S 33 AL 394/06 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AL 394/06 WA
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 4/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 40/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine rechtswidrige Durchsuchung und Beschlagnahme in einem vorgelagerten bzw. parallelen Strafverfahren führt nicht zu einem Verfahrenshindernis für ein Verwaltungsverfahrens, das auf die Rücknahme einer Leistungsbewilligung und die Erstattung der erbrachten Leistungen zielt, und zwar selbst dann nicht, wenn die Verwaltungsbehörde nur durch dieses Strafverfahren und während des noch laufenden Beschwerdeverfahrens gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung Kenntnis von den relevanten Tatsachen erhalten hat.
2. Zur Fernwirkung eines Beweisvertungsverbots.
3. Die Entscheidung, ob einem strafprozessualen Beweisverwertungsverbot Fernwirkung auch für ein paralleles sozialrechtliches Verfahren zukommt, erfordert eine Interessenabwägung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Leistungsempfänger in diesem Falle nicht der seine Strafgewalt in Anspruch nehmende Staat gegenüber steht, sondern ein - wenn auch öffentlich-rechtlich organisierter - Versicherungsträger, der die Rückzahlung von potentielle betrügerisch erlangten Leistungen geltend macht.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.04.2000 bis 31.05.2001 in Höhe von 18.619,80 Euro und die ergänzend geforderte Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.912,24 Euro.

Der 1944 geborene Kläger war seit Dezember 1995 auf der Grundlage eines Vertrages vom 29.11.1995 mit der Fa. W. G. f. W.- u. M ..., D., die zu der insbesondere im Bereich der Müllentsorgung tätigen Firmengruppe der Gebrüder L. gehörte, für die Firmen der Gruppe als Rechtsberater tätig.

Im Zusammenhang mit der Verhaftung der Brüder J. und D. L. und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firmen der L. Gruppe – über das Vermögen der Firma W. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts DC. am 23.03.1999 das Konkursverfahren eröffnet – sowie den sich daraus ergebenden Konflikten zwischen verschiedenen führenden Mitarbeitern der Gebrüder L. verlor der Kläger im Jahre 1999 seinen Arbeitsplatz: Mit Schreiben vom 27.01.1999 wurde ihm zum 14.02.1999 gekündigt – wobei sich die Firma W. zusätzlich auf einen Auflösungsvertrag vom 03.12.1998 berief. Die Kündigung griff der Kläger mit einer zum Arbeitsgericht B. erhobenen Kündigungsschutzklage an, in dessen Rahmen er zudem u.a. die – von der W. bestrittene – Feststellung begehrte, mit dieser habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, und die Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, die Abführung von Lohnsteuer sowie die Ausstellung einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) geltend machte.

Am 10.02.1999 meldete sich der Kläger zum 15.02.1999 beim Arbeitsamt M. arbeitslos.

Kurz darauf gelangte am 19.02.1999 die vom Kläger gegründete Firma E. e.K. eingetragener Kaufmann zur Eintragung ins Handelsregister beim Amtsgericht B. H.; weitere vom Kläger gegründete Firmen wurde in der Folgezeit – jeweils vom Amtsgericht B. H. – eingetragen: am 07.09.1999 die Firma H.S.e.K. eingetragener Kaufmann, am 05.03.2001 die Firmen T. e.K. eingetragener Kaufmann, I.-S. e.K. eingetragener Kaufmann und die Fa. S. e.K. eingetragener Kaufmann. Ob, und wenn ja, in welchem Umfang der Kläger unter diesen Firmen einer selbständigen Tätigkeit nachging, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 15.06.1999 teilte der Kläger – eine Leistungsbewilligung stand im Hinblick auf die aus Sicht der Beklagten offene Frage, ob die vorangegangene Tätigkeit des Klägers als selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung zu werten sei, noch aus – einen Umzug nach E. mit. Eine Arbeitslosmeldung dort ist aus den Akten der Beklagte nicht ersichtlich.

Das mit der W. bzw. Hr. Betriebswirt L. als Konkursverwalter über deren Vermögen geführte Verfahren endete durch einen am 10.03.2000 vor dem Arbeitsgericht B. geschlossenen Vergleich, der unter Ziffer 1 die Feststellung enthielt, die unterschiedlichen Auffassungen über ein Arbeitsverhältnis der Parteien werde dadurch geregelt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin W. ab dem 18.12.1995 bestanden habe. Das Arbeitsverhältnis endete nach Ziffer 3 des Vergleichs am 31.03.1999. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Bl. 123ff. der Leistungsakte (im Folgenden: LA) Bezug genommen. Eine entsprechende Arbeitsbescheinigung (LA Bl. 129) wurde unter dem 30.03.2000 ausgestellt.

Die Beklagte bewilligte daraufhin am 10.05.2000 eine Nachzahlung in Höhe von 6.984,45 DM für die Zeit vom 23.03.1999 – für die Zeit vom 23.12.1998 bis 22.03.1999 bewilligte sie Konkursausfallgeld – bis 15.06.1999.

Nach Umzug nach B. H. meldete sich der Kläger am 23.03.2000 dort persönlich arbeitslos. Dabei verneinte er die Frage nach der Ausübung einer Beschäftigung als Arbeitnehmer oder der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit.

Am 20.10.2000 bewilligte die Beklagte dann Arbeitslosengeld ab 23.03.2000 für 461 Tage in Höhe von 84,41 DM täglich. Auf Grund einer Änderung der Leistungsverordnung erhöhte die Beklagte den täglichen Leistungssatz durch Bescheid vom 11.01.2001 auf 87,20 DM täglich ab 01.01.2001, durch Bescheid vom 25.04.2001 folgte wegen der Dynamisierung des Bemessungsentgelts eine weitere Erhöhung auf 87,81 DM täglich ab 01.04.2001.

Durch Veränderungsmitteilung vom 16.05.2001 meldete sich der Kläger zum 01.06.2001 in die Selbständigkeit ab.

Am 25.07.2001 führte die Staatsanwaltschaft B. auf Grund von entsprechenden Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen des Amtsgerichts B. vom 11.07.2001 (Bl. 330ff. der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft B. zum Az: 6 Js 86/01 – im Folgenden: beigezogene Akten) und 24.07.2001 (Bl. 379ff. der beigezogenen Akten) im Rahmen eines zunächst nur wegen falscher Verdächtigung geführten Ermittlungsverfahrens Durchsuchungen in mehreren dem Kläger zugeordneten Wohn- bzw. Geschäftsräumen in B. H. und in N. durch. Auf Grund der dabei gemachten Zufallsfunde dehnte die Staatsanwaltschaft B. das Ermittlungsverfahren auf den Vorwurf des Betruges zum Nachteil der Beklagten aus. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Amtsgericht B. sodann mit Beschluss vom 09.08.2001 (Bl. 626 der beigezogenen Akten) die Beschlagnahme der für diesen Tatvorwurf relevanten Unterlagen an.

In der Folgezeit erwirkte die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang weitere Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen wiederum des Amtsgerichts B. vom 16.11.2001 hinsichtlich der Büroräume einer Fa. M. B. GmbH, insbesondere der dort vorhandenen Räumlichkeiten, die von Fr. M. F ... L.-S. Fr. genutzt werden (Bl. 781ff. der beigezogenen Akten), sowie der Wohräume der Eheleute J. L. und M. F. L.-S.F.(Bl. 785ff. der beigezogenen Akten). Dabei sollten Unterlagen über Zeitraum, Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit des Beschuldigten für J. L. sowie über die an ihn in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen ermittelt werden. Die Durchsuchungen erfolgten am 22.11.2001. Mit Beschluss vom 29.11.2001 (Bl. 799 der beigezogenen Akten) bestätigte das Amtsgericht B. die Beschlagnahme der dabei mitgenommenen Unterlagen.

