Kassenpraxis als berufliche Alterssicherung eingeplant. Sie sei jetzt 58 Jahre alt. Ein Praxiskauf oder Job-Sharing seien ihr deshalb nicht mehr möglich, auch eine Ganztagsstelle zahle in ihrem Alter kein Arbeitgeber mehr. Die Rente aus der Halbtagstätigkeit betrage zum jetzigen Zeitpunkt ca. 800,- Euro.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 2. Juli 2003 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe in einem zusammenhängenden Zeitraum von 12 Monaten lediglich 108 Behandlungsstunden erbracht. Dies bedeute auf Wochenstunden umgerechnet eine Stundenzahl von ca. zwei Stunden pro Woche bei 52 Wochen im Jahr. Daneben sei die Klägerin halbtags in einem Angestelltenverhältnis gestanden. Der Schwerpunkt ihrer Berufstätigkeit habe somit bei ihrer Angestelltentätigkeit gelegen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 17. Sep- tember 2003 die mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2003 näher begründet wurde. Schon das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom November 2000 festgestellt, dass "alle Umstände, die für das Vorliegen eines Härtefalls relevant sein könnten, in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen seien". Ein solcher Härtefall liege hier vor. Die Klägerin sei bereits seit 1975 psychotherapeutisch tätig. Seit 1988 habe sie halbtags als Delegationspsychologin im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie in M. mit regelmäßig vier bis fünf Kassenpatienten gearbeitet. Der Härtefall der Klägerin sei darin zu sehen, dass sie aufgrund ihrer Lebensplanung die berufliche Tätigkeit als bei der GKV abrechnende Therapeutin als Alterssicherung eingeplant habe und ihr keine Tätigkeitsalternative bleibe. Eine Ganztagsstelle werde sie in ihrem Alter nicht mehr erhalten. Hinzu komme, dass die Klägerin eine Patientengruppe behandele, die in den ambulanten Praxen wenig beliebt sei und die monatelang auf einen Therapieplatz warten müsse. Aus diesem Grunde werde auch ein Antrag auf Sonderbedarfszulassung gestellt werden. Des Weiteren werde die Möglichkeit eines Praxiskaufs erwogen.

Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Erstgerichts und den Bescheid des Beklagten vom 22. Oktober 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bedarfsunabhängig als Psychologische Psychotherapeutin zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Die Beigeladenen zu 1, 2, 4 und 5 stellen den Antrag, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) hat mit Schriftsatz vom 13. Februar 2004 darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine besitzstandswahrende Vortätigkeit im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V vorweisen könne. Die Regelung des § 95 Abs.10 SGB V stelle eine Härtefallregelung dar, die nicht schlechthin jede Härte ausgleiche, wohl aber den Erhalt der schützenswerten Substanz einer selbst geschaffenen Praxis mit ihrem materiellen und immateriellen Wert zur Fortsetzung der bereits ausgeübten Behandlungstätigkeit als Vertragspsychotherapeut.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 38 KA 3235/01 sowie die Akte des Bayerischen Landessozialgerichts mit dem Az.:L 12 KA 137/03 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin (§ 151 Abs.1 SGG) ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psychologische Psychotherapeutin am Sitz ihrer Praxis in M. , einem überversorgten Planungsbereich, da sie die Voraussetzungen des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V nicht erfüllt.

