L 4 KR 428/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 KR 985/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 428/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine gegen eine Krankenkasse gerichtete Leistungsklage auf Unterlassung einer Information weiterer Krankenkassen über das Ergebnis eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und die Möglichkeit der Aufrechnung fehlt, wenn die Information bereits erfolgt ist und keine Wiederholungsgefahr besteht.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist im Berufungsverfahren noch ein Anspruch auf Unterlassung einer Äußerung.

Die Klägerin ist Inhaberin des M., einer Einrichtung der ambulanten Pflegehilfe. Mit Schreiben vom 23.04.2013 bat die Beklagte die Klägerin um Überweisung eines Betrages in Höhe von 3.787,48 Euro auf das Konto der vdek Landesvertretung Bayern. Sie bezog sich auf ein bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt wegen (Abrechnungs-) Betrugs (§§ 263 Abs.1, 53 Abs.1 Strafgesetzbuch - StGB) geführtes Ermittlungsverfahren. Wie man der Ermittlungsakte entnommen habe, habe die Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 für zahlreiche Patienten Leistungskomplexe für Krankenpflege abgerechnet, die nicht oder nicht vollständig erbracht worden seien; den gesetzlichen Krankenkassen sei dadurch ein Schaden von mindestens 19.035,20 Euro entstanden. Die Beklagte sei von den weiteren Ersatzkassen beauftragt worden, die entstandenen Forderungen geltend zu machen. Der entstandene Schaden beziffere sich wie folgt: Barmer GEK 2.340,34 Euro; TK 224,38 Euro; DAK 1.151,42 Euro; HEK 71,34 Euro; gesamt 3.787,48 Euro. Mit Schreiben vom 24.10.2013 wurde die Klägerin erneut aufgefordert, den Betrag zu überweisen. Andernfalls würden die geschädigten Ersatzkassen von der Möglichkeit der Aufrechnung Gebrauch machen.

Mit Schreiben vom 02.11.2013 widersprach die Klägerin der Forderung der Beklagten. Die Feststellungen der Staatsanwaltschaft A-Stadt seien ihr nicht bekannt. Das Strafverfahren sei nach § 153a Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden. Die Beklagte könne einen Schaden nicht beweisen. Die Aufrechnung sei nicht zulässig.

Mit Schreiben vom 25.06.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Ersatzkassen würden von der Möglichkeit der Aufrechnung nach §§ 51 ff Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nunmehr Gebrauch machen. Hiermit werde die Aufrechnung erklärt. Das Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt sei nicht wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt worden, sondern gegen Zahlung eines Geldbetrages von 5.000,- Euro. Im Übrigen sei der Ausgang des Ermittlungsverfahrens nicht entscheidend für einen sozialgerichtlichen Anspruch.

Am 01.07.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Die AOK Bayern habe bei der Staatsanwaltschaft A-Stadt Anzeige gegen die Klägerin wegen angeblichen Abrechnungsbetrugs erstattet. Das Verfahren sei nach § 153a StPO eingestellt worden. Die Beklagte habe die Klägerin aufgefordert, den durch eine Abrechnung von angeblich nicht oder nicht vollständig erbrachten Leistungen entstandenen Schaden in Höhe von 3.787,48 Euro zu ersetzen. Die Klägerin habe der Forderung der Beklagten widersprochen. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 25.06.2014 die Zahlung des oben genannten Betrags angemahnt und mitgeteilt, die Ersatzkassen würden von der Möglichkeit der Aufrechnung nunmehr Gebrauch machen.

Die von der Beklagten behaupteten Forderungen bestünden nicht, die Beklagte habe es zu unterlassen, Gegenteiliges zu behaupten und entsprechende Aufrechnungserklärungen abzugeben. Ein behaupteter Schaden von Krankenkassen liege nicht vor, angebliche Schäden von Pflegekassen seien nicht Gegenstand der Zahlungsaufforderung.

Die Beklagte hat ausgeführt, die Forderungen gegen die Klägerin seien von Mitarbeitern der Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen gem. § 197a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geltend gemacht worden. Diese führten auch das vorliegende Verfahren. Diese Stellen seien nach § 47a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen auch in den Belangen der Pflegeversicherung tätig. Die Beklagte sei im Rahmen des § 197a SGB V aufgrund einer Kooperationsvereinbarung federführend für die genannten Ersatzkassen tätig geworden. Sie habe gegenüber der Klägerin für sich keine Erstattungsansprüche geltend gemacht. Die rechtliche Prüfung über die Einleitung einer Aufrechnung obliege den einzelnen Ersatzkassen, da es sich um deren eigene Forderungen handele. Die Barmer GEK und die DAK hätten ihre Forderungen jeweils im Juli 2014 aufgerechnet, die HEK habe im Oktober aufgerechnet. Die TK habe keine Aufrechnung vorgenommen. Es handele sich sowohl um SGB V- als auch um SGB XI-Leistungen.

