L 6 RJ 216/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 3/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 216/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28. März 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt ist, freiwillige Beiträge für die Zeit vom 01.10.1993 bis 31.12.1995 nachzuentrichten.

Die 1949 geborene Klägerin hat am 10.03.1972 eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland aufgenommen und war hier bis 1997 erwerbstätig, unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit (auch ohne Leistungsbezug) bzw. in der Zeit von Oktober 1993 bis Dezember 1995 als Sozialhilfebezieherin. Für die Zeiten ohne Pflichtversicherung vom 01.05.1984 bis 31.12.1994 und für 05.1985 bzw. vom 01.04.1984 bis 31.10.1986 hat sie fristgerecht freiwillige Beiträge entrichtet.

Erstmals hatte die Klägerin am 12.11.1991 bei der LVA Oberbayern einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt, der mit Bescheid vom 10.02.1992 und mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.1992 abgelehnt worden war, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorlägen. Die dagegen zum Sozialgericht München eingelegte Klage wurde mit Urteil vom 28. September 1994 abgewiesen, die Berufung durch Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 22. März 1995 zurückgewiesen.

Einen weiteren Rentenantrag der Klägerin vom 27.07.1997 hat die LVA Oberbayern mit Bescheid vom 11.12.1997 abgewiesen mit der Begründung, es liege weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vor, zudem sei die Zeit von Oktober 1993 bis Dezember 1995 nicht mit Beiträgen oder Anwartschaftserhaltungszeiten belegt, so dass für einen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall ein Rentenanspruch schon deshalb nicht bestehen würde, da im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum lediglich 28 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt wären. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die LVA Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.1998 zurück. Die zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage wurde in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.1999 zurückgenommen.

Am 30. Dezember 1999 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und erklärte sich bereit, Beitragslücken ab 1997 mit freiwilligen Beiträgen zu belegen, soweit diese nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen seien. Die Beklagte ermittelte darauf bei den Sozialhilfeämtern und Arbeitsämtern M. und F ... Das Arbeitsamt M. teilte mit, dass keine Bewerberunterlagen mehr vorlägen und lediglich festzustellen sei, dass die Klägerin seit 10.06. 1990 keine Leistungen als Arbeitssuchende erhalten habe und Arbeitslosenhilfeanträge mit Bescheiden vom 26.06.1990 und 05.06. 1992 abgelehnt worden seien. Das Landratsamt M. teilte dazu mit, dass die Klägerin im daran anschließenden Zeitraum vom 01.06.1992 bis 30.09.1993 Sozialhilfe bezogen habe und legte Kopien von Bewerbungsschreiben der Klägerin sowie die Antworten für den betreffenden Zeitraum vor. Das Landratsamt F. konnte Bewerbungsmeldungen beim Arbeitsamt F. für die Zeit vom 21.06.1995 bis 26.02.1996 vorweisen. Mit Schreiben vom 17.05.2000 teilte die Beklagte der Klägerin zunächst mit, dass sie für die Zeit vom 01.05.1997 bis 31.12.1999 bzw. laufend ab 01.01.2000 berechtigt sei, freiwillige Beiträge zu entrichten, andererseits werde die Klägerin jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dadurch eine Anwartschaft auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht aufrecht erhalten werden könne, da die vor diesem Zeitraum bestehenden Beitragslücken in der Zeit vom 01.10.1993 bis 30.06.1996 nicht mehr geschlossen werden könnten. Anschließend erteilte die Beklagte ihren Bescheid vom 25.09.2000, worin sie Nachzahlungen freiwilliger Beiträge für den Zeitraum vom 01.10.1993 bis 31.12.1995 ablehnte. Die Antragsfrist zur Entrichtung freiwilliger Beiträge sei lediglich durch die Rentenantragstellung vom 24.01.1997 nur für die Zeit ab 01.01.1996 gewahrt.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.12.2000 zurück. Die Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 1996 sei wegen Fristversäumnis nicht mehr möglich.

