Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 262/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 681/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung der der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2005 Az: S 14 R 262/03 wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe:
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat mit Urteil vom 10.05.2005 die Beklagte verpflichtet, die Altersrente der Klägerin unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 als nachgewiesene Beitragszeit ab 01.01.1998 neu festzustellen. Das SG geht in seiner von der Beklagten mit der Berufung angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung zu beurteilende Zeit als Beitragszeit ungekürzt der Rentenberechnung zu Grunde zu legen sei, weil für die Klägerin als Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Rumänien in diesem Zeitraum durchgehend Beiträge entrichtet worden seien. Die Beiträge seien in der Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 für Mitglieder von LPGen aufgrund der rumänischen Rechtsvorschriften unabhängig von der Mitarbeit in der LPG und der Erfüllung bestimmter Normen entrichtet worden. Da die Klägerin unstreitig in dieser Zeit Mitglied einer rumänischen LPG gewesen sei, seien entgegen der Auffassung der Beklagten die Zeiten vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 als nachgewiesene Beitragszeiten mit den um 1/5 erhöhten Tabellenwerten anzuerkennen und die Altersrente der Klägerin ab 01.01.1998 neu festzustellen (§ 44 Abs 4 SGB X).
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, entgegen der Auffassung des SG komme es auch für die Anerkennung von Beitragszeiten für ein ehemaliges Mitglied einer rumänischen LPG in der Zeit von 1966 bis 1977 entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu Zeiten der Mitgliedschaft in einer russischen Kolchose darauf an, dass neben der Mitgliedschaft auch Unterbrechungstatbestände zB durch Krankheiten nachgewiesen seien oder eine taggenaue Aufstellung der Arbeitsleistung vorliege. Auch das Landessozialgericht Baden Württemberg sei anders als das Bayer. Landessozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es unzulässig sei, aus dem bloßen Bestehen eines Mitgliedschaftsverhältnisses zur LPG auf ein ganzjähriges und ununbrochenes Beschäftigungsverhältnis zu schließen. Die Anerkennung von Beitragszeiten allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer LPG führe zu einer Ungleichbehandlung mit Arbeitnehmern, die sich mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht begründen lasse. Eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestand in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit weder für Arbeitnehmer noch für Mitglieder landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften. Zu dieser Rechtsfrage sei auch bereits ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig.
Um die Entstehung einer größeren Überzahlung wegen des voraussichtlich längeren Zeitraumes bis zur Entscheidung des BSG zu vermeiden, werde beantragt die Vollziehung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg gemäß § 199 Abs 2 SGG auszusetzen. Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, von einer Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil vom 10.05.2005 abzusehen. Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Die Entscheidung des SG entspreche auch der Kommentierung im Kommentar des Verbandes der deutschen Rentenversicherungsträger zu § 15 FRG und mehreren Urteilen des Bayer. Landessozialgerichtes sowie des Sozialgerichts Nürnberg.
Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente bzw eine höhere Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichtes auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine ausschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des BSG soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG jedoch nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichen Umfang Erfolg haben wird (s. auch Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Auflage, RdNr 400; Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 199 RdNrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rückerstattung der Leistung ist um so höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Zu prüfen und zu berücksichtigen ist auch, ob der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Berufung kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Senat bereits mit Urteil vom 21.07.1999 (Az: L 20 RJ 620/93) iS der Entscheidung des SG Nürnberg entschieden hat. Dieses Urteil wurde rechtskräftig, obwohl die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der sozialen Sicherung von LPG-Mitgliedern hinsichtlich Beginn und Umfang der Beitragspflicht und der Leistungsansprüche zugelassen wurde. Die Beklagte hat zwar auf eine abweichende Entscheidung des LSG Baden Württemberg hingewiesen, die ausdrücklich der Rechtsauffassung des Senates in dem angeführten Urteil nicht folgen will. Ob der Senat im Hauptsacheverfahren der abweichenden Entscheidung des LSG Baden Württemberg folgen wird, bleibt abzuwarten. Ein im Rahmen einer einstweiligen Anordnung lediglich kursorisch durchzuführende Prüfung spricht weder für eine offensichtliche Aussicht auf Erfolg der Berufung noch für die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Berufung der Beklagten jedenfalls im wesentlichen Umfang Erfolg haben wird, vielmehr ist der Ausgang des Berufungsverfahrens als offen anzusehen. Dem im Internet veröffentlichten Verzeichnis über die beim BSG anhängigen Verfahren (unter www.bundessozial- gericht.de) war nicht zu entnehmen, dass zu dieser Rechtsfrage eine Revision beim BSG anhängig ist. Unter dem von der Beklagten angegebenen Aktenzeichen (B 13 RJ 44/04 R) waren keine weiteren Hinweise zu erhalten.
Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses der Klägerin an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten zu müssen, kein Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.