Das Landgericht B. hob auf entsprechende Beschwerden des Klägers durch Beschluss vom 22.04.2002 die der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Klägers und der Beschlagnahme der dort aufgefundenen Gegenstände zugrunde liegenden Beschlüsse des Amtsgerichts vom 11.07.2001 und vom 24.07.2001 sowie vom 09.08.2001 auf. (U.a.) die gegen die Beschlüsse vom 16.11.2001 und 29.11.2001 gerichteten Rechtsbehelfe blieben dagegen erfolglos. Der Beschluss vom 11.07.2001 und der insoweit gleich lautenden weitere Beschluss vom 24.07.2001 über die Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme genügten nicht mehr dem verfassungsrechtlich geforderten Gebot der Messbarkeit und Kontrollierbarkeit von Durchsuchungsmaßnahmen. Die Beschlüsse seien daher aufzuheben und damit inzidenter die Rückgabe der vorläufig sichergestellten Gegenstände anzuordnen. Gemäß § 309 Abs. 2 StPO sei im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch die gebotene Sachentscheidung zu treffen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage sei der Stand des Ermittlungsverfahrens zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Vorliegend sei über die Frage zu entscheiden gewesen, ob die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung zu einem Verbot der Verwertung mitgenommener Gegenstände in Form der (weiteren) Durchsicht als des noch ausstehenden Teils der Durchsuchung und einer Beschlagnahme von Beweismitteln führe. Diese Frage sei ihr ausnahmsweise zu bejahen gewesen. Auch die Beschwerde vom 15.08.2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts B. vom 09.08.2001 sei begründet. Die Zufallsfunde seien herauszugeben. Die Anordnung der Beschlagnahme der Zufallsfunde stehe ebenfalls das Verwertungsverbot entgegen, dass aus dem Umstand resultiere, dass schon die zu Grunde liegende Durchsuchungsanordnung schwerwiegend fehlerhaft gewesen sei. Soweit die Staatsanwaltschaft anlässlich der rechtswidrigen Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten in B. H. Hinweise (Kontoauszüge pp) dafür gefunden habe, dass der Beschuldigte einen Betrug zum Nachteil des Arbeitsamtes F. begangen haben könnte, könnten auch Tatsachen den Anfangsverdacht begründen, deren Ermittlung unmittelbar auf einem Verfahrensfehler beruhe oder hinsichtlich derer ein Verwertungsverbot bestehe. Das Verwertungsverbot hindere nicht, aus der Verwertung gewordene Zufallserkenntnisse zur Grundlage von Ermittlungen zu machen (Hinweis auf BGHSt 27, 355/357; 29, 244/249). Grundsätzlich bestehe keine Fernwirkung. Schon die Frage, ob überhaupt ein Verwertungsverbot bestehe, sei oft nur anhand des Einzelfalls richtig zu beantworten, so gelte dies noch mehr für den Umfang und die Auswirkung eines solchen. Bei der Abgrenzung sei insoweit auch zu beachten, dass ein Beweismittelverwertungsverbot einen der wesentlichen Grundsätze im Strafverfahren einschränke, nämlich den, dass das Gericht die Wahrheit erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel, die von Bedeutung seien, zu erstrecken habe. Diesem Verbot gegenüber bildet das Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die im Einzelfall hingenommen werden müsse. Im vorliegenden Fall stelle die rechtswidrige Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschuldigten in B. H., A. K. 59, einen tiefgreifenden Eingriffe in die durch Artikel 13 Grundgesetz geschützte Privatsphäre des Beschuldigten dar, so dass die bei dieser Durchsuchung gewonnenen Erkenntnisse Nichtgrundlage für die Anordnung der Beschlagnahme vom 29.11.2001 [gemeint ist offenbar die Anordnung der Beschlagnahme vom 09.08.2001, da es sich um Ausführungen zur Begründetheit der gegen diese gerichteten Beschwerde handelt, während die Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung vom 29.11.2001 anschließend als unzulässig verworfen wird] sein könnten. Die Beschwerde vom 22.11.2001 [gegen die Durchsuchungsanordnung und Beschlagnahmeanordnungen vom 16.11.2001] sei dagegen nicht zulässig. Dem Beschuldigten fehle die Beschwer, weil nicht die Wohnung des Beschuldigten, sondern die der Eheleute L. durchsucht und dort aufgefundenen Beweismittel beschlagnahmt werden sollten (§ 103 StPO). Auch die Beschwerde vom 03.12.2001 [gegen den Beschluss vom 29.11.2001] sei nicht zulässig. Der Beschuldigte sei auch insoweit mangels Verletzung eigener Rechte nicht beschwert. Er sei durch die Anordnung der Beschlagnahme eines eigenen - übersandten - Schreibens an J. L. und eines Kontoauszuges von einem fremden Konto, den er auch nicht in Gewahrsam gehabt habe, weder in Besitz, Eigentum noch in sonstigen eigenen Rechten unmittelbar betroffen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts B. vom 22.04.2002 (Gerichtsakte Blatt 59ff.) verwiesen.

Bereits am 13.03.2002 teilte die Staatsanwaltschaft B. auf Grund von bei der Durchsuchung beschlagnahmten Unterlagen – die sie teilweise auch in Kopie beifügte – der Beklagten mit, der Kläger sei seit mindestens 01.04.2000 bis Mai 2001 in erheblichem Umfang selbständig tätig gewesen.

Die Beklagte hörte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 26.03.2002 zu der hier streitigen Entscheidung an. Er sei seit dem 01.04.2000 mindestens 15 Stunden wöchentlich selbständig tätig gewesen.

Der Kläger äußerte sich dazu mit einem Schreiben vom 10.04.2002. Dabei rügte er, dass ihm im Anhörungsschreiben kein konkreter nachvollziehbarer Sachverhalt eröffnet worden sei, zu dem er dann auch konkret hätte Stellung nehmen können. Er sei jedoch seit dem 01.04.2002 nicht wöchentlich mindestens 15 Stunden selbständig tätig gewesen, er habe der Beklagten auch in der gesamten Zeit als Arbeitssuchender zur Verfügung gestanden und stehe dies auch in Zukunft. Er wisse, dass die Beklagte ihre nicht beweisbaren Behauptungen aus rechtswidrig im Wege einer rechtswidrig erfolgten Durchsuchung seiner Räume in B. H. durch Beamte der Staatsanwaltschaft B. angeblich vorgefundenen Indizien ableite, die aber bedauerlicherweise für die Behauptungen der Beklagten, die einen Rückforderungsanspruch auslösen sollten, noch nicht einmal im Ansatz tauglich seien. Er forderte die Beklagte daher auf, bis spätestens 20.04.2002 sehr genau, konkret und detailliert pro Woche mitzuteilen, wie und auf welche Weise er ab der 13. Kalenderwoche 2000 bis zur 22. Kalenderwoche 2001 durchschnittlich mindestens 15 Stunden selbständig tätig gewesen sein solle.

Im Übrigen wird auf das Schreiben vom 10.04.2002, Blatt 193 der Leistungsakte, Bezug genommen.

Die Beklagte erließ danach am 25.06.2002 den angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 01.04.2000 ganz zurücknahm. Für die von der Rücknahme betroffene Zeit vom 01.04.2000 bis 31.05.2001 habe der Kläger 18.619,80 EUR ohne Rechtsanspruch erhalten. Dieser Betrag sei von ihm zu erstatten. Nach § 35 Abs. 1 SGB III habe der Kläger zudem die von der Beklagten für den oben angegebenen Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.912,24 EUR zu ersetzen. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der Kläger sei selbstständig tätig gewesen. Er sei daher nicht arbeitslos gewesen und habe somit keinen Leistungsanspruch gehabt. Er habe die unzutreffende Leistungsbewilligung durch Unterlassung von Angaben herbeigeführt.

Seinen Widerspruch vom 24.07.2002 (Leistungsakte Bl. 209f.) begründete der Kläger insbesondere damit, die unbewiesene Behauptung, dass er in der Zeit vom 01.04.2000 bis zum 31.05.2001 so selbstständig tätig gewesen sein solle, dass er nach §§ 118, 119 SGB III keinen Leistungsanspruch aus dem Versicherungsvertragsverhältnis nach dem SGB haben solle, sei sachlich falsch. Die Beklagte sei noch nicht einmal in der Lage, ihre Behauptung seiner angeblichen freiberuflichen Tätigkeit für den gesamten Zeitraum 01.04.2000 bis 31.05.2001 arbeitstäglich zu substantiieren. Deswegen habe sie auch keine Erstattungsforderung in Höhe von 24.532,04 EUR. Schon an dieser Stelle weise er darauf hin, dass die Betrachtungsweise der Beklagten verfassungswidrig sei und die Vorschriften, die als Grundlage des Rücknahme- und Erstattungsbescheides dienen sollte, verfassungswidrig seien. Die Beklagte übersehe, dass er aus dem Versicherungsvertragsverhältnis nach SGB einen absoluten Rechtsanspruch auf Leistungen habe, nachdem er aus seinem Vermögen vertragsrechtliche Vorleistungen erbracht habe. Die Beklagte übersehe bei ihrer Entscheidung, dass er keinerlei Gewerbetätigkeiten oder andere freiberufliche Tätigkeiten in der Zeit vom 01.04.2000 bis zum 31.05.2001 ausgeübt habe, welche es ihm unmöglich gemacht hätten, eine volle tarifliche unselbstständige Tätigkeit eines Angestelltenverhältnisses auszuüben. Soweit er in dieser Zeit jeweils einmal wöchentlich circa drei bis vier Stunden abends im Großraum M. mit der Person J. L. gesprochen habe, liege keine freiberufliche Tätigkeit in dem Sinn vor, dass seine versicherungsrechtlichen Leistungsansprüche nach SGB berührt sein könnten. Bekanntlich habe die 9. Große Strafkammer des Landgerichts B. durch Beschluss vom 22.04.2002 verfügt, dass hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft B. am 25.07.2001 bei ihm illegal beschlagnahmten Unterlagen ein allgemeines Verwertungsverbot bestehe. Diese Unterlagen dürften daher von der Beklagten nicht als Grundlage ihrer Entscheidung verwendet werden. Im Übrigen seien die dort angegebenen Stunden und Stundensätze rein fiktiv festgesetzt: Er habe lediglich einmal wöchentlich drei bis vier Stunden mit Herrn J. L. im M.land gesprochen. Soweit er vom 06.11.2000 bis 12.03.2001 Generalbevollmächtigter des erkrankten M. G. gewesen sei, liege ebenfalls keine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit vor. Eben dasselbe gelte für seine Generalsbevollmächtigung für Herrn V.S.B. vom 01.06.2000 bis 30.05.2001.

Auf Anfrage der Beklagten übersandte die Staatsanwaltschaft B. anschließend mit Schreiben vom 27.09.2002 den Beschluss des LG B. vom 10.04.2002. Die Staatsanwaltschaft teile die Rechtsauffassung des Landgerichts nicht und beabsichtige weiterhin die öffentliche Klage zu erheben. Zudem sei folgendes zu beachten: Der überwiegende Teil der sichergestellten Rechnungen, die der Beklagten bereits mit Schreiben vom 13.03.2002 übersandt worden seien, stammten nicht aus sichergestellten Unterlagen anlässlich einer Durchsuchung bei dem Beschuldigten B ... Vielmehr seien diese anlässlich einer Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma M. B. GmbH durch einen Verantwortlichen freiwillig herausgegeben worden. Die Beklagte erhalte daher in der Anlage des Schreibens eine erneute Aufstellung nebst Ablichtungen der sichergestellten Rechnungsunterlagen des Klägers über seine Firma E. e.K., B. H., an M. L., D., während des Leistungsbezuges, die ausschließlich aus der vorgenannten Durchsuchung der Geschäftsräume der Firma M. B. GmbH in N.-A. stammten. Auf das Schreiben nebst Anlagen wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen (Blatt 218ff. der Leistungsakte).

Mit Schreiben vom 11.12.2002 führte die Beklagte dem Kläger gegenüber danach aus, es sei zutreffend, dass mit dem Beschluss des Landgerichts B. vom 10.04.2002 ein Verwertungsverbot festgestellt worden sei. Allerdings werde darin auch festgestellt, dass das Verwertungsverbot nicht daran hindere, aus der Verwertung gewonnene Zufallserkenntnisse zur Grundlage von weiteren Ermittlungen zu machen. Nach den vorliegenden Honorarrechnungen sei er selbstständig/freiberuflich tätig gewesen. In seinem Widerspruch habe er jedoch mitgeteilt, er sei in erheblich geringerem Umfang tätig gewesen. Daher werde er gebeten, nochmals zum zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit und z den daraus erzielten Entgelten Stellung zunehmen.

Der Kläger meldete sich daraufhin mit Schreiben vom 14.03.2003. Darin führte er unter anderem aus, es stehe fest, dass er ab Ende April 2000 im gesamten Jahr 2000 und im gesamten Jahr 2001, soweit er nicht erkrankt oder verreist gewesen sei, wöchentlich jeweils einmal nach N. gefahren sei. Dort habe ihn Herr L. am Bahnhof abgeholt. Anschließend hätten sie jeweils nur circa zwei Stunden miteinander über verschiedene Rechtsangelegenheiten diskutiert. Nur für diese mündlichen Gespräche mit Herrn L. habe er Honorare erhalten. Da die Gespräche stets nach 19:00 Uhr stattgefunden hätten - also außerhalb aller nach Tarif- und Arbeitsrecht üblichen Arbeitszeiten gelegen hätten -, sei die Betrachtungsweise im angefochtenen Bescheid außerhalb jeglicher rechtlicher Relevanz. Die unzulässig von der Staatsanwaltschaft B. aus seiner rechtswidrig beschlagnahmten EDV-Anlage [ausgedruckten] Rechnungsformulare, die der Beklagten vorlägen, handele es sich um reine Entwürfe, in denen rein fiktiv Zeiten und Leistungen dargestellt worden seien, die aber niemals als zu bezahlende Rechnungen so an Hr. L. abgesandt worden seien. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 288f der Leistungsakte Bezug genommen.

Unterdessen erhob die Staatsanwaltschaft B. u.a. wegen Betruges zum Nachteil der Beklagten durch Anklageschrift vom 22.10.2003 Klage zum Amtsgericht – Schöffengericht – B ... Auf Bl. 1538ff. der beigezogenen Akten wird Bezug genommen.

Die Beklagte wies danach mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2004 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, der Kläger habe für seine selbstständige Tätigkeit im streitigen Zeitraum mindestens 15 Stunden wöchentlich aufgewendet. Die entsprechenden Abrechnungen lägen in der Leistungsakte vor. Der Widerspruchsführer habe zumindest ab 01.04.2000 für J. L. diverse selbstständige Beratungsleistungen (Gesamtvolumen in der Zeit vom 01.04.2000 bis 31.05.2001: Honorar von rund 90.675 DM netto für 1173 Stunden) erbracht. Unter der dem Kläger gehörenden Einzelfirma E. e.K. habe der Kläger die genannten Beratungsleistungen gegenüber der Ehefrau des J. L., Frau M. L., abgerechnet.

Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 07.08.2004, eingegangen bei Gericht am 09.08.2004, Klage erhoben. Das zunächst unter dem Aktenzeichen S 33 AL 2598/04 geführte Verfahren wurde durch Beschluss der Kammer vom 01.08.2005 bis zur Erledigung des Strafverfahrens ausgesetzt und anschließend unter dem jetzigen Aktenzeichen S 33 AL 394/06 WA fortgeführt.

Das Amtsgericht B. hat – nachdem der Kläger in der S. verhaftet und nach der Auslieferung nach D. in Untersuchungshaft genommen worden war – durch Beschluss vom 02.01.2006 (Bl. 1613 der beigezogenen Akten) das Hauptverfahren eröffnet.

Im Rahmen der Hauptverhandlung am 03.02.2006 erklärte der Verteidiger, der Anklagevorwurf zu Ziffer 1. der Anklage – also der Betrug zum Nachteil der Beklagten – werde eingeräumt. Das erweiterte Schöffengericht verurteilte den Kläger daraufhin mit Urteil vom gleichen Tage u.a. wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Durch Beschluss vom gleichen Tage wurde die Bewährungszeit auf vier Jahre festgesetzt und u.a. zur Bewährungsauflage gemacht, den dem Arbeitsamt F., Geschäftsstelle B. H., entstandenen Schaden zu ersetzen, wobei nachgelassen bleibe, den Schaden in monatlichen Raten zu je mindestens 500,- Euro zu tilgen, beginnend mit dem auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monat. Der Verteidiger des Klägers und der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärten Rechtsmittelverzicht. Der Haftbefehl wurde aufgehoben. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 1655 – wegen des Hauptverhandlungsprotokolls – und Bl. 1681ff. der beigezogenen Akten – wegen des Urteils – verwiesen.

Der Kläger hat anschließend versucht, seine in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen zu widerrufen – so im Schreiben vom 25.03.2005, Bl. 1698 der beigezogenen Akten –, und wiederholt angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen – so im bereits erwähnten Schreiben vom 25.03.2005, aber auch im Schriftsatz vom 12.07.2006 zum hiesigen Verfahren – bzw. die Wiederaufnahme des Strafverfahrens betreiben zu wollen. Das ist bisher, soweit ersichtlich, nicht geschehen.

Zur Begründung der hiesigen Klage wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Anhörungs- und Widerspruchsverfahren. Er bestreite vehement, in der Zeit vom 01.04.2000 bis zum 31.05.2001 persönlich eine selbständige Tätigkeit im Sine von § 118 Abs. 3 SGB III ausgeübt zu haben. Er habe nur mit Hr. J. L. einmal in der Woche außerhalb jeglicher tariflicher Arbeitszeit in verschiedenen Restaurants im M.land – dabei sei er jeweils mit der Bahn angereist – gesellschaftspolitische, umweltpolitische und rechtspolitische Gespräche geführt. Es handele sich also um Entgelte für Nichtarbeit, wie er in dem Schriftsatz vom 23.08.2006 formuliert hat. Daher habe er im Übrigen jedenfalls nicht bösgläubig falsche Angaben gemacht. Soweit er von der Familie L. im streitigen Zeitraum Gelder erhalten habe, habe es sich – so heißt es etwa im Schriftsatz vom 23.08.2006, wobei er diese Begründung in der mündlichen Verhandlung auf die im Jahre 2000 geleisteten Zahlungen bezogen hat – um Leistungen aus einem außergerichtlichen Vergleich aus einem Verfahren zwischen ihm und Hr. J. L. vor dem Arbeitsgericht B. im Jahre 1999 gehandelt. Mit dem außergerichtlichen Vergleich mit einem Ausgangsvolumen von mehr als 100.000 DM – dabei habe es sich um eine Prämie gehandelt, die Hr. L. für die Erstellung eines Entlohnungssystems zugesagt habe – seien Leistungen des Klägers aus dem Zeitraum 1997/1998 erledigt worden. Z.B. im Schriftsatz vom 21.09.2008 hat er vorgetragen, es handele sich – wobei er dies in der mündlichen Verhandlung auf die Zahlungen im Jahre 2001 spezifiziert hat – um reine Aufwandsentschädigungen für den Aufwand, den er dadurch gehabt habe, dass er als Zessionar für Frau M. L. Schadensersatzansprüche in der Schweiz verfolgt habe. Die Verfolgung eigener Ansprüche eines Arbeitslosen vor Gerichten im In- oder Ausland habe keinerlei Auswirkungen auf Ansprüche auf Arbeitslosengeld.

Auch habe die Beklagte nicht hinreichend zwischen der Fa. E. e.K. als im Handelsregister eingetragenem Kaufmann und seiner Person unterschieden. Die Tätigkeiten einer Firma könnten nicht ihm als Versicherungsberechtigtem gegenüber der Beklagten zugerechnet werden.

Er vertritt im Übrigen insbesondere die Auffassung, die Durchsuchungen im Jahre 2001 und die Beschlagnahme der dabei der aufgefundenen Gegenstände seien – wie bereits das LG B. im Beschluss vom 22.04.2002 festgestellt habe – rechtswidrig. Daraus folge ein absolutes Verwertungsverbot nicht nur der bei ihm aufgefundenen Unterlagen, sondern auch der nachfolgend auf dieser Grundlage gewonnenen Erkenntnisse. Das gesamte Verfahren habe deswegen von der Beklagten nicht durchgeführt werden dürfen, und zwar schon weil die Staatsanwaltschaft die Beklagte während des noch laufenden Beschwerdeverfahrens über ihre Zufallsfunde informiert habe.

Die Bewährungsstrafe – die im Übrigen auf einem Deal beruhe – habe er in Kauf nehmen müssen, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht länger in Untersuchungshaft habe verbleiben können. Das strafrechtliche Verfahren leide – neben dem Verstoß gegen das Verwertungsverbot – an weiteren schwerwiegenden Mängeln, so sei insbesondere seine Ausgangspost aus der Untersuchungshaft unterdrückt worden, so dass er das Verfahren nicht ordnungsgemäß habe vorbereiten können. Im Übrigen sei das strafrechtliche Verfahren in keiner Weise vorgreiflich für das hiesige Verfahren.

Weiter verstoße § 118 SGB III gegen das Rechtsstaatsgebot, insbesondere da die Begriffe der Arbeitslosigkeit und Beschäftigungslosigkeit nicht hinreichend bestimmt beschrieben seien.

Er hat sich zudem auf einen Entreicherungseinwand entsprechend § 818 Abs. 3 BGB berufen.

Er hat schließlich vorsorglich gegenüber der Erstattungsforderung die Aufrechnung mit sämtlichen von ihm getätigten Einzahlungen an die Beklagte erklärt. Er habe seit 1964 erhebliche Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Es handele sich um Beiträge, die allein ihm gemäß Artikel 14 GG (Grundgesetz) zuständen. Diese Beiträge seien jederzeit aufrechenbar gegen rechtlich berechtigte oder auch rechtswidrige Zahlungsansprüche der Beklagten. Dies gelte umso mehr, als die gesamten Vorschriften des SGB gegen Artikel 14 GG verstießen.

Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 25.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2004 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt ihre Verwaltungsentscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Leistungsakten der Beklagten sowie der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft B. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 25.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2004 ist rechtmäßig. Die Beklagte war berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend ab der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (spätestens) am 01.04.2000 bis zum Ende des Leistungsbezugs am 31.05.2001 aufzuheben und die Erstattung der bereits gezahlten Leistungen sowie der von ihr getragenen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu verlangen.

I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zulässig, insbesondere form- und fristgerecht sowie nach Durchführung des notwendigen Vorverfahrens beim zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 4, 78 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 90 SGG).

Insbesondere hat die Kammer keine durchgreifenden Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Zwar ist unklar, ob der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung tatsächlich unter der angegebenen B. H. Adresse wohnte. So hat der Stadtladen B. H. am 26.01.2005 mitgeteilt, der Kläger sei am 01.04.2003 in die S. verzogen (ebenso im Übrigen bereits im Strafverfahren in einer Mitteilung vom 14.10.2003, Bl. 1590 der beigezogenen Akten). Angesichts des Umstandes, dass zumindest viel dafür spricht, dass diese Abmeldung dazu diente, sich der von Staatsanwaltschaft B. betriebenen Festnahme zu entziehen, an die B. H. Adresse gerichtete Post nicht als unzustellbar zurücklief – allerdings hat der Kläger in seinem unter der B. H. Adresse erstellten Schreiben vom 19.01.2005 beanstandet, keine Post erhalten zu haben –, muss bereits zweifelhaft sein, ob tatsächlich von einer Aufgabe des Wohnsitzes in B. H. vor Klageerhebung im Jahre 2004 ausgegangen werden kann. Im Ergebnis kann dies aber offen bleiben. Sollte der Kläger tatsächlich bereits in die S. verzogen gewesen sein, hätte bei Klageerhebung über § 372 SGB III i.V.m. 56 Abs. 3 SGG ein Wahlgerichtsstand beim hiesigen Sozialgericht bestanden. Die Klageerhebung beim hiesigen Sozialgericht wäre dann trotz des ungewöhnlichen Hintergrundes als Ausübung dieses Wahlrechts zu werten.

Sonstige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit bestehen nicht.

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der angegriffene Bescheid ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Der Bescheid ist zunächst nicht aus formellen Gründen rechtswidrig.

a) Aus der dem strafprozessrecht widersprechenden Durchsuchung in den Räumen des Klägers und der Beschlagnahme ergibt sich kein Verfahrenshindernis hinsichtlich der Durchführung des hier zu beurteilenden Aufhebungs- und Erstattungsverfahrens.

Eine gesetzliche Grundlage, die ausdrücklich oder aus dem Normzusammenhang ein Verfahrenshindernis für den hiesigen Fall erkennen lassen würde, ist nicht ersichtlich.

Die Annahme eines Verfahrenshindernisses ist aber auch sonst nicht, namentlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen geboten. Ein Verfahrenshindernis wird auch im Strafprozessrecht – in dessen Zusammenhang die Annahme eines Verfahrenshindernisses vergleichsweise häufig diskutiert wird, für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren sind entsprechende Entscheidungen nicht ersichtlich – nur bei schwersten Verfahrensmängeln angenommen (abgelehnt etwa für Einsatz eines so genannten Lockspitzels, der den Beschuldigten mit List zur Tatbegehung oder Einreise in den Gerichtsstaat veranlasst hat, in: BVerfG, Kammerbeschl. v. 19.10.1994, Az.: 2 BvR 435/87; auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 30.06.2008, Az.: 22978/05 die Durchführung [sogar] eines Strafverfahrens nach einem Verstoß gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung nach Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – es ging um die Androhung von Misshandlungen durch Polizeibeamte – nicht für ausgeschlossen gehalten).

So führen namentlich Grundrechtsverletzungen, zu denen es außerhalb der Hauptverhandlung kommt, nicht zwingend dazu, dass auch das auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung beruhende Strafurteil gegen Verfassungsrecht verstößt (vgl. BVerfG, Beschl. vom 01.03.2000, Az.: 2 BvR 2017/94 und BVerfG, Beschl. v. 14.12.2004, Az.: 2 BvR 1249/04 – wobei es sich im letztgenannten Verfahren um den gleichen Sachverhalt handelte, der auch der Entscheidung des EGMR zugrunde lag).

Dementsprechend – bzw. umso mehr, weil es sich hier nicht um den im besonderen Maße an verfahrensrechtliche Grenzen zu bindenden Strafanspruch des Staates, sondern um den Ausgleich potentiell zu Unrecht erhaltener Sozialleistungen handelt – wird in aller Regel ein außerhalb des eigentlichen Verwaltungsverfahrens liegender Verfahrensverstoß dieses nicht in einer Weise belasten können, dass dieses gar nicht mehr durchgeführt werden könnte. Eine rechtswidrige Durchsuchung und Beschlagnahme in einem vorgelagerten bzw. parallelen Strafverfahren reicht dazu nach Überzeugung der Kammer jedenfalls nicht aus, selbst wenn die Verwaltungsbehörde nur durch dieses Strafverfahren und während des noch laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem Landgericht B. gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen Kenntnis von den relevanten Tatsachen erhalten hat.

Hier kommt hinzu, dass der Kläger entsprechende Rügen in der strafrechtlichen Hauptverhandlung nicht mehr erhoben, sondern durch Rechtsmittelverzicht das Urteil des AG B. vom 03.02.2006 hat rechtskräftig werden lassen (zu diesem Gesichtspunkt im Verhältnis eines Strafverfahrens zum nachgelagerten Disziplinarverfahren BayVGH, Urtl. vom 01.06.2005, Az.: 16a D 04.3502). Die verschiedentlich angekündigte Verfassungsbeschwerde bzw. der Versuch, eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens erreichen zu wollen, schließen derartige Überlegungen schon deswegen nicht aus, weil zwischenzeitlich die Fristen für eine Verfassungsbeschwerde bzw. ein Restitutionsverfahren längst abgelaufen sind.

Darüber hinaus ist ein Verfahrenshindernis vor vornherein dann nicht anzuerkennen, wenn der Grundrechtsverstoß durch ein Verwertungsverbot ausgeglichen werden kann. Das ist hier der Fall. Die Grundrechtsverletzung, von der das LG B. im Beschluss vom 22.04.2002 ausgegangen ist, hat zur Sicherstellung von Beweismitteln geführt, die ohne den Grundrechtsverstoß nicht aufgefunden worden wären. Der Grundrechtsverstoß kann daher durch ein Verwertungsverbot hinsichtlich der dabei aufgefunden Unterlagen ausgeglichen werden. Insofern wird noch zu diskutieren sein, ob und ggf. in welchem Umfang dies über das Verwertungsverbot hinsichtlich der unmittelbar bei der rechtswidrigen Durchsuchung aufgefundenen Beweismittel hinaus verlangt, dass auch die nachfolgend auf Grund der durch diese Funde veranlassten weiteren Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen.

Die Annahme eines Verfahrenshindernisses jedenfalls lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht begründen.

b) Auch ein fortbestehender Anhörungsmangel (§ 24 SGB X) ist nicht ersichtlich. Mag auch hinsichtlich des ursprünglichen Anhörungsschreibens vom 26.03.2002 der Vorwurf des Klägers, dieses lasse die entscheidungserheblichen Tatsachen nicht konkret genug erkennen, berechtigt sein, so ist die erforderliche Anhörung jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgeholt und ein möglicher Fehler damit geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Jedenfalls durch den Ausgangsbescheid und das weitere Schreiben vom 11.12.2002 war für den Kläger hinreichend klar erkennbar, dass die Beklagte auf der Grundlage der von der Staatsanwaltschaft B. übermittelten Honorarrechnungen davon ausging, er sei im streitigen Zeitraum über 15 Stunden pro Woche selbständig tätig gewesen. Dies war nach Auffassung der Kammer ausreichend, um dem Kläger die sachgerechte Möglichkeit zur Äußerung zu geben – was er denn ja auch getan hat.

c) Sonstige Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides sind nicht ersichtlich.

2. Er entspricht darüber hinaus auch materiellem Recht. Die Beklagte war auf der Grundlage von §§ 330 Abs. 2 SGB III, 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X verpflichtet, die Leistungsbewilligung ab 01.04.2000 aufzuheben.

