Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 SO 36/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 597/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Kosten der Heimunterbringung des Antragstellers (ASt) in der Einrichtung der Lebensgemeinschaft H. , V. , für den Zeitraum vom 16.10.2005 (= Aufnahme des Ast) bis zum 31.12.2005.
Der 1985 geborene ASt leidet am Down-Syndrom (Trisomie 21). Sein Grad der Behinderung beläuft sich ausweislich seines Behindertenausweises auf 100 vH. Ausweislich einer Mitteilung der Betriebskrankenkasse der B. AG vom 01.06.1995 fällt er seither unter die Pflegestufe 1. Eine Nachuntersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) vom 11.08.2004 bestätigte diese Zuordnung.
Am 08.07.2004 beantragte der ASt beim Antragsgegner (Ag) die Übernahme der Kosten für die Heimunterbringung in der o.g. Einrichtung ab dem 01.01.2005.
Mit Schreiben vom 10.08.2004 wies der Ag darauf hin, dass nach seiner Ansicht bei der vorliegenden Behinderung des ASt eine Heimunterbringung nicht zwingend erforderlich sei. Nach Beendigung seiner Schulpflicht im Juli 2005 sei es dem ASt möglich, wohnortnah eine Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen bei der Lebenshilfe L. - teilstationär - zu erhalten.
Der ASt machte hiergegen geltend, eine Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen der Lebenshilfe L. sei nicht ausreichend. Auf Grund seiner Behinderung sei eine ständige Betreuung zwingend notwendig. Seine beiden Eltern würden in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, wobei die Mutter variable Beschäftigungszeiten habe. Sie leide aber ausweislich eines ärztlichen Attestes an einer chronischen Depression, auf Grund derer sie nicht mehr in der Lage sei, die weitere Pflege ihres behinderten Sohnes zu übernehmen. Die Großmutter des ASt könne aus Altersgründen seine Pflege nicht bewerkstelligen.
Weitere Ermittlungen des Ag ergaben, dass der ASt eine Anleitung, Unterstützung sowie Beaufsichtigung bei der Körperpflege, beim Anziehen, bei der Zubereitung des Essens, Aktivierung und Motivation sowie bei der Einhaltung von Tagesabläufen und Zeitplänen benötige.
Bei einer Fallkonferenz am 10.01.2005 konnte keine Einigung erzielt werden.
Mit Bescheid vom 02.03.2005 lehnte der Ag den Antrag des ASt auf Kostenübernahme für die Heimunterbringung ab. Der Grundsatz ambulante oder teilstationäre Leistung vor stationären Leistungen zu bewilligen habe im Sozialhilferecht stets Vorrang (§ 13 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch -SGB XII-). Wünschen des ASt solle in der Regel nicht entsprochen werden, wenn deren Erfüllung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei. Nach eingehender Überprüfung habe sich gezeigt, dass für eine Heimaufnahme des ASt keine zwingende Notwendigkeit bestehe. Die ungünstigen Zeiten und etwa lange Fahrzeiten mit dem Bus müssten auch andere Menschen mit Behinderungen in Kauf nehmen. Die notwendige Integration des ASt sei durch den täglichen Besuch der Behindertenwerkstätte gewährleistet.
Hiergegen wandte sich der ASt mit seinem Widerspruch vom 29.03.2005, den die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2005 zurückwies. Der ASt sei durch die tägliche teilstationäre Werkstattunterbringung ausreichend in das Leben der Gesellschaft eingegliedert. Zwingende Gründe für eine mit erheblichen Kosten verbundene stationäre Unterbringung lägen nicht vor. Darüberhinaus würde ein Besuch der Behindertenwerkstatt eine wesentliche Entlastung der Familie bedeuten, weil sich der ASt in der Regel täglich von ca. 7 Uhr bis 17 Uhr nicht zu Hause aufhalte.
Hiergegen erhob der ASt Klage zum Sozialgericht Landshut (SG).
Gleichzeitig beantragte er am 09.06.2005 beim SG, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für seine Unterbringung im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. e.V., V. zu übernehmen.
Der ASt benötige eine Aufsicht rund um die Uhr. Das sei von den Eltern nicht mehr zu leisten. Er reagiere bei zeitlichem Druck mit epileptischen Anfällen und mit monatlichen Krankheitszeiten von zwei bis vier Tagen. Sein Pflegebedarf müsse gutachtlich festgestellt werden.
