L 14 RJ 542/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 755/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 542/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 24. September 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1948 geborene Klägerin hat keine Berufsausbildung durchlaufen. Sie war als Näherin und Fabrikarbeiterin, zuletzt bis 1999 als Montiererin, versicherungspflichtig beschäftigt.

Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls kam es in der Zeit vom 10.11. bis 15.12.1999 zu einem stationären Heilverfahren, aus dem die Klägerin mit den Diagnosen: "Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenprolaps L4/5 mit Wurzelbeteiligung L5 beidseits und degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, rezidivierende Zervikalgien bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen sowie Struma nodosa" und der Beurteilung eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Heben von Gewichten über 5 kg und ohne Drehbewegungen der Wirbelsäule mit gehobenem Gewicht entlassen wurde.

Den am 11.04.2000 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.05.2000 ab mit der Begründung, die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein. Der Widerspruch blieb erfolglos. Er wurde nach einer Begutachtung der Klägerin in der Ärztlichen Gutachterstelle der Beklagten in Regensburg am 05.10.2000 (Diagnosen: "Wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Abnutzungserscheinungen und Bandscheibenschaden, vorwiegend L4/L5, derzeit kein Anhalt für wesentliche Nervenwurzelreizung oder Nervenwurzelschädigung; Unterbauchbeschwerden nach iatrogener Darmverletzung, Zustand nach operativer Behandlung des Darmdurchbruchs, Verwachsungsbeschwerden"; Leistungsbeurteilung: leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen und häufiges Bücken vollschichtig) mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2000 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) machte die Klägerin geltend, ihre Gesundheitsstörungen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden; so beständen neben den Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule eine Bewegungseinschränkung des Ellbogengelenkes rechts sowie eine seelische Störung, eine Schwerhörigkeit beidseits und ein Hautekzem.

Das SG holte Befundberichte und ärztliche Unterlagen des behandelnden Orthopäden Dr.E. und des Allgemeinarztes Dr.P. ein und zog weitere ärztliche Unterlagen sowie die Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Regensburg (GdB 40, ab Oktober 2000: 70 nach Dickdarmoperation) bei. Es beauftragte den Sachverständigen Dr.Z. mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser erhob in seinem Gutachten vom 08.05.2002 die Diagnosen: "Wirbelsäulensyndrom bei Abnützungserscheinungen und Zustand nach Bandscheibenoperation L4/L5 und Bandscheibenvorfall bei L4/L5, keine neurologischen Ausfallserscheinungen; Bauchbeschwerden bei Verwachsungen". Er hielt weiterhin leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für vollschichtig möglich und sah keine Notwendigkeit zur Einholung weiterer Gutachten.

Das SG zog auf Anregung der Klägerin einen Befundbericht des Dr.G. vom 16.09.2002 über zweimalige nervenärztliche Konsultationen im Jahre 1999 und im August 2002 bei. Gestützt auf das Gutachten des Dr.Z. wies es nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 24.09.2002 die Klage ab. Die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsunfähig nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung, noch habe sie einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung gemäß §§ 43, 240 SGB VI (Fassung ab 01.01.2001). Sie könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch leichte Arbeiten mit gewissen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Damit sei zwar die letzte Tätigkeit als Montiererin wegen des dabei notwendigen überwiegenden Stehens, Hebens und Tragens und der Drehbewegungen nicht mehr zumutbar; als ungelernte Arbeiterin sei die Klägerin aber auf alle ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erfolgen müsse. Ausführlich legte das SG ferner dar, dass nach den aktenkundlichen Befunden kein Anlass für eine weitere Begutachtung auf nervenärztlichem Gebiet bestanden habe.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen diesen Gerichtsbescheid und macht im wesentlichen geltend, das Gutachten des Dr.Z. berücksichtige nicht die massive Verschlechterung des Wirbelsäulenbefundes und der daraus resultierenden psychischen Beeinträchtigungen, ebenso nicht die Beeinträchtigungen des Allgemeinzustandes durch schmerzbedingte Schlafprobleme. Auch spiele das SG in seiner Entscheidung die von Dr.G. bescheinigte gesteigerte Nervosität, Reizbarkeit und depressive Stimmungslage herunter.

