Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 SO 109/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 487/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 05.08.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsteller (ASt) auf Grund eigener Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 8 Abs 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hat.
Der 1963 geborene ASt bezog seit März 2004 Leistungen der Sozialhilfe nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Mit Bescheid vom 27.12.2004 bewilligte der Antragsgegner (Ag) dem ASt Sozialhilfeleistungen wegen ungeklärter Ansprüche gegen Versicherungen wegen Unfalls darlehensweise für Januar 2005 in Höhe von 536,00 EUR. Der ASt lebe mit Frau C. K. in eheähnlicher Gemeinschaft. Zeitgleich forderte der Ag den ASt auf, bis 20.01.2005 ein Attest eines Facharztes darüber vorzulegen, ob er arbeitsfähig oder auf absehbare Zeit erwerbsunfähig sei.
Ausweislich eines Attestes des Dr.G. war der ASt seinerzeit arbeitsunfähig. Ein Ende der Arbeitsunfähigkeit sei nicht absehbar gewesen.
Mit Bescheid vom 01.03.2005 stellte der Ag die Hilfe zum Lebensunterhalt mit Ablauf des 28.02.2005 an den ASt ein. Der ASt habe die vom Ag anberaumten Termine zur ärztlichen Untersuchung im staatlichen Gesundheitsamt am 15.02.2005, am 22.02.2005 und am 01.03.2005 nicht wahrgenommen, obwohl er auf die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung gemäß § 60 ff Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hingewiesen worden sei. Es bestünden hinreichende Zweifel am Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit des ASt. Von der Dauer dieser Arbeitsunfähigkeit hänge es ab, ob der ASt Arbeitslosengeld II beantragen müsse oder ob weitere Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen seien.
Hiergegen erhob der ASt mit Schreiben vom 14.03.2005 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.
Am 16.03.2005 beantragte der ASt beim Sozialgericht München (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt ab 01.03.2005 in Höhe von 536,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Er sei auf die Geldleistung dringend angewiesen. Er besitze weder Geld noch andere verwertbare Vermögensgegenstände und müsse dringend benötigte Medikamente und Lebensmittel kaufen. Nach seiner Ansicht genügten die vorgelegten amtsärztlichen Atteste niedergelassener Ärzte, um seine fehlende Erwerbsfähigkeit hinreichend zu beurteilen. Er sei damit seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen.
Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Eine Untersuchung durch einen Amtsarzt sei nach § 62 SGB I erforderlich, weil nach der langen Zeit der Arbeitsunfähigkeit des ASt Zweifel an deren Fortbestehen bestünden. Die vorgelegten ärztlichen Atteste vom 20.01.2005, vom 08.12.2003 und vom 12.07.2004 reichten für eine sichere Feststellung hier nicht aus, um die Frage eines Leistungsbezuges nach dem SGB II oder aber nach dem SGB XII sicher zu entscheiden. Insbesondere sei die Untersuchung des ASt durch den Amtsarzt zumutbar.
Die Beteiligten setzten den Streit um die Frage der Erwerbsfähigkeit des ASt fort.
Der Ag sagte mit Schreiben vom 06.06.2005 die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt einschl. der Hilfe zur Gesundheit ab dem 01.06.2005 zu. Der ASt bestand weiterhin auf rückwirkende Leistungsbewilligung ab dem 01.03.2005.
Mit Telefax vom 04.08.2005 kündigte der ASt an, den Begutachtungstermin am 10.08.2005 nicht einzuhalten.
Das SG lehnte mit Beschluss vom 05.08.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Nach §§ 8, 19 SGB XII erhielten Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt nur diejenigen Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen können. Dem ASt stünden aber solche vorrangigen Mittel zur Seite, weil er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht hinreichend glaubhaft machen konnte, dass er nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II sei. Bei dieser Sachlage sei es ihm zuzumuten, sich zunächst an den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende um Hilfeleistung zu wenden.
Hiergegen wendet sich der ASt mit seiner beim Bayer. Landessozialgericht am 08.09.2005 eingegangenen Beschwerde.
Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 05.08.2005 den Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm für die Monate ab März 2005 bis zum heutigen Tage und darüberhinaus Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 536,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Er setzt sich ausführlich mit den Fragen zu seiner Erwerbsfähigkeit auseinander und bezieht sich weiterhin auf die bisher vorgelegten ärztlichen Atteste.