In einem Gutachten des MD Dr.B. , Landratsamt D. , Abteilung Gesundheitswesen, vom 17.08.2005 wird festgestellt, dass aus medizinischer Sicht eine stationäre Heimunterbringung des ASt nicht zwingend erforderlich sei.
Der Ag beantragte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Das SG verpflichtete mit Beschluss vom 15.09.2005 den Ag, die Kosten für die Heimunterbringung des ASt im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. für die Zeit ab Aufnahme bis zum 31.12.2005 im Rahmen der Vorschriften des SGB XII zu übernehmen. Der ASt leide unstreitig am Down-Syndrom und benötige ständige Beaufsichtigung. Nach glaubhaftem Vortrag seiner Eltern könnten diese die tägliche Betreuung des ASt nicht übernehmen. Eine solche Betreuung müsse daher von anderen Hilfskräften übernommen werden, wobei sich hier eine Organisation der Pflegekräfte als schwierig erweise. Ähnliches gelte bei Krankheitszeiten des ASt oder seiner Eltern. Durch eine teilstationäre Betreuung des ASt seien diese Schwierigkeiten nicht zu überwinden, der ASt müsse in diesem Falle um 6.15 Uhr morgens aufstehen. Von einer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Heimunterbringung im Vergleich zu den Kosten, die bei ambulanter oder teilstationärer Unterbringung entstehen würden, könne keine Rede sein.
Die hiergegen erhobene Beschwerde des Ag ist beim SG am 13.10.2005 eingegangen.
Der Ag beantragt, den Beschluss des SG vom 15.09.2005 aufzuheben und den Antrag auf Kostenübernahme zurückzuweisen.
Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB XII sollen Wünsche des Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, nur entsprochen werden, wenn das nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann. Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 17.08.2005 sei eine solche stationäre Heimunterbringung des ASt nicht erforderlich. Sie mag vielleicht hilfreich sein, das genüge aber nicht den gesetzlichen Anforderungen. Auch andere Menschen müssten um 6.15 Uhr morgens das Haus verlassen. Nach einer hinreichenden Zeit der Umstellung könne der ASt in den Werkstätten für behinderte Menschen L. tagsüber untergebracht werden.
Der ASt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das amtsärztliche Gutachten vom 17.08.2005 sei überholt. Ausweislich eines Attestes des Nervenarztes Dr.S. vom 13.10.2005 leide der ASt zusätzlich an einer symptomatisch generalisierten Epilepsie. Sein Tagesablauf solle deshalb ruhig und ohne tageszeitliche Schwankungen durchgeführt werden, ein Aufstehen frühmorgens könne krampfauslösend wirken. Im weiteren ärztlichen Attest des praktischen Arztes Dr.L. (ohne Datum) wird zusammenfassend festgestellt, bei der Erkrankung des ASt sei ein regelmäßiger Wach- und Schlafrhythmus mit ausreichender Nachtruhe unabdingbar. Zu frühes Aufstehen könne Krampfanfälle auslösen, die den ASt erheblich gefährdeten. Das sei aus ärztlicher Sicht unbedingt zu vermeiden. Eine Unterbringung in einem geeigneten Heim erscheine aus medizinischer Sicht dringend indiziert, weil hier eine fachgerechte Betreuung des ASt zuverlässig gewährleistet sei.
Der Ag weist abschließend darauf hin, dass der ASt am 16.10.2005 im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. aufgenommen worden sei. Seit diesem Tage besuche er dort die Werkstatt für behinderte Menschen. Hieraus könne gefolgert werden, dass er diese Werkstätten auch in L. besuchen könne. Die Kosten für die Teilnahme am Arbeitsleben seien mit Bescheid vom 08.11.2005 von der Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 16.10.2005 bis 15.01.2007 übernommen worden. Nach Auskunft der Werkstattleitung seien beim ASt keine gesundheitlichen Beschwerden aufgetreten, schon gar keine erheblich gefährdenden Krampfanfälle. Laut telefonischer Auskunft der Lebenshilfeschule L. vom 23.11.2005 habe der ASt während seiner Schulzeit keine epileptischen Anfälle erlitten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung und zeitlich befristet bis zum 31.12.2005 verpflichtet, die Kosten für die Unterbringung des ASt im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. im Rahmen der Vorschriften des SGB XII zu übernehmen.
