L 13 R 161/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RJ 620/03 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 161/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit der 1952 geborenen Klägerin.

Diese stellte am 21.08.2001 einen entsprechenden Antrag in ihrem Heimatland Kroatien, woraufhin sie dort seit Januar 1999 Invalidenpension in Höhe von ca. 190,00 EUR für Versicherungszeiten von September 1971 bis Dezember 1998 bezog.

In Deutschland war die Klägerin ohne erlernten Beruf von September 1969 bis Juni 1971 in der Küche eines Altenheims, eines Kaufhauses und eines Gasthauses 22 Monate versicherungspflich-tig beschäftigt gewesen.

Bei einer Begutachtung am 28.05. und 09.07.2002 stellte die Invalidenkommission Z. bei der Klägerin ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Arbeiten ohne dauerndes Gehen und Stehen, in geschlossenen, trockenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck oder überwiegend einseitige Körperhaltung fest. Aus den dazu beigeholten Arztberichten ließen sich Erkrankungen entnehmen, die von der Beklagten nach Aktenlage (Beratungsarzt Dr. D. am 30.09.2002) mit den Diagnosen einer Sprachstörung bei Laryngopathie, einer Struma simplex, einer Funktionsminderung der Wirbelsäule bei Verschleißerscheinungen ohne Wurzelreizung, einer Herzleistungsminderung bei Bluthochdruck, einer neurotischen Störung, Blutarmut bei Eisenmangel, Fettstoffwechselstörung und einer Fibromyalgie festgestellt wurden, welche aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht ausschlössen. Mit Bescheid vom 02.10.2002 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag ab, da weder eine teilweise, noch eine volle Erwerbsminderung, noch eine teilweise Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit vorlägen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Würdigung der von Dr. M. , Prof. Dr. V. , Dr. F. vorgelegten Arztberichte mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2003 zurück. An eine Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch den kroatischen Versicherungsträger bestehe keine Bindung.

Auf die hiergegen mit neuen Arztberichten von Prof. Dr. V. , Dr. M. und Dr. T. begründete Klage der Klägerin hat das Sozialgericht Landshut (SG) ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie Dr. M. vom 29.11.2004 eingeholt, wobei die Gesundheitsstörungen einer Sprachstörung (Dysphonie, Aphonie) bei Laryngopathie, Dysthymie und einer somatoformen Schmerzstörung festgestellt wurden. Damit könne die Klägerin noch vollschichtig leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit verrichten. In diesem Zusam-menhang habe sich eine depressive Störung entwickelt. Daneben bestehe eine Dysthymie und zusätzlich eine somatoforme Schmerzstörung. Derzeit sei eher eine Besserung zu verzeichnen. Schwerwiegende depressive Störungen bestünden nicht. Die weitere Sachverständige, die Sozialmedizinerin Dr. T. , hat in ihrem Gutachten vom 30.11.2004 wirbelsäulenabhängige Beschwerden und eine Neigung zu einem Leistenbruch rechts festgestellt, ohne dass dadurch das vollschichtige Leistungsvermögen beeinträchtigt sei. Dazu sind auch Zusatzbefunde durch den HNO-Arzt Dr. P. , das Zentrallabor des Klinikums L. und die kardiologische Abteilung derselben nebst Röntgenbildern und Sonographiebefunden des Bauchraums erhoben worden.

Durch Urteil vom 01.12.2004 hat das SG die Klage abgewiesen, weil es am Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit im Sinne der §§ 43, 240, 241 SGB VI in der Fassung des EM-RefG fehle.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter Vorlage ärztlicher Berichte unter anderem von Prof. Dr. V. , Dr. C. und einem Gynäkologen nebst Befunden des klinischen Krankenhauses Z. vom 13.02.2005 und 05.04.2005 eingelegt. Am 15.04.2005 ist die Entfernung der Gebärmutter und beider Adnexen erfolgt. Dazu und zu den weiteren Befunden hat der Senat eine Gutachtensergänzung bei der Sozialmedizinerin Dr. T. eingeholt. Der postoperative Zustand war - wie die Sachverständige ausführte - nach der Nachuntersuchung vom 09.06.2005 regelrecht.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 01.12.2004 sowie des Bescheides vom 02.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2003 zu verurteilen, aufgrund ihres am 21.08.2001 gestellten Antrags Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im übrigen wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch ansonsten zulässig, aber in der Sache unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Anspruch der Klägerin ist nach §§ 43, 240 SGB VI i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl. Art. 24, § 302 b SGB VI i.d.F. des EMRefG) zu beurteilen, da der Rentenantrag erst nach dem 01.01.2001 bzw. 03.04.2001 (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) gestellt wurde.

Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen vor. Das ergibt sich bis zum Rentenantrag in Kroatien ohne weiteres aus der lückenlosen Versicherung bei der Beklagten und dem kroatischen Sozialversicherungsträger von September 1971 bis Dezember 1998 (§ 241 SGB VI i.d.F. des EMRefG in Verbindung mit dem Sozialversicherungsabkommen mit der Republik Kroatien über soziale Sicherheit - SVA Kroatien - Gesetz vom 25.08.1998, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr. 33 vom 03.09.1998). Die weitere Zeit bis zu dem am 20.08.2001 gestellten Antrag der Klägerin in Deutschland zählt als Anwartschaftserhaltungszeit wegen Rentenbezugs (§ 241 Abs. 2 SGB VI EMRefG in Verbindung mit Artikel 26 Abs. 2 SVA Kroatien).

