L 16 R 400/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 824/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 400/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 25. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Der im Jahre 1962 geborene Kläger stellte mit dem am 19.02.2001 eingegangenem Schreiben Antrag auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente.

Der Versicherungsverlauf des Klägers weist 50 Beitragsmonate vom 01.09.1977 bis 31.12.1983 auf. Vom 01.01.1984 sind Pflichtbeiträge bis zum 30.05.1984 gefolgt von Zeiten der Arbeitslosigkeit vermerkt, denen vom 10.02.1986 bis 14.03.1986 zwei Monate Pflichtbeiträge folgen. Ab dem 17.02.1990 bis zum 05.05.1998 sind Zeiten der Arbeitslosigkeit bzw. Pflichtbeitragszeiten gemäß AFG bzw. Beitragszeiten aufgrund Bezuges von Geldleistungen des Sozialleistungsträgers angeführt. Zeiten der Ausübung einer Beschäftigung finden sich nur im Mai 1991 sowie im Mai 1992.

Nach seinen Angaben hat der Kläger im Jahre 1977 bis 1978 eine Lehre als Kfz-Mechaniker begonnen, jedoch mangels Interesse nicht abgeschlossen. Eine Ausbildung zum Maurer in den Jahren 1978 bis 1981 habe zu einem Gesellenbrief geführt. Zuletzt sei er im Oktober 1981 als Maurer beschäftigt gewesen. Eine Umschulung zum Feinmechaniker (1984/1985) sei abgebrochen worden.

Mit Urteil des Landgerichts M. vom 17.12.1998 wurde er wegen Totschlags unter Einbeziehung weiterer Verurteilungen des Amtsgerichts M. vom April und Juli 1997 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und fünf Monaten verurteilt. Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet.

Bereits im März 1999 hatte der Kläger einen Antrag auf Gewährung von EU-/BU-Rente gestellt.

Die Beklagte hatte ein Gutachten des Internisten Dr.S. vom 09./28.02.2000 veranlasst. Der Arzt verneinte das Vorliegen von Alkoholfolgeschäden. Seit Inhaftierung bestehe glaubhaft eine Alkoholabstinenz. Die Laborwerte erwiesen sich als unauffällig.

Mit Bescheid vom 14.03.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2000 war der Antag zurückgewiesen worden. Der Kläger könne auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Hier seien leichte Tätigkeiten vollschichtig ohne dauerndes Gehen und Stehen zumutbar. Als Gesundheitsstörungen lägen vor ein Alkoholismus in Abstinenz seit 1998, wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Fehlstellung und Bandscheibenschäden L4/5 und L5/S1 ohne akute Wurzelreizsymptomatik, Kniegelenksbeschwerden bei Aufbraucherscheinungen sowie ein Zustand nach Kniescheibenluxationen beidseits.

Der streitgegenständliche Rentenantrag wurde durch Bescheid vom 26.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2002 abgelehnt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass es an der versicherungsrechtlichen Voraussetzung einer Pflichtbeitragszeit von drei Jahren innerhalb eines Fünfjahreszeitraumes fehle. Auch sei nicht jeder Kalendermonat in der Zeit vom 01.01.1984 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Insbesondere fehle der Zeitraum April 1986 bis Januar 1990 sowie der Zeitraum Juni 1998 bis Februar 2002 (Zeiten der Inhaftierung).

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut erhoben. Das Sozialgericht hat diese durch Gerichtsbescheid vom 25.06.2003 abgewiesen und ebenfalls auf das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgestellt.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Vorgetragen wird, dass er seit dem 18.12.1998 ununterbrochen im Bezirkskrankenhaus S. untergebracht sei. Aufgrund seiner Erkrankungen, Alkoholkrankheit, rezidivierender Kniegelenkserguss rechts, wiederkehrende Kniescheibenverrenkung beidseits, lumbale Bandscheibenschädigung mit rezidivierender Lumboischialgie und Leberschaden sei er zumindest seit der Unterbringung im BKH S. erwerbsunfähig. Vorgelegt wird das Urteil des Landgerichtes M. vom 17.12.1998 sowie ein Befund des Bezirkskrankenhauses S. Forensisch-psychiatrische Klinik vom 14.06.2000.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 25.06. 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zunächst medizinische Unterlagen, darunter die Begutachtungen im Strafverfahren beigezogen.

Das Krankenhaus der Justizvollzugsanstalt M. übersandte am 22. März 2004 die Fotokopie ihrer Krankenakte über den Kläger. Beigezogen wurden darüber hinaus eine gutachterliche Stellungnahme des Dr.O. , Bezirkskrankenhaus S. vom 07.05.2003 sowie ein ärztlicher Befundbericht des Anstaltskrankenhauses JVA S. vom 27.05.2004.