Der Senat zog die Schwerbehindertenakten bei (Herabsetzung des GdB von 70 auf 40 nach Heilungsbewährung der Dickdarmerkrankung durch Bescheid vom 11.02.2003). Er holte im Wege der Beweisaufnahme ein orthopädisches sowie ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten ein.

Der Orthopäde Dr.H. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 29.07.2003 ein chronisches Wirbelsäulensyndrom nach Bandscheibenoperation LWK4/5 mit Großzehenheberschwäche sowie ein rezidivierendes Schulter-Arm-Syndrom bei degenerativen Veränderungen C 5 bis C 7. Nach seinen Ausführungen handelte es sich bei seiner Untersuchung im wesentlichen um den gleichen Befund, wie ihn schon Dr.Z. erhoben hatte, mit Ausnahme einer von diesem nicht festgestellten Großzehenheberschwäche und - nach seiner irrtümlichen Meinung - auch mit Ausnahme des im MRT gefundenen medialen Rezidiv-Bandscheibenvorfalls LWK4/5. Letzterer war auch von Dr.Z. gesehen und in seinem Gutachten erwähnt worden. Beide Befunde minderten die Leistungsfähigkeit der Klägerin nach Auffassung des Dr.H. nicht über die bereits dargelegten Leistungseinschränkungen hinaus. Er vertrat die Auffassung, die Klägerin könne seit Antragstellung leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, unter Vermeidung von Überkopfarbeiten und schwerem Heben, von Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an gefährdenden Maschinen, ohne Zeitdruck durch Akkordarbeit und ohne Einfluss von Kälte und Nässe in einem zeitlichen Rahmen von mindestens sechs, jedoch weniger als acht Stunden täglich ausüben.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10.01.2004 bekräftigte Dr.H. nach kritischen Einwendungen des Prüfärztlichen Dienstes der Beklagten zu der von ihm angenommenen zeitlichen Leistungseinschätzung seine Auffassung, dass bei der Klägerin "trotz des ingesamt günstigen Bewegungsablaufs bei seiner Untersuchung angesichts der erheblichen Vorgeschichte" von einer sich im Laufe eines Arbeitstages im muskulären Bereich entwickelnden Leistungsminderung durch statische Beschwerden auszugehen sei und ihr daher nicht acht, sondern nur mindestens sechs Stunden täglich zuzumuten seien.

Die Beklagte, die weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden auch für die Zeit vor dem 01.01.2001, ab Antragstellung, ausging, legte den Entlassungsbericht des in der Zeit vom 13.11. bis 04.12.2003 in der Rheumaklinik Bad F. erfolgen Heilverfahrens vor, das im Anschluss an eine am 04.11.2003 erfolgte Operation des Rezidiv-Bandscheibenvorfalles L4/5 rechts notwendig geworden war. Nach der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung dieses Berichts konnte die Klägerin als Montiererin nurmehr unter drei Stunden täglich tätig sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestand dagegen eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten im Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Überlastung und ohne längere Zwangshaltung, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne häufiges Bücken und ohne ständige Überkopfarbeit.

Der anschließend vom Senat beauftragte Arzt für Psychiatrie Dr.R. erhob in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 15.06.2004 nach ausführlicher Erhebung von Anamnese und Beschwerdesymptomatik sowie nach einer ausführlichen allgemeinkörperlichen, neurologischen und psychiatrischen Untersuchung der Klägerin auf seinem Fachgebiet lediglich eine blande depressive Anpassungsstörung und einen psychovegetativen Beschwerdekomplex. Daneben nannte er als weitere Diagnosen "Degeneratives HWS- und LWS-Syndrom, lumbale Bandscheibenschäden, Wirbelsäulenfehlhaltung, rezidivierende Lumboischialgie bzw. Zervikobrachialgie rechts, derzeit: kein Anhalt für akute radikuläre Symptomatik; wiederkehrende Magenschleimhautentzündungen bei Schmerzmittelmedikation, Eierstockzysten; Neigung zu Harnwegsinfekten bei Blasensenkungsbeschwerden". Der Gutachter hielt leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus vollschichtig bzw. mehr als 6-stündig für zumutbar, wobei Zwangshaltungen, Heben und Tragen von Lasten und Überkopfarbeiten ausscheiden sollten. Das Anpassungs- und Umstellungsvermögen sah er nicht eingeschränkt, ebenso nicht die Wegefähigkeit. Weitere Gutachten hielt er nicht für erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 24.09.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 22.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogene Beklagtenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das Erstgericht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung hat und auch die Voraussetzungen der §§ 43, 240 SGB VI n.F. nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahme nicht vorliegen.

