Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 LW 7/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 B 511/05 LW ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 3. August 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit inzwischen bindendem Bescheid vom 01.02.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2004 hatte die Antragsgegnerin (Ag.) die Versicherungspflicht der Ehefrau des Antragstellers (Ast.) als Ehegatte eines Landwirts zur landwirtschaftlichen Alterskasse Oberfranken und Mittelfranken festgestellt und sie zur Beitragszahlung ab Januar 1995 veranlagt.
Da Beiträge nicht gezahlt wurden, stellte die Ag. mit Bescheiden vom 27.09.2000 und 30.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 die Haftung des Ast. für die Beiträge seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.2002 in Höhe von 14.195,93 EUR fest. In einem gerichtlichen Vergleich vom 09.10.2002 vor dem Sozialgericht Bayreuth wurden diese Bescheide von der Ag. ersatzlos aufgehoben.
Nach einer zum 01.08.2004 erfolgten Gesetzesänderung stellte die Ag. mit Bescheid vom 22.10.2004 erneut die Haftung des Ast. gemäß § 70 Abs.1 ALG für die Beiträge seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.10.2004 in Höhe von 20.638,83 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2005 als unbegründet zurück. Dagegen ist beim Sozialgericht Bayreuth eine Klage des Ast. unter dem Az.: S 10 LW 21/05 anhängig.
Bereits am 08.04.2005 beantragte der Ast. beim Sozialgericht Bayreuth, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 22.10.2004 auszusetzen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Änderung des § 70 Abs.1 ALG sei erst zum 01.08.2004 in Kraft getreten, so dass er für vor diesem Zeitpunkt entstandene Beitragsrückstände seiner Ehefrau nicht hafte.
Mit Beschluss vom 03.08.2005 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, soweit sie die Haftung der Beiträge für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.2005 betrifft, da die Ag. die ursprünglichen Haftungsbescheide für diesen Zeitraum ersatzlos aufgehoben hatte. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen.
Die Abweisung des Antrags hat es im Wesentlichen damit begründet, dass insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden. Die Neuregelung der gesamtschuldnerischen Haftung der Ehegatten in § 70 Abs.1 ALG sei am 01.08.2004 in Kraft getreten und gemäß § 94 Abs.1 ALG von diesem Zeitpunkt an auch auf bereits vorher bestehende Sachverhalte oder Ansprüche anzuwenden. Auch sei nicht erkennbar, dass die Vollziehung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Beiträge vom 01.02.2002 bis 31.10.2004 für den Ast. eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ast., der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Ast. vertritt die Auffassung, dass § 94 Abs.1 Satz 1 ALG verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass er lediglich die Leistungsverwaltung, nicht jedoch haftungsrechtliche Tatbestände betreffe. Anderenfalls liege ein Verbot gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs.2 GG ableitende Rückwirkungsverbot vor. Er habe auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertraut und auch vertrauen dürfen, zumal die Ag. die bisherigen Haftungsbescheide im Vergleich vor dem Sozialgericht ausdrücklich ersatzlos aufgehoben habe.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß den §§ 172 ff. SGG zulässig, jedoch sachlich unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung zu Recht in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung umgedeutet und diesen abgelehnt, soweit eine Beitragsforderung für die Zeit nach dem 31.01.2002 in Streit steht.
Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 86a Abs.2 Nr.1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn - wie hier - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach dem in § 86a Abs.3 Satz 2 SGG zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken soll die aufschiebende Wirkung dann angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht für den im Beschwerdeverfahren allein streitigen Zeitraum ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Bescheide verneint und auch die Anerkennung einer besonderen Härte abgelehnt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs.2 Satz 3 SGG).
Ergänzend ist unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung auszuführen, dass die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der Neufassung des § 70 Abs.1 ALG auch auf vor dem 01.08.2004 entstandene Beitragsrückstände nicht geteilt werden. Im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann eine ausführliche Auseinandersetzung mit der verfassungsrechtlichen Problematik nicht erfolgen. Darauf hinzuweisen ist jedoch, dass der Gesetzesänderung allenfalls eine unechte Rückwirkung zukommt und die Rechtsprechung ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestehende Rechtslage dann verneint hat, wenn eine unklare und widersprüchlich ausgelegte Regelung infolge höchstrichterlicher Rechtsprechung durch den Gesetzgeber korrigiert wird (vgl. BSG vom 21.06.2005 - B 8 KN 9/04 R -).
