L 18 V 3/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 V 6/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 3/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.01.1997 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 20.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.1994 abgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid vom 10.06.1998 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob sich die bei dem Versorgungsberechtigten (VB) G. H. nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannten Schädigungsfolgen verschlimmert haben und ob weitere Schädigungsfolgen festzustellen sind.

Bei dem 1922 geborenen VB sind mit Ausführungsbescheid vom 22.10.1956 als Schädigungsfolgen im Sinne der Verschlimmerung ohne rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - lt. Gutachten Dr.H. vom 17.01.1956 MdE 20 vH - anerkannt: "Chronische rezidivierende Bronchitis bei Bronchiektasen".

Einen am 29.02.1988 gestellten Antrag des VB auf Leidensverschlimmerung lehnte der Beklagte nach Begutachtung durch den Arzt für Lungenkrankheiten B.C. (Gutachten vom 09.08.1988) mit Bescheid vom 19.08.1988 ab. Zur Begründung gab der Beklagte an, die Verschlimmerung der chronischen Bronchitis sei auf ein schädigungsfolgenunabhängiges Lungenemphysem zurückzuführen.

Am 11.06.1993 stellte der VB erneut einen Antrag auf Neufeststellung seiner Schädigungsfolgen wegen einer Verschlimmerung der chronischen Bronchitis. Der Beklagte lehnte eine Neufeststellung mit Bescheid vom 20.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.1994 ohne weitere medizinische Sachaufklärung ab und berief sich auf die Gründe des Bescheides vom 19.08.1988.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth hat der VB beantragt, als weitere Schädigungsfolgen mit einer MdE von 35 vH festzustellen: "Psychosomatisches Beschwerdebild mit brennenden Missempfindungen und Schmerzen in der Thorakalregion rechts und Missempfindungen im Bereich des rechten Beines" und entsprechende Versorgungsleistungen zu gewähren. Das Sozialgericht hat Behandlungsunterlagen des VB beigezogen und von Dr.H. , Bezirksklinikum K. , ein internistisch-pneumologisches Gutachten vom 24.03.1995 eingeholt. Dieser sah die Ursache für die Beschwerden des VB im Bereich der Lungengefäße. Der enge zeitliche Zusammenhang mit der Gefangenschaft spreche dafür, dass die Ursprünge dieser Erkrankung in dieser Zeit lägen. Der Sachverständige hat eine wesentliche Änderung der anerkannten Schädigungsfolgen verneint und diese mit einer MdE von 20 vH für ausreichend bewertet angesehen. Für die vom VB geäußerten Hauptbeschwerden "rechtsseitige brennende Brustschmerzen" hat er eine psychosomatische Ursache in Betracht gezogen und deshalb die Durchführung einer neurologisch-psychiatrischen Untersuchung zu der Frage vorgeschlagen, ob diese Beschwerden auf Kriegsdienst und Gefangenschaft zurückzuführen seien. Der auf Antrag des VB vom Sozialgericht mit Gutachten vom 26.02.1996 gehörte Lungenfacharzt und Chirurg Dr.J. (Klinik M. , Lungenfachklinik des Bezirks) hat keine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen feststellen können. Er hat ebenfalls im Hinblick auf die Schmerzsymptomatik des VB an eine psychosomatische Erkrankung gedacht, deren Ursache durch die erlebten Ereignisse im Krieg verstärkt sein könnte. Dr.J. hat daher - wie Dr.H. - eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung zur Ursachenanalyse empfohlen. Anschließend hat das Sozialgericht von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. von Amts wegen ein Gutachten vom 24.07. / 26.08. / 05.11. / 16.12.1996 eingeholt. Dieser hat einen Kausalzusammenhang zwischen psychisch belastenden Erlebnissen während der Kriegsgefangenschaft und den aktuellen Symptomen (brennende Schmerzen in der rechten Brustseite, Pelzigkeits- und Kältegefühl im rechten Bein von der Leistenbeuge bis zum Fuß reichend) bejaht. Das psychosomatische Beschwerdebild sei bereits ab 14.09.1955 anzuerkennen. Die anamnestischen Angaben hinsichtlich der brennenden Schmerzen in der rechten Brustseite reichten noch weiter zurück. Bei exaktem Studium der Erstbefunde sei eindeutig belegt, dass diese Schmerzen mindestens sei Juli 1950 bestanden hätten. Die Angabe des VB, dass diese Beschwerden seit der Gefangenschaft bestünden, seien durchaus glaubhaft. Der VB sei während des Kriegseinsatzes und vor allem auch zur Zeit der Kriegsgefangenschaft extremen Belastungen ausgesetzt gewesen (Fronteinsatz in Russland, auf dem Rückzug aus Russland wochenlang durchnässte Kleidung ohne Kleiderwechsel und Schlaf, Kriegsgefangenschaft im Massenlager Rheinberg unter freiem Himmel ohne ausreichende Nahrung, auf dem Bahntransport in das Massenlager Anschwellen der Beine von den Zehen bis zum Rumpf, hohes Fieber und Lazarettaufenthalt). Es habe sich hierbei um schwerwiegende psychische Stresssituationen gehandelt, die die gesamte psychische Struktur des vormals gesunden und leistungsfähigen VB in hohem Maße erschüttert hätten. Im Laufe der Zeit hätte sich das gesamte Beschwerdebild fixiert. Der VB habe nach dem Krieg auch beruflich nicht mehr Fuß gefasst. Die Missempfindungen im Bereich des rechten Beines und die Schmerzsymptomatik im Bereich der Thorakalseite rechts seien bei den Untersuchungen zwar regelmäßig beschrieben worden, hätten in den Schädigungsfolgen aber keinen entsprechenden Niederschlag gefunden. Das psychosomatische Schmerzbild bedinge einen Schädigungsgrad von 15 vH. Unter Berücksichtigung des internistisch-pneumologischen Befundes von 20 vH sei eine MdE von 35 vH gerechtfertigt, da sich die Schädigungsfolgen gegenseitig verstärkten.