Gemäß § 95 Abs.10 SGB V (eingefügt durch Art.2 Nr.11 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichen-Therapeuten vom 16. Juni 1998, BGBl I, Seite 1311) sind Psychologische Psychotherapeuten zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zuzulassen, wenn sie bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 des Psychotherapeutengesetzes sowie des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr.3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt haben (Satz 1 Nr.1); darüber hinaus müssen sie bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorgelegt (Satz 1 Nr.2) und in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 (sogenanntes Zeitfenster) an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (Satz 1 Nr.3 a.a.O.). Die Auslegung des Merkmals der "Teilnahme" an der Versorgung im Sinne des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V wird durch die Funktion der Vorschrift bestimmt, für Härtefälle eine Ausnahme von dem Grundsatz der bedarfsabhängigen Zulassung der Psychologischen Psychotherapeutin zu ermöglichen (BSGE 87, 158, 164 = SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 111 unter Hinweis auf BT-Drucksache 13/9212, Seite 14 und BVerfG SozR 3-2500 § 95 Nr.24, Seite 103). Es geht dabei nicht um den Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV als solchen, sondern lediglich um die Möglichkeit, sich an einem Ort niederzulassen, der auf der Grundlage der im Rahmen der Bedarfsplanung getroffenen Feststellungen bereits überversorgt ist, d.h., für den Überkapazitäten auf Seiten der psychotherapeutischen Leistungserbringer bestehen. Zulassungsbewerbern, die sich bei der Auswahl des Praxissitzes typischerweise an ihrem bisherigen Lebensmittelpunkt orientieren, wird grundsätzlich zugemutet, dass sie den Ort ihrer Zulassung nicht nach eigenen Wünschen frei wählen können, sondern sich nach dem Versorgungsbedarf der Versicherten richten. Eine Ausnahme davon sieht § 95 Abs.10 SGB V nur für Zulassungsbewerber vor, die bereits im Zeitfenster an der Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben (Satz 1 Nr.3 a.a.O.). Diese Begünstigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Betroffene bereits unter Einsatz von Arbeitskraft und finanziellen Mitteln eine eigene Praxis eingerichtet und in einem rechtlich erheblichem Umfang betrieben hat. Sowohl in Bezug auf die Inanspruchnahme der Arbeitskraft des Psychologischen Psychotherapeuten als auch im Hinblick auf den wirtschaftlichen Ertrag seiner Tätigkeit muss dabei in eigener Praxis annähernd das für eine Berufstätigkeit typische Ausmaß erreicht worden sein. Aus dem Gesetzeszweck ergibt sich, dass der Begriff der "Teilnahme" die eigenverantwortliche Behandlung von Versicherten der GKV in anerkannten Behandlungsverfahren in eigener Praxis und mit einem bestimmten Behandlungsumfang erfordert. Die nachhaltig auf die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Versicherten der GKV ausgerichtete Tätigkeit muss zumindest einen von zwei gleich zu gewichtenden Schwerpunkten der beruflichen Tätigkeit des Betroffenen gebildet haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr.25, Seite 126 und BSG, Urteil vom 11. September 2002, Med. Recht 2003, 356 ff.).

Vor diesem Hintergrund erfordert eine "Teilnahme" im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V grundsätzlich eine Vortätigkeit, die sich auf 250 an Versicherten der GKV erbrachte Behandlungsstunden beläuft, welche - innerhalb des Zeitfensters - konzentriert in einem Halbjahreszeitraum erbracht wurden. Dieser Wert, der umgerechnet ca. 11,6 Behandlungsstunden wöchentlich ergibt, erreicht bei großzügiger Betrachtung unter Berücksichtigung des Begleitaufwandes ungefähr die Hälfte des zeitlichen Aufwandes, der in der gleichen Zeit von einem ausschließlich in eigener voll ausgelasteter Praxis tätigen Psychotherapeuten im Regelfall bewältigt wird.

Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt bei der Klägerin keine bestandsgeschützte "Teilnahme" im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V vor. Die Klägerin hat nach den von ihr vorgelegten Behandlungsausweisen und den Häufigkeitsstatistiken im gesetzlichen Dreijahreszeitraum vom 25. Juni 1994 bis 24. Juni 1997 im Delegationsverfahren insgesamt 309 psychotherapeutische Behandlungsstunden erbracht (Quartal 3/94: 44 Behandlungsstunden; Quartal 4/94: 21; Quartal 1/95: 23; Quartal 2/95: 18; Quartal 3/95: 20; Quartal 4/95: 17; Quartal 1/96: 42; Quartal 2/96: 17; Quartal 3/96: 28; Quartal 4 /96: 21; Quartal 1/97: 37 und Quartal 2/97: 21).

