L 2 U 118/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 341/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 118/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19.02.2003 wird aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.1999 verurteilt, dem Kläger die Kosten der Ausbildung zum staatlich geprüften Assistenten für Informatik zu erstatten.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1973 geborene Kläger war nach Ausbildung zum Anlagenmechaniker (01.09.1990 bis 07.02.1994) bei der Maschinenfabrik S. beschäftigt. Er hatte Schweiß- und Schleifarbeiten zu verrichten. Der Arbeitgeber informierte die Beklagte mit Anzeige vom 12.06.1995 über einen allergischen Hautausschlag des Klägers, der seit September 1994 aufgetreten sei. Seit 01.04.1995 habe der Kläger deshalb einen PC-Arbeitsplatz inne. Das Arbeitsamt Freising bewilligte dem Kläger als vorläufige Leistung eine Eingliederungshilfe für die Dauer von 12 Monaten.

In der Stellungnahme vom 25.10.1995 führte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten aus, der Kläger arbeite seit März 1995 in der technischen Dokumentation. Er erstelle mit dem PC Bedienungs- und Wartungsvorschriften bzw. kopiere technische Datenblätter für den Versand. Die Hauterscheinungen seien seit der Versetzung abgeklungen.

Der Kläger wies mit Schreiben, eingegangen am 09.10.1997, darauf hin, ihm sei eine zweijährige innerbetriebliche Ausbildung vom Arbeitsamt zugesagt worden. Diese Ausbildung habe jedoch nie stattgefunden. Er arbeite seit zwei Jahren an einem unqualifizierten Arbeitsplatz und habe die meiste Zeit mit einfachen Hilfstätigkeiten wie tagelangem Kopieren verbracht. Er habe sich nun entschlossen, eine qualifizierende Ausbildung zu beginnen.

Der Dermatologe Dr.G. kam im Gutachten vom 30.12.1997 zusammenfassend zu dem Ergebnis, es bestehe eine Allergie gegen Nickelsulfat. Bei der versicherten Tätigkeit sei es zur Exposition gegenüber nickelhaltigen Schleifstäuben gekommen. Es habe der Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit bestanden, da das Meiden des nickelhaltigen Schleifstaubs nicht möglich gewesen sei. Inzwischen seien die Hauterscheinungen abgeheilt. Die laufende Umschulung sei zu befürworten.

Der Arbeitgeber des Klägers teilte am 28.01.1998 mit, der Kläger habe am 12.09.1997 das Arbeitsverhältnis gelöst, um sich weiterzubilden. Zuletzt sei er Sachbearbeiter in der Technischen Dokumentation gewesen. Dies sei keine Facharbeitertätigkeit. Er sei nach Lohngruppe 8 entlohnt worden; der Bruttoarbeitslohn habe 4.076,00 DM betragen. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber am 20.02.1998 mit, dem Kläger sei durch die Umsetzung kein Minderverdienst entstanden. Der Lohn als PC-Mitarbeiter sei für diese Tätigkeit üblich. Auf telefonische Rückfrage wurde am 10.03.1998 mitgeteilt, die PC-Tätigkeit sei auf Dauer angelegt gewesen. Es hätte die Möglichkeit des Aufstiegs in eine leitende Position im PC-Bereich bestanden, allerdings nur, wenn eine entsprechende Stelle durch das Ausscheiden eines Mitarbeiters frei geworden wäre. Dies hätte aber auch für die frühere Tätigkeit als Facharbeiter gegolten. Die frühere und die ab 01.04.1995 ausgeübte Tätigkeit seien bezüglich Aufstiegsmöglichkeiten und Perspektiven durchaus als gleichwertig anzusehen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 06.04.1998 die Übernahme der Kosten für Maßnahmen der Berufsförderung ab. Eine Kostenübernahme der begonnenen Ausbildung zum staatlich geprüften Assistenten für Informatik könne nicht erfolgen, da der Kläger bei der Firma S. geeignet weiter beschäftigt worden sei und die Lösung des Arbeitsverhältnisses zur Verhinderung des Entstehens einer Berufskrankheit deshalb nicht erforderlich gewesen sei.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 28.04.1998.