In der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass bereits gegen die Pflegekassen der Barmer und DAK Klagen erhoben worden seien hinsichtlich des unberechtigten Abzugs von Rechnungen, die die Klägerin bei diesen Pflegekassen eingereicht habe.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit in der mündlichen Verhandlung übergebenem Schriftsatz unter anderem beantragt,

... II. die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß nachfolgende Behauptungen aufzustellen und /oder zu verbreiten:

1. Die Techniker Krankenkasse und/oder Pflegekasse hat gegen die Klägerin aufrechenbare Ersatzforderungen aufgrund falsch abgerechneter Leistungen des ambulanten Pflegedienstes der Klägerin "M." aus den Leistungserbringermonaten zwischen Juni 2007 und September 2009 und darf diese von neu eingereichten Rechnungen der Klägerin bei der Techniker Krankenkasse und/oder TK Pflegekasse abziehen sowie die abgezogenen Beiträge der vdek Landesvertretung Bayern gutschreiben. 2. Gleichlautendender Antrag bezüglich der BARMER GEK Krankenkasse und/oder Pflegekasse (vgl. Bl.157 der Akte des SG) 3. Gleichlautendender Antrag bezüglich der DAK Gesundheit Krankenkasse und/oder Pflegekasse (vgl. Bl.157 der Akte des SG) 4. Gleichlautendender Antrag bezüglich der HEK Krankenkasse und/oder Pflegekasse (vgl. Bl.157 der Akte des SG) ...

IV. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer II. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten mit der Maßgabe, dass die Haft von einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Beklagten zu vollziehen ist, angedroht.

Das SG hat mit Urteil vom 06.07.2016 die Klagen abgewiesen. Die Klagen seien unzulässig.

Bei dem im Schriftsatz vom 05.07.2016 gestellten Unterlassungsantrag zu II. gehe das Gericht davon aus, dass es sich lediglich um eine Konkretisierung des bisher gestellten Antrags auf Unterlassung der Behauptung gegenüber den Ersatzkassen handele, diese dürften von der Möglichkeit der Aufrechnung Gebrauch machen. Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Klageantrag unzulässig sei. Bei der Unterlassungsklage handele es sich um einen Unterfall der echten Leistungsklage gemäß § 54 Abs.5 Sozialgerichtsgesetz (SGG), bei der regelmäßig als ausreichend anzusehen sei, dass der Klagende behaupte, er habe einen Rechtsanspruch, dessen drohende Verletzung zu besorgen sei (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 15.11.1995, 6 RKa 17/95). Die Klagebefugnis fehle jedoch dann, wenn das geltend gemachte subjektive Recht des Klägers offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sei (st. Rspr.; vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht -BverwG-, Urteil vom 23.03.1982, 1 C 157/79; Urteil vom 10.07.2001, 1 C 35/00, jeweils m.w.N.). So liege der Fall hier. Ein subjektives Recht der Klägerin auf Unterlassung bestimmter Tatsachenbehauptungen durch die Beklagte sei offensichtlich ausgeschlossen. Die von der Klägerin gerügten, sie betreffenden Aussagen der Beklagten seien nicht öffentlich, sondern im Rahmen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen möglicherweise falsch abgerechneter Leistungen des ambulanten Pflegedienstes der Klägerin geäußert worden. Dass die Beklagte abwertende Äußerungen außerhalb dieser Geltendmachung gegenüber der Öffentlichkeit vorgenommen hätte, werde nicht geltend gemacht und sei auch nicht ersichtlich.

Äußerungen, die in engem und unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gesetzlich geregelten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren stünden, könnten in aller Regel nicht mit Unterlassungsklagen - sog. Ehrschutzklagen - abgewehrt werden (Landessozialgericht -LSG- Berlin-Brandenburg vom 05.02.2016, L 23 SO 347/15 B ER unter Bezugnahme auf BSG, Beschluss vom 08.04.2005, B 6 KA 60/04 B; Bundesgerichtshof -BGH-, Urteil vom 23.02.1999, VI ZR 140/98 = NJW 1999, 2736). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sollten gesetzlich geregelte Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollten die Beteiligten dort alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich hielten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt werde, ohne befürchten zu müssen, mit einer Widerrufs- oder Unterlassungsklage überzogen zu werden (LSG Berlin-Brandenburg vom 05.02.2016, a.a.O. unter Bezugnahme auf BGH, Urteile vom 18.10.1994, VI ZR 74/94, NJW 1995, 397; vom 17.12.1991, VI ZR 169/91, NJW 1992, 1314, 1315; vom 13.10.1987, VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016; vom 10.06.1986, VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 13.07.1965, VI ZR 70/64, NJW 1965, 1803; BGH, Urteil vom 09.04.1987, I ZR 44/85, NJW 1987, 3138, 3139; vom 23.02.1999, VI ZR 140/98).

