Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 SO 118/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 300/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Nürnberg vom 18.05.2005 wird der Antragsgegner vorläufig verpflichtet, der Antragsstellerin darlehensweise Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Übernahme der Kosten für die Anstellung selbstbeschaffter Pflegekräfte auf der Basis einer Versorgung von 26 Stunden/kalender- täglich zu einem Stundensatz von 10,64 EUR zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und der Teilnahme am Umlageverfahren U1/U2 der Krankenkassen und der Berücksichtigung der gesetzlich geschuldeten Zahlungen für Krankheit und Urlaub zuzüglich Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung und abzüglich der Erstattung von Lohnfortzahlungskosten sowie abzüglich vorrangiger Leistungen der Pflegekasse, längstens jedoch bis zum Ablauf des 5. Kalendermonats nach Beendigung des derzeitigen Krankenhausaufenthaltes der Antragsstellerin.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat der Antragsstellerin jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in der ersten und in der zweiten Instanz zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragsgeg- ners (Ag), der Antragsstellerin (Ast) darlehensweise Hilfe zur Pflege- und Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) durch Übernahme der Kosten für die Anstellung selbstbeschaffter Pflegekräfte auf der Basis einer Versorgung von 26 Stunden/kalendertäglich zu einem Stundensatz von 10,64 EUR zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu gewähren.
Die 1968 geborene ledige Ast war ab Februar 2003 als Heilpädagogin in Bad W. tätig. Am 07.11.2003 erlitt sie einen Verkehrsunfall, in dessen Folge sie unterhalb des Halswirbels C 4 gelähmt ist. Sie ist seither vollständig auf fremde Hilfe angewiesen; nach Pflegeversicherungsrecht stehen ihr Leistungen der Pflegestufe III zu.
Nach einem stationären Aufenthalt zur Erstversorgung in der Universitätsklinik W. wurde die Ast vom 07.11.2003 bis zum 08.07.2004 in der W.-Klinik, Bad W. , (Fachklinik für Querschnittsverletzte) stationär behandelt. Später wurde sie im V.-Wohnpark, Bad W. , bis November 2004 gepflegt.
Seit November 2004 ist die Ast wieder in der W.-Klinik, Bad W. , untergebracht, wo sie operativ behandelt wird. Die Entlassung war zuerst für April 2005 vorgesehen, später für Mitte Juni 2005.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10.11.2004, eingegangen beim Ag am 12.11.2004, beantragte sie Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach §§ 69 ff und §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Sie wolle trotz ihrer schweren Behinderung ein Leben mit Assistenz in ihrer eigenen Wohnung aufbauen. Sie sei 36 Jahre alt. Die Lebenssituation in einem Pflegeheim stelle sich für sie nur als eine Übergangsregelung dar. Sie sei in Bad W. in ein soziales Umfeld eingegliedert. Zur Zeit werde für sie ein auf ihre Behinderung abgestimmtes Haus in Bad W. umgebaut. Die Kosten hierfür tragen ihre Eltern. Ihr sei bekannt, dass behinderte Menschen mit vergleichbar schweren Behinderungen auf diese Art und Weise selbstständig leben könnten. Da der Assistenzbedarf erheblich höher liege als die Leistungen der Pflegeversicherung, beantrage sie hiermit Leistungen gemäß beigelegtem Kostenvoranschlag, die sich insgesamt auf 10.128,- EUR/Monat beliefen. Ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung des Oberarztes für Chirurgie/Unfallchirurgie der W.-Klinik Dr.R. vom 10.12.2004 ist bei der Ast Voraussetzung für die Versorgung im häuslichen Bereich der Sicherstellung einer 24-stündigen pflegerischen Versorgung und Betreuung. Aufgrund der offensichtlich unzureichenden pflegerischen Versorgung könne der Ast die Rückkehr in diese vollstationäre Pflegeeinrichtung nicht zugemutet werden.
Dem Ag wurde weiter ein Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern vom 17.11.2004 vorgelegt. Demzufolge sei bei der Ast ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von kalendertäglich 328 Minuten ermittelt worden. Die Transfers der Ast müssten mit Lift und Tragegurt durch zwei Personen durchgeführt werden. Das Gutachten ging dabei von 4 Transfers à 8 Minuten/Tag zur Mobilisation aus. Unter Hinzunahme der Verrichtung "Aufstehen/Zubettgehen" mit 16 Minuten wurden insgesamt 48 Minuten für die Transfers zur Mobilisation anerkannt. Es errechne sich somit ein Gesamtbedarf von 352 Minuten im Bereich der Grundpflege, was einem Zeitumfang von ca. 6 Stunden/Tag entspreche (ohne Hauswirtschaft). Außer bei den Transfers könne der überwiegende Teil der pflegerischen Verrichtung von einer einzelnen Pflegeperson durchgeführt werden.
Im Pflegebericht der W.-Klinik vom 09.12.2004 wird der Hilfebedarf der Ast mit zwei Hilfspersonen für die Transfers vom Bett und in den Rollstuhl/T-Stuhl festgehalten. Hinsichtlich der "Lagerung im Bett" heißt es dort: "Zur Lagerung wird eine Hilfsperson benötigt".