Auf Anfrage der Beklagten übersandte der Arbeitgeber eine Stellenbeschreibung des Sachbearbeiters in der Technischen Dokumentation. Die Tätigkeit habe die vollständige Dokumentation einer Anlage in allgemein-verständlicher Form und logischem Aufbau zum Ziel. Sie sei in einer repräsentativen Ausgabe für Kunden zu erstellen, unter Beachtung der sicherheitsrelevanten Maßnahmen und nach Gesichtspunkten der Produkthaftung. Gefordert würden technisches Verständnis, Überblick über die verschiedenen Steuerungssysteme, eventuell Fremdsprachenkenntnisse, Fähigkeiten im Umgang mit dem PC und Grundlagen der verschiedenen Anwendungsprogramme. Bislang habe es für diese Tätigkeit kein abgeschlossenes Berufsbild gegeben. Inzwischen werde ein Fachhochschulabschluss zum Technischen Redakteur angeboten, der in Teilbereichen auf diese Tätigkeiten Bezug nehme. Nach einer zwei- bis dreimonatigen Einarbeitungszeit habe der Kläger seine Aufgaben in Teilbereichen selbständig ausführen können. Weiter wurden beigezogen die Unterlagen über die vom Kläger begonnene Berufsausbildung zum staatlich geprüften Technischen Assistenten für Informatik. Als Arbeitsplätze für Technische Assistenten wurden angegeben: Programmierer, PC-Systembetreuer, Netzwerkadministrator, Operator und Arbeitsvorbereiter im Rechenzentrum.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.1999 zurück. Durch die innerbetriebliche Umsetzung an einen hautgefährdungsfreien Arbeitsplatz sei der Kläger wieder dauerhaft beruflich eingegliedert gewesen. Es sei dem Kläger kein Minderverdienst entstanden, und er hätte in Bezug auf Aufstieg und berufliche Perspektiven gleichwertige Möglichkeiten wie früher gehabt. Aus dem vom Arbeitgeber vorgelegten Material ergäben sich insbesondere keine Hinweise darauf, dass der Hauptbestandteil der Tätigkeit im Kopieren bestanden habe.

Der Kläger wies mit Schreiben vom 14.05.1999 darauf hin, er habe die Listen, Pläne, Beschreibungen und Bedienungsanleitungen von den einzelnen Abteilungen anzufordern, sie zu kopieren und anschließend in Ordnern abzuheften gehabt. Qualifiziertere Tätigkeiten seien von den Technikern der Elektroabteilung ausgeführt worden.

Mit der Klage vom 14.05.1999 hat der Kläger eingewandt, die neue Arbeitsstelle sei für ihn unzumutbar gewesen. Er habe nicht die notwendige Ausbildung als Elektrotechniker. Die in der Stellenbeschreibung erwähnten Listen und Pläne habe er von den betriebsinternen Elektrotechnikern zur weiteren Bearbeitung, d.h. zum Kopieren erhalten. Daher habe er am 16.09.1997 die Ausbildung zum staatlich geprüften Assistenten für Informatik begonnen, die im Juli 1999 beendet sein werde.

Auf Anfrage des Gerichts hat der Arbeitgeber mitgeteilt, die Abteilung Technische Dokumentation sei hauptsächlich für die Gesamtdokumentation (mechanisch, elektrisch und Software) verantwortlich. Die Erstellung einer Projektbegleitkarte, der Materialliste und der Instrumentierungsliste sowie die Koordination von Funktionsplänen und Abstimmungen mit Stützlisten habe ca. 30 % der Arbeitszeit eingenommen, die Koordination der verschiedenen Unterlagen 10 % und die Erstellung der Inhaltsverzeichnisse, Aufbauorganisation der Gesamtdokumentation, Planung, das Sammeln und die Pflege von Dokumentationsunterlagen, die Eingliederung der Unterlagen in das Hauptarchiv, kundenspezifische Dokumentation, Bestellungen der fehlenden Unterlagen, Beschriftungen und Gestaltung, Erstellung von Übersetzungsaufträgen, das Einarbeiten der Übersetzungen, Anfertigen der Kundendokumentation je nach geforderter Anzahl, die Archivierung und Registrierung, Nachtragspflege von bereits gelieferten Dokumentationen habe 60 % der Arbeitszeit eingenommen. Da die Kundendokumentation teilweise in bis zu siebenfacher Ausfertigung habe erstellt werden müssen, habe etwa 40 bis 50 % der Arbeitszeit für Kopiertätigkeiten aufgewendet werden müssen. Für den Kläger sei im März 1995 ein Einarbeitungsplan erstellt worden, der über ein Jahr laufen sollte. Der Kläger hätte nach einer Einarbeitungszeit von ca. drei Monaten bereits einige Teilbereiche der technischen Dokumentation selbständig ausführen können. Der Einarbeitungsplan habe nicht planmäßig umgesetzt werden können.