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Dem ASt sei für den Monat Juni 2005 der Regelsatz von 307,00 EUR zuzüglich eines Mietanteils von 195,00 EUR bewilligt worden und für die Monate Juli bis August 2005 der Regelsatz von 307,00 EUR. Für diesen Zeitraum habe der ASt auch Krankenhilfe erhalten. Auch sei den Bedenken des ASt wegen der Objektivität eines Amtsarztes Rechnung getragen worden. Der Amtsarzt hätte einen Facharzt von einer auswärtigen Klinik beigezogen. Die Untersuchung hätte in den Räumen des Landratsamtes stattfinden sollen, um dem Beschwerdeführer unnötige Wege und damit auch Kosten zu ersparen. Der Ag bestreite weiterhin die Erwerbsunfähigkeit des ASt im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II und verweise weiterhin darauf, dass die Ansprüche des ASt nach dem SGB II vorrangig seien. Der ASt habe sich bislang noch nicht bei der zuständigen Arbeitsgemeinschaft gemeldet, um Leistungen nach dem SGB II zu beantragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII an den ASt für den Zeitraum ab dem 01.03.2005 in Höhe von 536,00 EUR monatlich zu verpflichten.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Auflage 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage 2005, § 86 b RdNr 1).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu iE BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) zeigt sich, dass dem ASt teilweise kein Anordnungsgrund und im Übrigen auch kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch noch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Soweit der ASt Leistungen der Sozialhilfe für den Zeitraum vom 01.03.2005 bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichtes begehrt, hält der Senat die Sache für nicht eilbedürftig. Der insoweit geltend gemachte Anspruch betrifft einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen der Sozialhilfe für bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beansprucht werden können. Eine Ausnahme hiervon hat der ASt substantiiert nicht dargelegt.
Im Übrigen konnte der ASt auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft machen. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im hier angefochtenen Beschluss vom 05.08.2005, denen er gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG folgt.
Hinsichtlich der Einlassungen des ASt im Beschwerdeverfahren ist nur noch ergänzend anzumerken, dass die Bedenken des Ag gegen das zeitlich unbegrenzte Fortbestehen der Arbeits- oder aber Erwerbsunfähigkeit des ASt nachvollziehbar sind. Gemäß § 8 Abs 1 SGB II ist jeder erwerbsfähig, der nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die ärztlichen Atteste und Stellungnahmen, auf die sich der ASt stützt, sind nicht geeignet, die Frage der Erwerbsfähigkeit des ASt in diesem Sinne aktuell zu beantworten.
Gemäß § 44 a Satz 1 SGB II fällt es in die Zuständigkeit der Agentur für Arbeit, festzustellen, ob die nach Hilfe fragende Person erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II ist. Käme es bei dieser Feststellung zu einem Streit zwischen der Agentur für Arbeit und dem zuständigen kommunalen Träger, wäre gemäß § 44 a Satz 2 SGB II eine Einigungsstelle für die Entscheidung zuständig. Bis zu dieser Entscheidung der Einigungsstelle hätte die Agentur für Arbeit - oder die zuständige Arbeitsgemeinschaft - die Grundsicherung für Arbeitsuchende zu erbringen.
Diesem Verfahren verweigert sich der ASt trotz berechtigter Zweifel an seiner Erwerbsfähigkeit durch den Ag dadurch, dass er den gemäß § 37 Abs 1 SGB II erforderlichen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht stellt. Der Grundsatz der Nachrangigkeit der Leistungen der Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 SGB XII) schließt es jedoch aus, dass dem Hilfesuchenden ein Wahlrecht zugestanden wird, welche Hilfe bzw. welchen Leistungsträger er in Anspruch nehmen will. Er kann ein solches Wahlrecht letztlich auch nicht dadurch erzwingen, dass er lediglich Hilfe nach dem SGB XII beantragt, und so die Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit verhindert (vgl zu alledem Linhardt/Adolph, SGB II, SGB XII und AsylbLG, Stand: Oktober 2005, § 2 SGB XII RdNr 8 mwN).
Eine abschließende Güter- und Folgenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch eine genaue Lesart der vom Kläger eingereichten umfangreichen Schriftsätze lässt keinen substantiierten Grund dafür erkennen, warum er sich der vom Ag als erforderlich angesehenen Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit auf Dauer entzieht. Sowohl die vom Ag beabsichtigte ärztliche Untersuchung des ASt als auch eine Antragstellung nach § 37 Abs 1 SGB II sind dem Kläger ohne jeglichen Zweifel zumutbar. Im Falle einer solchen Antragstellung wäre sein Leistungsbezug gemäß § 44 a SGB II ohne Unterbrechung gewährleistet.
Nach alledem hat die Beschwerde des ASt insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsteller (ASt) auf Grund eigener Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 8 Abs 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hat.
