L 7 P 23/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 P 67/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 23/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27. März 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01.03.1999 streitig.

Der 1989 geborene Kläger leidet an einem juvenilen Diabetes, der im Januar 1996 festgestellt wurde. Der Antrag auf Leistungen wegen Pflegebedürftigkeit vom 31.07.1996 wurde nach Erstellung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen in Bayern (MDK) vom 18.10.1996 mit Bescheid vom 14.10.1996 abgelehnt. Auf den Widerspruch hin wurde vom MDK nach Untersuchung am 30.04.1997 ein weiteres Gutachten vom 15.05.1997 erstellt. In die Körperpflege wurde ein Mehraufwand gegenüber einem gesunden altersentsprechenden Kind von 17 Minuten, in der Ernährung ein solcher von 25 und in der Mobilität von fünf Minuten, in der hauswirtschaftlichen Versorgung von 55 Minuten festgestellt. Weiter heißt es in dem Gutachten, die Entscheidungen verschiedener Sozialgerichte zur Pflegebedürftigkeit an Diabetes mellitus erkrankter Kinder seien diesen gutachtlichem Feststellungen nicht zugrundegelegt worden.

Mit Bescheid vom 23.05.1997 bewilligte die Beklagte ab 01.09. 1996 Pflegegeld nach Stufe I.

Am 07.10.1998 fand eine Nachuntersuchung durch eine Pflegefachkraft des MDK statt. In der Körperpflege betrage der Mehraufwand gegenüber einem gesunden altersentsprechenden Kind fünf Minuten und in der Ernährung zehn, während für die Mobilität kein Mehrbedarf bestehe. Einen zunächst erlassen Bescheid vom 19.11. 1998, mit dem ein Leistungsanspruch ab 01.12.1998 verneint worden war, hob die Beklagte mit Bescheid vom 01.09.1999 aus formellen Gründen auf und teilte dem Kläger den Inhalt des Gutachtens des MDK vom 21.10.1998, das für die beabsichtigte Aufhebung der Bewilligung maßgebend sei, mit. Mit Bescheid vom 23.02.1999 hob die Beklagte sodann den Bescheid vom 23.05.1997 mit Wirkung ab 01.03.1999 auf. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.1999 als unbegründet zurück.

Hiergegen ist Klage zum Sozialgerichts Würzburg (SG) erhoben worden. Zu dem Erörterungstermin am 29.10.2001 sind die Eltern des Klägers trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht erschienen. Nach mündlicher Verhandlung am 27.03.2003, zu der für den Kläger erneut niemand erschienen ist, hat das SG mit Urteil vom 27.03.2003 die Klage abgewiesen. Es sei eine Entscheidung nach Aktenlage zu treffen gewesen. Weitergehende Ermittlungen seien dem Gericht verwehrt gewesen, da der Kläger bzw. seine gesetzlichen Vertreter die hierfür zwingend erforderlichen Erklärungen trotz wiederholter Anmahnungen nicht eingereicht hätten. Unter Zugrundelegung des gut nachvollziehbaren und schlüssig begründeten Gutachtens der Pflegefachkraft M. vom MDK nach Untersuchung am 07.10.1998 sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger seit Erlass des Bewilligungsbescheides vom 23.05.1997 hinsichtlich der Verrichtungen der Grundpflege zunehmend selbständiger geworden und ein grundpflegerischer Mehrbedarf gegenüber einem gleichaltrigen gesunden Kind von wenigstens 46 Minuten nicht mehr gegeben sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die nicht begründet worden ist.

Im Auftrag des Senats ist der Kläger durch die Sachverständige Dr.B. am 10.01.2004 untersucht worden. Der tägliche Hilfebedarf beträgt in der Grundpflege 32 Minuten, für die gesamte hauswirtschaftliche Versorgung einschließlich der Zubereitung der diabetischen Mahlzeiten könne ein Pauschalwert von maximal 45 Minuten angerechnet werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.03.2003 und den Bescheid vom 23.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragte, die Berufung zurückzuweisen.