Die Richtigkeit des Parteivorbringens sei hier allein in den Klageverfahren zu prüfen, die sich gegen die tatsächlich erfolgte Aufrechnung bzw. den tatsächlich erfolgten Abzug von eingereichten Rechnungen durch die jeweiligen Pflegekassen richteten. In diesen Verfahren werde geprüft, ob die Klägerin - wie von der Beklagten behauptet - tatsächlich falsch abgerechnet habe und den Pflegekassen daraus Schadensersatzansprüche entstanden seien und ob die Pflegekassen mit diesen gegen laufende Abrechnungen hätten aufrechnen dürfen.

Die Klägerin hat am 29.08.2016 Berufung beim Bayerischen LSG eingelegt. Sie habe sich mit ihrer Klage dagegen zur Wehr gesetzt, dass die Beklagte Rückforderungsansprüche zunächst im eigenen Namen, später angeblich nur noch im fremden Namen für die Ersatzkassen Barmer GEK, TK, DAK Gesundheit und HEK geltend gemacht habe und gegenüber den genannten Kassen bewusst unwahre Behauptungen aufgestellt habe, die für die Klägerin ehrverletzend und geschäftsschädigend seien. Mit der Berufung würden die Klageanträge II. und IV. weiterverfolgt.

Die Beklagte habe die vier Ersatzkassen darüber informiert, dass die Klägerin falsch abgerechnet habe und jenen deshalb die Forderungen gegen die Klägerin zustünden, deren Durchsetzung sie jeweils durch Aufrechnung erzwingen könnten. In der Folgezeit hätten die Kassen - bis auf die TK - Aufrechnungen vorgenommen.

Zu Unrecht sei das SG davon ausgegangen, dass die Unterlassungsklage wegen des Fehlens eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei und die Klägerin auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne. Bezüglich der von der Klägerin gegen die Barmer GEK Pflegekasse und die DAK Pflegekasse geführten Klageverfahren sei eine Subsidiarität nicht ersichtlich. Bei diesen Klagen handle es sich um auf Geldleistungen gerichtete Leistungsklagen, vorliegend gehe es um die Unterlassung einer Behauptung. Der Anspruch auf Unterlassung sei auf § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 823 Abs.2 BGB, § 186 StGB, Art.2 Abs.1 Grundgesetz (GG), Art.12 Abs.1 GG und Art.14 Abs.1 GG, Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - Recht auf Achtung des Privatlebens - gestützt. Die rechtswidrige Handlung im Sinne einer Falschbehauptung sei bereits erfolgt. Dies begründe nicht nur die Vermutung für Wiederholungen, sondern bedeute auch, dass es eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses nicht bedürfe.

Die Klägerin habe gemäß Art.19 Abs.4 S.1 GG einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, d.h. auf eine wirkungsvolle gerichtliche Kontrolle des Handelns der Exekutive. Nur in dem vorliegenden Verfahren könne die eigene Rechtsverletzung der Beklagten, die unwahre Behauptungen über die Klägerin und den Pflegedienst aufgestellt habe, überprüft werden.

Das SG gehe zu Unrecht davon aus, dass es der Klägerin an einer Klagebefugnis fehle, weil das geltend gemachte subjektive Recht der Klägerin offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sei. Die Bezugnahme des SG auf die Entscheidungen des LSG Berlin-Brandenburg, des BSG und des BGH passe nicht, weil die Beklagte die Falschbehauptungen nicht innerhalb eines Verwaltungsverfahrens oder eines sonstigen "rechtsstaatlich geordneten Verfahrens" aufgestellt habe. § 197a SGB V stelle kein "rechtsstaatlich geordnetes Verfahren" dar. Im Übrigen habe die in Bezug genommene Rechtsprechung des BSG und des BGH lediglich ehrverletzende Meinungsäußerungen zum Gegenstand, vorliegend gehe es aber um bewusst falsche Tatsachenbehauptungen. Fehlerhafte Tatsachenbehauptungen dürften aber selbst dann nicht verbreitet werden, wenn sie von einer Stelle innerhalb eines gesetzlich geregelten Verwaltungs- oder Gerichtsverfahrens erfolgen würden (vgl. BVerfG v. 12.12.1990, 1 BvR 839/90). An der Wiederholung einer bewusst unwahren Behauptung bestehe kein berechtigtes Interesse.