Bei Zugrundelegung des gesamten Dreijahreszeitraums würde sich bei einer angenommenen Arbeitszeit von 43 Wochen pro Jahr wegen Urlaubs- bzw. Krankheitszeiten ein wöchentlicher Behandlungsumfang von 2,39 Behandlungsstunden ergeben, womit die vom BSG für notwendig erachtete Behandlungszahl von ungefähr 11,6 Stunden pro Woche bei weitem nicht erreicht wird. Allerdings ist eine auf den gesamten Dreijahreszeitraum abstellende Betrachtungsweise nach dem Bundessozialgericht (BSG, SozR 3-2500, § 95 SGB V Nr.25, Seite 126) ohnehin nicht zulässig. Wenn man auf den günstigsten Jahreszeitraum in den Quartalen 1/96 bis 4/96 mit insgesamt 108 Stunden abstellt, kommt man bei der obengenannten Betrachtungsweise auf eine Stundenzahl pro Woche in Höhe von 2,51 Behandlungsstunden. Stellt man schließlich auf den günstigsten Halbjahreszeitraum ab (Quartale 3/94 und 4/94) kommt man nach der obengenannten Betrachtungsweise bei 65 abgehaltenen Behandlungsstunden auf eine Behandlungsstundenzahl pro Woche in Höhe von 3,02 Stunden.

Selbst wenn man die von der Klägerin vorgetragenen, aber nicht nachgewiesenen 313 Behandlungsstunden in drei Jahren bzw. 144 Behandlungsstunden in einem Jahr zugrunde legen würde, würde dies für die Begründung einer besitzstandswahrenden Vortätigkeit nach der dargestellten Berechnungsweise nicht ausreichen (2,4 bzw. 3,4 Behandlungsstunden pro Woche). Auch die Tätigkeit vor dem Zeitfenster zeigt, dass die private Praxis nur nebenbei betrieben wurde, da in 5 1/2 Jahren nur 843 Stunden, das entspricht 3,5 Stunden wöchentlich, erbracht wurden.

Weitere Stunden hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Die von ihr angesprochenen, im Einzelnen nicht näher dargelegten Stunden als Supervisorin können nicht als Teilnahme im Sinne von § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V berücksichtigt werden. Das Merkmal der Teilnahme kann nur mit Behandlungsleistungen erfüllt werden, die der Therapeut eigenverantwortlich erbracht und selbst abgerechnet hat, sei es gegenüber der KÄV nach den Regelungen der Psychotherapievereinbarung, sei es auf der Grundlage des § 13 Abs.3 SGB V zu Lasten der Krankenkassen. Als Bestandsschutz- und Härtefallregelung verlangt § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V daher, dass der Therapeut bereits in der Vergangenheit im Verhältnis zu den Kostenträgern einen Rechtsstatus inne hatte, der demjenigen der Vertragsärzte nahe kommt. Dies trifft für die Leistungen der Klägerin als Supervisorin nicht zu. Hierbei handelt es sich gerade nicht um Behandlungsleistungen, die die Klägerin als Therapeutin eigenverantwortlich im Wege des Delegationsverfahrens oder des Kostenerstattungsverfahrens erbracht und selbst abgerechnet hat. Zudem betrifft die Supervision das Verhältnis Supervisor zum Psychotherapeuten und nur in mittelbarer Weise das Verhältnis zum Patienten. Behandelnder Therapeut ist nicht der Supervisor, sondern allein der Supervisant, der auch allein entscheidet, ob überhaupt und in welchem Umfang der Supervisor im konkreten Fall eingeschaltet wird. Aus diesen Gründen wird der Supervisor in der Regel hinsichtlich der Supervisorentätigkeit vom Therapeuten vergütet und nicht vom Patienten.

