L 5 B 245/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KR 120/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 245/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.05.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 6.451,25 festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Rahmen der Vollstreckung von Beitragsnachforderungen der Beigeladenen.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die beim Amtsgericht B. Registergericht seit 10.03.1980 unter der Registernummer HRB 782 eingetragen ist. Mit Bescheid vom 09.05.2000 machte die Beigeladene nach einer Betriebsprüfung Beitragsnachforderungen über DM 41.638,96 zuzüglich DM 923.00 Säumniszuschläge geltend mit der Begründung, für den Prüfzeitraum 01.01.1996 bis 31.12.1998 schulde die Antragstellerin als Arbeitgeberin der 1939 geborenen U. F. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Eine vormalige Befreiung der U. F. her als Ehefrau eines früheren Arbeitgebers bestehe ab Gründung der Antragstellerin als GmbH und einer Beschäftigung bei dieser nicht mehr weiter. Dagegen erhob die Antragstellerin unter dem 26.05.2000 Widerspruch, welchen sie unter dem 22.08.2000 begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 wies die Beigeladene den Widerspruch als unbegründet zurück. Dieser Widerspruchsbescheid wurde als Einwurf/Einschreiben am 02.11.2000 zur Post gegeben und wurde laut Auskunft der Deutschen Post AG am 02.11.2000 in den Briefkasten eingelegt.

Am 21.10.2003 führte die Beigeladene eine Schlussbesprechung zu einer weiteren Betriebsprüfung für den Zeitraum 01.01.1999 bis 16.01.2003 durch, in welcher festgehalten wurde, dass gegen den Bescheid vom 09.05.2000/Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 nichts unternommen worden sei, so dass dieser Bestandskraft habe.

Mit Bescheid vom 21.10.2003 forderte die Beigeladene für den Betriebsprüfungszeitraum 01.01.1999 bis 16.01.2003 Beiträge für die als Ehefrau eines Geschäftsführers beschäftigte D. F. in Höhe von 28.972,08 EUR nach. Zusätzlich machte die Beigeladene Säumniszuschläge über EUR 2.519,28 geltend, weil die aus dem Bescheid vom 09.05.2000/Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 geschuldeten Beiträge noch nicht gezahlt worden seien.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren brachte die Antragstellerin unter dem 13.04.2004 vor, bezüglich der Beschäftigung der U. F. keinen Bescheid erhalten zu haben. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 wies die Beigeladene den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, der Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 sei ihr weder zugestellt worden noch zugegangen, im Übrigen seien U. F. und D. F. privat kranken- und in der Folge auch pflegeversichert gewesen.

Mit Schriftsatz vom 22.04.2005 hat die Antragstellerin beantragt, die Aussetzung der Vollstreckung nach dem Heranziehungsbescheid vom 21.10.2003 anzuordnen, sowie hilfsweise, die "aufschiebende Wirkung des Heranziehungsbescheides" anzuordnen.

Mit Schriftsatz vom 26.04.2005 hat die Antragstellerin unter Vorlage eines von der Antragsgegnerin erstellten Ausstandsverzeichnisses vom 18.05.2005 die Einstellung der Zwangsvollstreckung in Höhe von EUR 17.059,26 zuzüglich Säumniszuschläge beantragt. Die Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung seien nicht gegeben, der zugrundeliegende Verwaltungsakt sei mit einem Widerspruch angefochten, über welchen noch nicht entschieden sei. Denn der Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 sei der Antragstellerin nicht zugestellt worden. Hierzu hat die Antragstellerin eine eidesstattliche Erklärung des P. F. vom 22.05.2005 einschließlich Lageplan des Anwesens J. straße vorgelegt, wonach im Gebäude auch Privatwohnungen untergebracht gewesen seien.

Mit Beschluss vom 10.05.2005 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt, weil die Antragsgegnerin die Zwangsvollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis vom 18.04.2005 betreiben dürfe. Die landesrechtlichen Voraussetzungen der Vollstreckung seien erfüllt, es könne offenbleiben, ob ein Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.05. 2000 noch anhängig sei, weil einem Widerspruchsverfahren jedenfalls keine aufschiebende Wirkung zukomme.