Der Beklagte hat sich mit versorgungsärztlichen Stellungnahmen der Internistin Dr.W. vom 08.10.1996 und der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. vom 10.10.1996 gegen das Gutachten des Dr.K. gewandt (Schreiben vom 21.10.1996).

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 30.01.1997 den Bescheid vom 20.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.1994 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, beim VB als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen: "Psychosomatisch bedingtes Beschwerdebild mit brennenden Missemfpindungen und Schmerzen in der Thorakalregion rechts und Missempfindungen im Bereich des rechten Beines" sowie die Versorgungsleistungen ab 01.06.1993 nach einer MdE von 35 vH zu bewerten. Das Sozialgericht hat sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr.K. gestützt und ausgeführt, dass eine persönlichkeitsbedingte Prädisposition für die Annahme einer schädigungsfremden Persönlichkeitsstörung nicht habe festgestellt werden können. Die Annahme einer Gesamt-MdE von 35 vH sei zutreffend, da sich die Schädigungsfolgen gegenseitig verstärkten.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und sich unter Vorlage einer nervenärztlichen Stellungnahme der Dr.S. vom 04.03.1997 gegen das Gutachten des Dr.K. gewandt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem heute bestehenden psychosomatischen Beschwerdebild und der über 50 Jahre zurückliegenden Kriegsgefangenschaft sei nicht wahrscheinlich. Auch sei die Feststellung des Gerichts, dass sich die Lungenbeschwerden und die seelischen Störungen gegenseitig verstärkten, ohne Begründung getroffen worden.

Der Senat hat von dem Leiter der Pneumologischen Abteilung der Med. Klinik I Prof. Dr.F. , M. , ein Gutachten vom 20.12.1997 eingeholt. Dieser hat eine wesentliche Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen nicht für wahrscheinlich gehalten und die MdE hierfür mit 20 vH bewertet.

Mit Schreiben vom 03.02.1998 hat der VB als weitere Schädigungsfolge eine Herzerkrankung geltend gemacht, die er auf eine im Krieg erlittene Scharlacherkrankung zurückführte. Diesen Antrag hat der Beklagte mit Bescheid vom 10.06.1998 nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des Arztes für Lungenkrankheiten C. vom 08.05.1998 mit Bescheid vom 10.06.1998 abgelehnt.