Da auch die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gesichtspunkte keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Ast. erkennen lassen, besteht kein Anlass, hier vom Regelfall der sofortigen Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden abzuweichen, weshalb die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit inzwischen bindendem Bescheid vom 01.02.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2004 hatte die Antragsgegnerin (Ag.) die Versicherungspflicht der Ehefrau des Antragstellers (Ast.) als Ehegatte eines Landwirts zur landwirtschaftlichen Alterskasse Oberfranken und Mittelfranken festgestellt und sie zur Beitragszahlung ab Januar 1995 veranlagt.
Da Beiträge nicht gezahlt wurden, stellte die Ag. mit Bescheiden vom 27.09.2000 und 30.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2002 die Haftung des Ast. für die Beiträge seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.2002 in Höhe von 14.195,93 EUR fest. In einem gerichtlichen Vergleich vom 09.10.2002 vor dem Sozialgericht Bayreuth wurden diese Bescheide von der Ag. ersatzlos aufgehoben.
Nach einer zum 01.08.2004 erfolgten Gesetzesänderung stellte die Ag. mit Bescheid vom 22.10.2004 erneut die Haftung des Ast. gemäß § 70 Abs.1 ALG für die Beiträge seiner Ehefrau für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.10.2004 in Höhe von 20.638,83 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2005 als unbegründet zurück. Dagegen ist beim Sozialgericht Bayreuth eine Klage des Ast. unter dem Az.: S 10 LW 21/05 anhängig.
Bereits am 08.04.2005 beantragte der Ast. beim Sozialgericht Bayreuth, die Vollstreckung aus dem Bescheid vom 22.10.2004 auszusetzen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Änderung des § 70 Abs.1 ALG sei erst zum 01.08.2004 in Kraft getreten, so dass er für vor diesem Zeitpunkt entstandene Beitragsrückstände seiner Ehefrau nicht hafte.
Mit Beschluss vom 03.08.2005 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet, soweit sie die Haftung der Beiträge für die Zeit vom 01.01.1995 bis 31.01.2005 betrifft, da die Ag. die ursprünglichen Haftungsbescheide für diesen Zeitraum ersatzlos aufgehoben hatte. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen.
Die Abweisung des Antrags hat es im Wesentlichen damit begründet, dass insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden. Die Neuregelung der gesamtschuldnerischen Haftung der Ehegatten in § 70 Abs.1 ALG sei am 01.08.2004 in Kraft getreten und gemäß § 94 Abs.1 ALG von diesem Zeitpunkt an auch auf bereits vorher bestehende Sachverhalte oder Ansprüche anzuwenden. Auch sei nicht erkennbar, dass die Vollziehung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Beiträge vom 01.02.2002 bis 31.10.2004 für den Ast. eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Ast., der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Ast. vertritt die Auffassung, dass § 94 Abs.1 Satz 1 ALG verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass er lediglich die Leistungsverwaltung, nicht jedoch haftungsrechtliche Tatbestände betreffe. Anderenfalls liege ein Verbot gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs.2 GG ableitende Rückwirkungsverbot vor. Er habe auf den Fortbestand der bisherigen Regelung vertraut und auch vertrauen dürfen, zumal die Ag. die bisherigen Haftungsbescheide im Vergleich vor dem Sozialgericht ausdrücklich ersatzlos aufgehoben habe.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß den §§ 172 ff. SGG zulässig, jedoch sachlich unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung zu Recht in einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung umgedeutet und diesen abgelehnt, soweit eine Beitragsforderung für die Zeit nach dem 31.01.2002 in Streit steht.
Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 86a Abs.2 Nr.1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, wenn - wie hier - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Nach dem in § 86a Abs.3 Satz 2 SGG zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken soll die aufschiebende Wirkung dann angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht für den im Beschwerdeverfahren allein streitigen Zeitraum ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Bescheide verneint und auch die Anerkennung einer besonderen Härte abgelehnt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs.2 Satz 3 SGG).
Ergänzend ist unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung auszuführen, dass die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung der Neufassung des § 70 Abs.1 ALG auch auf vor dem 01.08.2004 entstandene Beitragsrückstände nicht geteilt werden. Im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen und pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage kann eine ausführliche Auseinandersetzung mit der verfassungsrechtlichen Problematik nicht erfolgen. Darauf hinzuweisen ist jedoch, dass der Gesetzesänderung allenfalls eine unechte Rückwirkung zukommt und die Rechtsprechung ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestehende Rechtslage dann verneint hat, wenn eine unklare und widersprüchlich ausgelegte Regelung infolge höchstrichterlicher Rechtsprechung durch den Gesetzgeber korrigiert wird (vgl. BSG vom 21.06.2005 - B 8 KN 9/04 R -).
Da auch die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gesichtspunkte keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Ast. erkennen lassen, besteht kein Anlass, hier vom Regelfall der sofortigen Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden abzuweichen, weshalb die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
Saved