Nach diesen Vorschriften ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt wie die Bewilligung von Arbeitslosengeld zwingend auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

a) Der (Wieder )Bewilligungsbescheid vom 20.10.2000 (nur hinsichtlich der Höhe später noch geändert durch die Bescheide vom 11.01.2001 und 25.04.2001) war von Anfang an rechtswidrig, da jedenfalls ab 01.04.2000 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der selbständigen Tätigkeit nicht (mehr) vorlagen.

Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld setzte nach § 117 Abs. 1 SGB III in der im streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung voraus, dass der Betroffene 1. arbeitslos war, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet 3. und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

Arbeitslos war dabei nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III – einigermaßen konkrete Anhaltspunkte, warum die Vorschrift entgegen der allgemeinen Meinung verfassungswidrig sein könnte, hat der Kläger nicht dargetan, insbesondere vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass die Vorschrift nicht hinreichend bestimmt wäre – nur, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand. § 118 Abs. 3 S. 1 SGB III stellte diesbezüglich selbständige Tätigkeiten den Beschäftigungsverhältnissen gleich. Die Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit führte dabei nach § 118 Abs. 2 S. 1 SGB III nur dann nicht zum Wegfall der Arbeitslosigkeit, wenn sie weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasste. Mehrere Beschäftigungen oder Tätigkeiten wurden zusammengerechnet, § 118 Abs. 2 S. 2 SGB III.

b) Diese Grenze hat der Kläger durch seine selbständige(n) Tätigkeit(en) überschritten. Davon ist die Kammer auch unter Außerachtlassung der Beweismittel, hinsichtlich derer sie von einem Verwertungsverbot ausgeht, überzeugt.

Die Kammer ist der Auffassung, dass nicht regelmäßig eine Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots besteht, also andere Beweismittel, deren Vorhandensein erst bei der unverwertbaren Beweiserhebung bekannt geworden ist, nicht grundsätzlich unverwertbar sind. So hat auch das Bundessozialgericht (Urtl. v. 05.02.2008, Az.: B 2 U 8/07 R unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Urtl. v. 01.03.2006, Az.: XII ZR 210/04) formuliert, ebenso wenig wie ein in rechtswidriger Weise entstandenes oder erlangtes Beweismittel automatisch ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht, wirke sich das für ein solches Beweismittel geltende Verwertungsverbot automatisch auf alle späteren Beweismittel aus.

Maßstab für die Reichweite oder "Fernwirkung" eines Beweisverwertungsverbotes müsse, so das Bundessozialgericht weiter, vielmehr sein, ob durch das weitere Beweismittel das Beweisverwertungsverbot hinsichtlich des ersten Beweismittels umgangen würde, ob das zweite Beweismittel auch ohne das erste - unzulässige und verbotene - Bestand hätte oder inwieweit das zweite Beweismittel auf dem ersten aufbaut (wobei es bei der Entscheidung um die Auswirkungen eines unverwertbaren Gutachtens ging, auf dem die nachfolgenden inhaltlich aufbauten).

Nach Auffassung der Kammer "infiziert" daher ein unzulängliches Beweismittel zumindest nicht regelmäßig im Sinne der so genannten ‚fruit of the poisonous tree-doctrine’ alle nachfolgend gewonnenen Erkenntnisse, nur weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese andernfalls nicht erlangt worden wären. So ist nach Auffassung der Kammer beispielsweise ein Geständnis nicht deswegen unverwertbar, weil möglicherweise der Geständige ohne die Erhebung des unverwertbaren Beweismittels nie in eine Situation geraten wäre, die ihn zu einem Geständnis hätte veranlassen können.

Im Übrigen folgt aus dem Gebot, bei der Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG), dass mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung ein Verwertungsverbot nur in Betracht kommt, wenn die Berücksichtigung eines Beweismittels ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht eines Beteiligten verletzt, ohne dass dies zur Gewährleistung eines im Rahmen der Güterabwägung als höherwertig einzuschätzenden Interesses der anderen Partei oder eines anderen Rechtsträgers nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt erscheint (vgl. BGH, Urtl. v. 01.03.2006, Az.: XII ZR 210/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.09.2006, Az.: 2 BvR 2115/01 u.a., außerdem: Pfeiffer/Hannich, KK-StPO, Einl. Rn. 120ff.). Bei der Interessenabwägung ist im hiesigen Verfahren wiederum zu berücksichtigen, dass dem Kläger hier nicht der seine Strafgewalt in Anspruch nehmende Staat gegenüber steht, sondern ein – wenn auch öffentlich-rechtlich organisierter – Versicherungsträger, der die Rückzahlung von potentiell betrügerisch erlangten Leistungen geltend macht. Schon dies ändert die Struktur der zu beachtenden Interessen im Vergleich zum Strafverfahren deutlich; hinzu kommt, dass der Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit, der zu berücksichtigen ist, wenn die Staatsanwaltschaft als – untechnisch gesprochen – "Gegenüber" des Beschuldigten sich ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel zunutze macht, hier ebenso wenig verfängt wie das für die Entwicklung der fruit of the poisonous tree-Doktrin in den USA maßgebliche Ziel, die Ermittlungsbehörden zu disziplinieren (vgl. dazu Herrmann, JZ 1985, 608f.).

Im Ergebnis liegen ausreichend verwertbare Erkenntnismittel vor, die es der Kammer erlauben, zu der Überzeugung zu gelangen, dass der Kläger im streitigen Zeitraum mehr als 15 Stunden pro Woche selbständig tätig war.

So hat der Kläger über seinen Anwalt im Rahmen des Strafverfahrens den Betrugsvorwurf zu Lasten der Beklagten eingeräumt. Auch wenn dies im Rahmen eines so genannten Deals geschehen sein mag – wofür neben den entsprechenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung der Umstand spricht, dass die entsprechende Erklärung offenbar unmittelbar nach einer längeren Unterbrechung der Hauptverhandlung abgegeben wurde – und auch wenn es entsprechend dem Vortrag des Klägers zu Unregelmäßigkeiten bei der Postweiterleitung aus der Untersuchungshaft, also im Vorfeld der Hauptverhandlung im Strafverfahren, gekommen sein sollte, ist diesem Geständnis eine Indizwirkung nicht abzusprechen.

Auch sind nach Auffassung der Kammer die bei der Fa. M. bzw. dem Ehepaar L. aufgefundenen Unterlagen und damit auch die dort sichergestellten Rechnungen im hiesigen Verfahren verwertbar. Eine mögliche Verletzung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung konnte der Kläger von vornherein nicht rügen, da es sich nicht um seine Wohnung handelte, er also insofern nicht in eigenen Rechten verletzt werden konnten. Aus diesem Grunde hat das Landgericht B. in der bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 22.04.2002 den diesbezüglichen Beschwerden des Klägers nicht stattgegeben. Zudem sind die Unterlagen anlässlich der Durchsuchungen freiwillig herausgegeben worden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch das Urtl. des BFH v. 04.10.2006, Az.: VIII R 54/04). Selbst wenn es sich dabei um Unterlagen handelt, deren Doppel beim Kläger selbst aufgefunden worden, nach dem Beschluss des Landgerichts vom 22.04.2002 aber unverwertbar waren, wirkt sich dies nach Auffassung der Kammer nicht auf die Verwertbarkeit der bei der Fa. M. bzw. dem Ehepaar L. gefundenen Unterlagen im hiesigen Verfahren aus. Grund für die Unverwertbarkeit der beim Kläger aufgefundenen Unterlagen war ja nicht etwa, dass diese zur Beweisführung ungeeignet wären, seine Intimsphäre beträfen oder sonstige Umstände, die den Unterlagen selbst anhafteten, sondern die Rechtswidrigkeit der Durchsuchung, also der Art ihres Auffindens. Wenn nun Unterlagen identischen Inhalts ohne Rechtsverstoß, jedenfalls ohne vom Beschuldigten rügbaren Rechtsverstoß, von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellt werden, so vermag die Kammer nicht zu erkennen, warum der Beschuldigte sich darauf berufen können sollte, diese seien nicht verwertbar. Umso weniger sieht die Kammer auch einen Grund, warum diese Unterlagen für die Beklagte bzw. das erkennende Gericht unverwertbar sein könnten: Insbesondere hängt das Verständnis der Unterlagen nicht von den beim Kläger aufgefunden haben, baut insofern auch inhaltlich nicht auf diesen auf, entspricht diesen vielmehr. Weiter handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um eine Umgehung des hinsichtlich der beim Kläger aufgefundenen Unterlagen anzunehmenden Verwertungsverbots, da nicht diese bzw. deren Inhalt auf Umwegen doch in das Verfahren eingebracht werden, sondern die Staatsanwaltschaft eben, wenn man so will, das Glück hatte, die fraglichen Unterlagen nochmals "unbemakelt" aufzufinden.