Hierzu hat der Kläger ausgeführt, die Kopiertätigkeiten hätten mindestens 70 % der Arbeitszeit eingenommen. Der größte Teil der im Einarbeitungsplan vorgesehenen Kenntnisse und Fähigkeiten sei ihm nicht vermittelt worden.

Die Beklagte hat am 03. und 29.11.1999 erklärt offenbar habe der Kläger die Tätigkeit aufgegeben, weil sie seinen Neigungen nicht entsprochen habe. Aufgrund der adäquaten Entlohnung, des nicht entstandenen Minderverdienstes und der in etwa identischen Aufstiegsmöglichkeiten ergebe sich kein Anspruch auf berufsfördernde Maßnahmen, ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Sachbearbeiter in der technischen Dokumentation. Der Arbeitgeber habe im Übrigen nochmals klar gestellt, dass im Gesamtdurchschnitt lediglich ca. 40 bis 50 % der Projektarbeitszeit für Kopiertätigkeiten aufzuwenden gewesen sei. Der Kläger hat eingewandt, in seinem früheren Beruf habe er eine dreieinhalbjährige Ausbildung absolviert. Mit seiner jetzigen Ausbildung zum staatlich geprüften Assistenten für Informatik habe er wieder berufliche Perspektiven, die er als Sachbearbeiter bei der Firma S. nicht gehabt hätte.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.02. 2003 abgewiesen. Dabei hat es auf die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 06.04.1998 und im Widerspruchsbescheid vom 21.04.1999 Bezug genommen.

Zur Begründung der am 14.04.2003 eingelegten Berufung führte der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 29.09.2004 aus, er habe mindestens 50 % der Arbeitszeit mit Kopiertätigkeit verbracht. Die PC-Arbeit habe darin bestanden, aus der Excel-Tabelle Schrauben und Dichtungen zu entfernen.

Auf Anfrage des Senats teilte der Kläger mit Schreiben vom 18.05.2004 mit, dass er die am 16.09.1997 begonnene Ausbildung zum staatlich geprüften technischen Assistenten für Informatik im Juli 1999 erfolgreich abgeschlossen habe. Er übersandte das Abschlusszeugnis vom 28.07.1999. Nach Abschluss der Ausbildung sei er ein Jahr als Software-Entwickler tätig gewesen, seit Juli 2000 sei er als Consultant und Systementwickler tätig.

Der Kläger stellt den Antrag, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 19.02. 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.1999 zu verurteilen, ihm die Kosten für die von ihm durchgeführte Umschulung zum staatlich geprüften Assistenten für Informatik zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, den Leiter der technischen Dokumentation zum Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Klägers als Sachbearbeiter in der technischen Dokumentation zu hören.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Für die Entscheidung maßgebliches Recht sind die Vorschriften des SGB VII. Für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist für die Anwendung des Rechts - RVO oder SGB VII - der Zeitpunkt der Inanspruchnahme maßgebend (§ 214 Abs.1 Satz 2 SGB VII). Die vor dem 01.01.1997 begonnene Einarbeitung auf dem PC-Arbeitsplatz bei der Firma S. hat der Kläger abgebrochen und am 16.09.1997 die neue - inzwischen erfolgreich beendete - Umschulung begonnen. Daher ist das SGB VII anzuwenden (§§ 212, 214 Abs.1 Satz 2 SGB VII).

Der Kläger hat Anspruch auf die Förderung der selbst durchgeführten Ausbildung zum staatlich geprüften technischen Assistenten für Informatik durch die Beklagte.