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und vorgebracht, der Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 sei der Antragstellerin nicht zugestellt worden. Eine spätere Zustellung des Entwurfes des Widerspruchsbescheides könne diesen Mangel nicht heilen. Die Auskunft der Deutschen Post AG könne die Zustellung nicht beweisen. Dies ergebe sich auch aus einer Falschzustellung vom 30.08.2005.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.05.2005 nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.05.2005 aufzuheben und die Vollstreckung nach dem Ausstandsverzeichnis der Antragsgegnerin vom 19.04.2005 in Höhe von EUR 17.059,26 zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von EUR 2.294,50 einzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 10.05.2005 zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, es sei zu unterscheiden zwischen Rechtsbehelfen gegen den Ausgangsbescheid der Beigeladenen und Rechtsbehelfen gegen Maßnahmen der Vollstreckung dieses Bescheides. Gegen das Ausstandsverzeichnis vom 18.04.2005 als eigenständigem Leistungsbescheid sei das Widerspruchsverfahren eröffnet, ggf. mit einem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches. Die Antragstellerin habe keinen dieser Wege beschritten sondern zunächst nur "Stundung" begehrt. Einen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung jedenfalls habe sie nicht gestellt. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin unter dem 27.02. und 25.04.2005 erklärt, vorerst die Bescheide der Beigeladenen nicht zu vollziehen. Einwendungen gegen die Bestandskraft des Bescheides vom 09.05.2000 dürften im Verfahren auf Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht mehr geltend gemacht werden.

Der Senat hat die Beigeladene als Ausgangsbehörde des Bescheides, dessen Vollstreckung eingestellt werden soll, zum Verfahren beigeladen. Diese stellt keinen Antrag.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz ist nach dem eindeutigen Begehren der Antragstellerin, die Vollstreckungsmaßnahmen der Antragsgegnerin, welche diese mit Ausstandsverzeichnis vom 18.04.2005 eingeleitet hatte, in Höhe eines Teilbetrages von 19.353,76 EUR einzustellen. Damit wendet sich die Antragstellerin gegen eine einzelne Maßnahme der Zwangsvollstreckung der Vollstreckungsbehörde, welche durch Vorlage des Ausstandsverzeichnisses unmissverständlich bezeichnet wurde.

Hingegen ist nicht Gegenstand des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz der mit Schriftsatz vom 22.04.2005 gestellte Antrag bzw. Hilfsantrag, welcher darauf gerichtet ist, wegen des anhängigen Klageverfahrens die Vollziehung des Bescheides vom 09.05.2000/Widerspruchsbescheides vom 30.10.2000 sowie des Bescheides vom 21.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2004 in Höhe von EUR 26.452,80 zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von 2.519,00 auszusetzen. Dieser Antrag ist gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Ziffer 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 04.12.2004 gerichtet. Über diesen hat das Sozialgericht bisher noch nicht entschieden.

Die Antragsgegnerin betreibt auf Auftrag der Beigeladenen hin die Zwangsvollstreckung aus den genannten Forderungsbescheiden nach § 66 Abs.3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. dem Bayer. Verwaltungszustellungs- und vollstreckungsgesetz - BayVwZVG.

Nach Artikel 21 BayVwZVG entscheidet über Einwendungen gegen die Vollstreckung, welche den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, die Anordnungsbehörde. Rechtsbehelfe haben insoweit keine aufschiebende Wirkung (Artikel 21a Satz 1 BayVwZVG). Gemäß § 21a Satz 2 BayVwZVG i.V.m. § 80 Abs.5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag ist bereits vor Erhebung einer Anfechtungsklage zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin besteht trotz der Erklärungen der Antragsgegnerin vom 27.02.2005 und 25.04.2005, vorerst keine Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen, weil mit dem Ausstandsverzeichnis vom 18.05.2005 eine (Teil-)Maßnahme der Beitragsvollstreckung vorliegt.