Nach Anhörung der Ast mit Schreiben vom 27.01.2005 lehnte der Ag mit Bescheid vom 17.02.2005 den Antrag der Ast ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, Leistungen der Hilfe zur Pflege könnten nach den Erfordernissen des Einzelfalles außerhalb von Einrichtungen oder in teilstationären Einrichtungen erbracht werden, außer wenn eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar sei und die beabsichtigte ambulante Hilfeform mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei. Für die Ast stehe nach telefonischer Rückfrage bei der Heimleitung ein Platz in der Wohngemeinschaft für Rollstuhlfahrer in S. , Landkreis B. , zur Verfügung. Die pflegerischen Anforderungen seien dort sichergestellt. Die in der Wohngemeinschaft S. lebenden Personen befänden sich in einer vergleichbaren Situation wie die Ast. Alle 22 Bewohner seien aufgrund von Unfällen mit z.T. hoher Querschnittslähmung oder den Auswirkungen der Multiplen Sklerose dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Das Altersspektrum liege derzeit bei 28 bis 41 Jahren. Der Einzug in die Wohngemeinschaft S. sei der Ast auch zumutbar. Durch ihre langfristigen Krankenhausaufenthalte seit November 2003 sei die direkte Einbindung der Ast in ihren Freundeskreis nicht möglich gewesen. Die Entfernung von Bad W. nach S. betrage nur 63 km, eine Strecke, die von engen Freunden problemlos bewältigt werden könne. Auch die Entfernung zu ihrem Elternhaus in A. sei nur geringfügig weiter. Innerhalb der Wohngemeinschaft würden täglich gemeinschaftliche Aktionen angeboten, auch Unternehmungen außerhalb, etwa Fahrten in das nahegelegene B. zu Kinobesuchen u.ä ... Ein Vergleich der jeweils anfallenden Kosten gemäß § 13 Abs 1 Satz 4 Hs 2 SGB XII zeige, dass den monatlichen Kosten für die begehrte Assistenzpflege, die nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse in Pflegestufe III in Höhe von 1.432,- EUR noch insgesamt 10.127,- EUR betragen, Gesamtkosten in der Wohngemeinschaft S. von insgesamt 3.016,- EUR/Monat gegenüberstünden. Hieraus errechneten sich Mehrkosten im Umfang von 540 %, was als unverhältnismäßig i.S. der vorgenannten Bestimmung anzusehen sei.
Über ihren hiergegen erhobenen Widerspruch vom 24.02.2005 wurde - soweit aus den Akten ersichtlich - bislang noch nicht entschieden. Die Regierung von Mittelfranken hatte vorab mit Schreiben vom 24.01.2005 zum Angebot der stationären Unterbringung der Ast "in einer Seniorenhilfeeinrichtung" Stellung genommen und das aufgrund des Alters der Ast von vorneherein abgelehnt.
Mit dem beim Sozialgericht Nürnberg (SG) am 11.04.2005 eingegangenen Antrag begehrte die Ast, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig und darlehensweise zu verpflichten, ihr Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Übernahme der Kosten für die Anstellung selbstbeschaffter Pflegekräfte auf Basis einer Versorgung von 26 Stunden/kalendertäglich zu einem Stundensatz von 10,64 EUR zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und der Teilnahme am Umlageverfahren U1/U2 der Krankenkasse unter Berücksichtigung der gesetzlich geschuldeten Zahlungen für Krankheit und Urlaub zuzüglich Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung abzüglich Erstattung von Lohnfortzahlungskosten abzüglich vorrangiger Leistungen der Pflegekasse.
Die Ast gehöre unzweifelhaft zu dem in § 61 SGB XII genannten Personenkreis. Sie bedürfe der Hilfeleistung bei der gesamten pflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung sowie auch der Begleitung außer Hauses zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (Eingliederungshilfe). Sie könne trotz ihrer schweren Behinderung zu Hause versorgt werden. Sie müsse aufgrund ihres hohen Querschnitts bei manchen Versorgungsleistungen (Transfers) von zwei Pflegepersonen versorgt werden. Es werde damit gerechnet, dass hierbei zwei Stunden am Tag anfielen, so dass sich die Versorgungszeit pro Tag auf insgesamt 26 Stunden bemesse. Der Stundensatz nach KR I betrage derzeit 10,64 EUR. Hieraus errechne sich insgesamt ein monatlicher Bedarf von 11.316,29 EUR. Entgegen der Auffassung des Ag komme für die Ast eine Aufnahme in eine Wohngemeinschaft für Rollstuhlfahrer in S. nicht in Betracht. Eine Rückfrage dort habe ergeben, dass ihre Versorgung nicht möglich sei. Unabhängig davon habe es der Ag versäumt, die persönliche Situation der Ast hinreichend zu würdigen. Es greife der Grundsatz des Vorrangs der ambulanten Hilfe. Die Ast werde bei Rückkehr in ihr Haus vollständig in eine bestehende Gemeinschaft eingebunden. Sie habe ihr Leben organisiert und könne in einem eigenen Haus mit Assistenzpflege leben. Die Ast habe notgedrungen bereits mehrere Monate in einer stationären Einrichtung verbracht. Erneute fremdbestimmte Unterbringungsweise könnten schwere Depressionen hervorrufen.
Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Eine endgültige Entscheidung sei vom Platzangebot in der Wohngemeinschaft für Rollstuhlfahrer in S. abhängig. Es stehe derzeit noch nicht fest, wann die Ast die W.-Klinik verlasse und es sei daher offen, ob zum Zeitpunkt des Verlassens der Klinik ein entsprechender Platz in der Wohngemeinschaft konkret angeboten werden könne. Es werde deshalb um eine Zurückstellung der Entscheidung gebeten.
Aus einem Schreiben des Wohnforums S. vom 01.03.2005 ergibt sich, dass dort nachts nur eine Pflegekraft anwesend ist. Aus diesem Grund sei die Aufnahme der Ast dann nicht zu verantworten, wenn im MDK-Bericht von der Notwendigkeit von zwei Personen für den Transfer ausgegangen werde und dieser Bedarf prizipiell auch nachts gegeben sei. Nach dortiger Ansicht könne ein solcher pflegerischer Bedarf auch während der Nacht entstehen.
