Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 R 39/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 574/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.03.2005 - Az.: S 4 R 39/02 - wird bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt (§ 199 Abs.2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. -
Gründe:
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat mit Urteil vom 17.03.2005 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.11.2004 bis 31.03.2006 zu gewähren. Das SG stützt seine Entscheidung in erster Linie auf die von ihm bei dem Internisten Dr.R. und dem Nervenarzt Dr.H. eingeholten Gutachten, nach denen der Kläger seit 06.04.2004 wegen einer Alkoholerkrankung nur noch Tätigkeiten bis zu drei Stunden täglich verrichten könne, bis eine erfolgreiche Entzugsbehandlung durchgeführt sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sieht das SG als erfüllt an.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 13.05.2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI bzw. die Voraussetzungen für eine Anwartschaftserhaltung gemäß § 241 Abs 2 SGB VI entgegen der Auffassung des SG nicht erfüllt seien. Sie verweist hierzu auf eine Entscheidung des Senats vom 13.11.2002 (Az: L 20 RJ 52/98), in der eine von der Auffassung des SG abweichende Rechtsmeinung hinsichtlich der Bewertung von Sperrzeiten als Anrechnungszeiten vertreten werde. Im Übrigen vertrete Dr.H. , anders als dies das SG sehe, die Auffassung, dass beim Kläger eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit vorliege und nicht die, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits auf unter drei Stunden täglich gesunken sei. Der Kläger sei auch mit einer ihm angebotenen Entwöhnungsbehandlung nicht einverstanden.
Mit der am 12.08.2005 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil auszusetzen. Das Urteil des SG sei fehlerhaft. Eine eventuelle Rückforderung überzahlter Leistungen scheine nicht erfolgversprechend.
Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem evenutellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Voll- streckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (s. Niesel, der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rüccerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass insbesondere dann, wenn in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Altersrente entsteht, der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw. sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.
Vorliegend erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte mit ihrer Berufung jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird. Zwar sind zur endgültigen Beurteilung der Frage, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, noch weitere Ermittlungen beim Arbeitsamt H. bzw. der Agentur für Arbeit in H. bezüglich der Meldungen des Klägers als arbeitslos und arbeitssuchend für die Zeit ab Mai 2000 erforderlich sowie eventuell eine weitere medizinische Sachaufklärung hinsichtlich eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung ab Mai 2003 notwendig. Die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Berufung der Beklagten spricht jedoch für die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs des Rechtsmittels.
Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses des Klägers an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten müssen, Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.
Die Entscheidung über die Kosten (siehe BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt wurde.
Diese Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§199 Abs 2 Satz 3 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. -
Gründe:
Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat mit Urteil vom 17.03.2005 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.11.2004 bis 31.03.2006 zu gewähren. Das SG stützt seine Entscheidung in erster Linie auf die von ihm bei dem Internisten Dr.R. und dem Nervenarzt Dr.H. eingeholten Gutachten, nach denen der Kläger seit 06.04.2004 wegen einer Alkoholerkrankung nur noch Tätigkeiten bis zu drei Stunden täglich verrichten könne, bis eine erfolgreiche Entzugsbehandlung durchgeführt sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sieht das SG als erfüllt an.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 13.05.2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI bzw. die Voraussetzungen für eine Anwartschaftserhaltung gemäß § 241 Abs 2 SGB VI entgegen der Auffassung des SG nicht erfüllt seien. Sie verweist hierzu auf eine Entscheidung des Senats vom 13.11.2002 (Az: L 20 RJ 52/98), in der eine von der Auffassung des SG abweichende Rechtsmeinung hinsichtlich der Bewertung von Sperrzeiten als Anrechnungszeiten vertreten werde. Im Übrigen vertrete Dr.H. , anders als dies das SG sehe, die Auffassung, dass beim Kläger eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit vorliege und nicht die, dass das Leistungsvermögen des Klägers bereits auf unter drei Stunden täglich gesunken sei. Der Kläger sei auch mit einer ihm angebotenen Entwöhnungsbehandlung nicht einverstanden.
Mit der am 12.08.2005 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil auszusetzen. Das Urteil des SG sei fehlerhaft. Eine eventuelle Rückforderung überzahlter Leistungen scheine nicht erfolgversprechend.
Nach § 154 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem evenutellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.
Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Voll- streckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (s. Niesel, der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rüccerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass insbesondere dann, wenn in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Altersrente entsteht, der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw. sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.
Vorliegend erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte mit ihrer Berufung jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird. Zwar sind zur endgültigen Beurteilung der Frage, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, noch weitere Ermittlungen beim Arbeitsamt H. bzw. der Agentur für Arbeit in H. bezüglich der Meldungen des Klägers als arbeitslos und arbeitssuchend für die Zeit ab Mai 2000 erforderlich sowie eventuell eine weitere medizinische Sachaufklärung hinsichtlich eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung ab Mai 2003 notwendig. Die gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussicht der Berufung der Beklagten spricht jedoch für die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs des Rechtsmittels.
Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses des Klägers an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten müssen, Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.
Die Entscheidung über die Kosten (siehe BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt wurde.
Diese Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden (§199 Abs 2 Satz 3 SGG).
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