Der Anspruch auf Berufshilfe gemäß §§ 26, 35 SGB VII in Verbindung mit §§ 33 bis 38 SGB IX setzt voraus, dass der Versicherte als Folge der Berufskrankheit auf Dauer nicht mehr oder nur mit Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes an seinem alten Arbeitsplatz tätig sein kann (vgl. Benz, Der Anspruch des Versicherten auf berufliche Rehabilitation - Berufshilfe -, Wege zur Sozialversicherung, 1984, 225 ff. m.w.N.). Sinn jeder beruflichen Rehabilitation ist die möglichst uneingeschränkte berufliche Eingliederung (vgl. BSG vom 28.09.1999, B 2 U 36/98 R). Gemäß § 33 Abs.1 SGB IX zielt die Berufshilfe darauf ab, den Versicherten mit allen geeigneten Mitteln, nach Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern.

Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen liegen beim Kläger unstreitig vor. Infolge der festgestellten Berufskrankheit war eine weitere Beschäftigung als Anlagenmechaniker nur mit Gefahr einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes möglich. Damit sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rehabilitation gegeben.

Grundsätzlich steht die Auswahl der nach § 33 SGB IX in Betracht kommenden Maßnahmen der Berufshilfe im Ermessen der Beklagten (§ 33 Abs.4 SGB IX). Das einer Verwaltung eingeräumte Ermessen ist stets ein Rechtsfolgeermessen. Es bezieht sich immer nur auf die zu treffende Rechtsfolge, niemals darauf, ob ein bestimmter Sachverhalt den Tatbestand des jeweiligen Gesetzes erfüllt. Deswegen wird Ermessen auch im Allgemeinen definiert als die einer Verwaltungsbehörde eingeräumte Ermächtigung, zwischen verschiedenen gleich rechtmäßigen Rechtsfolgen unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten eine Auswahl zu treffen (vgl. BSG SozR 2200, § 1237 RVO Nr.23). Eine gerichtliche Aufhebung der Ermessensentscheidung kommt nur in Frage, soweit ein Ermessensmissbrauch oder eine Ermessensunter- oder Überschreitung vorliegt (vgl. Benz a.a.O. Seite 228). Bei der Überprüfung der Frage, ob die Beklagte die gesetzlichen Grenzen des ihr zustehenden Ermessens gewahrt hat und von ihm in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, kommt es darauf an, ob die Entscheidung hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Maßnahmen ermessensgerecht war. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der Kläger hatte zwar durch die Umsetzung im Betrieb einen Arbeitsplatz inne, der den gesundheitlichen Anforderungen entsprach. Auch war kein Minderverdienst zu befürchten, und die Aufstiegsmöglichkeiten entsprachen nach Auskunft des Arbeitgebers in etwa denen in dem früher ausgeübten Beruf.

Nicht berücksichtigt sind aber bei der Entscheidung der Beklagten die Neigung des Versicherten und sein bisheriger Beruf. Zwar ist die Neigung als rein subjektiver Berufswunsch kein entscheidendes Kriterium für die Leistungspflicht der Beklagten. Neigungen des Versicherten ist nicht schlechthin zu folgen, denn es besteht kein Anspruch auf optimale Förderung (vgl. Kasseler Kommentar § 16 SGB VI Rdnr.13 m.w.N.; BSG vom 28.01. 1993 - 2 RU 10/92). Trotzdem hat der Gesetzgeber die Neigung des Versicherten als berücksichtigungsfähig anerkannt (§ 33 Abs.4 SGB IX). Der Kläger hat zu Recht gegen die Tätigkeit als Sachbearbeiter eingewandt, dass sie seiner Neigung nicht entspricht, da sie seiner beruflichen Qualifikation nicht gerecht würde. Insofern treffen hier die beiden Gesichtspunkte Neigung und bisherige Tätigkeit zusammen. Denn bei der Frage, welche konkrete berufliche Rehabilitationsmaßnahme bewilligt werden soll, ist neben Eignung und Neigung auch die bisherige Tätigkeit des Versicherten zu beachten. Es ist zunächst vom Leistungsträger zu prüfen, ob eine berufliche Wiedereingliederung auf dem Niveau der zuletzt ausgeübten Tätigkeit möglich ist. Nach der Vierstufentheorie des Bundessozialgerichts werden unterschieden die erste Stufe: Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion, die zweite Stufe: Facharbeiter (Ausbildung von mehr als zwei Jahren), die dritte Stufe: Anlernberufe, und die vierte Stufe: ungelernte Tätigkeiten. Der Umschulungsberuf soll sozial der Stufe der bisherigen Tätigkeit entsprechen.