Mit Beschluss vom 18.05.2005 lehnte das SG den Antrag ab. Es könne keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache erkennen. Im Fall der Ast seien die Kosten der ambulanten Leistung unverhältnismäßig hoch, so dass § 13 Abs 1 Satz 4 SGB XII greife und den an sich im Gesetz vorgesehenen Vorrang ambulanter Leistung aufhebe. Die Unterbringung in der Wohngemeinschaft S. sei der Ast auch zuzumuten. Die Wohngemeinschaft S. sei geeignet, um den pflegerischen Bedarf der Ast sicherzustellen. Das ergebe sich im Wesentlichen aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Ag vom 17.02.2005. Die dort lebenden 22 Bewohner seien allesamt von einem ähnlichen Lebensschicksal wie die Ast betroffen und dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Das Altersspektrum reiche von 28 bis 41 Jahren. Keiner der anderen Bewohner sei geistig behindert. Der grundsätzliche Bedarf der Ast im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung könne sachgerecht und angemessen gedeckt werden. Hinsichtlich der Kommunikationsmöglichkeiten sehe das SG keine wesentlichen Einschränkungen gegenüber der ins Auge gefassten Versorgung der Ast in ihrem eigenen häuslichen Bereich. Durchgreifende Bedenken gegen die Unterbringung der Ast in einer Wohngemeinschaft erkenne das SG nicht. Das Schreiben der Wohngemeinschaft S. vom 01.03.2005 stehe dem nicht entgegen. In dem MDK-Gutachten sei ausdrücklich vermerkt, dass die Lagerung bzw Umlagerung der Ast mit Hilfe von nur einer Pflegeperson erfolgen könne. Nicht von der Hand zu weisen sei es, dass u.U. eine Notfallsituation nachts eintrete. Hier unterscheide sich die Situation der Ast aber nicht von den anderen dort lebenden Personen. Im Übrigen wäre die Situation im häuslichen Bereich für die Ast nicht anders.
Auch die persönlichen Umstände der Ast erlaube ihre Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Es sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Ast bei einer solchen Unterbringung eine dauerhafte Gesundheitsschädigung davontrage. Es liege zudem in der Natur der Sache, dass bei einer solch eingetretenen massiven Gesundheitsstörung und Behinderung, wie sie die Ast bei ihrem Verkehrsunfall davongetragen hat, eine Einschränkung des Kontaktes zum Freundes- und Bekanntenkreis verbunden ist. Die Ast sei ledig und habe in Bad W. keine familiären Beziehungen. Sie sei erst im Februar 2003 aus eigenem Antrieb wegen einer Arbeitsstelle umgezogen und habe sich am neuen Wohnort in der Zeit bis zum Unfall im November 2003 einen neuen Freundeskreis aufbauen können. Es werde ihr deshalb auch gelingen, sich in einer neuen Umgebung im Rahmen einer stationären Unterbringung einzufinden und neue Kontakte zu knüpfen. Auch bei einer Gesamtwürdigung ergebe sich eine Ablehnung des Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Etwaige Beweisaufnahmen könnten in einem Hauptsacheverfahren nachgeholt werden.
Hiergegen wendet sich die Ast mit ihrer beim SG am 13.06.2005 eingegangenen Beschwerde. Sie wiederholt ihren Antrag vor dem SG, ergänzt um den Antrag, den Beschluss des SG vom 18.05.2005 aufzuheben, und stützt sich im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen. Das SG habe unzutreffenderweise einen Gleichrang zwischen ambulanter und stationärer Versorgung angenommen. Die Ast habe glaubhaft gemacht, dass sie in die christliche Gemeinschaft in Bad W. fest eingebunden gewesen sei. Ihr sei eine Unterbringung in die Wohngemeinschaft S. nach wie vor nicht zuzumuten. Das SG habe sich mit den eidesstattlichen Versicherungen dritter Personen nur unzureichend auseinandergesetzt. Die Wohngemeinschaft S. habe eine Aufnahme der Ast abgelehnt. Sie sei im Übrigen, zieht man die individuellen Lebensverhältnisse der Ast heran, für deren Unterbringung der Ast auch nicht geeignet.
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Als Leistungsträger für die der Ast entstehenden Unfallkosten seien hier die DAK/Pflegekasse (Pflegestufe III), die DAK-Krankenkasse (Behandlungspflege) und ergänzend die Sozialhilfeverwaltung - das ist der Ag selbst - beteiligt. Zu unterscheiden sei zwischen den Leistungen, die aufgrund des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht würden und den Leistungen im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung und ergänzend hierzu vom Träger der Sozialhilfe gewährt werden. Nach dortiger Auffassung bestehe ein Anspruch der Ast auf Übernahme der Kosten durch die DAK im Umfang von 24 Stunden Pflege/Tag. Am 08.07.2005 sei der Ag telefonisch darüber informiert worden, dass der bislang freie Platz in der Wohngemeinschaft S. nunmehr belegt sei. Die Belegung der Plätze in der Wohngemeinschaft S. unterliege nach bisherigen Erfahrungen jedoch einer gewissen Fluktuation. Aus diesem Grunde werde beantragt, bei der gerichtlichen Entscheidung auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Bedarfs, d.h. darauf abzustellen, wann die Ast aus der W.-Klinik entlassen werde.
Mit Schreiben vom 21.07.2005 beantragt die Ast bei der DAK, N. , die Gewährung von Behandlungspflege für den Zeitraum ab Entlassung aus der W.-Klinik. Hierüber ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nur z.T. begründet.
Der Senat geht bei der Auslegung der von der Ast eingereichten Schriftsätze davon aus, dass es der Ast nicht mehr um die Bewilligung von Leistungen nach dem früheren BSHG geht, die sie in ihrem ursprünglichen Antrag vom 10.11.2004 gegenüber dem Ag geltend gemacht hat, sondern dass sie nunmehr Leistungen nach dem SGB XII für die Zukunft begehrt.