Insgesamt erreicht damit die Klägerin nicht annähernd den vom BSG für erforderlich gehaltenen Behandlungsumfang von mindestens 11,6 Stunden pro Woche.

Der Grund für den geringen Umfang an psychotherapeutischen Behandlungsstunden bei der Klägerin liegt - wie diese auch selbst geltend macht - im Wesentlichen darin, dass sie im Zeitfenster halbtags mit 19,25 Wochenstunden in der psychosomatischen Abteilung des H. Krankenhauses als Diplom-Psychologin tätig war, immer nur acht Monate im Jahr behandeln konnte, weil sie in den bayerischen Ferien Vertretung in der Klinik hatte und ihren Urlaub deshalb außerhalb der Ferienzeit nehmen musste. Die Klägerin hat darüber hinaus vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer jahrzehntelangen Qualifikation im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie Kolleginnen und Kollegen supervidiert sowie Lehr- und Kontrollanalysen durchgeführt hat. Nach alledem wird deutlich, dass es auch an dem weiteren vom BSG für notwendig erachteten Merkmal einer Teilnahme, nämlich, dass die Niederlassung in eigener Praxis zumindest einer von zwei gleichgewichtigen Schwerpunkten der beruflichen Orientierung gewesen ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr.25, Seite 125 und BSG, Urteil vom 11. September 2002, B 6 Ka 41/01 R, med.R. 2003 Seite 356 ff.), fehlt. Vom Gegenteil dieser Einschätzung kann bei der Klägerin keine Rede sein. Während die Klägerin im fraglichen Zeitraum mit 19,25 Wochenstunden in der psychosomatischen Abteilung des Krankenhauses H. angestellt war, kam sie nach den oben dargelegten Berechnungen auf höchstens 3,4 Behandlungsstunden pro Woche in ihrer Praxis innerhalb des Zeitfensters, so dass der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Zeitfenster eindeutig auf der Tätigkeit als angestellte Diplom-Psychologin in der psychosomatischen Abteilung des Krankenhauses H. lag.

Auch die Tatsache, dass die am 30. März 1944 geborene Klägerin infolge ihres Alters nach § 25 Satz 1 Ärzte-ZV grundsätzlich keine bedarfsabhängige Zulassung mehr erhalten kann, begründet keinen Anspruch auf Erteilung einer bedarfsunabhängigen Zulassung. Die Frage der bedarfsabhängigen Zulassung und des möglichen Vorliegens eines Härtefalls im Sinne von § 25 Satz 2 Ärzte-ZV ist im Zusammenhang mit der bedarfsabhängigen Zulassung zu prüfen, für die bislang noch gar kein Antrag gestellt wurde und möglicherweise auch gar nicht beabsichtigt ist (vgl. hierzu auch §§ 1 Abs.3 und § 47 Abs.2 Ärzte-ZV). Insgesamt ist davon auszugehen, dass das Psychotherapeutengesetz zu einer erheblichen Verbesserung der Rechtsposition der Psychotherapeuten führt. Dies gilt nicht nur für die bedarfsunabhängige Zulassung, sondern auch für den Regelfall der bedarfsabhängigen Zulassung, weil auch hier erstmals eine den Ärzten gleichgestellte Teilnahme an der Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten eröffnet wird (vgl. BVerfG vom 30. Mai 2000, 1 BV R 704/00 ist = SozR 3-2500 § 95 SGB V Nr. 24).