Die Entscheidung über die Kosten (s. BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt wurde.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 unanfechtbar.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe:
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat mit Urteil vom 10.05.2005 die Beklagte verpflichtet, die Altersrente der Klägerin unter Berücksichtigung der Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 als nachgewiesene Beitragszeit ab 01.01.1998 neu festzustellen. Das SG geht in seiner von der Beklagten mit der Berufung angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes (FRG) in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung zu beurteilende Zeit als Beitragszeit ungekürzt der Rentenberechnung zu Grunde zu legen sei, weil für die Klägerin als Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Rumänien in diesem Zeitraum durchgehend Beiträge entrichtet worden seien. Die Beiträge seien in der Zeit vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 für Mitglieder von LPGen aufgrund der rumänischen Rechtsvorschriften unabhängig von der Mitarbeit in der LPG und der Erfüllung bestimmter Normen entrichtet worden. Da die Klägerin unstreitig in dieser Zeit Mitglied einer rumänischen LPG gewesen sei, seien entgegen der Auffassung der Beklagten die Zeiten vom 01.01.1966 bis 31.12.1977 als nachgewiesene Beitragszeiten mit den um 1/5 erhöhten Tabellenwerten anzuerkennen und die Altersrente der Klägerin ab 01.01.1998 neu festzustellen (§ 44 Abs 4 SGB X).
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, entgegen der Auffassung des SG komme es auch für die Anerkennung von Beitragszeiten für ein ehemaliges Mitglied einer rumänischen LPG in der Zeit von 1966 bis 1977 entsprechend der Rechtsprechung des BSG zu Zeiten der Mitgliedschaft in einer russischen Kolchose darauf an, dass neben der Mitgliedschaft auch Unterbrechungstatbestände zB durch Krankheiten nachgewiesen seien oder eine taggenaue Aufstellung der Arbeitsleistung vorliege. Auch das Landessozialgericht Baden Württemberg sei anders als das Bayer. Landessozialgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass es unzulässig sei, aus dem bloßen Bestehen eines Mitgliedschaftsverhältnisses zur LPG auf ein ganzjähriges und ununbrochenes Beschäftigungsverhältnis zu schließen. Die Anerkennung von Beitragszeiten allein aufgrund der Mitgliedschaft in einer LPG führe zu einer Ungleichbehandlung mit Arbeitnehmern, die sich mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht begründen lasse. Eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestand in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit weder für Arbeitnehmer noch für Mitglieder landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften. Zu dieser Rechtsfrage sei auch bereits ein Verfahren beim Bundessozialgericht anhängig.
Um die Entstehung einer größeren Überzahlung wegen des voraussichtlich längeren Zeitraumes bis zur Entscheidung des BSG zu vermeiden, werde beantragt die Vollziehung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg gemäß § 199 Abs 2 SGG auszusetzen. Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, von einer Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil vom 10.05.2005 abzusehen. Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Die Entscheidung des SG entspreche auch der Kommentierung im Kommentar des Verbandes der deutschen Rentenversicherungsträger zu § 15 FRG und mehreren Urteilen des Bayer. Landessozialgerichtes sowie des Sozialgerichts Nürnberg.
Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente bzw eine höhere Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichtes auf die Berufung hin oder in einem eventuellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Vollstreckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine ausschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des BSG soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG jedoch nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichen Umfang Erfolg haben wird (s. auch Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Auflage, RdNr 400; Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 199 RdNrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rückerstattung der Leistung ist um so höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Zu prüfen und zu berücksichtigen ist auch, ob der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Berufung kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Senat bereits mit Urteil vom 21.07.1999 (Az: L 20 RJ 620/93) iS der Entscheidung des SG Nürnberg entschieden hat. Dieses Urteil wurde rechtskräftig, obwohl die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der sozialen Sicherung von LPG-Mitgliedern hinsichtlich Beginn und Umfang der Beitragspflicht und der Leistungsansprüche zugelassen wurde. Die Beklagte hat zwar auf eine abweichende Entscheidung des LSG Baden Württemberg hingewiesen, die ausdrücklich der Rechtsauffassung des Senates in dem angeführten Urteil nicht folgen will. Ob der Senat im Hauptsacheverfahren der abweichenden Entscheidung des LSG Baden Württemberg folgen wird, bleibt abzuwarten. Ein im Rahmen einer einstweiligen Anordnung lediglich kursorisch durchzuführende Prüfung spricht weder für eine offensichtliche Aussicht auf Erfolg der Berufung noch für die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Berufung der Beklagten jedenfalls im wesentlichen Umfang Erfolg haben wird, vielmehr ist der Ausgang des Berufungsverfahrens als offen anzusehen. Dem im Internet veröffentlichten Verzeichnis über die beim BSG anhängigen Verfahren (unter www.bundessozial- gericht.de) war nicht zu entnehmen, dass zu dieser Rechtsfrage eine Revision beim BSG anhängig ist. Unter dem von der Beklagten angegebenen Aktenzeichen (B 13 RJ 44/04 R) waren keine weiteren Hinweise zu erhalten.
Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses der Klägerin an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten zu müssen, kein Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.
Die Entscheidung über die Kosten (s. BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt wurde.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 unanfechtbar.
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