Dagegen hat die Klägerin zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben, mit der sie weiter die Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Beitragslücken vom 01.10.1993 bis 31.12.1995 begehrt. Im drohenden Verlust der Anwartschaften auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei eine besondere Härte gemäß § 197 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu sehen. Die Klägerin erhalte ab 31.03.1998 von der Beklagten eine große Witwenrente. Seit diesem Zeitpunkt sei sie wirtschaftlich in der Lage Beiträge nachzuentrichten. Vorher habe sie den Antrag nicht stellen können, weil sie dazu finanziell nicht in der Lage gewesen sei. Zudem trug sie vor, dass sie in der betreffenden Zeit Sozialhilfe bezogen habe und dies voraussetze, dass sie beim Arbeitsamt als Arbeitssuchende gemeldet gewesen sei. Die betreffende Zeit sei deshalb als Anrechnungszeit zu bewerten und eine Entrichtung freiwilliger Beiträge zur Erhaltung der Anwartschaft nicht erforderlich. Auf die Anfrage des Sozialgerichts Landshut hat das Arbeitsamt F. ebenso wie das Arbeitsamt M. mitgeteilt, dass keine weiteren Unterlagen über die betreffende Zeit mehr vorlägen. Dementsprechend enthält der von der LVA Schwaben als kontoführende Anstalt vorgelegte Versicherungsverlauf vom 07.01.2003 eine Lücke von Oktober 1993 bis Mai 1995. Die Zeit von Juni 1995 bis Februar 1996 ist als Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (ohne Anrechnung) verzeichnet.

Mit Urteil vom 28. März 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei nicht berechtigt, freiwillige Beiträge für die in ihrem Versicherungsverlauf enthaltenen Lücken im Zeitraum vom 01.10.1993 bis 31.12.1995 zu entrichten, da die Beitragsentrichtungsfristen bereits verstrichen seien. Ein Versicherter sei in Fällen besonderer Härte zwar gemäß § 197 Abs.3 SGB VI auch nach Ablauf der Entrichtungsfristen zur Nachent- richtung berechtigt, soweit dies von der Beklagten auf Antrag gestattet worden sei und er ohne Verschulden an der rechtzeitigen Beitragszahlung gehindert gewesen sei. Es stelle für die Klägerin zwar eine besondere Härte dar, dass sie ohne die Entrichtung freiwilliger Beiträge ihre Anwartschaft auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung verliere, andererseits sei sie nicht ohne Verschulden an der rechtzeitigen Beitragsentrichtung gehindert gewesen. Wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeiten könnten regelmäßig die Schuldlosigkeit nicht begründen. Die Berücksichtigung weiterer Zeiten der Arbeitslosigkeit als Anrechnungszeit sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit Berufung. Sie habe in der betreffenden Zeit nachweislich Sozialhilfe vom Landratsamt M. bzw. Landratsamt F. bezogen und habe deshalb nicht die finanziellen Mittel besessen, freiwillige Beiträge zu entrichten. Sie sei deshalb ohne Verschulden im Sinne des § 197 Abs.3 SGB VI an der rechtzeitigen Beitragszahlung gehindert gewesen. Erst ab 31.03.1998 sei sie durch die Gewährung von Witwenrente finanziell in der Lage gewesen, freiwillige Beiträge zu entrichten. Innerhalb der 3-Monatsfrist des § 197 Abs.3 nach Wegfall dieses Hinderungsgrundes habe sie den Antrag auf Entrichtung freiwilliger Beiträge gestellt. Sie sei deshalb berechtigt, für den betreffenden Zeitraum die Lücken im Versicherungsverlauf durch Entrichtung freiwilliger Beiträge zu schließen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.03.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Entrichtung freiwilliger Beiträge für den Zeitraum vom 01.10.1993 bis 31.12.1995 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts weiterhin für zutreffend.