Der Senat hat Prof. Dr.M. (Klinikum B.) mit Gutachten vom 15.01.1999 gehört. Dieser hat auf kardiologischem Gebiet keine Gesundheitsstörungen festgestellt, die sich mit Wahrscheinlichkeit auf eine Kriegs- oder Wehrdienstschädigung ursächlich zurückführen ließen. Eine vom Senat vorgesehene Begutachtung des VB auf psychiatrischem Gebiet durch Prof. Dr.R. oder Vertreter im Amt der Psychiatrischen Klinik und Poliklinik der Universität W. konnte wegen Ruhens des Verfahrens aus gesundheitlichen Gründen des VB nicht durchgeführt werden. Nach Wiederaufnahme des Rechtsstreits durch die Beklagte am 30.10.2003 ist der VB am 23.11.2003 verstorben.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.01.1997 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 20.07.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.1994 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.01.1997 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigten-Akte des Beklagten und die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet.

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG.

Der Rechtsstreit war durch den Tod des VB unterbrochen. Der Beklagte hat einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt.

Der VB hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und Gewährung einer Versorgungsrente im Wege einer Zugunstenentscheidung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder Neufeststellung im Sinne des § 48 SGB X.

Liegt bereits eine bindende Verwaltungsentscheidung über die Schädigungsfolgen vor und erweist sich diese nachträglich als unrichtig, ist sie nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Prüfungsmaßstab ist dabei nicht die zweifelsfreie Unrichtigkeit der früheren Entscheidung, sondern es sind die gleichen Beweisanforderungen zu stellen, wie bei einer erstmaligen Prüfung (BSG SozR 3900 § 40 Nr 9).

Nach § 1 Abs 2 a und b BVG erhält Versorgung, wer durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung oder eine Kriegsgefangenschaft eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Für die Anerkennung einer weiteren Schädigungsfolge ist es erforderlich, dass ein schädigendes Ereignis eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen und diese eine zum Zeitpunkt der Antragstellung noch vorhandene Gesundheitsstörung verursacht hat. Schädigendes Ereignis, gesundheitliche Schädigung und Gesundheitsstörungen müssen dabei jeweils für sich nachgewiesen sein. Für die Anerkennungsfähigkeit der Gesundheitsstörung genügt gemäß § 1 Abs 3 Satz 1 BVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs mit der gesundheitlichen Schädigung. Wahrscheinlichkeit im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht.

Der Beklagte hat das Recht bei Erlass des Bescheides vom 22.10.1956 nicht unrichtig angewandt und ist nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Der Senat kann nämlich nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit feststellen, dass Kriegseinflüsse die bestehenden psychovegetativen Beschwerden des VB hervorgerufen haben. Der Senat folgt im Ergebnis der nervenärztlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin Dr.S. vom 10.10.1996. Dem Gutachten des Sachverständigen Dr.K. kann sich der Senat nicht anschließen, da dieses unschlüssig ist.

Nach den vom Senat nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu beachtenden Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 2004 (AHP) muss zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Dabei sind Brückensymptome notwendige Bindeglieder. Fehlen Brückensymptome, so ist die Zusammenhangsfrage besonders sorgfältig zu prüfen und die Stellungnahme anhand eindeutiger objektiver Befunde überzeugend wissenschaftlich zu begründen (AHP Rdnr 37 Abs 4). Vielfach lässt allein der große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome den ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich erscheinen. Die angemessene zeitliche Verbindung bildet i.d.R. eine Voraussetzung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (aaO Rdnr 38 Abs 3).