Diese Auslegung des § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Prüfungsmaßstab ist hierbei zunächst Art.12 Abs.1 GG, da es der Klägerin darum geht, ihre psychotherapeutische Praxis in M. in der Zukunft weiter betreiben zu können, so dass die damit verbundenen Erwerbsmöglichkeiten im Vordergrund des Begehrens stehen (vgl. BVerfGE 30, 292, 334 f; 85, 360, 383). Die Beschränkung der Zulassung zur vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Versorgung in überversorgten Gebieten stellt sich als eine Berufsausübungsregelung dar, die vor allem zur Sicherung einer gleichmäßigen Versorgung der Versicherten im gesamten Bundesgebiet gerechtfertigt ist (vgl. BSGE 82, 41, 44 = SozR 3-2500 § 103 Nr.2 Seite 13 für die vertragsärztliche Versorgung; BSGE 81, 207, 212 = SozR 3-2500 § 101 Nr.2 Seite 13 für die vertragszahnärztliche Versorgung; BSGE 87, 158, 163 = SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 110 für die vertragspsychotherapeutische Versorgung). Da die Klägerin vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 16.Juni 1998 keinen Anspruch auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung hatte, beseitigt dieses Gesetz keine von ihr schon innegehabte bzw. erworbene Rechtsposition, wenn es den auf einen bestimmten Ort bezogenen Zulassungsanspruch nur unter dem Vorbehalt der Gewährleistung einer annähernd gleichmäßigen Versorgung der Versicherten der GKV gewährt. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Neuordnung von Berufsausübungsregelungen aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gehalten, Übergangsregelungen für solche Personen zu schaffen, welche die von der Neuregelung betroffene Tätigkeit in der Vergangenheit in erlaubter Weise ausgeübt haben (BVerfGE 98, 265, 309 f.). Solche Übergangsregelungen müssen aber nicht notwendig darauf hinauslaufen, dass die bisherige Tätigkeit in unveränderter Form beibehalten werden darf (BVerfGE 68, 277, 287). Eine Psychologische Psychotherapeutin hat daher nicht allein deswegen Anspruch auf eine Zulassung ohne Berücksichtigung des Bedarfs, weil sie bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 16. Juli 1998 die nach damaligem Recht erforderliche Qualifikation zur Behandlung von Versicherten der GKV besaß (BVerfGE SozR 3-2500 § 95 Nr.24 Seite 103). Auf den Umstand, dass das Rechtsstaatsprinzip Vertrauensschutz auch im Hinblick auf Dispositionen gewährt, die der Bürger in der berechtigten Erwartung getätigt hat, dass sich bestimmte rechtliche Ausgangsbedingungen nicht ändern werden (BVerfGE 13, 39, 45 f., 30, 367, 389), musste der Gesetzgeber übergangsrechtlich nur dadurch reagieren, dass Psychologische Psychotherapeuten, die eine eigene Praxis aufgebaut und in diese in der Erwartung investiert hatten, sie zu alten Bedingungen unverändert weiter zu führen, einen gewissen Schutz genießen. Die sich unter diesem Gesichtspunkt ergebenden verfassungsrechtlichen Erfordernisse hat § 95 Abs.10 Satz 1 SGB V in angemessener Weise aufgenommen und verwirklicht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr.25 Seite 108 sowie BSG, Urteil vom 11. September 2002, B 6 KA 41/01 R, Med.-Recht 2003, Seite 356 ff.). Auch soweit § 95 Abs.10 Satz 1 Nr.3 SGB V mit dem 24. Juni 1997 einen Endstichtag vorsieht, bis zu dem die schützenswerte Vortätigkeit erfolgt sein muss, scheidet ein Verstoß gegen höherrangiges Recht aus. Dieses Datum bezeichnet den Tag, an dem die damaligen Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP einen Gesetzentwurf des Psychotherapeutengesetzes in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, der dann in seinen Grundstrukturen Gesetz geworden ist, auch wenn die konkret das Zeitfenster betreffende Regelung erst später als Ergänzung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden ist. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind auch bereits Gesetzesinitiativen geeignet, das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand rechtlicher Rahmenbedingungen zu erschüttern (BVerfGE 91, 253, 260).

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 und 4 SGG in der bis zum Inkrafttreten des 6. SGG Änderungsgesetzes geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved