L 6 RJ 150/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 266/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 150/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 282/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. November 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Leistung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1946 geborene Kläger, Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro hat, keinen Beruf erlernt. In seinem Arbeitsleben war er zunächst vom 04.02.1971 bis 08.02.1974 in Deutschland als Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend hat er in seiner Heimat von Juni 1980 bis September 1991 und von Januar 1992 bis Dezember 2000 Beitragszeiten aufzuweisen. Einen ersten am 18.11.1976 gestellten Rentenantrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.06.1978 abgelehnt, weil der Kläger schon die Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt habe. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Landshut mit Urteil vom 03.10.1978 abgewiesen. Den anschließenden Antrag auf Erstattung der zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge hat die Beklagte mit Bescheid vom 12.03.1979 abgelehnt.

Am 05.10.2001 beantragte der Kläger erneut die Leistung einer Rente bei der Beklagten. Im Gutachten für die Invalidenkommission B. vom 06.03.2002 vertrat der Chirurg Dr.M. die Auffassung, beim Kläger liege ein vollständiger und dauerhafter Verlust der Arbeitsfähigkeit vor. In seiner Stellungnahme vom 01.08.2002 kam Dr.D. zu der Auffassung, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger noch sechs Stunden und mehr leichte Tätigkeiten verrichten. Mit Bescheid vom 07.08. 2002 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2002 hat die Beklagte daraufhin den Rentenantrag abgelehnt, weil weder teilweise noch volle Erwerbsminderung und auch nicht Berufsunfähigkeit beim Kläger vorlägen.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Er trägt vor, aufgrund des Entlassungsscheins der deutschen Klinik in G. über die Behandlung vom 18.07. bis 09.09.1972 sei er in den Ruhestand getreten. In Jugoslawien habe er anschließend gearbeitet, weil er die Unterstützung seiner Firma gehabt habe. Er habe mit großen Gesundheitsproblemen 23 Dienstjahre realisiert.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht Gutachten der Ärztin, Sozialmedizin Dr.T. vom 06.11.2003 sowie des Neurologen und Psychiaters Dr.Dr.W. vom 05.11.2003 eingeholt. Dr.T. hat zusammenfassend die Auffassung vertreten, der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten ohne Haltungskonstanz, ohne Anforderung an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht vollschichtig zu verrichten. Die Umstellungsfähigkeit sei insgesamt alters- und ausbildungsentsprechend; Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht.

Mit Urteil vom 07.11.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen noch in der Lage, in seiner letzten Tätigkeit als Fabrikarbeiter tätig zu sein, weshalb ein Rentenanspruch nicht bestehe.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Er trägt vor, die Gutachten seien nicht vollständig, insbesondere fehle ein "psychiatrisches Ergebnis aus dem Krankenhaus in G ...

Der Senat hat zur Aufklärung des Sachverhalts das von der Ärztin für Psychiatrie Dr.M. am 20.08.2004 erstattete Gutachten eingeholt, nach deren Auffassung der Kläger seit Antragstellung in der Lage sei, acht Stunden körperlich leichte und gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit (ohne Akkordarbeit, ohne taktgebundene Arbeit), ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht und nicht in engen Räumen zu verrichten. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt und der Kläger sei noch in der Lage, sich auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umzustellen.

Hierzu hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er nach Auffassung der Ärzte in seiner Heimat keine Arbeit mehr verrichten könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 07.11.2003 sowie des Bescheides vom 07.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2002 zu verurteilen, ihm aufgrund des Antrags vom 05.10.2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Tatbestandes wird im Übrigen verwiesen auf den Inhalt der Akten des Gerichts und der beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie der Klageakten des Sozialgerichts Landshut, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, sachlich erweist sie sich jedoch als unbegründet.

Der Kläger ist seit Antragstellung nicht teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs.1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl.I, S.1827), weil er nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Damit ist er erst recht nicht voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs.2 SGB VI, weil er wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit nicht außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Es liegt auch keine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI vor, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.

Die beim Kläger feststellbaren Gesundheitsstörungen und deren Auswirkungen auf sein körperliches Leistungsvermögen ergeben sich aus den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr.T. , Dr.W. und Dr.M ...

Bei der im Auftrag des Sozialgerichts durchgeführten Untersuchung des Klägers beschreibt Dr.T. bei diesem einen ausreichenden Allgemein- und Ernährungszustand (172 cm/ 64,1 kg). Das rote Blutbild war regelrecht und es fanden sich keine Hinweise auf Verdauungsstörungen bei bekanntem Magen- und Zwölffingerdarmgeschwürsleiden. Die Sachverständige bezeichnet diätetische Maßnahmen und einen Verzicht auf Nikotin als unerlässlich. Die im Hinblick auf die Angaben von Schmerzen unter dem rechten Rippenbogen durchgeführte Ultraschalluntersuchung des Abdomens zeigte eine völlig regelrechte Leber, gleiches gilt für die Bauchspeicheldrüse; labormäßig konnte ein Leberparenchymschaden ausgeschlossen werden.

Vitalographisch konnte die Sachverständige eine leichte ob- struktive Ventilationsstörung feststellen, die Blutgase zeigten eine Erniedrigung des Sauerstoffpartialdrucks im Sinne einer leichten Partialinsuffizienz. Im Röntgenbild ist eine Bronchitis nachweisbar.