Der 1963 geborene ASt bezog seit März 2004 Leistungen der Sozialhilfe nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Mit Bescheid vom 27.12.2004 bewilligte der Antragsgegner (Ag) dem ASt Sozialhilfeleistungen wegen ungeklärter Ansprüche gegen Versicherungen wegen Unfalls darlehensweise für Januar 2005 in Höhe von 536,00 EUR. Der ASt lebe mit Frau C. K. in eheähnlicher Gemeinschaft. Zeitgleich forderte der Ag den ASt auf, bis 20.01.2005 ein Attest eines Facharztes darüber vorzulegen, ob er arbeitsfähig oder auf absehbare Zeit erwerbsunfähig sei.
Ausweislich eines Attestes des Dr.G. war der ASt seinerzeit arbeitsunfähig. Ein Ende der Arbeitsunfähigkeit sei nicht absehbar gewesen.
Mit Bescheid vom 01.03.2005 stellte der Ag die Hilfe zum Lebensunterhalt mit Ablauf des 28.02.2005 an den ASt ein. Der ASt habe die vom Ag anberaumten Termine zur ärztlichen Untersuchung im staatlichen Gesundheitsamt am 15.02.2005, am 22.02.2005 und am 01.03.2005 nicht wahrgenommen, obwohl er auf die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung gemäß § 60 ff Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hingewiesen worden sei. Es bestünden hinreichende Zweifel am Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit des ASt. Von der Dauer dieser Arbeitsunfähigkeit hänge es ab, ob der ASt Arbeitslosengeld II beantragen müsse oder ob weitere Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen seien.
Hiergegen erhob der ASt mit Schreiben vom 14.03.2005 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden wurde.
Am 16.03.2005 beantragte der ASt beim Sozialgericht München (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt ab 01.03.2005 in Höhe von 536,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Er sei auf die Geldleistung dringend angewiesen. Er besitze weder Geld noch andere verwertbare Vermögensgegenstände und müsse dringend benötigte Medikamente und Lebensmittel kaufen. Nach seiner Ansicht genügten die vorgelegten amtsärztlichen Atteste niedergelassener Ärzte, um seine fehlende Erwerbsfähigkeit hinreichend zu beurteilen. Er sei damit seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen.
Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.
Eine Untersuchung durch einen Amtsarzt sei nach § 62 SGB I erforderlich, weil nach der langen Zeit der Arbeitsunfähigkeit des ASt Zweifel an deren Fortbestehen bestünden. Die vorgelegten ärztlichen Atteste vom 20.01.2005, vom 08.12.2003 und vom 12.07.2004 reichten für eine sichere Feststellung hier nicht aus, um die Frage eines Leistungsbezuges nach dem SGB II oder aber nach dem SGB XII sicher zu entscheiden. Insbesondere sei die Untersuchung des ASt durch den Amtsarzt zumutbar.
Die Beteiligten setzten den Streit um die Frage der Erwerbsfähigkeit des ASt fort.
Der Ag sagte mit Schreiben vom 06.06.2005 die Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt einschl. der Hilfe zur Gesundheit ab dem 01.06.2005 zu. Der ASt bestand weiterhin auf rückwirkende Leistungsbewilligung ab dem 01.03.2005.
Mit Telefax vom 04.08.2005 kündigte der ASt an, den Begutachtungstermin am 10.08.2005 nicht einzuhalten.
Das SG lehnte mit Beschluss vom 05.08.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Nach §§ 8, 19 SGB XII erhielten Leistungen der Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt nur diejenigen Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen können. Dem ASt stünden aber solche vorrangigen Mittel zur Seite, weil er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht hinreichend glaubhaft machen konnte, dass er nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II sei. Bei dieser Sachlage sei es ihm zuzumuten, sich zunächst an den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende um Hilfeleistung zu wenden.
Hiergegen wendet sich der ASt mit seiner beim Bayer. Landessozialgericht am 08.09.2005 eingegangenen Beschwerde.
Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 05.08.2005 den Ag im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm für die Monate ab März 2005 bis zum heutigen Tage und darüberhinaus Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 536,00 EUR monatlich zu bewilligen.
Er setzt sich ausführlich mit den Fragen zu seiner Erwerbsfähigkeit auseinander und bezieht sich weiterhin auf die bisher vorgelegten ärztlichen Atteste.
Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Dem ASt sei für den Monat Juni 2005 der Regelsatz von 307,00 EUR zuzüglich eines Mietanteils von 195,00 EUR bewilligt worden und für die Monate Juli bis August 2005 der Regelsatz von 307,00 EUR. Für diesen Zeitraum habe der ASt auch Krankenhilfe erhalten. Auch sei den Bedenken des ASt wegen der Objektivität eines Amtsarztes Rechnung getragen worden. Der Amtsarzt hätte einen Facharzt von einer auswärtigen Klinik beigezogen. Die Untersuchung hätte in den Räumen des Landratsamtes stattfinden sollen, um dem Beschwerdeführer unnötige Wege und damit auch Kosten zu ersparen. Der Ag bestreite weiterhin die Erwerbsunfähigkeit des ASt im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II und verweise weiterhin darauf, dass die Ansprüche des ASt nach dem SGB II vorrangig seien. Der ASt habe sich bislang noch nicht bei der zuständigen Arbeitsgemeinschaft gemeldet, um Leistungen nach dem SGB II zu beantragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat es zu Recht abgelehnt, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII an den ASt für den Zeitraum ab dem 01.03.2005 in Höhe von 536,00 EUR monatlich zu verpflichten.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Auflage 2005, RdNr 643).
Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der ASt Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Auflage 2005, § 86 b RdNr 1).
Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu iE BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) zeigt sich, dass dem ASt teilweise kein Anordnungsgrund und im Übrigen auch kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch noch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Soweit der ASt Leistungen der Sozialhilfe für den Zeitraum vom 01.03.2005 bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichtes begehrt, hält der Senat die Sache für nicht eilbedürftig. Der insoweit geltend gemachte Anspruch betrifft einen abgelaufenen Bewilligungszeitraum. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass Leistungen der Sozialhilfe für bereits abgelaufene Bewilligungszeiträume nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beansprucht werden können. Eine Ausnahme hiervon hat der ASt substantiiert nicht dargelegt.
Im Übrigen konnte der ASt auch das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft machen. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im hier angefochtenen Beschluss vom 05.08.2005, denen er gemäß § 142 Abs 2 Satz 3 SGG folgt.
Hinsichtlich der Einlassungen des ASt im Beschwerdeverfahren ist nur noch ergänzend anzumerken, dass die Bedenken des Ag gegen das zeitlich unbegrenzte Fortbestehen der Arbeits- oder aber Erwerbsunfähigkeit des ASt nachvollziehbar sind. Gemäß § 8 Abs 1 SGB II ist jeder erwerbsfähig, der nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die ärztlichen Atteste und Stellungnahmen, auf die sich der ASt stützt, sind nicht geeignet, die Frage der Erwerbsfähigkeit des ASt in diesem Sinne aktuell zu beantworten.
Gemäß § 44 a Satz 1 SGB II fällt es in die Zuständigkeit der Agentur für Arbeit, festzustellen, ob die nach Hilfe fragende Person erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II ist. Käme es bei dieser Feststellung zu einem Streit zwischen der Agentur für Arbeit und dem zuständigen kommunalen Träger, wäre gemäß § 44 a Satz 2 SGB II eine Einigungsstelle für die Entscheidung zuständig. Bis zu dieser Entscheidung der Einigungsstelle hätte die Agentur für Arbeit - oder die zuständige Arbeitsgemeinschaft - die Grundsicherung für Arbeitsuchende zu erbringen.
Diesem Verfahren verweigert sich der ASt trotz berechtigter Zweifel an seiner Erwerbsfähigkeit durch den Ag dadurch, dass er den gemäß § 37 Abs 1 SGB II erforderlichen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht stellt. Der Grundsatz der Nachrangigkeit der Leistungen der Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 SGB XII) schließt es jedoch aus, dass dem Hilfesuchenden ein Wahlrecht zugestanden wird, welche Hilfe bzw. welchen Leistungsträger er in Anspruch nehmen will. Er kann ein solches Wahlrecht letztlich auch nicht dadurch erzwingen, dass er lediglich Hilfe nach dem SGB XII beantragt, und so die Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit verhindert (vgl zu alledem Linhardt/Adolph, SGB II, SGB XII und AsylbLG, Stand: Oktober 2005, § 2 SGB XII RdNr 8 mwN).
Eine abschließende Güter- und Folgenabwägung führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch eine genaue Lesart der vom Kläger eingereichten umfangreichen Schriftsätze lässt keinen substantiierten Grund dafür erkennen, warum er sich der vom Ag als erforderlich angesehenen Feststellung seiner Erwerbsfähigkeit auf Dauer entzieht. Sowohl die vom Ag beabsichtigte ärztliche Untersuchung des ASt als auch eine Antragstellung nach § 37 Abs 1 SGB II sind dem Kläger ohne jeglichen Zweifel zumutbar. Im Falle einer solchen Antragstellung wäre sein Leistungsbezug gemäß § 44 a SGB II ohne Unterbrechung gewährleistet.
Nach alledem hat die Beschwerde des ASt insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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