Die Regelungsanordnung des SG entspricht den gesetzlichen Anforderungen, weil der ASt im hier streitgegenständlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen konnte.
Dabei verkennt der Senat nicht die Einwendungen, die der Ag der Kostenübernahme für eine dauernde Heimunterbringung des ASt entgegensetzt. Gleichwohl ist die zeitlich befristete Entscheidung des SG rechtmäßig ergangen, weil bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) der Ausgang der beim SG anhängigen Hauptsacheklage offen ist und eine Güter- und Folgenabwägung zugunsten des ASt ausfällt.
Dabei kommt nach Auffassung des Senats den beiden letzten vorgelegten ärztlichen Attesten des praktischen Arztes Dr.L. (ohne Datum) und des Nervenarztes Dr.S. vom 13.10.2005 entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Beiden Attesten zufolge ist zumindest im Ansatz eine Gefährdung des ASt bei einer dauerhaften ambulanten Betreuung zu Hause zu entnehmen. Ebenso ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass weder die Eltern des ASt noch seine Großmutter seine Betreuung aktuell zeitweise bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens oder gar auf Dauer übernehmen können.
Es ist deshalb aus Sicht des Senates notwendig, in einem Hauptsacheverfahren den tatsächlichen ambulanten oder teilstationären Betreuungsbedarf des ASt unter Heranziehung der neuen ärztlichen Erkenntnisse gutachterlich prüfen zu lassen. Desweiteren hat der ASt die Frage der Organisation seiner Betreuung zu klären, während der Ag auf eine substantiierte Vergleichsberechnung der ambulanten und (teil-)stationären Betreuungskosten hinwirken muss.
Das SG wird vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren zu entscheiden haben, ob der ASt einen Anspruch auf stationäre Unterbringung hat, nachdem der Betreuungsbedarf des ASt - soweit im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ersichtlich - an sich unstreitig ist.
Die Beschwerde hat deshalb insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Kosten der Heimunterbringung des Antragstellers (ASt) in der Einrichtung der Lebensgemeinschaft H. , V. , für den Zeitraum vom 16.10.2005 (= Aufnahme des Ast) bis zum 31.12.2005.
Der 1985 geborene ASt leidet am Down-Syndrom (Trisomie 21). Sein Grad der Behinderung beläuft sich ausweislich seines Behindertenausweises auf 100 vH. Ausweislich einer Mitteilung der Betriebskrankenkasse der B. AG vom 01.06.1995 fällt er seither unter die Pflegestufe 1. Eine Nachuntersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) vom 11.08.2004 bestätigte diese Zuordnung.
Am 08.07.2004 beantragte der ASt beim Antragsgegner (Ag) die Übernahme der Kosten für die Heimunterbringung in der o.g. Einrichtung ab dem 01.01.2005.
Mit Schreiben vom 10.08.2004 wies der Ag darauf hin, dass nach seiner Ansicht bei der vorliegenden Behinderung des ASt eine Heimunterbringung nicht zwingend erforderlich sei. Nach Beendigung seiner Schulpflicht im Juli 2005 sei es dem ASt möglich, wohnortnah eine Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen bei der Lebenshilfe L. - teilstationär - zu erhalten.
Der ASt machte hiergegen geltend, eine Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen der Lebenshilfe L. sei nicht ausreichend. Auf Grund seiner Behinderung sei eine ständige Betreuung zwingend notwendig. Seine beiden Eltern würden in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, wobei die Mutter variable Beschäftigungszeiten habe. Sie leide aber ausweislich eines ärztlichen Attestes an einer chronischen Depression, auf Grund derer sie nicht mehr in der Lage sei, die weitere Pflege ihres behinderten Sohnes zu übernehmen. Die Großmutter des ASt könne aus Altersgründen seine Pflege nicht bewerkstelligen.
Weitere Ermittlungen des Ag ergaben, dass der ASt eine Anleitung, Unterstützung sowie Beaufsichtigung bei der Körperpflege, beim Anziehen, bei der Zubereitung des Essens, Aktivierung und Motivation sowie bei der Einhaltung von Tagesabläufen und Zeitplänen benötige.
