L 3 U 55/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 203/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 55/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14.12.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1954 geborene Klägerin, von Beruf Krankenschwester, erkrankte im Januar 1994 während ihrer Tätigkeit im Krankenhaus (S.) an einer Hepatitis C. Um festzustellen, ob es sich um eine Berufskrankheit (BK) handelte, holte die Beklagte ein Gutachten des Prof.Dr.O. (Klinik W.) vom 19.06.1995 ein. Er stellte eine gering aktive chronische Virushepatitis C fest, Versicherungsfall 30.07.1992, Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H. Mit Bescheid vom 08.02.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27.06.1996 zurück. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Soizalgericht Speyer anerkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK. Soweit die Klägerin Verletztenrente begehrte, wies das Sozialgericht mit Urteil vom 27.05.1998 die Klage ab. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz holte der Senat ein Gutachten des Prof.Dr.S. (B.) vom 15.10.1999/04.08.2000 mit psychiatrischem Zusatzgutachten des Prof.Dr.M. vom 27.04.2000 und gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom Internisten Dr.S. vom 15.10.2001 ein. Prof.Dr.S. schätzte die MdE wegen einer chronisch-persistierenden Hepatitis auf 30 v.H. Dr.S. diagnostizierte eine chronisch aktive Hepatitis C mit mäßiger entzündlicher Aktivität und Splenomegalie sowie einer Autoimmunthyreoiditis zur Zeit euthyreod, die mit Wahrscheinlichkeit auf die anerkannte BK zurückzuführen sei. Die MdE betrage 30 v.H., höchstens 40 v.H. in Phasen mit mäßiger entzündlicher Aktivität der Erkrankung. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2001 hörte das LSG Rheinland-Pfalz den Facharzt für innere Medizin Dr.L. an. Er führte aus, "ich würde bei einer Gesamtschau der erhobenen Werte die Lebererkrankung der Klägerin als chronisch aktive Hepatitis C mit mäßig entzündlicher Aktivität einstufen und auch unter Berücksichtigung der autoimmunen Schilddrüsenerkrankung ab der Begutachtung durch Dr.S. eine MdE von 40 v.H. für angemessen erachten. Ich würde im Falle der Klägerin die entzündliche Aktivität als mäßig bezeichnen und auch die Fibrose". Daraufhin schlossen die Beteiligten folgenden Vergleich: 1. Die Beklagte erkennt die autoimmune Schilddrüsenerkrankung der Klägerin als Folge der BK im Rahmen der Nr.3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) an. 2. Die Beklagte erklärt sich bereit, der Klägerin für die Zeit vom 30.07.1992 bis 31.03.2001 Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H., anschließend von 40 v.H. zu gewähren.

Diesen Vergleich führte die Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 02.08.2002 aus.

Am 27.04.2002 beantragte die Klägerin eine höhere Rente wegen Verschlimmerung ihrer Gesundheitsschäden und mit Schreiben vom 04.08.2002 beantragte sie die individuellen Folgen ihrer BK, nämlich chronisch mäßig aktive Virushepatitis C und Autoimmun- thyreoiditis bescheidmäßig festzustellen. Die Beklagte holte ein Gutachten des Prof.Dr.S. (Klinik W.) vom 19.08.2002 ein. Dieser führte aus, eine wesentliche Änderung gegenüber den maßgeblichen Vorbefunden sei nicht objektivierbar. Um festzustellen, ob in den Erkrankungsfolgen eine Änderung eingetreten war, stellte die Beklagte am 02.09.2002 der Klägerin drei Gutachter zur Auswahl. Mit Schreiben vom 16.09.2002 und 14.10.2002 wies die Klägerin erneut darauf hin, sie habe immer noch keinen Ausführungsbescheid über ihren Versicherungsfall, erst dann werde sie sich begutachten lassen. Mit Bescheid vom 24.01.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie stelle wegen fehlender Mitwirkung das Verwaltungsverfahren ein. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Speyer. Daraufhin wies das Sozialgericht Speyer, nachdem der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19.11.2003 nachgeholt worden war, mit Urteil vom 22.01.2004 die Klage ab. Die Berufung der Klägerin vom 18.04.2004 zum LSG Rheinland-Pfalz wies dieses mit Urteil vom 31.08.2004 zurück.