Die Herzaktion war regelmäßig, der Blutdruck zeigte sich leicht erhöht (160/95 mmHg). Im Ruhe-Elektrocardiogramm waren keine Erregungsausbreitungs- oder -rückbildungsstörungen erkennbar; die Belastung wurde bis 100 Watt ohne irgendwelche subjektive oder objektive Störungen toleriert. Nach Auffassung der Sachverständigen sind dem Kläger deshalb von cardio-pulmonaler Seite bei rezidivierender Bronchitis und atypischen Herzbeschwerden leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten noch ohne weiteres möglich.

Auch von seiten des Stütz- und Bewegungssystems vermag der Kläger bei Beschwerden an der Wirbelsäule und beiden Knien noch zumindest leichte Tätigkeiten auszuüben.

Die Blasenentleerungsstörungen nach Prostatitis erfordern eine Intensivierung der Therapie.

Auf psychiatrischem Fachgebiet wurde der Kläger zuletzt von der vom Senat bestellten Sachverständigen Dr.M. einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Die Sachverständige bezeichnet den Kläger als altersentsprechend, er war bewusststeinsklar und allseits orientiert. Er schilderte vermehrte Ängstlichkeit und Panikattacken, die witterungsabhängig seien und ca. zweimal im Monat auftreten, ebenso wie die migräneartigen Kopfschmerzen in Form eines Druck- und Ringgefühls über dem Kopf.

Die neurologische Untersuchung ergab regelrechte Verhältnisse im Hirnnerven- und Reflexstatus. An beiden Unterschenkeln fanden sich sockenförmige Hypästhesien und Hypalgesien; motorische Ausfälle waren nicht vorhanden.

Aus psychopathologischer Sicht fand die Sachverständige ein leichtgradig ausgeprägtes depressives Syndrom ohne Hinweise für eine tiefgreifende Depressivität bei erhaltener affektiver Schwingungsfähigkeit. Die Sachverständige betont, dass im Rahmen der Untersuchung keine Ängstlichkeit festgestellt werden konnte; Psychomotorik und Antrieb waren regelrecht. Die Sachverständige führt aus, dass der Kläger noch bei der Vorbegutachtung durch Dr.W. ein Auftreten der Panikattacken alle drei bis vier Monate angegeben hatte, die nunmehrige Angabe von etwa zweimal im Monat würde für eine Zunahme sprechen. Dies sei jedoch aufgrund der vorliegenden medizinischen Befunde nicht wahrscheinlich, zumal auch die behandelnden Ärzte keine Diagnose einer Angststörung gestellt haben. Diesbezüglich findet auch keine psychopharmakologische Behandlung statt. Insgesamt bestätigt Dr.M. das von Dr.W. gefundene Krankheitsbild, das den Kläger in seiner psychischen, nervlichen und körperlichen Belastbarkeit leicht bis mittelgradig einschränkt. Eine Reduzierung der zeitlichen Arbeitsfähigkeit kann jedoch noch nicht angenommen werden.

Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist durch die auf internistischem, orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen zwar bereits eingeschränkt. Er kann jedoch noch acht Stunden täglich körperlich leichte und gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten ausüben. Es dürfen keine besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit gestellt werden (keine Akkordarbeit, keine taktgebundene Arbeit) und es sind Arbeiten nur noch ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nacht- und Wechselschicht in nicht engen Räumen möglich. Der Kläger ist in der Lage, vor Arbeitsbeginn mehr als 500 m zu einem öffentlichen Verkehrsmittel und dann von diesem mehr als 500 m zum Arbeitsplatz in angemessener Geschwindigkeit zu Fuß zu gehen, weshalb auch hier keine relevanten Einschränkungen vorliegen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.23).

Angesichts des vollschichtigen (also mehr als sechsstündigen) Arbeitsleistungsvermögens des Klägers kann nicht von teilweiser oder voller Erwerbsminderung ausgegangen werden (vgl. § 43 Abs.3 SGB VI), weil weder eine schwere spezifische Leistungs- behinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegen, die es etwa fraglich erscheinen lassen würden, ob der Kläger unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses noch zu arbeiten in der Lage wäre.

Der Kläger ist seit Antragstellung aber auch nicht erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit, weil er noch in der Lage ist, vollschichtig zu arbeiten und ihm auch kein sog. Berufsschutz zusteht. Im Rahmen des von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.17) ist der Kläger nämlich nur der unteren Stufe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen mit der Möglichkeit der Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, weshalb es unerheblich ist, ob er die in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Tätigkeit (Monteur) noch verrichten kann. Es kann dabei dahinstehen, ob er tatsächlich in Deutschland qualitativ höherstehende, etwa einem Facharbeiter gleichzustellende Tätigkeit bei der Firma K. verrichtet hat. Die in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten liegen am Beginn seines versicherten Berufslebens und er hat sie vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit wieder aufgegeben und ist in seine Heimat zurückgekehrt. Die später in Jugoslawien ausgeübten Tätigkeiten können bei der Frage der (qualitativen) Einstufung innerhalb des Mehrstufenschemas nicht herangezogen werden, da nur die in Deutschland versicherte Tätigkeit für die Beurteilung maßgeblich sein kann.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die gemäß § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu treffende Kostenentscheidung berücksichtigt, dass der Kläger in vollem Umfang unterlegen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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