Gleichwohl hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur z.T. Erfolg. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die Ast Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -; Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 86b RdNr 41).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu im Einzelnen BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) zeigt sich, dass der Ast für ihr Begehren zwar ein Anordnungsgrund, der Anordnungsanspruch aber nur z.T. zur Seite steht.
Nach Auffassung des Senats ist eine Entscheidung in der Sache eilbedürftig iS der oben genannten Rechtsprechung des BVerfG. Die Ast befindet sich zwar derzeit in stationärer Behandlung im Krankenhaus, wobei ihr Entlassungstermin seit mehreren Monaten wegen der Notwendigkeit weiterer operativer Eingriffe immer wieder verschoben worden ist. Gleichwohl ist es ihr aber nicht zuzumuten, die Frage ihrer Unterbringung unmittelbar nach Entlassung aus dem Krankenhaus zeitlich davon abhängig zu machen, wann die endgültige Entlassung feststeht bzw erst zu einem Zeitpunkt zu treffen, zudem sie bereits entlassen ist. Der Ast wäre in einem solchen Fall der effektive Rechtsschutz abgeschnitten (Art 19 Abs 4 Grundgesetz - GG -).
Hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsanspruches bezieht sich der Senat jedoch auf den angefochtenen Beschluss vom 18.05.2005, weil er den ausführlichen und substanzierten Entscheidungsgründen des SG im Wesentlichen folgt (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Einlassungen der Ast in der Beschwerdeschrift vom 08.06.2005 stellen die Entscheidungsgründe des SG nicht substantiiert in Frage. Das SG hat weder das Verhältnis der ambulanten zur stationären bzw teilstationären Hilfeleistung verkannt noch hat es die Fragen nach der Unverhältnismäßigkeit bzw der Unzumutbarkeit iS des § 13 Abs 1 Satz 4 SGB XII in unzulässiger Weise verbunden oder gar unzutreffend entschieden.
Eine teilweise Abänderung der Entscheidung des SG ist gleichwohl veranlasst, weil auch im Hinblick auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruches auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen ist und zu diesem Zeitpunkt einerseits die Frage der Entlassung der Ast aus dem Krankenhaus noch nicht geklärt ist und andererseits ihre derzeitige Unterbringung in der von dem SG ins Auge gefassten Wohngemeinschaft S. aus Platzgründen (wohl nur) vorübergehend nicht möglich ist.
Bereits bei dieser Sachlage, zudem auch im Hinblick auf eine darüber hinausgehend veranlasste weitere Sachverhaltsaufklärung, muss der Ast die begehrte Hilfe zuteil werden, weil sie ansonsten Gefahr liefe, erhebliche Beeinträchtigungen zu erleiden, die in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden könnten (so auch BVerfG aaO). Die Erfolgsaussichten des zwischenzeitlich bei der DAK, N. , gestellten Antrags auf Gewährung von Behandlungspflege für den Zeitraum ab Entlassung aus dem Krankenhaus, spielt insoweit für die hier zu treffende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Rolle. Der Ag erkennt das im Ergebnis auch, wenn er noch vor dem SG mit Schreiben vom 26.04.2005 beantragt, die Entscheidung über den Eilantrag der Ast zurückzustellen. Durch eine solche Aussetzung des Verfahrens ist dem berechtigten Rechtsschutzbegehren der Ast aber nicht gedient.
Bei (insoweit nur) summarischer Überprüfung ist auch der Umfang der beantragten Hilfe im Ergebnis nicht zu beanstanden. Durch die Stellungnahme des behandelnden Oberarztes Dr.R. vom 10.12.2004 ist zumindest glaubhaft gemacht, dass die Ast 26 Stunden Pflege täglich benötigt. Auch die Angaben der Ast zur Höhe der Pflegekosten erscheinen dem Senat glaubhaft. Dabei wird nicht die Alternativberechnung des Ag im Schreiben vom 11.08.2005 übersehen. Allerdings liegt es für den Senat bislang nicht auf der Hand, dass die Ast kurzfristig Assistenzpflege zu den dort genannten Bedingungen erhalten kann. Der Ag hatte seit Antragsstellung im November 2004 hinreichend Zeit, diese Frage näher zu untersuchen.
Da es im vorliegenden Eilverfahren dem Senat aber aus den bereits oben genannten Gründen nicht möglich ist, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, kommt er bei einer abschließenden - vom BVerfG vorgegebenen - Güter- und Folgeabwägung zu dem Ergebnis, die beantragten Leistungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zeitlich befristet zuzusprechen. Die existenziell notwendige Versorgung der Ast ist mit einer solchen zeitlich befristeten Entscheidung hinreichend sichergestellt, ohne dass einer Hauptsacheentscheidung vorgegriffen wird. Der Ag hat mithin einen angemessenen Zeitraum zur Verfügung, die noch offenen Fragen der Unterbringung der Ast in S. und den genauen Zeitpunkt der Aufnahme dort zu klären bzw zu prüfen, ob auch andere Einrichtungen, die die Anforderungen an eine Unterbringung der Ast erfüllen, zur Verfügung stehen. Das SG wird weiter die Heranziehung anderer Leistungsträger, gegebenenfalls mittels deren Beiladung im Hauptsacheverfahren, und - soweit erforderlich - die Höhe der Kosten einer etwa weiter nötigen Assistenzpflege prüfen. Die Ast weiß letztlich zudem, dass ihre begehrte Versorgung mit Assistenzpflege unter den bislang gegebenen Umständen nicht von Dauer sein kann. Antragsgemäß wurde die Leistung darlehensweise zugesprochen und der Ag nur vorläufig verpflichtet.