Sodann hat der Senat ein medizinisches Sachverständigengutachten der Ärztin für Psychiatrie Dr. M. H. zu den bestehenden Gesundheitsstörungen im Juni 2000 eingeholt.

Frau Dr.H. hat ihr Gutachten nach Aktenlage am 29.03.2005 erstattet. Nach ausführlichen anamnestischen Angaben und einer Auswertung der im Rentenverfahren aktenmäßig dokumentierten medizinischen Unterlagen führt sie zunächst aus, dass eine Alkoholabhängigkeit wie auch andere Abhängigkeitserkrankungen in der Regel nicht automatisch eine dauerhafte Leistungsminderung bedingten. Eine solche Leistungsminderung entwickle sich zumeist erst im Zusammenhang mit dem Auftreten von Folgeerkrankungen und Folgestörungen. Nach einer regulär abgeschlossenen Therapiemaßnahme sei in der Regel von Arbeits- und Erwerbsfähigkeit auszugehen. Auch bei irregulärem Therapieabschluss könne durchaus Abstinenzfähigkeit erzielt werden. Umgekehrt sei auf die Dauer auch nach regulär durchgeführter Therapie mit Rückfälligkeit zu rechnen. Ein Rückfall gebe in der Regel dann Anlass zu weiteren Hilfsmaßnahmen, nicht aber zur Feststellung einer dauerhaften Leistungsminderung. Erst dann, wenn wiederholte Behandlungen mit unterschiedlichen Verfahren keine längeren Abstinenzphasen erreichten, müsse eine längerfristige Abstinenzunfähigkeit mit erheblicher Verminderung oder Aufhebung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben angenommen werden.

Bei dem Probanden seien bis 1998 zahlreiche Entgiftungs- und Alkoholentwöhnungsmaßnahmen durchgeführt worden, die er fast sämtlich abgebrochen, d.h. nicht regulär abgeschlossen habe. Die längste alkoholabstinente Zeit dürfte im Jahre 1996 acht Monate betragen haben. Die Prognose bezüglich der Abhängigkeitserkrankung sei nach jeder Behandlungsmaßnahme ungünstig gewesen. Die sozialmedizinische Beurteilung lautete jedoch jedesmal nachvollziehbar vollschichtig arbeitsfähig unter fortgesetzter Alkoholkarenz. Für die Zeit nach dem 13.08.1996 bis zum 24.03.1998 (Zeitpunkt der Inhaftierung) sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem zunehmenden massiven Alkoholkonsum mit täglicher Intoxikation und täglichen morgendlichen Entzugserscheinungen in einem Ausmaß auszugehen, die eine langandauernde Arbeitsunfähigkeit bedingt haben. Seit März 1998 bestehe gesicherte kontinuierliche Abstinenz, wenn auch unter besonders gesicherten und geschlossenen Unterbringungsbedingungen. Zum Zeitpunkt der Inhaftierung seien typische Alkoholfolgeschäden in Form einer distalen Polyneuropathie und einer alkoholtoxischen Leberschädigung belegt worden. Alkoholfolgeschäden haben in der Regel eine relativ gute Prognose und klingen nach einer Abstinenzzeit schrittweise vollständig ab. Dementsprechend seien auch beim Kläger nach fast zwei Jahren gesicherter Alkoholabstinenz im Rahmen des Gutachtens von Dr.S. vom 28.02.2000 Symptome der genannten Alkoholfolgekrankheiten nicht mehr nachweisbar gewesen. Nachvollziehbar gehe er von einer vollschichtigen Arbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Die gutachterliche Stellungnahme von Dr.D. , BKH S. , vom 14.06.2000 bestätige die weitere Alkoholabstinenz. Der Verlauf des Maßregelvollzugs werde positiv beurteilt. Eine genauere Einsicht in die laufenden therapeutischen Verfahren biete die gutachterliche Stellungnahme des BKH S. vom 27.05.2003. Hier werde von einer Besserung der defizitären Persönlichkeitsmerkmale sowie von einer Stabilisierung berichtet. Krankheits- und Abstinenzeinsicht seien vorhanden.