Dies ist aber im Hinblick auf die vorgeschlagene Sachbearbeitertätigkeit nicht der Fall. Der Kläger war als Anlagenmechaniker bis 1995 als Facharbeiter tätig. Die im Anschluss daran ausgeübte Tätigkeit war keine Facharbeitertätigkeit, wie sich schon daran zeigt, dass nur eine einjährige Einarbeitungszeit vom Arbeitgeber vorgesehen war. Auch aus der Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich, dass es sich hier nicht um eine qualifizierte Tätigkeit handelte, zumal auch nach Angaben des Arbeitgebers der Kläger etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit Fotokopierarbeiten zu verrichten hatte. Eigentliche PC-Tätigkeit fiel nur in geringem Umfang an.

Zu berücksichtigen ist auch das Alter des Klägers. Er stand zum Zeitpunkt des Auftretens des Hautausschlags, der ihm die erlernte Facharbeitertätigkeit unmöglich macht, am Beginn des Berufslebens. Mit 22 Jahren war ihm ein wenig anspruchsvoller "Schonarbeitsplatz" nicht für die Dauer des Erwerbslebens zuzumuten.

Zwar ist die Beklagte nicht gehalten, der Neigung des Klägers schlechthin zu folgen (vgl. BSG vom 31.01.1980 11 RA 8/79), so dass die Neigung des Versicherten unbeachtlich ist, wenn sie nur um den Preis eines für die Eingliederung nicht erforderlichen Aufwandes zu verwirklichen ist. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die vom Kläger durchgeführte Umschulung zum staatlich geprüften Technischen Assistenten zur Informatik dauerte nicht länger als zwei Jahre und entspricht somit auch dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, nach dem die Beklagte zu handeln hat.

Im Hinblick darauf ist das Ermessen der Beklagten auf diese Rehabilitationsmaßnahme beschränkt (vgl. BSG SozR 3-4100 § 56 AFG Nr.1). Der Sachleistungsanspruch hat sich hier in einen Kostenerstattungsanspruch umgewandelt, da der Kläger die Sachleistung, die die Beklagte nicht erbracht hat, selbst beschafft hat. Ein Abwarten bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Berechtigung war dem Kläger nicht zuzumuten (vgl BSG a.a.O.). Es gereicht einem Versicherten nicht zum Nachteil, wenn er nach seinem Rehabilitationsantrag die Rehabilitation ohne Zutun des Vericherungsträgers selbst betreibt. Der vorzeitige Beginn einer Ausbildung darf die Lage des Versicherten weder verbessern noch verschlechtern (vgl. BSG SozR 3-5670 § 3 BKVO Nr.4) Es kann weder dem Versicherten gestattet werden, die Förderung einer Ausbildung zu erzwingen, die der Versicherungsträger sonst nicht hätte zu fördern brauchen, noch kann es dem Versicherungsträger erlassen werden, zu prüfen und anzugeben, welche Ausbildung er gefördert hätte, wenn ihm der Versicherte nicht zuvorgekommen wäre. Bei der Prüfung, ob der Versicherungsträger die Förderung einer Ausbildung zu Recht abgelehnt hat, muss also völlig außer Betracht bleiben, dass diese Ausbildung bereits begonnen worden ist (vgl. BSG vom 31.01. 1980 a.a.O.). Eine Reduzierung des Ermessens der Beklagten auf die durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme ist hier gegeben, da jede andere Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft wäre. Der Kläger hat die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und ist durch sie seit 1999 auf Dauer ins Berufsleben eingegliedert. Weitere Sachaufklärung war nicht veranlasst. Der Aufgabenbereich des Klägers bei der Firma S. ab 01.04.1995 bis 12.09.1997 ist durch die eingehenden Angaben des Arbeitgebers und des Klägers beschrieben, so dass es der Befragung des Leiters der Abteilung nicht bedurfte.

Gemäß § 193 SGG hat die Beklagte dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved