L 6 R 406/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 713/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 406/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 7. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin, die 1949 geboren und Staatsangehörige der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro ist, hat in der Bundesrepublik Deutschland vom 08.06.1970 bis 28.07.1971 als Fabrikarbeiterin bei der Firma B. in L. am Band (Tonbandwicklerei) gearbeitet, anschließend war sie vom 20.09.1971 bis 15.06.1974 bei der K. AG M. beschäftigt. Dem Zeugnis vom 15.06.1974 ist zu entnehmen, dass sie als Verkäuferin in der Abteilung für Galanterie/Modeware/Handarbeiten eingesetzt war. Nach den Angaben der Klägerin arbeitete sie bei der K. AG M. auch als Kassiererin. Danach kehrte sie in ihr Heimatland zurück, schloss eine vierjährige Ausbildung an einer Wirtschaftsschule erfolgreich ab und arbeitete anschließend als Verwaltungsangestellte eines Großbetriebes in der Buchhaltung. In ihrem Heimatland hat sie Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung von November 1976 bis Februar 2001 zurückgelegt. Seit dem 07.02.2001 bezieht die Klägerin in ihrer Heimat Invalidenrente.

Mit Bescheid vom 17.07.2002 und Widerspruchsbescheid vom 15.05.2003 lehnte die Beklagte den am 08.01.2001 gestellten Antrag der Klägerin auf Zahlung von Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Versicherte habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, weil sie nach den zu ihrem Gesundheitszustand und beruflichen Leistungsvermögen getroffenen Feststellungen noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Sie sei auch nicht berufsunfähig, weil sie ihren bisherigen Beruf noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte dem Gutachten der Invalidenkommission in N. vom 15.10.2001, weiteren medizinischen Unterlagen aus der Heimat der Klägerin, dem Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.M. vom 03.07.2002 und dem internistischen Zusatzgutachten von Dr.G. vom 01.07.2002 aufgrund einer dreitägigen stationären Untersuchung der Klägerin in der Ärztlichen Gutachterstelle R. sowie der Stellungnahme von Dr.D. vom 18.03.2003.

Gegen den Widerspruchsbescheid richtet sich die am 13.06.2003 zum Sozialgericht Landshut erhobene Klage mit der Anregung, ein weiteres Gutachten einzuholen. Das Sozialgericht veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch die Ärztin für Sozialmedizin Dr.T. (Gutachten vom 06.05.2004) sowie durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.Dr.W. (Gutachten vom 05.05.2004). Die Gutachter diagnostizierten bei der Klägerin ein abgelaufenes cerebrales Ereignis im Jahr 2000 ohne gravierende Restsymptomatik, einen Bluthochdruck bei beginnender hypertensiver Herzerkrankung, eine Bronchitis bei Nikotinabusus, eine Stressinkontinenz, einen rezidivierenden Harnwegsinfekt, eine Schilddrüsenvergrößerung mit Stoffwechselstörung, eine Dysthymie, rezidivierende Gelenkbeschwerden, wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen sowie als Nebenfunde eine Schielstellung des linken Auges nach Operation, einen Zustand nach Herpes zoster linkes Gesäß und eine Sekretion aus den Mamillen. Die Klägerin wurde von Dr.T. zusammenfassend für fähig erachtet, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses, insbesondere ohne zusätzliche Pausen, leichte Arbeiten zu ebener Erde, ohne Heben und Tragen von Lasten, in wohltemperierten Räumen, ohne Überkopfarbeit, ohne Zeitdruck sowie Nacht- und Wechselschicht vollschichtig zu verrichten. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Die Klägerin könne sich auch noch auf eine neue Berufstätigkeit umstellen. Mit Urteil vom 07.05.2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung bzw. auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Unter Berücksichtigung der eingeholten Gutachten liege keine Erwerbsminderung vor. Die Klägerin sei seit dem Zeitpunkt der Rentenantragstellung noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie könne noch leichte körperliche Arbeiten bei Berücksichtigung der von den Gutachtern genannten qualitativen Einschränkungen verrichten. Unentschieden könne bleiben, ob sie die Tätigkeit als Verkäuferin noch ausüben könne, denn sie sei allenfalls als angelernte Arbeiterin im unteren Bereich anzusehen. Sie habe den Beruf der Verkäuferin nicht erlernt und es ergebe sich aus den Versicherungskarten, dass es sich bei der Tätigkeit bei der K. AG M. um keine Facharbeitertätigkeit gehandelt habe. Damit sei sie auf praktisch alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verweisen.

Am 14.07.2004 ging die Berufung der Klägerin gegen dieses ihr am 20.05.2004 in ihrer Heimat zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht mit der Begründung ein, das Urteil beruhe auf unzutreffenden Feststellungen hinsichtlich der Stellung der Klägerin als Verkäuferin und ihres gesundheitlichen Zustandes.