Es fehlt aber am Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit. Nach dem für die vor dem 02.01.1962 geborene Klägerin anwendbaren Übergangsrecht des § 240 Aus. 2 SGB VI EM RefG besteht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung infolge von Berufsunfähigkeit. Denn dies setzt voraus, dass weder der bisherige Hauptberuf, noch ein subjektiv und objektiv zumutbarer Ausweichberuf ausgeübt werden kann. Nachdem die Klägerin jedoch aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten keine besondere geschützte Berufsstellung erlangt hatte, ist ihr berufliches Leistungsvermögen nach Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bemessen, auf denen sie weiterhin zumutbar vollschichtig arbeiten könnte, auch wenn sie ihrem zuletzt in Deutschland ausgeübten Beruf als Küchenhilfe nicht mehr nachgehen kann.

Zur Prüfung der subjektiven Zumutbarkeit (Einordnung des bisherigen Berufs und der Ausweichbeschäftigung) verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 137) den Vergleich mit typisierten Berufsgruppeneinteilungen. Dazu haben sich Gruppen mit den Leitberufen des Unausgebildeten, des Arbeiters/Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und des Facharbeiters/Fachangestellten mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren herausgebildet. Nach den durch ihre eigenen Auskünften und der Anamnese der Sachverständigen Dr. M. (Küchenhilfe in Altersheimen, einem Kaufhaus und einem Gasthaus) gewonnenen Erkenntnisse ist die Klägerin dem Leitberuf der einfach angelernten Ausgebildeten zuzuordnen. Eine Einordnung als "obere Angelernte" mit einer zumutbaren Verweisung auf qualifizierte Anlerntätigkeiten ist zur Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt, da die Klägerin keine Ausbildung über drei Monate erfahren hat, noch sonstwie qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten durch ihre in Deutschland über 22 Monate ausgeübten Berufstätigkeiten in der Küche eines Altenheims, eines Kaufhauses und eines Gasthauses erworben hat.

Der Beweis eines verminderten Erwerbsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als Tatbestandsvoraussetzung für eine Rente wegen teilweiser und verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI EMRefG) ist nicht erbracht. Weder die vom SG eingeholten Gutachten der Allgemeinärztin Dr. T. und der Nervenärztin Dr. M. noch das von der Beklagten veranlasste Gutachten des Beratungsarztes Dr. D. oder die Gutachten der kroatischen Invalidenkommission belegen ein auf unter sechs Stunden herabgesunkes Leistungsvermögen (Rente wegen eines Erwerbsminderung, vergleiche § 43 Abs. 1 SGB VI).

Soweit die Klägerin in Kroatien Invalidenrente erhält, ist dies für den deutschen Versicherungsträger nicht bindend. Das SVA Kroatien enthält keine wechselseitige Anerkennung der jeweils festgestellten Versicherungsfälle.

Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen steht bei der Klägerin nach überzeugenden Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen die Sprachstörung bei hyperplastischer Laryngitis mit ihren psychischen Auswirkungen nach einem im Jahr 2001 vorgenommen Stimmlippeneingriff. Die verbliebene chronische Stimmbandentzündung ist leichtgradig. Von Seiten der Psyche besteht insgesamt keine gravierende depressive Störung. Die diagnostizierte Dysthymie beeinträchtigt das Leistungsvermögen der Klägerin nicht gravierend. Die Gelenk- und Muskelansatzbeschwerden sind als somatoforme Schmerzstörung mit fibromyalgischer Komponente zu bewerten, die ebenfalls kein gravierendes Ausmaß erreicht haben. Auch von Seiten des Herz-Kreislauf-Systems bestehen keine erheblichen Einschränkungen. Auf gynäkologischem und internistischem Fachgebiet bestehen keine Leistungseinschränkungen. Letzteres haben die weiteren Ermittlungen des Senats im Zusammenhang mit der Operation im Jahre 2005 ergeben.

Der Senat weist die Berufung im Übrigen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG als unbegründet zurück und sieht daher - insbesondere was die Voraussetzungen einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und die weiteren Feststellungen der Gesundheitsstörungen und des Leistungsvermögens betrifft - von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG in der Fassung des Vereinfachungsnovelle vom 11.01.1993).

Im Ergebnis kann der Senat ein Leistungsvermögen in vollschichtigem Ausmaße für leichte Tätigkeiten ohne Publikumsverkehr feststellen. Die qualitativen Leistungseinbußen wirken sich nicht be-sonders schwer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus und lassen auch in ihrer Summe noch zahlreiche Tätigkeitsfelder (Sortieren, Montieren, Zureichen) offen.

Die Klägerin ist zusammengefasst in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht gemindert und hat daher keinen entsprechenden Rentenanspruch.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Gründe zur Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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