Nach diesen Unterlagen hat die Fa E. e.K. Rechnungen für "durchgeführte Auftragsprojekte" in folgendem Umfang gestellt:

Zeitraum abgerechnete Stundenzahl Bruttoentgelt (in DM) Rechnung vom Bl. der LA
03.08.-21.08.2000 136 11.832,- 21.08.2000 222
28.08.-30.09.2000 110 9.570,- 05.10.2000 224
01.10.-31.10.2000 nicht ausgewiesen 7.308,- 27.10.2000 226
01.11.-30.11.2000 nicht ausgewiesen 7.308,- 28.11.2000 228
01.12.-31.12.2000 nicht ausgewiesen 7.308,- 02.01.2001 230
01.01.-31.12.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 06.02.2001 232
01.02.-28.02.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 08.03.2001 234
01.03.-31.03.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 04.04.2001 236
01.04.-30.04.2001 nicht ausgewiesen 7.772,- 24.04.2001 238

Selbst wenn in den Rechnungen ab Oktober 2000 die gearbeiteten Stunden nicht mehr im Einzelnen ausgewiesen sind, sondern ein "Nettogrundhonorar" abgerechnet wird, muss angesichts der Höhe davon ausgegangen werden, dass regelmäßig eine erhebliche Stundenzahl für Beratung, also eine selbständige Tätigkeit, erbracht wurde. Zu den Rechnungen existieren passende Zahlungsunterlagen (Schecks und Kontoauszüge, aus denen sich die Scheckeinlösung ergibt: Bl. 223, 225, 227, 229, 231, 233, 235, 237 und 239 der Leistungsakte), wobei diese mit dem Endrechnungsbetrag nach Abzug von Vorschusszahlungen und Miete für eine Büronutzung und ggf. zuzüglich von Reisekosten o.Ä. entsprechen. Dabei deuten die Reisekosten – die regelmäßig etwa wöchentliche Fahrten von B. H. nach A. erkennen lassen – darauf hin, dass die Rechnungsunterlagen im Kern sogar mit dem Vortrag des Klägers, er sei einmal in der Woche zu Gesprächen mit Hr. L. gefahren übereinstimmen, nur dass zu den reinen Gesprächszeiten – wie in den Rechnungen für August und September 2000 erkennbar – erhebliche weitere Zeiten der Vor-, Nach- und Zuarbeit hinzu kamen.

Die Aussagekraft der Unterlagen hinsichtlich einer selbständigen Tätigkeit des Klägers wird auch nicht dadurch entwertet, dass die Rechnungen unter der Fa. E. e.K. erstellt sind. Bei der Firma handelt es sich um den bloßen Namen, unter dem der Kaufmann im Rechtsverkehr auftritt. Für die Frage, ob der Arbeitslose eine den Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließende Tätigkeit ausübt, ist aber ohne jeden Belang, unter welchem Namen er dies tut. Da nicht im Ansatz zu erkennen ist – und dies vom Kläger auch gar nicht behauptet wird –, dass ein Dritter im Auftrag des Klägers die entsprechenden Leistungen erbracht hätte, bestand für die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers gerade kein Anlass, zwischen dem Kläger in Person und seinem kaufmännischem Namen zu unterscheiden.

Die vom Kläger für die Zahlungen angebotenen Erklärungen – Prämienzahlung für ein Entlohnungssystem bzw. Aufwandsentschädigung für die Verfolgung einer von Fr. L. an ihn abgetretenen Forderung – sind demgegenüber wenig überzeugend oder entlasten den Kläger nicht: Die Zahlung von Aufwandsentschädigungen durch einen anderen für die Verfolgung einer eigenen Forderung ist nur dann plausibel, wenn die Rechtsverfolgung im Rahmen einer fremdnützigen Treuhand geschieht. Nachdem dies aber offenbar auch nicht unentgeltlich geschehen ist – die Zahlungen sind für reine Reisekostenentschädigungen u.Ä. viel zu hoch –, handelt es sich auch bei diesem Vorgang nach Auffassung der Kammer um eine selbständige Tätigkeit. Der einzige nachvollziehbare Grund für die gewählte Konstruktion ist ja der Versuch, die nach Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1 des damals geltenden Rechtsberatungsgesetzes verbotene Rechtsbesorgung nach außen nicht erkennbar werden zu lassen (vgl. zum Verstoß eines Treuhandvertrags bzw. Geschäftsbesorgunsvertrags gegen die genannte Vorschrift, wenn die Aufgaben des Treuhänders eine Rechtsbesorgung ist, etwa KG Berlin, Urtl. v. 23.07. 2004, Az.: 5 U 61/03). Für die Frage, ob eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, ist dieser mögliche Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz ohne Belang, so dass die Tätigkeit für Fr. L. zu den vom Kläger ja eingeräumten wöchentlichen Gesprächen mit Hr. L. hinzukommt. Die als Erklärung für die Zahlungen im Jahr 2000 angebotene Prämienzahlung für frühere Tätigkeiten ist dagegen nicht glaubhaft: Weder hat der Kläger diesbezüglich irgendwelche Belege vorgelegt, noch stimmt die Behauptung ratierlicher Zahlung mit den – unter Berücksichtigung der unterschiedlich hohen, als Aufwand abgerechneten Reisekosten – gerade im Jahr 2000 wechselnden Rechnungsbeträgen zusammen.

Im Grunde kann dies sogar dahinstehen: Der Kläger hat wiederholt eingeräumt, im fraglichen Zeitraum regelmäßig einmal in der Woche zu Gesprächen mit Hr. J. L. ins M.land gereist zu sein. Sogar unabhängig davon, ob die Gespräche mit Hr. L. drei bis vier Stunden – wie etwa im Rahmen der Widerspruchsbegründung (Bl. 207/208 der Leistungsakte) vorgetragen – oder nur zwei Stunden – wie es im Schreiben an die Beklagte vom 14.03.2003 (Bl. 288 der Leistungsakte) heißt – gedauert haben, führt im Grunde bereits dies zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Bei der Bemessung des zeitlichen Umfangs sind bei Selbständigen nämlich auch Wegezeiten – neben Zeiten der Abstimmung mit Kollegen, der Fortbildung bzw. Einweisung oder der Vor- und Nachbereitung – einzubeziehen. Nachdem der Kläger nach eigenen Angaben zu den Gesprächen von B. H. ins M.land jeweils mit der Bahn gereist ist, führt bereits dies zum Wegfall eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Die Frage, zu welchen Zeiten die Gespräche stattgefunden haben, ist für die hier zu treffende Entscheidung, ob die als Voraussetzung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld geforderte Beschäftigungslosigkeit vorlag, entgegen der Auffassung des Klägers ohne Bedeutung. Namentlich kann es – gerade bei einer selbständigen Tätigkeit, bei der die Zeiteinteilung ja geradezu begrifflich nicht durch einen Arbeitgeber vorgeben sein darf – nicht darauf ankommen, ob es sich um tarifübliche Arbeitszeiten handelt (wobei es Tarifverträge, die Nachtarbeit vorsehen, ja durchaus geben soll).