Bei einer Fallkonferenz am 10.01.2005 konnte keine Einigung erzielt werden.
Mit Bescheid vom 02.03.2005 lehnte der Ag den Antrag des ASt auf Kostenübernahme für die Heimunterbringung ab. Der Grundsatz ambulante oder teilstationäre Leistung vor stationären Leistungen zu bewilligen habe im Sozialhilferecht stets Vorrang (§ 13 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch -SGB XII-). Wünschen des ASt solle in der Regel nicht entsprochen werden, wenn deren Erfüllung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden sei. Nach eingehender Überprüfung habe sich gezeigt, dass für eine Heimaufnahme des ASt keine zwingende Notwendigkeit bestehe. Die ungünstigen Zeiten und etwa lange Fahrzeiten mit dem Bus müssten auch andere Menschen mit Behinderungen in Kauf nehmen. Die notwendige Integration des ASt sei durch den täglichen Besuch der Behindertenwerkstätte gewährleistet.
Hiergegen wandte sich der ASt mit seinem Widerspruch vom 29.03.2005, den die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2005 zurückwies. Der ASt sei durch die tägliche teilstationäre Werkstattunterbringung ausreichend in das Leben der Gesellschaft eingegliedert. Zwingende Gründe für eine mit erheblichen Kosten verbundene stationäre Unterbringung lägen nicht vor. Darüberhinaus würde ein Besuch der Behindertenwerkstatt eine wesentliche Entlastung der Familie bedeuten, weil sich der ASt in der Regel täglich von ca. 7 Uhr bis 17 Uhr nicht zu Hause aufhalte.
Hiergegen erhob der ASt Klage zum Sozialgericht Landshut (SG).
Gleichzeitig beantragte er am 09.06.2005 beim SG, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für seine Unterbringung im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. e.V., V. zu übernehmen.
Der ASt benötige eine Aufsicht rund um die Uhr. Das sei von den Eltern nicht mehr zu leisten. Er reagiere bei zeitlichem Druck mit epileptischen Anfällen und mit monatlichen Krankheitszeiten von zwei bis vier Tagen. Sein Pflegebedarf müsse gutachtlich festgestellt werden.
In einem Gutachten des MD Dr.B. , Landratsamt D. , Abteilung Gesundheitswesen, vom 17.08.2005 wird festgestellt, dass aus medizinischer Sicht eine stationäre Heimunterbringung des ASt nicht zwingend erforderlich sei.
Der Ag beantragte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Das SG verpflichtete mit Beschluss vom 15.09.2005 den Ag, die Kosten für die Heimunterbringung des ASt im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. für die Zeit ab Aufnahme bis zum 31.12.2005 im Rahmen der Vorschriften des SGB XII zu übernehmen. Der ASt leide unstreitig am Down-Syndrom und benötige ständige Beaufsichtigung. Nach glaubhaftem Vortrag seiner Eltern könnten diese die tägliche Betreuung des ASt nicht übernehmen. Eine solche Betreuung müsse daher von anderen Hilfskräften übernommen werden, wobei sich hier eine Organisation der Pflegekräfte als schwierig erweise. Ähnliches gelte bei Krankheitszeiten des ASt oder seiner Eltern. Durch eine teilstationäre Betreuung des ASt seien diese Schwierigkeiten nicht zu überwinden, der ASt müsse in diesem Falle um 6.15 Uhr morgens aufstehen. Von einer Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Heimunterbringung im Vergleich zu den Kosten, die bei ambulanter oder teilstationärer Unterbringung entstehen würden, könne keine Rede sein.
Die hiergegen erhobene Beschwerde des Ag ist beim SG am 13.10.2005 eingegangen.
Der Ag beantragt, den Beschluss des SG vom 15.09.2005 aufzuheben und den Antrag auf Kostenübernahme zurückzuweisen.
Nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB XII sollen Wünsche des Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, nur entsprochen werden, wenn das nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann. Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 17.08.2005 sei eine solche stationäre Heimunterbringung des ASt nicht erforderlich. Sie mag vielleicht hilfreich sein, das genüge aber nicht den gesetzlichen Anforderungen. Auch andere Menschen müssten um 6.15 Uhr morgens das Haus verlassen. Nach einer hinreichenden Zeit der Umstellung könne der ASt in den Werkstätten für behinderte Menschen L. tagsüber untergebracht werden.