Insgesamt hält der Senat hierfür einen Zeitraum von 5 bis 6 Monaten für einerseits veranlasst, andererseits aber auch ausreichend, um die noch offenen Fragen abschließend zu klären bzw einer Klärung im Hauptsacheverfahren zuzuführen. Die Ast kann etwa abzuschließende Arbeitsverträge auf diesen Zeitrahmen befristen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Ast nur teilweise obsiegt hat. Ihre Beschwerde wurde im Übrigen zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat der Antragsstellerin jeweils die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in der ersten und in der zweiten Instanz zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragsgeg- ners (Ag), der Antragsstellerin (Ast) darlehensweise Hilfe zur Pflege- und Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) durch Übernahme der Kosten für die Anstellung selbstbeschaffter Pflegekräfte auf der Basis einer Versorgung von 26 Stunden/kalendertäglich zu einem Stundensatz von 10,64 EUR zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zu gewähren.
Die 1968 geborene ledige Ast war ab Februar 2003 als Heilpädagogin in Bad W. tätig. Am 07.11.2003 erlitt sie einen Verkehrsunfall, in dessen Folge sie unterhalb des Halswirbels C 4 gelähmt ist. Sie ist seither vollständig auf fremde Hilfe angewiesen; nach Pflegeversicherungsrecht stehen ihr Leistungen der Pflegestufe III zu.
Nach einem stationären Aufenthalt zur Erstversorgung in der Universitätsklinik W. wurde die Ast vom 07.11.2003 bis zum 08.07.2004 in der W.-Klinik, Bad W. , (Fachklinik für Querschnittsverletzte) stationär behandelt. Später wurde sie im V.-Wohnpark, Bad W. , bis November 2004 gepflegt.
Seit November 2004 ist die Ast wieder in der W.-Klinik, Bad W. , untergebracht, wo sie operativ behandelt wird. Die Entlassung war zuerst für April 2005 vorgesehen, später für Mitte Juni 2005.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10.11.2004, eingegangen beim Ag am 12.11.2004, beantragte sie Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach §§ 69 ff und §§ 39 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Sie wolle trotz ihrer schweren Behinderung ein Leben mit Assistenz in ihrer eigenen Wohnung aufbauen. Sie sei 36 Jahre alt. Die Lebenssituation in einem Pflegeheim stelle sich für sie nur als eine Übergangsregelung dar. Sie sei in Bad W. in ein soziales Umfeld eingegliedert. Zur Zeit werde für sie ein auf ihre Behinderung abgestimmtes Haus in Bad W. umgebaut. Die Kosten hierfür tragen ihre Eltern. Ihr sei bekannt, dass behinderte Menschen mit vergleichbar schweren Behinderungen auf diese Art und Weise selbstständig leben könnten. Da der Assistenzbedarf erheblich höher liege als die Leistungen der Pflegeversicherung, beantrage sie hiermit Leistungen gemäß beigelegtem Kostenvoranschlag, die sich insgesamt auf 10.128,- EUR/Monat beliefen. Ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung des Oberarztes für Chirurgie/Unfallchirurgie der W.-Klinik Dr.R. vom 10.12.2004 ist bei der Ast Voraussetzung für die Versorgung im häuslichen Bereich der Sicherstellung einer 24-stündigen pflegerischen Versorgung und Betreuung. Aufgrund der offensichtlich unzureichenden pflegerischen Versorgung könne der Ast die Rückkehr in diese vollstationäre Pflegeeinrichtung nicht zugemutet werden.
Dem Ag wurde weiter ein Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern vom 17.11.2004 vorgelegt. Demzufolge sei bei der Ast ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von kalendertäglich 328 Minuten ermittelt worden. Die Transfers der Ast müssten mit Lift und Tragegurt durch zwei Personen durchgeführt werden. Das Gutachten ging dabei von 4 Transfers à 8 Minuten/Tag zur Mobilisation aus. Unter Hinzunahme der Verrichtung "Aufstehen/Zubettgehen" mit 16 Minuten wurden insgesamt 48 Minuten für die Transfers zur Mobilisation anerkannt. Es errechne sich somit ein Gesamtbedarf von 352 Minuten im Bereich der Grundpflege, was einem Zeitumfang von ca. 6 Stunden/Tag entspreche (ohne Hauswirtschaft). Außer bei den Transfers könne der überwiegende Teil der pflegerischen Verrichtung von einer einzelnen Pflegeperson durchgeführt werden.
Im Pflegebericht der W.-Klinik vom 09.12.2004 wird der Hilfebedarf der Ast mit zwei Hilfspersonen für die Transfers vom Bett und in den Rollstuhl/T-Stuhl festgehalten. Hinsichtlich der "Lagerung im Bett" heißt es dort: "Zur Lagerung wird eine Hilfsperson benötigt".