Hinzu kommen weitere Indizien für eine über 15-stündige selbständige Tätigkeit im fraglichen Zeitraum: So hat der Kläger eingeräumt, als Generalbevollmächtigter für die S. M. tätig gewesen zu sein. Schon im Hinblick auf die (vom Kläger ebenfalls eingeräumte, sich aber auch aus einer Zeugenvernehmung des Geschäftsführers der S. Hr. A. (das Protokoll, Bl. 1050 der beigezogenen Akten, ist hier im Wege des Urkundsbeweises verwertbar) und einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem Kläger und der S. vom 31.01.2001 (Bl. 1058) sich ergebende) Erfolgsprovision kann von einer Unentgeltlichkeit keine Rede sein, so dass die für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnende Gewinnerzielungsabsicht (vgl. dazu Steinmeyer, in: Gagel, Komm. z. SGB III, § 119, Rn. 67) auch für diese Tätigkeit vorliegt. Diese ist dabei immerhin für die Zeit ab Mitte November belegt, wie sich aus einem Schreiben des Klägers an die Staatsanwaltschaft B. vom 14.11.2001 (Bl. 1061/1062 der beigezogenen Akten) ergibt, und wurde bis mindestens Ende März 2001 fortgeführt: So hat der von der Staatsanwaltschaft vernommene Zeuge G. P. angegeben, mit dem Kläger in dieser Eigenschaft am 27.03.2001 ein Gespräch geführt zu haben.

Auch hat der Kläger im fraglichen Zeitraum neben seinem Büro in B. H. weiter ein Büro in N.-W. unterhalten. Die dafür in der mündlichen Verhandlung angebotene Erklärung, er habe dort (nur) seine Bibliothek untergebracht, ist so unplausibel, dass die Kammer hier von einer Schutzbehauptung überzeugt war: Gerade eine Bibliothek wird durch die Verteilung auf zwei weit entfernte Standorte nicht besser nutzbar, so dass – wenn nicht eben doch ein Büro in der Nähe von Hr. L. für die selbständige Tätigkeit sinnvoll gewesen wäre – nichts näher gelegen hätte, als das Büro aufzulösen.

Aus den beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Akten ergeben sich weitere (verwertbare) Hinweise auf eine – mehr als 15-stündige – selbständige Tätigkeit. So hat der Kläger im Rahmen einer Vernehmung am 13.04.2000, deren Protokoll zu den beigezogenen Akten genommen wurde und das hier im Wege des Urkundsbeweises verwertbar ist, im Verfahren gegen die Gebrüder L. als Beruf Volljurist und Unternehmer angegeben und zur Person ausgeführt, derzeit sei er freier Unternehmer, betreibe verschiedene Unternehmen, auch als Unternehmensberater und betätige sich als Schriftsteller (Bl. 219 der beigezogenen Akten). In einem Schreiben an das Oberlandesgericht H. vom 31.10.2005 (Bl. 3360/3364 der beigezogenen Akten) hat der Kläger ausgeführt, es sei seit 1999/2000 bis Spätherbst 2004 sachlich unternehmerisch geboten gewesen, wöchentlich mehrmals zwischen den beiden Bürostandorten B. H. v.d.H. und N.-A. hin- und herzupendeln. Insgesamt hat die Kammer keine Zweifel, dass der Kläger während der streitigen Zeit mindestens 15 Stunden pro Woche selbständig tätig war. Ob auch die vom Kläger selbst u.a. im Widerspruchsschreiben erwähnten Tätigkeiten als Generalbevollmächtigter für die Herren M. G. und V.S.B. als solche Berücksichtigung finden könnten, obwohl sich gegenwärtig Details zu diesen Tätigkeiten nur auf Grund der unverwertbaren Unterlagen aus den Durchsuchungen beim Kläger rekonstruieren ließen, kann offen bleiben, da auch unabhängig davon ausreichende Erkenntnismittel vorliegen, um der Kammer die Überzeugung zu verschaffen, dass der Kläger in einem Umfang selbständig tätig war, der einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschloss.

c) Auch die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwärtige Aufhebung lagen vor, da der Kläger die Aufnahme der Tätigkeit nicht mitgeteilt und damit ihm obliegende Angaben vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X).

Die Pflicht, eine Arbeitsaufnahme mitzuteilen, ergibt sich aus § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I. Diese Pflicht hat der Kläger grob fahrlässig verletzt. Grob fahrlässig ist eine Pflichtverletzung, wenn der Betreffende die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. § 45 II 3 Nr. 3 HS. 2 SGB X), das heißt eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung gegeben ist. Der Betreffende muss das unbeachtet gelassen haben, was bei gegebener Sachlage jedem unmittelbar hätte einleuchten müssen. Dabei ist ein subjektiver Maßstab anzulegen, also auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Betroffenen, sein Einsichtsvermögen und Verhalten sowie die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen (vgl. nur BSG v. 31.08.1976, 7 RAr 112/74 und v. 08.02.1996, 13 RJ 35/94).

Am Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen hat die Kammer bei dem Kläger – der ausgebildeter Volljurist ist – keine Zweifel. Auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens – und hier insbesondere auf Grund des Geständnisses in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens – war die Kammer vielmehr überzeugt, dass der Kläger hier nicht nur grob fahrlässig, sondern vorsätzlich seinen Mitteilungspflichten nicht genügt hat.

d) Im Ergebnis musste die Beklagte daher die Bewilligung für die Zeit ab 01.04.2000 zurücknehmen.

3. Auf dieser Grundlage ergibt sich die Erstattungsentscheidung bezüglich der erbrachten Leistungen zwingend aus § 50 Abs. 1 SGB X. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Berechnungsfehler hinsichtlich der Erstattungssumme sind nicht erkennbar und werden auch von Seiten des Klägers nicht geltend gemacht.

Der auf § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB) – ggf. in entsprechender Anwendung – gestützte Entreicherungseinwand, auf den sich der Kläger hier berufen hat, greift im Rahmen der Aufhebungs- und Erstattungsvorschriften der §§ 44ff. SGB X nicht ein. Die dem § 818 Abs. 3 BGB zu Grunde liegenden Wertungsgesichtspunkte sind in diesem rechtlichen Kontext an anderer Stelle eingeflossen, im Rahmen von § 45 SGB X namentlich unter dem Gesichtspunkt, ob das Vertrauen des Betroffenen auf die Bestandskraft schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 SGB X), was aber gerade dann nicht der Fall ist, wenn der Leistungsempfänger – wie hier – vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat und der Bescheid hierauf beruht; eine Wertung, die sich im Übrigen auch im Bereicherungsrecht findet (§ 819 Abs. 1 BGB).

Für die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergibt sich die Erstattungspflicht aus § 335 Abs. 1 SGB III. Rechenfehler sind auch diesbezüglich nicht erkennbar.

Die Erstattung ist dabei auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil die Forderung durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung erloschen wäre. Es ist keine Forderung ersichtlich, mit der der Kläger hätte aufrechnen können: Die gezahlten Beiträge als solche stellen zunächst keine Forderung dar. Die Aufrechnungserklärung ist daher offenbar so zu verstehen, der Kläger meine, er habe einen Anspruch auf Erstattung der Beiträge. Dafür ist aber eine Grundlage nicht ersichtlich, Ansatzpunkte für eine Verfassungswidrigkeit des gesamten Systems der Arbeitslosenversicherung, auf die sich der Kläger insoweit beruft, sind nicht ersichtlich.

III. Im Ergebnis ist die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Beklagten somit zutreffend. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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