Das Gutachten der Dr.B. bestätige die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger seit dem zehnten Lebensjahr die Verrichtungen überwiegend selbständig übernehme.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung des Pflegegeldes ab 01.03.1999 aufgehoben, da die Voraussetzungen für den Anspruch seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gegeben sind.

Gemäß § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche wesentliche Änderung ist spätestens ab 01.03. 1999 eingetreten, da der Kläger bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität keiner Hilfe im Umfang von mehr als 45 Minuten täglich mehr bedarf und deshalb die Voraussetzungen für die Zahlung von Pflegegeld nach Pflegestufe I gemäß §§ 14 Abs.4, 15 Abs.3 Nr.1 SGB XI nicht mehr vorliegen. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten des MDK vom 21.10.1998 und der Dr.B. vom 18.01.2004. Diese hat festgestellt, dass eine Inkontinenz in Form eines nächtlichen Bettnässens nicht mehr vorliegt. Der Kläger, der geistig rege und voll orientiert wirkt und das Gymnasium besucht, ist seit 01.03.1999 in der Lage, wie ein gleichaltrig entwickeltes, gesundes Kind die Körperpflege grundsätzlich selbst durchzuführen. Ein höherer Bedarf, als Dr.B. für die Aufforderung zum Duschen und die Kontrolle der Zahnpflege von insgesamt fünf Minuten angenommen hat, ist deshalb nicht zu rechtfertigen. Zu Unrecht hat Dr.B. sechs Minuten für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung angesetzt. Denn hier kann nicht die bei Diabetikern erforderliche besondere Portionierung der Nahrung bzw. der damit verbundene Zeitaufwand angesetzt werden, da dies der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen ist. Im Übrigen war und ist der Kläger wie ein normal entwickelter Gleichaltriger in der Lage, die ihm vorgesetzten Speisen selbst mundgerecht zu zerkleinern und selbständig einzunehmen. Soweit Dr.B. für die sechsmal am Tag anfallenden Aufforderungen zur Nahrungsaufnahme 18 Minuten berücksichtigt hat, ist diese Pflegezeit als großzügig bewertet anzusehen. Gleiches gilt für den Zeitaufwand beim morgendlichen Wecken (eine Minute) und die Überwachung der Kleiderauswahl (zwei Minuten), da der Kläger, der nunmehr außer seiner Diabeteserkrankung an keinen nennenwerten Krankheiten oder Behinderungen leidet, insoweit keinen höheren Pflegebedarf als ein altersentsprechend entwickeltes Kind hat.

Somit ist der seit 01.03.1999 bestehende Grundpflegebedarf niedriger anzusetzen als die von Dr.B. angenommenen 32 Minuten, die für die Pflegestufe I erforderlichen 46 Minuten werden keinesfalls erreicht. Die durch die Diabeteserkrankung bedingten Maßnahmen wie Einnahme bzw. Spritzen des Insulins sind behandlungspflegerische Maßnahmen und können im Rahmen der Pflegeversicherung nicht berücksichtigt werden.

Die Beklagte war zur Aufhebung der Bewilligung gemäß § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X auch deshalb berechtigt, weil die ursprüngliche Bewilligung der Leistung mit Bescheid vom 23.05.1997 zu Recht erfolgt ist. In dem zugrunde liegendenden Gutachten des MDK vom 15.05.1997 wurden ausdrücklich die mit dem Diabetes mellitus zusammenhängenden behandlungspflegerischen Maßnahmen, die zur damaligen Zeit von einigen Sozialgerichten zu Unrecht als Pflegezeiten angesehen wurden, nicht berücksichtigt. Grundlage für die Anerkennung der Pflegestufe I war die damals bestehende Inkontinenz und eine emotionale Labilität und Verhaltensauffälligkeit, die zu einem erhöhten Pflegeaufwand, verglichen mit einem altersentsprechend gesunden Kind, von wenigstens 46 Minuten täglich führten. Die krankheitsbedingte störrische Abwehrhaltung gegenüber allen Verrichtungen des täglichen Lebens im Bereich der Körperpflege, Ernährung und Mobilität führten damals zu einem erhöhten Pflegeaufwand dieses Umfanges.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.03.2003 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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