L 19 R 460/05 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 R 755/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 460/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.03.2005 - Az.: S 18 R 755/03 - wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt (§ 199 Abs.2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat mit Urteil vom 03.03.2005 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.04.2003 bis 30.06.2003 und eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Berufungsunfähigkeit auf Dauer ab ab dem 01.10.2002 zu gewähren. Das SG stützt seine Entscheidung in erster Linie auf die von ihm bei dem Orthopäden Dr.M. gemäß § 106 SGG und dem Orthopäden Dr.R. gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten. Diese Sachverständigen erachteten den Kläger für die Zeit ab 01.07.2003 noch für fähig, leichte Arbeiten mehr als 6 Stunden täglich zu verrichten, er könne jedoch nicht mehr in seinem Beruf als Lüftungsmonteur tätig sein. Nach Auffassung des SG kann der Kläger mit der ihm verbliebenen körperlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr eine ihm zumutbare Tätigkeit verrichten.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 18.04.2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie mit Schriftsatz vom 04.07.2005 vorträgt, unstreitig stehe dem Kläger für die Zeit vom 01.04.2003 bis zum 30.06.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu. Zu Unrecht habe das SG jedoch einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bejaht, denn es gebe sehr wohl Berufe, deren Ausübung dem Kläger sowohl aus gesundheitlichen wie auch sozialen Gründen zumutbar sei.

Mit der am 05.07.2005 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil auszusetzen.

Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Versicherten eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Versicherte aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem evenutellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.

Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Voll- streckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (s. Niesel, der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rüccerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass insbesondere dann, wenn in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Altersrente entsteht, der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw. sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.

Vorliegend scheint es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird. Das SG hat Verweisungsmöglichkeiten des Klägers für mehrere Tätigkeiten geprüft und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger auf die Berufe eines Hausmeisters/Hauswarts, Metallklebers oder Kabelformers aus gesundheitlichen, eines Hochregallagerarbeiters oder Gerätezusammensetzers wegen fehlender Spezialkenntnisse und eines Telefonisten, Registrators oder Mitarbeiters einer Poststelle, weil sozial nicht zumutbar, nicht verwiesen werden könne.

Unter Hinweis auf die jüngere Rechtsprechung des Senates hält die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung dagegen eine Verweisung des Klägers auf den Beruf eines Telefonisten für sozial zumutbar und den Kläger auch für die Tätigkeit eines Hochregalarbeiters geeignet. Wenig hilfreich sind in diesem Zusammenhang allerdings die abqualifizierenden Äußerungen der Beklagten zur Qualität der Aussagen der Bundesagentur für Arbeit. Im Hinblick auf die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Senates vom 15.12.2004 - Az: L 20 RJ 500/02 überwiegt die Wahrscheinlichkeit, dass die Berufung der Beklagten erfolgreich sein wird.

Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses der Klägerin an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten zu müssen, Anlass die Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des SG Nürnberg auszusetzen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs 4 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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