Nach Anhörung der Ast mit Schreiben vom 27.01.2005 lehnte der Ag mit Bescheid vom 17.02.2005 den Antrag der Ast ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, Leistungen der Hilfe zur Pflege könnten nach den Erfordernissen des Einzelfalles außerhalb von Einrichtungen oder in teilstationären Einrichtungen erbracht werden, außer wenn eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar sei und die beabsichtigte ambulante Hilfeform mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei. Für die Ast stehe nach telefonischer Rückfrage bei der Heimleitung ein Platz in der Wohngemeinschaft für Rollstuhlfahrer in S. , Landkreis B. , zur Verfügung. Die pflegerischen Anforderungen seien dort sichergestellt. Die in der Wohngemeinschaft S. lebenden Personen befänden sich in einer vergleichbaren Situation wie die Ast. Alle 22 Bewohner seien aufgrund von Unfällen mit z.T. hoher Querschnittslähmung oder den Auswirkungen der Multiplen Sklerose dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Das Altersspektrum liege derzeit bei 28 bis 41 Jahren. Der Einzug in die Wohngemeinschaft S. sei der Ast auch zumutbar. Durch ihre langfristigen Krankenhausaufenthalte seit November 2003 sei die direkte Einbindung der Ast in ihren Freundeskreis nicht möglich gewesen. Die Entfernung von Bad W. nach S. betrage nur 63 km, eine Strecke, die von engen Freunden problemlos bewältigt werden könne. Auch die Entfernung zu ihrem Elternhaus in A. sei nur geringfügig weiter. Innerhalb der Wohngemeinschaft würden täglich gemeinschaftliche Aktionen angeboten, auch Unternehmungen außerhalb, etwa Fahrten in das nahegelegene B. zu Kinobesuchen u.ä ... Ein Vergleich der jeweils anfallenden Kosten gemäß § 13 Abs 1 Satz 4 Hs 2 SGB XII zeige, dass den monatlichen Kosten für die begehrte Assistenzpflege, die nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse in Pflegestufe III in Höhe von 1.432,- EUR noch insgesamt 10.127,- EUR betragen, Gesamtkosten in der Wohngemeinschaft S. von insgesamt 3.016,- EUR/Monat gegenüberstünden. Hieraus errechneten sich Mehrkosten im Umfang von 540 %, was als unverhältnismäßig i.S. der vorgenannten Bestimmung anzusehen sei.
Über ihren hiergegen erhobenen Widerspruch vom 24.02.2005 wurde - soweit aus den Akten ersichtlich - bislang noch nicht entschieden. Die Regierung von Mittelfranken hatte vorab mit Schreiben vom 24.01.2005 zum Angebot der stationären Unterbringung der Ast "in einer Seniorenhilfeeinrichtung" Stellung genommen und das aufgrund des Alters der Ast von vorneherein abgelehnt.
Mit dem beim Sozialgericht Nürnberg (SG) am 11.04.2005 eingegangenen Antrag begehrte die Ast, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig und darlehensweise zu verpflichten, ihr Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe zu gewähren durch Übernahme der Kosten für die Anstellung selbstbeschaffter Pflegekräfte auf Basis einer Versorgung von 26 Stunden/kalendertäglich zu einem Stundensatz von 10,64 EUR zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und der Teilnahme am Umlageverfahren U1/U2 der Krankenkasse unter Berücksichtigung der gesetzlich geschuldeten Zahlungen für Krankheit und Urlaub zuzüglich Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung abzüglich Erstattung von Lohnfortzahlungskosten abzüglich vorrangiger Leistungen der Pflegekasse.
Die Ast gehöre unzweifelhaft zu dem in § 61 SGB XII genannten Personenkreis. Sie bedürfe der Hilfeleistung bei der gesamten pflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung sowie auch der Begleitung außer Hauses zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft (Eingliederungshilfe). Sie könne trotz ihrer schweren Behinderung zu Hause versorgt werden. Sie müsse aufgrund ihres hohen Querschnitts bei manchen Versorgungsleistungen (Transfers) von zwei Pflegepersonen versorgt werden. Es werde damit gerechnet, dass hierbei zwei Stunden am Tag anfielen, so dass sich die Versorgungszeit pro Tag auf insgesamt 26 Stunden bemesse. Der Stundensatz nach KR I betrage derzeit 10,64 EUR. Hieraus errechne sich insgesamt ein monatlicher Bedarf von 11.316,29 EUR. Entgegen der Auffassung des Ag komme für die Ast eine Aufnahme in eine Wohngemeinschaft für Rollstuhlfahrer in S. nicht in Betracht. Eine Rückfrage dort habe ergeben, dass ihre Versorgung nicht möglich sei. Unabhängig davon habe es der Ag versäumt, die persönliche Situation der Ast hinreichend zu würdigen. Es greife der Grundsatz des Vorrangs der ambulanten Hilfe. Die Ast werde bei Rückkehr in ihr Haus vollständig in eine bestehende Gemeinschaft eingebunden. Sie habe ihr Leben organisiert und könne in einem eigenen Haus mit Assistenzpflege leben. Die Ast habe notgedrungen bereits mehrere Monate in einer stationären Einrichtung verbracht. Erneute fremdbestimmte Unterbringungsweise könnten schwere Depressionen hervorrufen.
Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Eine endgültige Entscheidung sei vom Platzangebot in der Wohngemeinschaft für Rollstuhlfahrer in S. abhängig. Es stehe derzeit noch nicht fest, wann die Ast die W.-Klinik verlasse und es sei daher offen, ob zum Zeitpunkt des Verlassens der Klinik ein entsprechender Platz in der Wohngemeinschaft konkret angeboten werden könne. Es werde deshalb um eine Zurückstellung der Entscheidung gebeten.
Aus einem Schreiben des Wohnforums S. vom 01.03.2005 ergibt sich, dass dort nachts nur eine Pflegekraft anwesend ist. Aus diesem Grund sei die Aufnahme der Ast dann nicht zu verantworten, wenn im MDK-Bericht von der Notwendigkeit von zwei Personen für den Transfer ausgegangen werde und dieser Bedarf prizipiell auch nachts gegeben sei. Nach dortiger Ansicht könne ein solcher pflegerischer Bedarf auch während der Nacht entstehen.