Beigezogen waren die Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Landshut, auf deren Inhalt sowie auf den Inhalt der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich ist sie jedoch nicht begründet, weil die Klägerin keinen Anspruch darauf hat, freiwillige Beiträge für den Zeitraum vom 01.10.1993 bis 31.05.1995 zu entrichten.

Der Senat folgt in seiner Entscheidung den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht daher insoweit gemäß § 153 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend dazu ist lediglich auszuführen, dass die Klägerin schon deshalb nicht die Härtefallregelung des § 197 Abs.3 SGB VI in Anspruch nehmen kann, weil sie sich nicht innerhalb der Frist des § 197 Abs.2 SGB VI beim Versicherungsträger um eine Fristverlängerung für die Zahlung freiwilliger Beiträge bemüht hat. Daran war sie jedoch offensichtlich nicht gehindert, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt eventuell nicht in der Lage gewesen sein sollte, freiwillige Beiträge noch rechtzeitig zu bezahlen (vgl. BSG-Urteil vom 11.05.2000, Az.: B 13 RJ 85/98 in BSGE 86,153; SozR 3-5750 zu Art.2 § 6 ARVNG Nr.18).

Wie sich aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin ergibt, war sie über die Notwendigkeit aufgegklärt, Versicherungslücken mit freiwilligen Beiträgen zur Erhaltung der Anwartschaft für einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu schließen - schließlich hat sie für die Zeit vom 01.05.1984 bis 31.12. 1984 und vom 01.05.1985 bis 31.05.1985 sowie vom 01.04.1986 bis 31.10.1986 die ansonsten bestehenden Beitragslücken rechtzeitig mit freiwilligen Beiträgen gefüllt. Zudem hat sie vorgetragen, dass sie die ab Oktober 1993 bestehende Beitragslücke nur deshalb nicht mit freiwilligen Beiträgen gefüllt hätte, weil sie in dieser Zeit wirtschaftlich dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Wirtschaftliche Schwierigkeiten allein rechtfertigen jedoch nicht das Versäumen der in § 197 Abs.3 Satz 2 bestimmten Antragsfrist, vielmehr wäre von der Klägerin zu fordern gewesen, dass sie sich rechtzeitig - woran sie offensichtlich nicht gehindert gewesen wäre - mit der Bitte um Stundung an die Beklagte gewandt hätte (vgl. BSG a.a.O.). Wenn die Klägerin jedoch im Bewusstsein, dass sie wirtschaftlich nicht zu einer Beitragsleistung in der Lage ist, die Entrichtungsfristen durch Nichtstun versäumt, so erfüllt dies nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 197 Abs.3 Satz 2.

Auch wenn zunächst die Entrichtungsfrist für Beiträge der Jahre 1993 bis 1995 durch das Rentenantrags- und anschließende Klageverfahren für die Zeit vom 12.11.1991 - erster Rentenantrag - bis zur Entscheidung des Bayer. Landessozialgerichts durch Beschluss vom 22.03.1995 gehemmt gewesen war und die Klägerin daher noch im Jahre 1995 die bestehende Beitragslücke hätte füllen können, so hat sie - offensichtlich aus eigenem Verschulden - es unterlassen, entsprechende Schritte einzuleiten, obwohl sie sich der Lücke und der Notwendigkeit freiwillige Beiträge zu entrichten aufgrund der Vorgeschichte bewusst gewesen sein muss. Die Frage, ob die Beklagte aufgrund einer irgendwie gearteten Verletzung ihrer Aufklärungspflichten nunmehr Beiträge außerhalb der Entrichtungsfristen aufgrund eines Herstellungsanspruches entgegenzunehmen hätte, stellt sich in Anbetracht der insoweit bereits aufgeklärten Klägerin dem Senat nicht.

Die Klägerin hat deshalb unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch darauf, noch für die Zeit vom 01.10.1993 bis 31.12.1995 freiwillige Beiträge zu entrichten. Über die Frage des Vorliegens von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit wird die Beklagte entsprechend dem zu Protokoll des Senats bei ihr gestellten Antrag noch zu entscheiden haben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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