Nachdem die Klägerin sich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.01.2004 vor dem Sozialgericht Speyer bereit erklärt hatte, sich begutachten zu lassen, teilte die Beklagte der Klägerin am 30.01.2004 mit, dass sie eine Begutachtung durch das Krankenhaus N. , F. (Dr.R.) und durch Dr.B. (M.) vorgesehen habe. Mit Schreiben vom 03.01.2004/03.02.2004/04.02.2004/22.02.2004/23.02.2004/ 06.04.2004 begehrte die Klägerin erneut die Feststellung der Folgen ihrer BK und legte ein Muster bei, wie sie sich die Rentenfeststellung vorstellte. Eine Aufforderung des Dr.R. (Krankenhaus N. , F.), sich am 01.03.2004 zur ambulanten Untersuchung vorzustellen, sagte die Klägerin mit Schreiben vom 02.03.2004 mit der Begründung ab, sie sei nicht in der Lage gewesen, ein ärztliches Attest wegen einer Begleitperson bzw. über ihre Fahruntüchtigkeit zu besorgen. Obwohl von der Beklagten mit Schreiben vom 07.04.2004 auf ihre Mitwirkungspflicht nach §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) I hingewiesen, nahm die Klägerin einen erneuten Untersuchungstermin bei Dr.R. am 28.04.2004 nicht wahr. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.05.2004 mit, sie stelle das Verwaltungsverfahren ein. Sie versage in vollem Umfang eventuell über den Vergleich vom 11.12.2001 hinausgehende Leistungen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 29.07.2004 zurück.

Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. Sie hat beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine rückwirkende Neubewertung der MdE infolge der BK ab 30.07.1992 vorzunehmen sowie die Aussetzung des Verfahrens, bis die Gerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz eine rechtsverbindliche Entscheidung im Hinblick auf die Rentenfeststellung getroffen habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.12.2004 abgewiesen. Es äußerte Zweifel an der Zulässigkeit der Klage, denn das Sozialgericht Speyer habe mit Urteil vom 22.01.2004 bereits über die Frage entschieden, ob die Beklagte berechtigt war, allein wegen der fehlenden Mitwirkung der Klägerin eine Neufeststellung abzulehnen. Es stelle sich die Frage, ob es sich beim Bescheid vom 19.05.2004 überhaupt um einen Verwaltungsakt handele und nicht lediglich um eine wiederholende Verfügung. Die Klage sei jedoch unbegründet, da die Feststellung einer wesentlichen Verschlimmerung der Folgen der BK eine erneute Untersuchung zwingend notwendig mache.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 14.12.2004 Berufung eingelegt. Es sei ihr eine weitere Begutachtung nicht zuzumuten. Es müssten die Folgen des rechtswidrigen Verwaltungshandelns rückgängig gemacht werden.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Landshut vom 14.12.2004 und des Bescheides vom 19.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2004 zu verurteilen, eine rückwirkende Neubewertung der MdE infolge der BK ab 30.07.1992 vorzunehmen bzw. das Verfahren auszusetzen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 14.12.2004 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Das BayLSG ist nach der Wohnsitzverlegung der Klägerin nach Passau auch örtlich zuständig (§ 57 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht mit Urteil vom 14.12.2004 abgewiesen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 19.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2004 war nicht wegen vorliegender Rechtshängigkeit unzulässig. Denn der Bescheid vom 19.05.2004 war nicht Gegenstand des beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Rechtsstreit über den Bescheid vom 24.01.2003 anhängigen Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden. Zwar betraf dieses Verfahren ebenfalls die Versagung wegen fehlender Mitwirkung der Klägerin. Durch den Bescheid vom 19.05.2004 wurde der Bescheid vom 24.01.2003 aber weder abgeändert noch ersetzt. Ein Abändern oder Ersetzen setzt voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsaktes mit dem früheren identisch ist. Im Zeitpunkt des Erlasses war aber nach Auffassung des Senats der Bescheid vom 24.01.2003 gemäß § 39 Abs.2 SGB X erledigt. Die Klägerin hatte den Willen, sich untersuchen zu lassen. Dies ergibt sich aus dem dokumentierten Gespräch der Klägerin mit dem Vertreter der Beklagten im Termin vom 22.01.2004 und ihrer Antwort vom 02.03.2004 auf die Ladung zur ambulanten Untersuchung bei Dr.R. (Krankenhaus N. , F.) wo sie ihr Nichterscheinen mit der Schwierigkeit begründet hat, ein Attest über ihren gesundheitlichen Zustand zu besorgen. Damit ist die von der Beklagten gestellte Bedingung, nämlich die erforderliche Mitwirkung im Sinne von § 67 SGB I, eingetreten (vgl. von Wulffen, SGB X, § 39 Rdnr.14). Der Verwaltungsakt vom 24.01.2003 hatte sich erledigt. Ein erledigter Verwaltungsakt aber kann nicht mehr abgeändert oder ersetzt werden.

Aufgrund der erneuten offenbaren Weigerung der Klägerin, eine Untersuchung durchführen zu lassen, hat die Beklagte den Verwaltungsakt vom 19.05.2004 erlassen und Leistungen wegen fehlender Mitwirkung versagt. Da die Beklagte nicht ohne weitere Sachprüfung auf einen früheren Verwaltungsakt verwies, sondern nach erneuter Sachprüfung und Fristsetzung bis 29.04.2004 den Bescheid erlassen hat, handelt es sich nicht um eine wiederholende Verfügung (von Wulffen, SGB X, § 31 Rdnr.32).

Die gegen den Bescheid vom 19.05.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2004 erhobene Anfechtungsklage war somit zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist die Versagung einer Sozialleistung wegen fehlender Mitwirkung grundsätzlich allein mit der Anfechtungsklage nach § 54 SGG anzugreifen, ohne dass die Sozialgerichte weitere Ermittlungen durchführen (Urteil vom 25.10.1988, 7 RAr 70/77; SozR 1200 § 66 Nr.13).

Die Klage war aber nicht begründet.

Die Klägerin hat zur Erlangung höherer Leistungen die Verpflichtung, sich gemäß § 62 Abs.1 SGB I auf Verlangen der Beklagten einer Untersuchung zu unterziehen. Auf der Basis der tatsächlich erfolgten Untersuchung durch Dr.S. (Gutachten vom 15.10.1999/04.08.2000), Dr.S. (Gutachten vom 15.10.2001) und Dr.L. (Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2001) haben die Beteiligten vergleichsweise eine MdE von 30 v.H. für die Zeit vom 30.07.1992 bis 31.03.2001 und anschließend 40 v.H. festgesetzt. Soweit die Klägerin höhere Leistungen begehrt, ist eine neue - vergleichende - Begutachtung erforderlich.

Die Mitwirkungspflicht der Klägerin war nicht durch einen wichtigen Grund eingeschränkt gemäß § 65 Abs.1 Nr.2 SGB I. Unter einem wichtigen Grund sind die die Willensbildung bestimmenden Umstände zu verstehen, die die Weigerung entschuldigen und sie als berechtigt erscheinen lassen. Dabei sind auch Umstände seelischer, familiärer und sozialer Art zu berücksichtigen (Hauck/ Noftz, SGB I § 65 Nr.8). Die Meinung der Klägerin, es bedürfe erst eines Feststellungsbescheides, um eine Verschlimmerung der BK-Folgen feststellen zu können, fällt nach Auffassung des Senats nicht hierunter. Der Rentenanspruch der Klägerin für die Zeit ab 30.07.1992 nach einer MdE von 30 v.H. bzw. 40 v.H. war im Vergleich vom 11.12.2001 für die Beteiligten verbindlich - der gerichtliche Vergleich ist zugleich ein öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag - festgestellt. Welche Befunde der Gewährung einer Rente zugrunde lagen, ergab sich zweifelsfrei aus den Gutachten Dr.S. , Dr.S. und Dr.L ... Es war daher möglich, einem beauftragten Sachverständigen den Maßstab, an dem eine wesentliche Änderung zu messen oder auch die Unrichtigkeit des Vergleichs im Rahmen des § 44 SGB X festzustellen war, vorzugeben. Damit lag ein wichtiger Grund nicht vor und der Klägerin war es zuzumuten, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

Gleichwohl hält es der Senat zur Klarstellung für notwendig, dass in einem nicht anfechtbaren Bescheid die BK-Folgen der Klägerin zum Zeitpunkt des Vergleichs am 11.12.2001 ausdrücklich festgestellt werden sowie die Gutachten, auf die sich diese Feststellung gründet, benannt werden. Der Ausführungsbescheid vom 02.08.2002 enthält eine solche Feststellung ebenso wenig wie der Vergleichstext vom 11.12.2001. Dies würde eine Überprüfung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der bisherigen MdE ebenso wie die Feststellung einer Verschlimmerung erleichtern. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Beklagten eine Bescheiderteilung zugesagt.

Bei weiterer Verweigerung einer Untersuchung durch die Klägerin steht es der Beklagten frei und bietet sich an, mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid die Anträge der Klägerin mit der Begründung abzulehnen, sie habe ihre (vermeindlichen) Ansprüche nicht bewiesen, da sie aber die Beweislast trage, seien ihre Anträge nicht begründet.

Soweit die Klägerin die Anfechtungsklage mit einer weitergehenden Leistungsklage kombiniert hat - nämlich die Beklagte zu verpflichten, eine rückwirkende Neubewertung der MdE infolge der BK ab 30.07.1992 vorzunehmen - ist dies nicht zulässig. Denn hierüber hat die Beklagte bisher nicht mit einem Verwaltungsakt entschieden (BSG a.a.O.). Das SG hat damit zu Recht auch insoweit die Klage abgewiesen.

Eine Aussetzung des Verfahrens kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 114 SGG nicht vorliegen.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 14.12.2004 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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