Mit Beschluss vom 18.05.2005 lehnte das SG den Antrag ab. Es könne keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache erkennen. Im Fall der Ast seien die Kosten der ambulanten Leistung unverhältnismäßig hoch, so dass § 13 Abs 1 Satz 4 SGB XII greife und den an sich im Gesetz vorgesehenen Vorrang ambulanter Leistung aufhebe. Die Unterbringung in der Wohngemeinschaft S. sei der Ast auch zuzumuten. Die Wohngemeinschaft S. sei geeignet, um den pflegerischen Bedarf der Ast sicherzustellen. Das ergebe sich im Wesentlichen aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Ag vom 17.02.2005. Die dort lebenden 22 Bewohner seien allesamt von einem ähnlichen Lebensschicksal wie die Ast betroffen und dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen. Das Altersspektrum reiche von 28 bis 41 Jahren. Keiner der anderen Bewohner sei geistig behindert. Der grundsätzliche Bedarf der Ast im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung könne sachgerecht und angemessen gedeckt werden. Hinsichtlich der Kommunikationsmöglichkeiten sehe das SG keine wesentlichen Einschränkungen gegenüber der ins Auge gefassten Versorgung der Ast in ihrem eigenen häuslichen Bereich. Durchgreifende Bedenken gegen die Unterbringung der Ast in einer Wohngemeinschaft erkenne das SG nicht. Das Schreiben der Wohngemeinschaft S. vom 01.03.2005 stehe dem nicht entgegen. In dem MDK-Gutachten sei ausdrücklich vermerkt, dass die Lagerung bzw Umlagerung der Ast mit Hilfe von nur einer Pflegeperson erfolgen könne. Nicht von der Hand zu weisen sei es, dass u.U. eine Notfallsituation nachts eintrete. Hier unterscheide sich die Situation der Ast aber nicht von den anderen dort lebenden Personen. Im Übrigen wäre die Situation im häuslichen Bereich für die Ast nicht anders.
Auch die persönlichen Umstände der Ast erlaube ihre Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Es sei im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Ast bei einer solchen Unterbringung eine dauerhafte Gesundheitsschädigung davontrage. Es liege zudem in der Natur der Sache, dass bei einer solch eingetretenen massiven Gesundheitsstörung und Behinderung, wie sie die Ast bei ihrem Verkehrsunfall davongetragen hat, eine Einschränkung des Kontaktes zum Freundes- und Bekanntenkreis verbunden ist. Die Ast sei ledig und habe in Bad W. keine familiären Beziehungen. Sie sei erst im Februar 2003 aus eigenem Antrieb wegen einer Arbeitsstelle umgezogen und habe sich am neuen Wohnort in der Zeit bis zum Unfall im November 2003 einen neuen Freundeskreis aufbauen können. Es werde ihr deshalb auch gelingen, sich in einer neuen Umgebung im Rahmen einer stationären Unterbringung einzufinden und neue Kontakte zu knüpfen. Auch bei einer Gesamtwürdigung ergebe sich eine Ablehnung des Antrags im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Etwaige Beweisaufnahmen könnten in einem Hauptsacheverfahren nachgeholt werden.
Hiergegen wendet sich die Ast mit ihrer beim SG am 13.06.2005 eingegangenen Beschwerde. Sie wiederholt ihren Antrag vor dem SG, ergänzt um den Antrag, den Beschluss des SG vom 18.05.2005 aufzuheben, und stützt sich im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen. Das SG habe unzutreffenderweise einen Gleichrang zwischen ambulanter und stationärer Versorgung angenommen. Die Ast habe glaubhaft gemacht, dass sie in die christliche Gemeinschaft in Bad W. fest eingebunden gewesen sei. Ihr sei eine Unterbringung in die Wohngemeinschaft S. nach wie vor nicht zuzumuten. Das SG habe sich mit den eidesstattlichen Versicherungen dritter Personen nur unzureichend auseinandergesetzt. Die Wohngemeinschaft S. habe eine Aufnahme der Ast abgelehnt. Sie sei im Übrigen, zieht man die individuellen Lebensverhältnisse der Ast heran, für deren Unterbringung der Ast auch nicht geeignet.
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Als Leistungsträger für die der Ast entstehenden Unfallkosten seien hier die DAK/Pflegekasse (Pflegestufe III), die DAK-Krankenkasse (Behandlungspflege) und ergänzend die Sozialhilfeverwaltung - das ist der Ag selbst - beteiligt. Zu unterscheiden sei zwischen den Leistungen, die aufgrund des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht würden und den Leistungen im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung, die im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung und ergänzend hierzu vom Träger der Sozialhilfe gewährt werden. Nach dortiger Auffassung bestehe ein Anspruch der Ast auf Übernahme der Kosten durch die DAK im Umfang von 24 Stunden Pflege/Tag. Am 08.07.2005 sei der Ag telefonisch darüber informiert worden, dass der bislang freie Platz in der Wohngemeinschaft S. nunmehr belegt sei. Die Belegung der Plätze in der Wohngemeinschaft S. unterliege nach bisherigen Erfahrungen jedoch einer gewissen Fluktuation. Aus diesem Grunde werde beantragt, bei der gerichtlichen Entscheidung auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Bedarfs, d.h. darauf abzustellen, wann die Ast aus der W.-Klinik entlassen werde.
Mit Schreiben vom 21.07.2005 beantragt die Ast bei der DAK, N. , die Gewährung von Behandlungspflege für den Zeitraum ab Entlassung aus der W.-Klinik. Hierüber ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nur z.T. begründet.
Der Senat geht bei der Auslegung der von der Ast eingereichten Schriftsätze davon aus, dass es der Ast nicht mehr um die Bewilligung von Leistungen nach dem früheren BSHG geht, die sie in ihrem ursprünglichen Antrag vom 10.11.2004 gegenüber dem Ag geltend gemacht hat, sondern dass sie nunmehr Leistungen nach dem SGB XII für die Zukunft begehrt.
Gleichwohl hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur z.T. Erfolg. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn der Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die Ast Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -; Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 86b RdNr 41).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu im Einzelnen BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) zeigt sich, dass der Ast für ihr Begehren zwar ein Anordnungsgrund, der Anordnungsanspruch aber nur z.T. zur Seite steht.