Beim Kläger könne somit trotz des ungünstigen Suchtverlaufs bis März 1998 angesichts der positiven Entwicklung im psychiatrischen Maßregelvollszug nicht mit ausreichender Sicherheit von Unfähigkeit zur Abstinenz ausgegangen werden. Wenngleich auch im Juni 2000 von unsicherer Prognose und hoher Rückfallgefährdung außerhalb der gesicherten Unterbringungsbedingungen auszugehen gewesen sei, sei jedoch ein Rückfall nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren. Der Erprobung der Abstinenz außerhalb des Maßregelvollzugs könne insofern nicht vorgegriffen werden. Im Juni 2000 haben bei dem Kläger zusammenfassend folgende Gesundheitsstörungen vorgelegen: 1. Chronischer Alkoholismus in Abstinenz seit März 1998, 2. Persönlichkeitsstörung, 3. wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Fehlstellung und Band scheibenschäden L4/L5 und L5/S1 ohne akute Wurzelreizsympto matik, 4. Kniegelenksbeschwerden bei geringen Aufbraucherscheinungen und Knorpelveränderungen am linken Knie, 5. Zustand nach Kniescheibenluxation beidseits. Die Persönlichkeitsstörung ergebe aus sozialmedizinischer Sicht keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Leitungsfähigkeit. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich in der Zeit von Mai 1998 bis Juni 2000 insgesamt gebessert. Die Gesundheitsstörungen bedingten die funktionellen Einschränkungen der Beschränkung auf leichte bis mittelschwere Arbeiten und auf Arbeiten im wechselnder Haltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband, in Wechselschicht und bei Nacht. Ferner seien zu vermeiden das Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten und die Verrichtungen von Arbeiten im Knien, mit besonderer Absturzgefahr und von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an nervliche Belastbarkeit und Ausdauer, geistige Beweglichkeit, Leistungsmotivation und Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit stellten. Zusätzliche Arbeitspausen seien nicht erforderlich. Ein längerer Anmarschweg von und zur Arbeitsstätte sei zumutbar. Es könnten noch viermal täglich jeweils 500 m zu Fuß zurückgelegt werden. Die Zeitdauer pro 500 m dürfte bei ca. 10 Minuten liegen. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel stelle kein Problem dar. Unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses könnte der Kläger täglich noch acht Stunden vollschichtig arbeiten. Der Kläger habe im Juli 2000 seine psychische Störung bei zumutbarer Willensanstrengung mit ärztliche Hilfe im Rahmen der nach wie vor erfolgenden Therapie überwinden können.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten des Landessozialgerichts sowie des Sozialgerichts Landshut sowie der beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung erweist sich als nicht begründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Der Anspruch des Klägers beurteilt sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuches - SGB VI - in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung, da die Ausnahmevorschrift des § 300 Abs.2 SGB VI nicht erfüllt ist. Zwar ging der Rentenantrag des Klägers noch im Februar 2001 ein, jedoch hat er seinen Antrag ausdrücklich auf eine Rentengewährung ab dem Zeitpunkt der Antragstellung beschränkt. Da er keine Rente für Zeiten vor dem 31. Dezember 2000 begehrt, kann § 300 Abs.2 SGB VI die Anwendbarkeit des § 43 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung nicht verhindern (§ 300 Abs.1 SGB VI).

Nach § 43 SGB VI neue Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. vollständiger Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise bzw. vollständig erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Um die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs.1 Ziffer 2 SGB VI zu erfüllen, hätte beim Kläger spätestens im Juni 2000 der Versicherungsfall der teilweisen bzw. vollständigen Erwerbsminderung eingetreten sein müssen. Das Erfordernis von drei Pflichtbeitragsjahren für eine versicherte Beschäftigung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren erlaubt eine Rentenlücke von höchstens 24 Monaten. Aufschub- bzw. Verlängerungstatbestände sind nicht erkennbar. Der Kläger saß in der der Pflichtbeitragszeit folgenden Zeit bis heute in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Gründe für eine gesundheitliche Verschlechterung, die eine Arbeitsunfähigkeit entgegen seinem der Arbeitsverwaltung gemeldeten Leistungsvermögen annehmen lassen, bestehen nicht. Das Erfordernis der 36-monatigen Pflichtbeitragszeit für eine versicherte Beschäftigung entfällt auch nicht aufgrund einer durchgängigen Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten seit dem 01.01.1984 (§ 241 Abs.2 SGB VI). Der Versicherungsverlauf weist erhebliche inhaftierungsbedingte Lücken auf. Davon abgesehen scheitert eine Anwendung des § 241 Abs.2 SGB VI auch an dem Erfordernis der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit bis zum 31.12.1983.

Zum spätest in Frage kommenden Zeitpunkt Juni 2000 bestand beim Kläger keine Einschränkung des Leistungsvermögens, die eine Erwerbsminderung annehmen lässt.

Zumindest teilweise erwerbsgemindert - nach dem allein anwendbaren Recht in der ab dem 01.01.2001 geltenden Fassung - sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 2 SGB VI). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt im Hinblick auf den Geburtszeitpunkt nach dem 01.01.1961 nicht in Betracht (§ 240 Abs.1 SGB VI). Die Beurteilung des zeitlichen Leistungsvermögens beurteilt sich daher bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Dagegen ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme des Senates ist der Kläger für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen noch mindestens sechs Stunden einsetzbar.

Der Senat stützt seine Überzeugung auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten der Psychiaterin Dr. M. H. vom 29.03.2005 nebst den eingeholten umfangreichen medizinischen Unterlagen über den Kläger, insbesondere die im Zuge des Strafverfahrens zur Beurteilung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten sowie die Befunde über die Behandlung im Maßregelvollzug in den Jahren 1998 bis 2000. Unter Auswertung dieser umfangreichen medizinischen Unterlagen hat die Sachverständige überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass Ausgangspunkt der Beurteilung von Einschränkungen des Leistungsvermögens bei Alkoholabusus zum Einen die Folgeerkrankungen mit ihren Funktionsausfällen, zum Anderen die Beurteilung darstellt, ob eine längerfristige Abstinenzunfähigkeit vorliegt. Eine Alkoholabhängigkeit bedeutet nicht automatisch eine dauerhafte Leistungsminderung. Rückfälle nach Therapie geben Anlass zu weiteren Hilfsmaßnahmen, führen jedoch noch nicht zur Beurteilung einer dauernden Abstinenzunfähigkeit. Erst dann, wenn wiederholte Behandlungen mit unterschiedlichen Verfahren keine längeren Abstinenzphasen erreichen, ist von einer Abstinenzunfähigkeit bei Aufhebung der Leistungsfähigkeit auszugehen (siehe auch VDR, Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, S.572).

Wie die Gutachterin unter Auswertung der umfangreichen medizinischen Unterlagen nachvollziehbar ausführt, wurden zwar bis 1998 zahlreiche Entgiftungs- und Alkoholentwöhnungsmaßnahmen im Wesentlichen erfolglos abgeschlossen. Seit März 1998 besteht aber gesicherte kontinuierliche Abstinenz. Symptome von Alkoholfolgekrankheiten konnten im Februar 2000 anlässlich der Begutachtung durch Dr.S. , der ein großes Blutbild zugrunde lage, ausgeschlossen werden. Diese Alkoholabstinenz wird zwar unter den Bedingungen einer Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses erreicht. Jedoch kann sich der Senat angesichts der berichteten Abstinenz mit einhergehender Stabilisierung der Persönlichkeitsmerkmale und einer gesteigerten Fähigkeit zur Krankheits- und Abstinenzeinsicht nicht vom Bestehen einer gesicherten Abstinenzunfähigkeit im Juni 2000 überzeugen. Auch bedingt die Persönlichkeitsstörung nach den überzeugenden Darlegungen der Gutachterin keine unmittelbare Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit. Beim Kläger liegen aufgrund der Restunstabilität bei Alkoholerkrankung funktionelle Einschränkungen vor, die eine qualitative Beschränkung auf leichte bis mittelschwere Arbeiten in Wechselposition, unter Vermeidung von Zeitdruck, Akkord, Wechsel- und Nachtschicht sowie unter Vermeidung von Heben und Tragen schwerer Lasten, von Arbeiten im Knien und von Tätigkeiten mit besonderer Absturzgefahr und besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, Ausdauer und die geistige Beweglichkeit bedingen. Sicherlich sind auch Tätigkeiten ausgeschlossen, die eine besondere Nähe zum Alkohol aufweisen.

Gleichwohl erscheint er unter Berücksichtigung dessen in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden, zumindest leichte Tätigkeiten zu verrichten. Ferner kann der Kläger in Frage kommende Arbeitsplätze aufsuchen. Zwar führt die Sachverständige aus, dass viermal täglich 500 m zu Fuß in jeweils 10 Minuten zurückgelegt werden können. Jedoch lag dieser Beurteilung die Fragestellung zugrunde, ob noch viermal täglich jeweils 500 m zu Fuß zurückgelegt werden können. Bejaht die Sachverständige im Ergebnis diese Frage und führt sie zudem aus, dass ein längerer Anmarschweg von und zur Arbeitsstätte zumutbar sei, besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass dem Kläger - in zutreffender Auslegung der gutachtlichen Beurteilung - das Zurücklegen von Wegstrecken von mehr als 500 m viermal täglich in angemessener Zeit gesundheitlich möglich ist.

Dieses negative Leistungsbild stellt keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar. Es handelt sich ausschließlich um Merkmale, die bereits von dem Begriff der leichten Tätigkeit mitumfasst sind (BSG, Urteil vom 17.12.1991, 13/5 RJ; 12.06.1996, 5 RJ 73/90; 01.03.1984, 4 RJ 43/83). Die Gesundheitsstörungen, insbesondere die Alkoholerkrankung, können nicht als schwere spezifische Leistungsbehinderung angesehen werden. Damit ist der Kläger abstrakt auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu nennen ist. Auch die Umsetzungsfähigkeit bezüglich des Restleistungsvermögens ist noch ausreichend vorhanden. Für einfache, leichte Tätigkeiten besteht eine ausreichende Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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