Die weiteren Ermittlungen in der Berufungsinstanz haben das Ergebnis der Begutachtung durch den vom Erstgericht beauftragten Sachverständigen Dr.Z. im wesentlichen bestätigt.

Der Orthopäde Dr.H. erhob nach eigenen Aussagen bei seiner Untersuchung der Klägerin im wesentlichen die gleichen Befunde wie Dr.Z ... Die von ihm zusätzlich festgestellte Zehenheberschwäche, die bei der Untersuchung des Dr.Z. nicht zutage getreten war, hat nach Aussagen des Dr.H. keine wesentlichen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt für den bei Dr.Z. bereits erwähnten Bandscheiben-Rezidivvorfall, der im Übrigen inzwischen operativ behoben wurde.

Lediglich in der Leistungsbeurteilung des Dr.H. findet sich eine geringe Differenz zu Dr.Z. , da er in Anlehnung an die nach dem neuen Rentenrecht formulierten Beweisfragen des Senats von einer "mindestens 6-stündigen, nicht aber 8-stündigen" täglichen Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Arbeiten ausgeht. Diese Beurteilung erscheint gerade wegen der vorangegangenen Bezugnahme auf das Gutachten des Dr.Z. nicht schlüssig begründet, zumal den sich im Laufe eines Arbeitstages entwickelnden statischen Beschwerden durch Wechsel der Körperhaltung entgegengewirkt werden kann. Auch betrug bei Antragstellung im Jahre 2000 die allgemein übliche Arbeitszeit bei einer Fünf-Tage-Woche lediglich 7,25 Stunden (entsprechend 38,5 Wochenstunden), also nicht acht Stunden täglich. Weiterhin wird die Einschätzung des Dr.H. durch den Entlassungsbericht der Rheumaklinik Bad F. widerlegt, in dem von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg ausgegangen wurde.

Darüber hinaus kommt auch der vor allem im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin bezüglich psychischer Beeinträchtigungen beauftragte Gutachter Dr.R. in seiner zusammenfassenden Gesamtbeurteilung zu der Einschätzung eines noch vollschichtigen Leistungsvermögens. Der Sachverständige fand keine ernsthaften, über eine gering ausgeprägte depressive Anpassungsstörung hinausgehenden Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet. Auch alle übrigen Gesundheitsstörungen erwiesen sich nach seinen Darlegungen in der Gesamtschau als nicht so schwerwiegend, dass sich für leichte Tätigkeiten eine zeitliche Einschränkung ergeben hätte.

Der Senat hält diese Ausführungen für schlüssig und überzeugend. Die Klägerin ist damit auch nach seinen Feststellungen weiterhin zu vollschichtigen leichten Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und ohne Heben und Tragen von Lasten in der Lage. Zwar kann sie ihre letzte Tätigkeit als Montiererin nicht mehr ausüben, wohl aber ihr Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwerten, auf den sie als ungelernte Arbeiterin breit verweisbar ist. Eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes aus dem Gesichtspunkt einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung besteht nicht. Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind durch die Beschränkung auf leichte körperliche Arbeiten abgedeckt und stellen keine darüber hinausgehende Begrenzung der Leistungsfähigkeit dar. Ob ihr allerdings ein ihrem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, ist rechtlich unerheblich. Das Risiko der Arbeitsvermittlung ist von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der Rentenversicherung zu tragen.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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