Der ASt beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Das amtsärztliche Gutachten vom 17.08.2005 sei überholt. Ausweislich eines Attestes des Nervenarztes Dr.S. vom 13.10.2005 leide der ASt zusätzlich an einer symptomatisch generalisierten Epilepsie. Sein Tagesablauf solle deshalb ruhig und ohne tageszeitliche Schwankungen durchgeführt werden, ein Aufstehen frühmorgens könne krampfauslösend wirken. Im weiteren ärztlichen Attest des praktischen Arztes Dr.L. (ohne Datum) wird zusammenfassend festgestellt, bei der Erkrankung des ASt sei ein regelmäßiger Wach- und Schlafrhythmus mit ausreichender Nachtruhe unabdingbar. Zu frühes Aufstehen könne Krampfanfälle auslösen, die den ASt erheblich gefährdeten. Das sei aus ärztlicher Sicht unbedingt zu vermeiden. Eine Unterbringung in einem geeigneten Heim erscheine aus medizinischer Sicht dringend indiziert, weil hier eine fachgerechte Betreuung des ASt zuverlässig gewährleistet sei.
Der Ag weist abschließend darauf hin, dass der ASt am 16.10.2005 im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. aufgenommen worden sei. Seit diesem Tage besuche er dort die Werkstatt für behinderte Menschen. Hieraus könne gefolgert werden, dass er diese Werkstätten auch in L. besuchen könne. Die Kosten für die Teilnahme am Arbeitsleben seien mit Bescheid vom 08.11.2005 von der Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 16.10.2005 bis 15.01.2007 übernommen worden. Nach Auskunft der Werkstattleitung seien beim ASt keine gesundheitlichen Beschwerden aufgetreten, schon gar keine erheblich gefährdenden Krampfanfälle. Laut telefonischer Auskunft der Lebenshilfeschule L. vom 23.11.2005 habe der ASt während seiner Schulzeit keine epileptischen Anfälle erlitten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung und zeitlich befristet bis zum 31.12.2005 verpflichtet, die Kosten für die Unterbringung des ASt im Heimbereich der Lebensgemeinschaft H. im Rahmen der Vorschriften des SGB XII zu übernehmen.
Die Regelungsanordnung des SG entspricht den gesetzlichen Anforderungen, weil der ASt im hier streitgegenständlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen konnte.
Dabei verkennt der Senat nicht die Einwendungen, die der Ag der Kostenübernahme für eine dauernde Heimunterbringung des ASt entgegensetzt. Gleichwohl ist die zeitlich befristete Entscheidung des SG rechtmäßig ergangen, weil bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. dazu BVerfG vom 12.05.2005 NDV-RD 2005, 59) der Ausgang der beim SG anhängigen Hauptsacheklage offen ist und eine Güter- und Folgenabwägung zugunsten des ASt ausfällt.
Dabei kommt nach Auffassung des Senats den beiden letzten vorgelegten ärztlichen Attesten des praktischen Arztes Dr.L. (ohne Datum) und des Nervenarztes Dr.S. vom 13.10.2005 entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Beiden Attesten zufolge ist zumindest im Ansatz eine Gefährdung des ASt bei einer dauerhaften ambulanten Betreuung zu Hause zu entnehmen. Ebenso ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass weder die Eltern des ASt noch seine Großmutter seine Betreuung aktuell zeitweise bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens oder gar auf Dauer übernehmen können.
Es ist deshalb aus Sicht des Senates notwendig, in einem Hauptsacheverfahren den tatsächlichen ambulanten oder teilstationären Betreuungsbedarf des ASt unter Heranziehung der neuen ärztlichen Erkenntnisse gutachterlich prüfen zu lassen. Desweiteren hat der ASt die Frage der Organisation seiner Betreuung zu klären, während der Ag auf eine substantiierte Vergleichsberechnung der ambulanten und (teil-)stationären Betreuungskosten hinwirken muss.
Das SG wird vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren zu entscheiden haben, ob der ASt einen Anspruch auf stationäre Unterbringung hat, nachdem der Betreuungsbedarf des ASt - soweit im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ersichtlich - an sich unstreitig ist.
Die Beschwerde hat deshalb insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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