L 5 R 568/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 722/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 568/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1947 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernt, aber nach eigenen Angaben sechs Wochen eine Ausbildung zur Näherin gemacht hat, war von 1968 bis 05.10.2000 als Näherin in Heimarbeit tätig. Ihr Arbeitgeber, die Firma P. , Bademoden, W.P. , teilte am 11.03.2004 mit, die Anlernzeit für die entsprechende Tätigkeit habe drei Monate betragen.

Die Klägerin, die ab 29.03.1999 arbeitsunfähig war, ist seit 06.10.2000 arbeitslos. Sie ist seit Oktober 1996 wegen Migräne, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen und Bluthochdruck als Schwerbehinderte anerkannt.

Auf ihren Rentenantrag vom 06.07.2000 wurde die Klägerin auf Veranlassung der Beklagten von dem Chirurgen Dr.M. begutachtet. Dieser hielt die Klägerin als Näherin für nicht mehr einsatzfähig, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung, häufiges Bücken, Einwirkung reizender Gase, Dämpfe und Stäube noch für vollschichtig zumutbar. Dementsprechend wurde der Rentenantrag am 14.09.2000 von der Beklagten abgelehnt, der Widerspruch am 14.11.2000 zurückgewiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 20.11.2000 Klage erhoben. Nach Einholung von Befundberichten der Doktoren H. (Lungenfacharzt) und S. (Allgemeinarzt) hat das Gericht am 06.09.2001 von Dr.G. , Arzt für öffentliches Gesundheitswesen, Sozial- und Umweltmedizin, ein Terminsgutachten erstellen lassen. Dieser hat eine deutliche Erwerbsminderung auf Grund des Asthmaleidens und der Bluthochdruckerkrankung bejaht und neben qualitativen Einschränkungen für die Zeit bis 31.12.2000 ein halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen und für die Zeit danach ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden bejaht.

Die Beklagte hat für eine quantitative Leistungseinschränkung keine ausreichende Begründung gesehen, da Bluthochdruck und Asthmaleiden therapiefähig seien und eine weitere gutachterliche Abklärung für notwendig erachtet. Nach Einholung eines Verlaufsberichts der Dr.S. betreffend die Blutdruckwerte hat das Gericht den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. und den Internisten und Lungenfacharzt Dr.M. zu Gutachtern bestimmt. Der Nervenarzt hat in seinem Gutachten vom 05.12.2001 nach ambulanter Untersuchung unter anderem ein depressives Syndrom mit Somatisierung diagnostiziert. Er hat lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bejaht und ist bis Ende 2000 von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgegangen. Entsprechend der Beurteilung im Vorgutachten der LVA sei die Klägerin ab 01.01.2001 sechs Stunden täglich leistungsfähig. Als Näherin könne die Klägerin nicht mehr arbeiten, den Anforderungen eines gleichwertigen Berufs sei sie auch nach dreimonatiger Anlernung nicht mehr gewachsen; sie besitze dafür auch nicht das notwendige Anpassungs- und Umstellungsvermögen. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen könne sie noch Tätigkeiten in der Warenausgabe oder im Kartenverkauf vollschichtig ausüben. Dr.M. hat in seinem zusammenfassenden Gutachten vom 18.03.2002 nach ambulanter Untersuchung ein endogenes Asthma bronchiale mit bronchialer Überempfindlichkeit, einen Bluthochdruck und ein Krampfaderleiden beidseits diagnostiziert und nur qualitative Leistungseinschränkungen angenommen. Ausgeschlossen seien schwere körperliche Tätigkeiten, Heben und Tragen von Lasten von mehr als fünf Kilo, Zwangshaltung, Überkopfarbeiten, vermehrtes Knien, Bücken, Nässe- und Kälteexposition, Schichtdienst und Akkord. Der Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen müsse möglich sein, Arbeiten könnten nur in sauberer Luft erbracht werden.

Von Klägerseite ist dagegen eingewandt worden, die Gutachter widersprächen der Beurteilung Dr.G ... Die notwendigen Rahmenbedingungen seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht existent und die Klägerin verfüge über kein ausreichendes Anpassungs- und Umstellungsvermögen.

Nach Einholung eines aktuellen Befundberichts von Dr.S. hat das Gericht ein weiteres Gutachten durch den Chirurgen Dr.S. erstellen lassen. Dieser hat als zusätzliche Leis-tungseinschränkungen Funktionsbehinderungen in den Schultergelenken, leichte Aufbrauchserscheinungen in den Handgelenken und ein depressives Syndrom genannt und die bereits genannten qualitativen Leistungseinschränkungen wiederholt. Leichte Büroarbeiten, Sortier-, Montier- und Verpackungstätigkeiten habe die Klägerin bis Ende 2000 vollschichtig, danach mindestens sechs Stunden täglich ausüben können.

Das Sozialgericht Regensburg hat die Klage mit Urteil vom 12.05.2003, gestützt auf die Gutachten M. , K. und S. , abgewiesen. Das Gutachten Dr.G. sei nicht überzeugend, da ein exzessiver Bluthochdruck, wie von ihm angenommen, nicht vorliege.

Gegen dieses am 25.09.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.10.2003 Berufung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, eine Vielzahl von Gesundheitsstörungen bedeute eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, so dass ihr der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Wegen ihrer eingeschränkten Umstellungsfähigkeit stehe ihr zumindest Berufsunfähigkeitsrente zu. Nachdem Dr.S. am 06.02.2004 über eine Tendenz zur Verschlechterung berichtet und unter anderem den Arztbrief des Nervenarztes Dr.L. von Oktober 2002 vorgelegt hatte, wonach die Klägerin unter einem zervikogenen Kopfschmerz bei Zervikozephalsyndrom, psychogen überlagert, leidet, hat der Senat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.M. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 12.08.2004 nach ambulanter Untersuchung am 04.08.2004 folgende Gesundheitsstörungen genannt: Somatisierungsstörung, Dysthymie, Verdacht auf rechtsseitiges Karpaltunnelsyndrom bei Zustand nach operativer Revision 1983, episodischer Spannungskopfschmerz, Migräne und chronisches Halswirbelsäulen-/Lendenwirbelsäulensyndrom ohne funktionelle Defizite. Seines Erachtens kann die Klägerin ohne Gefährdung ihrer Restgesundheit leichte körperliche Arbeiten unter betriebsüblichen Bedingungen vollschichtig verrichten. Eine Beeinträchtigung der Feinmotorik sei nicht feststellbar, so dass sie durchaus als Montiererin, Sortiererin etc. erwerbstätig sein könne. Ein entsprechendes Umstellungs- und Anpassungsvermögen könne vorausgesetzt werden, nachdem sich keine Hinweise für eine Beeinträchtigung der Auffassungsgabe oder Konzentration ergeben hätten. Unzumutbar seien Arbeiten in Nachtschicht, Akkord, mit Kälte- und Nässeexposition, mit regelmäßigem Heben und Tragen von Lasten über fünf Kilo und in einförmiger Ausgangsposition.

Von Klägerseite ist dagegen eingewandt worden, die Funktionsdiagnostik sei nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige sei für orthopädische Beschwerden nicht kompetent und habe die Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet nicht berücksichtigt. Er habe auch das Vorliegen eines Fibromyalgiesyndroms nicht geprüft und nicht angegeben, ob er eine Schmerzerkrankung annehme. Weshalb er eine ausreichende Anpassungsfähigkeit bejahe, sei nicht nachvollziehbar. Dr.S. hat im Attest vom 17.09.2004 bescheinigt, dass die Klägerin körperlich und psychisch nicht belastbar sei und daher nicht mehr einer geregelten Tätigkeit nachgehen könne.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.03.2005 hat Dr.M. dargelegt, dass die Feststellungen in seinem Gutachten keiner ergänzenden Diagnostik mit Apparaten bedürften. Die krankhaften Veränderungen einschließlich des Verdachts auf Karpaltunnelsyndrom könnten die Beschwerden in ihrer Ausprägung nicht vollständig erklären. Bezüglich der Fibromyalgie bestehe aus nervenärztlicher Sicht eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Krankheitsbild einer Somatisierungsstörung wie vorliegend beschrieben. Zusammenfassend hätten sich im Rahmen der durchgeführten Untersuchung während der dabei auch durchgeführten Verlaufsbeobachtung hinsichtlich des Bewegungsablaufes keine Hinweise für funktionelle Defizite ergeben, die eine Leistungseinschränkung über das beschriebene Maß hinaus begründen würden.

Auf Antrag der Klägerin ist der Orthopäde Dr.S. gehört worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.06.2005 als Diagnosen genannt: Fibromyalgie, Osteoporose, CTS-rezidiv, Zerviko-brachialsyndrom, Lumboischialgie beidseits, Supraspinatussehnenruptur, Ellenbogengelenksarthrose beidseits, Handgelenksarthrose, Zustand nach Ganglionoperation Mai 2005 und Chondropathia patellae.

Seines Erachtens bestehen die hauptsächlichen Gesundheitsstörungen bereits ab Antrag im August 2000. Die Klägerin könne auf dem Arbeitsmarkt keine Tätigkeit über drei Stunden mehr erbringen und die Wegefähigkeit sei auf unter 4 x 500 m herabgesunken.

Dagegen ist von Seiten der Beklagten (Dr.S. , Chirurg und Internist) am 19.10.2005 eingewandt worden, bei der Beurteilung einer Schmerzkrankheit sei der Aussagewert nervenärztlicher Gutachten entscheidend. Gegen das von Dr.S. beschriebene Ausmaß der Leistungseinschränkung spreche, dass die Klägerin keine regelmäßige Schmerzmedikation erfahre. Zwar lägen deutlichere somatische Funktionseinschränkungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule und beider Schultern vor, daraus resultiere aber keine zeitliche Leistungseinschränkung. Ebenso wenig könne die Einschränkung der Wegefähigkeit nachvollzogen werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12.05.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 14.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 zu verurteilen, ihr ab 01.08.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12.05.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Schwerbehindertenakten, der Kopien aus der Akten der Agentur für Arbeit R. , der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12.05.2003 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 14.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2000. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Klägerin ist nicht erwerbsunfähig.

Maßgebende Rechtsgrundlage für einen Rentenanspruch der Klägerin ist entsprechend der Antragstellung am 06.07.2000 § 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 maßgebenden Fassung (§ 300 Abs.2 SGB VI). Danach sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder -einkommen zu erzielen, das monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.1 Satz 1 und Satz 2 Ziffer 2 SGB VI a.F.). Die Klägerin ist nach wie vor vollschichtig leistungsfähig.

Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das ausführliche und überzeugende Gutachten des Sachverständigen Dr.M. , der die zahlreich vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt und seine Beurteilung schlüssig begründet hat. Er hat die Klägerin umfangreich persönlich untersucht und sie in Übereinstimmung mit den im Klageverfahren zugezogenen Dres.K. , M. und S. für in der Lage gehalten, einen Achtstundentag mit den üblichen Arbeitspausen zu bewältigen. Auch der im Verwaltungsverfahren gehörte Dr.M. hat keinen Zweifel daran geäußert, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch einsatzfähig ist. Die entgegengesetzte Beurteilung Dr.G. und Dr.S. vermochte nicht zu überzeugen.

Entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit kommt den Auswirkungen der Schmerzkrankheit zu. Das Asthmaleiden und die Bluthochdruckerkrankung, die Dr.G. bei seiner Untersuchung am 06.09.2001 im Vordergrund des Beschwerdebilds gesehen hat, haben sich nach weiterer Abklärung mittels Befundberichten und der fachärztlichen Untersuchung durch Dr.M. als nicht so schwerwiegend erwiesen, wie Dr.G. sie eingeschätzt hatte. Das seit ca. 1995/96 bekannte Asthma bronchiale nimmt vor allen Dingen bei Infekten der Atemwege sowie bei ungünstigen klimatischen Umgebungsbedingungen wie z.B. Kälte, Nässe, Zugluft, Staub, Rauch oder Vorhandensein anderer inhalativer Noxen zu. Unter laufender Therapie ist die Klägerin relativ beschwerdefrei von Seiten der Bronchien. Insbesondere ergab die Überprüfung der Lungenfunktion normale Parameter. Dies wird auch von dem behandelnden Lungenarzt Dr.H. in seinem Befundbericht vom 01.04.2003 bestätigt. Die seit mehreren Jahren bekannte arterielle Hypertonie ist zwar nicht ausreichend eingestellt, hat aber keine Auswirkungen auf das Herzkreislaufsystem. Mit den internistischen Krankheiten sind daher lediglich qualitative Einschränkungen, nämlich der Ausschluss von Akkordarbeiten, von schweren körperlichen Arbeiten und von Tätigkeiten unter ungünstigen klimatischen Umgebungsbedingungen, verbunden. Eine zeitliche Leistungseinschränkung, wie von Dr.G. postuliert, ist daraus nicht ableitbar.

Die orthopädischen Veränderungen allein sind auch nach Ansicht Dr.S. nicht geeignet, eine zeitliche Leistungseinschränkung zu begründen. Zwar weist er auch auf degenerative Veränderungen im Bewegungsapparat hin, insbesondere neben einer Osteoporose auf degenerative Veränderungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, im Bereich der Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke. Höhergradige Funktionseinschränkungen sind insbesondere im Bereich von Brust- und Lendenwirbelsäule sowie beiden Schultergelenken zu verzeichnen, wohingegen es sich bei den übrigen Gelenken um eher geringgradige Einschränkungen handelt. Das Untersuchungsergebnis betreffend der rechten Hand war auf Grund der zeitlichen Nähe zur vorangegangenen Operation im Mai 2005 für die Frage der Dauerbeeinträchtigung ohne Aussagekraft. Aus orthopädischer Sicht ergeben sich sicher folgende Einschränkungen: keine Zwangshaltungen, keine hebenden und tragenden Tätigkeiten, keine bückenden und knienden Arbeiten, nur leichte körperliche Arbeiten abwechselnd im Sitzen, Gehen und Stehen, keine Überkopfarbeiten und kein ständiges Steigen.

Nicht gefolgt werden kann Dr.S. mit seiner Ansicht, auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen sei die zumutbare Gehstrecke der Klägerin auf unter 500 m eingeschränkt. Zwar ergab die CT-Untersuchung massive Veränderungen seitens des Segments L 4/5 mit Höhenminderung des Zwischenwirbelraumes, einem Wirbelgleiten in diesem Segment, was zu einer Einengung der Nervenwurzelaustrittslöcher und zu einer Einengung des Spinalkanals führt. Dr.S. schreibt dann weiter, welche Beschwerden Patienten bei Spinalkanalstenose haben. Insbesondere müssten derartige Patienten nach einer individuell verschieden langen Gehstrecke pausieren, um anschließend wieder weiter zu gehen. Tatsächlich hat die Klägerin selbst über derartige Beschwerden niemals geklagt. Auch konnte mit Ausnahme der geklagten Klopfschmerzhaftigkeit im Bereich der gesamten Wirbelsäule im Rahmen der neurologischen Untersuchung lediglich ein unauffälliger Status erhoben werden. Insbesondere fand sich kein Nachweis für eine radikuläre Schädigung der Nervenbahnen.

Nicht gefolgt werden kann auch der Einschätzung Dr.S. , der Klägerin könnten keine Tätigkeiten mit überwiegendem Einsatz der Hände zugemutet werden. Insbesondere ist der Status einen Monat nach Durchführung einer Operation ohne Aussagekraft. An der linken Hand waren bei den Fingergelenken Fein-, Schlüssel- und Koffergriff sowie Daumenopposition und Faustschluss korrekt durchführbar. Auch bei der Untersuchung durch Dr.S. im Juli 2002 war die Handfunktion weitgehend regelrecht. Bei der Begutachtung durch Dr.M. konnten bei der Untersuchung der Feinmotorik, des Bewegungsablaufs, der Innervation und der Muskelaktivität keine erheblichen funktionellen Defizite festgestellt werden. Die geklagte Gefühllosigkeit in den beiden Händen steht einer Tätigkeit als Montiererin, Sortiererin, Verpackerin etc. nicht entgegen.

Entgegen der Ansicht Dr.S. ist bei der Klägerin kein Fibromyalgiesyndrom nachgewiesen. Zwar schreibt der Sachverständige ausführlich über den Begriff dieser Krankheit, deren Verbreitung, Genese und Therapie, lässt hingegen die Auseinandersetzung mit den individuellen Gegebenheiten der Klägerin vermissen. So schreibt er selbst, welche Indizien für die Annahme eines rentenbegründenden chronischen Schmerzsyndroms sprechen. Dazu zählt das Aufsuchen vieler verschiedener Fachärzte über Jahre hinweg. Tatsächlich ist die Klägerin seit Jahren bei ihrem Hausarzt Dr.S. und sucht gelegentlich Fachärzte auf. Insbesondere steht sie nicht in laufender nervenärztlicher Behandlung. Als weiteres Indiz nennt Dr.S. die Einnahme von Psychopharmaka und sonstiger Medikamente, weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass die Schmerzmedikation der Klägerin viel zu gering eingesetzt erscheint. Insbesondere scheint die Klägerin keine regelmäßige Schmerzmedikation einzunehmen. Dr.M. gegenüber wurde über Thomapyrin und Diclac als Bedarfsmedikation berichtet, auch Dr.S. gegenüber wurde Diclac als Bedarfsmedikation angegeben, zu Thomapyrin werden keine genauen Mengenangaben gemacht. Darüber hinaus scheint eine Schmerzmedikation mit opiathaltigen Mitteln nicht erforderlich zu sein. Auch eine regelmäßige Physiotherapie oder die Benutzung von orthopädischen Hilfsmitteln ist nicht gegeben. Schließlich fordert Dr.S. für die Annahme eines chronischen Schmerzsyndroms eine Schonhaltung der schmerzenden Körperregion mit der Folge von bereits erkennbarer Muskelverschmächtigung im paravertebralen lumbalen Bereich. Ein derartiger Befund findet sich im Gutachten jedenfalls ausdrücklich nicht. Vielmehr hat Dr.M. während seiner im Rahmen der Untersuchung durchgeführten Verlaufsbeobachtung hinsichtlich des Bewegungsablaufs keine Hinweise auf gravierende funktionelle Defizite gefunden.

Nicht gefolgt werden kann Dr.S. auch deshalb, weil er seine Beurteilung auf die Diagnose einer deutlich depressiven Komponente stützt, die mit sozialem Rückzug und geändertem Freizeitverhalten verbunden sei. Für eine derartige Diagnose fehlt dem orthopädischen Sachverständigen zweifellos die Fachkompetenz. Dr.M. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, hat nach ausführlicher ambulanter Untersuchung wenige Monate zuvor, ebenso wie Dr.K. 2001, lediglich eine subdepressiv herabgesetzte Stimmungslage vorgefunden, die ohne Hinweis für ein depressives Erleben tiefergehender Dynamik oder auch einen phasischen Verlauf war. Auch der von der Klägerin 2002 aufgesuchte Nervenarzt hat lediglich die psychogene Überlagerung eines cervicogenen Kopfschmerzes und keine deutliche depressive Komponente festgestellt. Dabei hat die Klägerin einen redlichen und gewissenhaften Eindruck hinterlassen, es ergaben sich keine Hinweise für eine Simulation oder Aggravation. Ganz im Vordergrund steht die Einengung auf die körperlich empfundenen Beschwerden in Form einer anhaltenden Schmerzsymptomatik diffuser Ausprägung mit wechselnder Akzentuierung im Sinne einer Somatisierungsstörung mit begleitender Dysthymie. Auszugehen ist daher von einer Leistungseinschränkung in qualitativer Form. Insbesondere sind keine Arbeiten in Nachtschicht oder Akkord mehr zumutbar. Aus episodischen Spannungskopfschmerzen und einem seit vielen Jahren bekannten Migräneleiden lassen sich keine weiteren Leis-tungseinschränkungen ableiten.

Zusammenfassend kann die Klägerin lediglich leichte und ruhige körperliche Tätigkeiten aus wechselnden Ausgangspositionen in temperierten und sauberen Räumen zu ebener Erde in Tischhöhe vollschichtig verrichten. Nicht mehr möglich sind Tätigkeiten auf Leitern, im Akkord und in Schichtarbeit. Mit diesem Restleistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten zu verrichten, wie sie üblicherweise von ungelernten Arbeitern gefordert werden. Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten ist von keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen. Diese ist nur in Betracht zu ziehen, wenn die Fähigkeit des Versicherten, zumindest körperlich leichte Arbeiten zu verrichten, zusätzlich in erheblichem Umfang eingeschränkt ist. Der Ausschluss von Tätigkeiten, die im Akkord oder im Schichtdienst zu erbringen sind, zählt nicht zu den Einschränkungen, die die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit zur Folge haben (BSG Großer Senat - Beschluss vom 19.12.1996 in SozR 3-2600 § 44 mit Verweis auf BSG SozR 2200 § 1246 Nr.117). Die weiteren, bei der Klägerin vorliegenden Einschränkungen wie das Heben und Tragen von Lasten, häufige Zwangshaltung, Bücken und häufiges Treppensteigen schränken das Feld leichter körperlicher Arbeiten nicht zusätzlich ein, weil diese bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst werden. Schließlich fehlen auch Anhaltspunkte für eine krankheitsbedingt eingeschränkte Umstellungsfähigkeit. Zwar hat Dr.K. in seinem Gutachten vom 05.12.2001 auf eine entsprechende Beweisfrage geantwortet, die Klägerin sei auch nach dreimonatiger Einarbeitung den Anforderungen eines einer Näherin gleichwertigen Berufes nicht mehr gewachsen, sie besitze dafür nicht das notwendige Anpassungs- und Umstellungsvermögen. Abgesehen davon, dass diese Frage nicht entscheidungsrelevant ist - die Klägerin genießt als einfach Angelernte keinen Berufsschutz und kann daher auf jegliche ungelernte Arbeit verwiesen werden -, ist diese Einschätzung nicht nachvollziehbar, weil wiederholt festgestellt worden ist, dass das Denken und die Auffassungsgabe geordnet sind und sich keine ausgeprägteren Defizite vom Krankheitswert ergaben. Angesichts uneingeschränkten Seh- und Hörvermögens und wieder hergestellter ausreichender Funktionsfähigkeit der Hände erscheinen daher Verrichtungen wie zum Beispiel Zureichen, Abnehmen, Bedienung von Maschinen, Aufsicht und Kontrolle sowie Transportieren möglich. Die Prüfung einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erübrigt sich daher ebenso wie die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.1999 in NZS 2000 S.96).

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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