Vorliegend fehlt es an den notwendigen Brückensymptomen, um ein während des Krieges bzw. der Kriegsgefangenschaft aufgetretenes psychovegetatives Leiden als Schädigungsfolge anzuerkennen. Die zu fordernde zeitliche Verbindung, die für die Annahme der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs gegeben sein muss, ist nicht herzustellen. Die Voraussetzungen für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung liegen nicht vor. Eine solche setzt eine "Einengung der Reagibilität bzw. eine verminderte Beteiligung an der äußeren Welt" voraus, die e i n i g e Zeit nach dem Trauma beginnt (vgl BayLSG Breithaupt 2001, 725 = E-LSG V-032). Diese zeitliche Voraussetzung für die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung entspricht den in der medizinischen Wissenschaft geforderten Kriterien, dass ein s t ä n d i g e s Wiedererleben des traumatischen Erlebnisses und a n h a l t e n d e Symptome eines erhöhten Erregungsniveaus vorliegen müssen (vgl Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 06.03.1998 Nr VI 5-50122-2/38, Ärztl. Sachverständigenbeirat, Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" 12./13.11.1997, Tagesordnung 1.1). Solche Symptome mögen unmittelbar nach dem Erleben der psychischen Belastungen und auch - wie vom VB geschildert - unmittelbar nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft bestanden haben. Der VB konnte aber nicht den Nachweis führen, dass diese psychovegetativen Beschwerden vom Beginn der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (April 1946) bis zur Erwähnung durch den Sachverständigen Dr.H. im Gutachten vom 24.03.1995 - also immerhin über einen Zeitraum von 49 Jahren - ununterbrochen bestanden haben. Zwar gibt der VB an, von 1947 bis 1995 an psychovegetativen Beschwerden gelitten zu haben. Diese Angabe vermag aber die Überzeugung des Senats nicht zu begründen, der VB sei seit seiner Entlassung ununterbrochen psychisch erkrankt gewesen. Einen entsprechenden Beweis für seine Behauptung vermochte der VB nicht zu erbringen. Er konnte weder Zeugen benennen, noch ergeben sich aus den vom Beklagten beigezogenen ärztlichen Unterlagen irgendwelche Hinweise darauf, dass der VB durchgängig psychosomatisch erkrankt gewesen ist. Eine weitere Sachaufklärung durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens war dem Senat wegen des Ablebens des VB nicht möglich.

Nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast trägt der VB die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen sollen (Meyer- Ladewig, Kommentar zum SGG, 7.Auflage, § 103 Rdnr 19a). Zwar kann im Falle eines "Beweisnotstandes", d.h. in Fällen, in denen für die Feststellung anspruchsbegründender Tatsachen besondere Schwierigkeiten bestehen, eine Beweiserleichterung dergestalt gewährt werden, dass an die Bildung der richterlichen Überzeugung weniger hohe Anforderungen gestellt werden (zum Beweisnotstand vgl BSG SozR 3-1750 § 44 Nr 1). Ein Anspruch des VB ist vorliegend aber deswegen ausgeschlossen, weil dieser vor seinem Antrag im Jahr 1998 Jahrzehnte hat verstreichen lassen und es Beweiserleichterungen nur für kriegsbedingte Beweisnot gibt (vgl BSG SozR 3-3100 § 5 Nr 2). Die bestehende Beweisnot geht daher zu Lasten des VB. Der VB hätte seinen Antrag auf Anerkennung von psychovegetativen Störungen als Kriegsleiden zeitnah nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft stellen können. Es fällt allein in seinen Verantwortungsbereich, wenn er ein angeblich kriegsbedingtes psychisches Leiden erstmals im Jahr 1995 geltend macht.

Das Vorliegen einer Schädigungsfolge kann nicht bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur m ö g l i c h ist (AHP Rdnr 38 Abs 4). Im Hinblick auf die jahrzehntelang unterbrochene Kausalkette liegt kein Grad der Wahrscheinlichkeit vor, der ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit der Verursachung ausschließt. Falls andere Möglichkeiten der Verursachung aber ernsthaft in Betracht zu ziehen sind, wird der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit nicht erreicht (so Rohr/Strässer, Kommentar zum BVG, § 1 Rdnr 10). Vielmehr muss ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die Überzeugung vom Kausalzusammenhang gründen kann (Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 7.Auflage, § 1 Rdnr 65). Vorliegend besteht lediglich die Möglichkeit der Verursachung des psychischen Leidens durch Kriegsereignisse. Das im Jahr 1995 erstmals für die Zukunft dokumentierte psychische Leiden des VB vermag ebenso gut - wovon Dr.S. in ihrer Stellungnahme vom 10.10.1996 ausgeht - seine Ursache in der Primärpersönlichkeit des VB haben.