Auf eine Anfrage des Senats zur konkreten Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin bei der K. AG M. teilte diese mit Schreiben vom 03.03.2005 mit, dass eine Personalakte nicht mehr vorliege und laut ungenauer mündlicher Information die Klägerin im Lebensmittelbereich tätig gewesen und wohl in der Lohngruppe eins des Tarifvertrages Baden-Württemberg als Hilfskraft eingruppiert gewesen sei.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 07.05.2004 sowie des Bescheides der Beklagten vom 17.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2003 zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrages vom 08.01.2001 Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.05.2004 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Landshut, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.05.2004 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Der Senat folgt diesbezüglich in vollem Umfang den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht daher gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass der Senat keine Veranlassung sah, weitere Ermittlungen zur medizinischen Abklärung des Sachverhalts anzustellen. In den Gutachten der erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr.T. und Dr.Dr.W. ist das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin umfassend und schlüssig dargestellt. Danach ist die Klägerin noch in der Lage, täglich vollschichtig, zumindest jedoch sechs Stunden, leichte Arbeiten bei Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen zu verrichten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie im Jahr 2000 keinen Schlaganfall erlitten, sondern es wurde lediglich eine flüchtige cerebrale Durchblutungsstörung diagnostiziert. Die Klägerin leidet auch nicht mehr an einer zunächst festgestellten linksseitig armbetonten Lähmung. Eine Halbseitensymptomatik konnten die Gutachter nicht mehr feststellen, so dass offenbar eine wesentliche Funktionseinschränkung nicht verblieben ist. Der Bluthochdruck bei beginnender hypertensiver Herzerkrankung ist zwar nicht ideal eingestellt, eine Einschränkung der quantitativen beruflichen Leistungsfähigkeit kann aber deshalb, auch unter Berücksichtigung der bronchitischen Beschwerden, nicht festgestellt werden. Die bestehende Stressinkontinenz bei rezidivierendem Harnwegsinfekt schließt lediglich schwere körperliche Arbeiten aus sowie Arbeiten, die mit Heben und Tragen von Lasten verbunden sind sowie bei Kälte und Nässe zu verrichten sind. Die Schilddrüsenstoffwechselstörung kann schon deshalb nicht zu einer wesentlichen Leistungseinschränkung führen, weil eine aussichtsreiche Möglichkeit der Behandlung besteht. Auch die bei der Klägerin bestehende Dysthymie schränkt jedenfalls das zeitliche berufliche Leistungsvermögen der Klägerin nicht ein, denn aufgrund dieser Gesundheitsstörung sind lediglich Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sowie Nacht- und Schichtarbeit nicht mehr zumutbar. Die orthopädischen Beschwerden im Bereich des Schultergürtels und der Wirbelsäule verbieten nur mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten, Arbeiten in Haltungskonstanz sowie Überkopfarbeiten.

Nach den Feststellungen von Dr.T. ist aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen die zuletzt in der Bundesrepublik ausgeübte Tätigkeit der Klägerin im Verkauf eines Warenhauses nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Klägerin kann nach Auffassung der Gutachterin als Verkäuferin tätig sein, wenn ein Wechsel der Körperhaltung möglich ist. Die Klägerin hat angegeben, bei der K. AG M. als Verkäuferin und Kassiererin gearbeitet zu haben. Die Tätigkeit in einer Verkaufsabteilung eines Warenhauses ist aber gerade nicht mit Arbeiten in Haltungskonstanz verbunden, so dass nach dieser Bewertung die Klägerin diesen Beruf ausüben könnte.

Selbst wenn jedoch davon auszugehen ist, dass ihr diese Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zugemutet werden kann, reicht dies für die Annahme von wenigstens teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht aus. Wie das Sozialgericht richtig ausgeführt hat, sind Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist. Aus den vorliegenden Unterlagen kann nicht entnommen werden, dass die Klägerin bei der K. AG M. eine Tätigkeit ausgeübt hat, die eine abgeschlossene Ausbildung von mindestens zwei Jahren voraussetzt und somit eine nur eingeschränkte Verweisbarkeit gegeben wäre. Der Senat ist der Auffassung, dass die Klägerin Tätigkeiten nach nur kurzer Anlernzeit verrichtete. Eine Ausbildung zur Verkäuferin hat sie jedenfalls nicht durchlaufen. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die in der vorliegenden Versicherungskarte im Feld B eingetragene Schlüsselzahl 41 einen Hinweis zur Stellung der Klägerin im Beruf und deren Ausbildung geben kann. Die Zahl vier deutet lediglich auf ein Angestelltenverhältnis hin, wobei nur nicht der Meister gemeint ist. Aussagekräftiger ist die Zahl eins, die dann eingetragen wird, wenn eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht vorliegt.

Dessen ungeachtet genießt jedoch die Klägerin wegen der Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland auch deshalb keinen Berufsschutz, weil sie dort am Beginn ihres Berufslebens lediglich vom 08.06.1970 bis 15.06.1975 beschäftigt war. Denn als bisheriger Beruf im Sinne des § 240 Abs.2 Satz 2 SGB VI kann nicht zugrunde gelegt werden, wenn der Beruf bereits vor der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs.1 SGB VI) aufgegeben wurde (BSG SozR 2600 § 46 Nr.6; SozR 2200 § 1246 Nr.126). Die Klägerin war aber in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt weniger als fünf Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wobei hier bereits die Beschäftigung als Fabrikarbeiterin bei der B. in L. vor der bei der K. AG M. eingerechnet ist. Auch die später in ihrem Heimatland ausgeübte Tätigkeit als kaufmännische Angestellte bzw. Buchhalterin ist für die Bestimmung des bisherigen Berufs nicht zu berücksichtigen, weil diese nicht der deutschen Sozialversicherungspflicht unterlag (vgl. BSG SozR 2000 § 1246 Nr.64; SozR 3-6855 Art.11 Nr.1 m.w.N.).

Die Klägerin ist somit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, denen sie körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt bei der Klägerin weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einer Versicherten erforderlich machen würde, die der Gruppe mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen ist.

Der Anspruch der Klägerin auf Invalidenrente nach dem Recht ihres Herkunftslandes führt nicht zwingend dazu, dass sie auch in Deutschland Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen könnte. Der Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbsminderung ist unabhängig davon allein nach den deutschen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 07.05.2004 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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