Die Antragstellerin macht zur Begründung ihres Begehrens geltend, die Vollstreckung der Beitragsnachforderungen und Säumniszuschläge dürfe nicht erfolgen, weil der Widerspruchsbescheid vom 30.10.2000 ihr nicht zugegangen sei. Zudem seien die bei ihren Ehemännern beschäftigten U. F. sowie D. F. nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gewesen. Die Antragstellerin macht damit Einwendungen geltend, die den zu voll- streckenden Anspruch betreffen. Diese Einwendungen sind gemäß Artikel 21 Satz 2 BayVwZVG nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können. Über die entsprechenden Einwendungen hat zwar zunächst die Anordnungsbehörde zu entscheiden. Jedoch ist nach der ausdrücklichen Regelung des § 80 Abs.5 VwGO nicht zuletzt zur Sicherstellung des verfassungsrechtlich gewährten Rechtsschutzes gemäß Artikel 19 Abs.4 Grundgesetz ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung jederzeit zulässig, sobald Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet sind. Dies ist hier mit der Zustellung des Ausstandsverzeichnisses vom 18.04.2005 der Fall.

Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf Einwendungen gegen die Vollstreckung berufen. Sie macht geltend, der Bescheid vom 21.10.2003/Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 sei insoweit rechtswidrig, als dort Säumniszuschläge mit der Begründung geltend gemacht werden, die Beitragsforderung aus dem Bescheid vom 09.05.2000/30.10.2000 sei nicht erfüllt worden. Dies sind die Einwendungen, die die Antragstellerin im Klageverfahren S 10 KR 5059/04 vor dem Sozialgericht Bayreuth in einer fristgerecht erhobenen Klage geltend macht. Sie können gemäß Artikel 21 Satz 2 BayVwZVG nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens auf Einstellung der Zwangsvollstreckung sein.

Im gleichen Klageverfahren macht die Antragstellerin geltend, der Bescheid vom 09.05.2000 sei mangels Zustellung nicht bestandskräftig geworden. Sie erhebt damit einen Rechtsbehelf, welcher sich gegen die Ausgangsforderung bezüglich der Beschäftigung der U. F. vom 01.01.1996 bis 31.12.1998 wendet. Hieraus ist ersichtlich, dass die Antragstellerin einen förmlichen Rechtsbehelf gegen den Bescheid eingelegt hat, so dass die Einwendungen gemäß Artikel 21 Satz 2 BayVwZVG ebenfalls nicht Gegenstand des gegenständlichen Verfahren sein können.

Im Übrigen hat das Sozialgericht im streitigen Beschluss zu Recht ausgeführt, dass weitere Anhaltspunkte nicht vorliegen, aus welchen sich die Fehlerhaftigkeit der Zwangsvollstreckung ergeben könnte. Die Antragsgegnerin ist berechtigt, aus dem Bescheid vom 09.05.2000 die Zwangsvollstreckung zu betreiben, denn weder Widerspruch noch Klage haben nach dem bis 01.01.2001 geltenden Recht aufschiebende Wirkung: gleiches gilt gemäß § 86 a Abs.2 Nr.1 SGG nach den ab 01.01.2001 geltenden Vorschriften.

Die Beschwerde bleibt damit ohne Erfolg.

Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass das Sozialgericht nicht berechtigt war, den Beschluss vom 10.05.2005 hilfsweise damit zu begründen, dass auch ein Antrag nach § 86 b Abs.1 Nr.2 SGG keinen Erfolg hätte. Denn die Entscheidung hat sich ausdrücklich auf den Antrag vom 27.04.2005 bezogen und das Begehren der Antragstellerin dahingehend zitiert, dass die Vollstreckung nach dem Ausstandsverzeichnis eingestellt werden solle. Dieses Begehren unterscheidet sich deutlich von dem mit Schriftsatz vom 22.04.2005 gestellten Antrag. Über diesen ist noch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VwGO.

Der Streitwert errechnet sich aus der Summe, gegen deren Voll- streckung sich die Antragstellerin wendet, welche wegen des vorläufigen Rechtsschutzes auf 1/3 reduziert wird (§ 72 Nr.1, § 52, § 53 Abs.3 Nr.2 Gerichtskostengesetz - GKG.

Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht weiter angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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