Dem Gutachten des Dr.K. kann unter Berücksichtigung dieser Erwägungen nicht gefolgt werden. Dr.K. hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass der VB bereits 1955 über häufige Schmerzen in der rechten Brustseite und ein pelziges Gefühl im rechten Bein berichtete. Er hat jedoch nicht berücksichtigt, dass das Fortbestehen dieser Beschwerden über 49 Jahre im Sinne einer ununterbrochenen Kausalkette Voraussetzung für die Annahme der wahrscheinlichen Verursachung durch Kriegsereignisse wäre. Das Gutachten vermag daher einen Versorgungsanspruch des VB nicht schlüssig zu begründen.

Es ist auch keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, die nunmehr eine Neufeststellung des Versorgungsanspruches rechtfertigen würde. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist gemäß § 48 SGB X dann aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse ist dann gegeben, wenn sich eine bereits anerkannte Schädigungsfolge verschlimmert hat oder eine neue Schädigungsfolge hinzugetreten ist. Voraussetzung für die Feststellung, ob eine Änderung vorliegt, ist ein Vergleich zwischen den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen letzten bescheidmäßigen Feststellung und dem Zustand im Zeitpunkt der Neufeststellung.

Nach den überzeugenden Feststellungen des Dr.H. und des Dr.J. sowie des Prof. Dr.F. haben sich die anerkannten Schädigungsfolgen nicht verschlimmert. Dr.J. hat eine weiterführende Diagnostik für unnötig gehalten. Die lungenfunktionsanalytischen Parameter ergaben eine leichtgradige Überblähung (Emphysem) mit hierzu passender leichtgradiger Einschränkung der Diffusionskapazität. Diese Veränderungen führte Dr.J. auf natürliche Alterungsvorgänge des Bronchial- und Lungensystems zurück. Beim Vergleich der funktionsanalytischen Ergebnisse mit den Untersuchungen aus früheren Gutachten ist keine Verschlechterung der lungenfunktionsanalytischen Parameter aufgefallen.

Auch die Herzerkrankung des VB ist nicht mit Wahrscheinlichkeit auf Kriegseinflüsse ursächlich zurückzuführen.

Der gemäß § 96 SGG vom Berufungsverfahren mitumfasste Bescheid vom 10.06.1998 ist rechtens. Über diesen Bescheid hatte der Senat auf Klage hin zu entscheiden (Meyer-Ladewig aaO § 96 Rdnr 7). Prof.Dr.M. hat in seinem Gutachten vom 15.01.1999 überzeugend dargelegt, weshalb die Herzerkrankung des VB nicht auf Einflüsse des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft zurückgeführt werden kann. Der VB litt unter einer pulmonal-arteriellen Hypertonie. Als Folge dieser Druckerhöhung kam es zu einer vermehrten Belastung des rechten Kammerherzmuskels mit Erweiterung der rechten Herzkammer. Hinweise auf eine pulmonal-arterielle Hypertonie lagen schon 1956 oder noch früher vor. Die anerkannte Bronchialerkrankung des VB wies aber nur eine leichte Obstruktion auf, so dass mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen der pulmonal-arteriellen Hypertonie und der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung kein Kausalzusammenhang bestanden hat. Es zeigte sich auch kein Hinweis auf eine dauerhaft myokardiale Schädigung aufgrund einer Scharlacherkrankung des VB. Prof. Dr.M. hielt es für möglich, dass in den Kriegsjahren im Rahmen eines Infektes die Herzfunktion des VB vorübergehend eingeschränkt war. In Anbetracht der in der Folgezeit gefundenen normalen linksventrikulären Funktion und auch des normalen EKG s ist es jedoch nicht zu einer erkennbaren Schädigung aufgrund der evtl. vorübergehenden Funktionseinschränkung durch Kriegs- oder Wehrdiensteinflüsse gekommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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