Nach Auffassung des Senats ist eine Entscheidung in der Sache eilbedürftig iS der oben genannten Rechtsprechung des BVerfG. Die Ast befindet sich zwar derzeit in stationärer Behandlung im Krankenhaus, wobei ihr Entlassungstermin seit mehreren Monaten wegen der Notwendigkeit weiterer operativer Eingriffe immer wieder verschoben worden ist. Gleichwohl ist es ihr aber nicht zuzumuten, die Frage ihrer Unterbringung unmittelbar nach Entlassung aus dem Krankenhaus zeitlich davon abhängig zu machen, wann die endgültige Entlassung feststeht bzw erst zu einem Zeitpunkt zu treffen, zudem sie bereits entlassen ist. Der Ast wäre in einem solchen Fall der effektive Rechtsschutz abgeschnitten (Art 19 Abs 4 Grundgesetz - GG -).
Hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsanspruches bezieht sich der Senat jedoch auf den angefochtenen Beschluss vom 18.05.2005, weil er den ausführlichen und substanzierten Entscheidungsgründen des SG im Wesentlichen folgt (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Einlassungen der Ast in der Beschwerdeschrift vom 08.06.2005 stellen die Entscheidungsgründe des SG nicht substantiiert in Frage. Das SG hat weder das Verhältnis der ambulanten zur stationären bzw teilstationären Hilfeleistung verkannt noch hat es die Fragen nach der Unverhältnismäßigkeit bzw der Unzumutbarkeit iS des § 13 Abs 1 Satz 4 SGB XII in unzulässiger Weise verbunden oder gar unzutreffend entschieden.
Eine teilweise Abänderung der Entscheidung des SG ist gleichwohl veranlasst, weil auch im Hinblick auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruches auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen ist und zu diesem Zeitpunkt einerseits die Frage der Entlassung der Ast aus dem Krankenhaus noch nicht geklärt ist und andererseits ihre derzeitige Unterbringung in der von dem SG ins Auge gefassten Wohngemeinschaft S. aus Platzgründen (wohl nur) vorübergehend nicht möglich ist.
Bereits bei dieser Sachlage, zudem auch im Hinblick auf eine darüber hinausgehend veranlasste weitere Sachverhaltsaufklärung, muss der Ast die begehrte Hilfe zuteil werden, weil sie ansonsten Gefahr liefe, erhebliche Beeinträchtigungen zu erleiden, die in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeglichen werden könnten (so auch BVerfG aaO). Die Erfolgsaussichten des zwischenzeitlich bei der DAK, N. , gestellten Antrags auf Gewährung von Behandlungspflege für den Zeitraum ab Entlassung aus dem Krankenhaus, spielt insoweit für die hier zu treffende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Rolle. Der Ag erkennt das im Ergebnis auch, wenn er noch vor dem SG mit Schreiben vom 26.04.2005 beantragt, die Entscheidung über den Eilantrag der Ast zurückzustellen. Durch eine solche Aussetzung des Verfahrens ist dem berechtigten Rechtsschutzbegehren der Ast aber nicht gedient.
Bei (insoweit nur) summarischer Überprüfung ist auch der Umfang der beantragten Hilfe im Ergebnis nicht zu beanstanden. Durch die Stellungnahme des behandelnden Oberarztes Dr.R. vom 10.12.2004 ist zumindest glaubhaft gemacht, dass die Ast 26 Stunden Pflege täglich benötigt. Auch die Angaben der Ast zur Höhe der Pflegekosten erscheinen dem Senat glaubhaft. Dabei wird nicht die Alternativberechnung des Ag im Schreiben vom 11.08.2005 übersehen. Allerdings liegt es für den Senat bislang nicht auf der Hand, dass die Ast kurzfristig Assistenzpflege zu den dort genannten Bedingungen erhalten kann. Der Ag hatte seit Antragsstellung im November 2004 hinreichend Zeit, diese Frage näher zu untersuchen.
Da es im vorliegenden Eilverfahren dem Senat aber aus den bereits oben genannten Gründen nicht möglich ist, den Sachverhalt vollständig aufzuklären, kommt er bei einer abschließenden - vom BVerfG vorgegebenen - Güter- und Folgeabwägung zu dem Ergebnis, die beantragten Leistungen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zeitlich befristet zuzusprechen. Die existenziell notwendige Versorgung der Ast ist mit einer solchen zeitlich befristeten Entscheidung hinreichend sichergestellt, ohne dass einer Hauptsacheentscheidung vorgegriffen wird. Der Ag hat mithin einen angemessenen Zeitraum zur Verfügung, die noch offenen Fragen der Unterbringung der Ast in S. und den genauen Zeitpunkt der Aufnahme dort zu klären bzw zu prüfen, ob auch andere Einrichtungen, die die Anforderungen an eine Unterbringung der Ast erfüllen, zur Verfügung stehen. Das SG wird weiter die Heranziehung anderer Leistungsträger, gegebenenfalls mittels deren Beiladung im Hauptsacheverfahren, und - soweit erforderlich - die Höhe der Kosten einer etwa weiter nötigen Assistenzpflege prüfen. Die Ast weiß letztlich zudem, dass ihre begehrte Versorgung mit Assistenzpflege unter den bislang gegebenen Umständen nicht von Dauer sein kann. Antragsgemäß wurde die Leistung darlehensweise zugesprochen und der Ag nur vorläufig verpflichtet.
Insgesamt hält der Senat hierfür einen Zeitraum von 5 bis 6 Monaten für einerseits veranlasst, andererseits aber auch ausreichend, um die noch offenen Fragen abschließend zu klären bzw einer Klärung im Hauptsacheverfahren zuzuführen. Die Ast kann etwa abzuschließende Arbeitsverträge auf diesen Zeitrahmen befristen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Ast nur teilweise obsiegt hat. Ihre Beschwerde wurde im Übrigen zurückgewiesen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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