Im Übrigen habe die Beklagte diese Falschbehauptungen aus ihrem Wirkungskreis hinausgetragen und damit öffentlich gemacht. Sie habe auch nicht im Rahmen des § 197a SGB V eigene Ermittlungen angestellt, sondern lediglich ihr präsente Dokumente der Strafverfolgungsbehörde ungeprüft weiterverbreitet. Sie habe damit ihre Schutz- und Rücksichtnahmepflichten innerhalb des öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnisses gem. § 61 S.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 241 Abs.2 BGB verletzt und könne sich nicht auf § 197a SGB V berufen. Die Beklagte habe die äußerst fragwürdigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ohne jegliche weitere Überprüfung, ob und inwieweit die auf der "Geschädigtenliste" aufgeführten Forderungen, wie sie der Kriminalbeamte als Nichtfachmann des Leistungserbringungsrechts ermittelt habe, überhaupt bestehen könnten, an die Ersatzkassen weiterverbreitet. Dabei sei auch nicht beachtet worden, dass für die Klägerin die Unschuldsvermutung gelte, die in Art.6 Abs.2 EMRK als Menschenrecht verankert sei. Eine Anklage der Klägerin sei aber nicht erfolgt, die Klägerin sei nicht rechtskräftig verurteilt worden.

Die Beklagte habe ihre Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt. Sie könne nicht benennen, welche konkret abgerechneten Einzelleistungen die Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 falsch abgerechnet haben solle. Es sei lediglich ausgeführt, dass es sich sowohl um SGB V- als auch um SGB XI-Leistungen handle. Den Beweis für die behaupteten Falschabrechnungen bliebe die Beklagte schuldig.

Es stelle nicht nur eine in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin eingreifende ehrverletzende, sondern auch eine geschäftsschädigende Handlung der Beklagten dar, wenn diese im Jahr 2014 gegenüber den anderen Ersatzkassen die Behauptung aufstelle, die Schuld der Klägerin sei aufgrund der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Einstellungsbeschlusses nach § 153a StPO erwiesen und die Ersatzkassen könnten aufrechnen. Der Eingriff in die Rechtssphäre der Klägerin wiege schwer, weil die Klägerin sich mit den Kassen in dauerhaften Geschäftsbeziehungen befinde. Echte Falschabrechnungen könnten einen Grund zur Kündigung von Versorgungsverträgen darstellen und letztlich zur Entziehung der Zulassung als ambulanter Pflegedienst führen. Krankenkassen und die nach § 197a SGB V tätigen Stellen müssten daher sorgsam mit den an sie herangetragenen Informationen umgehen und dürften nicht ungefiltert und ungeprüft unwahre Behauptungen aufstellen und verbreiten.

Mit Schriftsatz vom 27.12.2016 hat die Klägerin daher beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß nachfolgende Behauptungen aufzustellen und /oder zu verbreiten: 1. Die Techniker Krankenkasse und/oder die TK Pflegekasse hat gegen die Klägerin aufrechenbare Ersatzforderungen aufgrund falsch abgerechneter Leistungen des ambulanten Pflegedienstes "M." der Klägerin aus den Leistungserbringermonaten zwischen Juni 2007 und September 2009 und darf diese von neu eingereichten Rechnungen der Klägerin bei der Techniker Krankenkasse und/oder TK Pflegekasse abziehen sowie die abgezogenen Beiträge der vdek Landesvertretung Bayern gutschreiben. 2. Gleichlautendender Antrag bezüglich der BARMER GEK Krankenkasse und/oder Pflegekasse (vgl. Bl. 26 der Akte des LSG) 3. Gleichlautendender Antrag bezüglich der DAK Gesundheit Krankenkasse und/oder Pflegekasse (vgl. Bl. 26 der Akte des LSG) 4. Gleichlautendender Antrag bezüglich der HEK Krankenkasse und/oder Pflegekasse (vgl. Bl. 26 der Akte des LSG)

II. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer I. wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten mit der Maßgabe, dass die Haft von einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Beklagten zu vollziehen ist, angedroht.

Die Beklagte hat ausgeführt, die Unterlassungsanträge scheiterten schon an dem Erfordernis, dass weitere Beeinträchtigungen zu befürchten seien. Die Beklagte sei - abgesehen vom Berufungsverfahren - nicht mehr mit der Sache befasst. Die Aufrechnungen seien durch andere Ersatzkassen erfolgt. Die Beklagte habe keinerlei Veranlassung, andere Krankenkassen in dieser Angelegenheit über irgendetwas zu informieren. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei nicht ersichtlich. Im Übrigen hätte die Beklagte nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht zur Information anderer Krankenkassen. § 197a Abs.3 SGB V verpflichte die Krankenkassen, bei der Fehlverhaltensbekämpfung zusammenzuarbeiten. Die geringste Form einer solchen Zusammenarbeit sei die Information über Fehlverhaltensfälle und die zugrunde liegenden Sachverhalte. Die Ersatzkassen arbeiteten intensiver dergestalt zusammen, dass jeweils eine von ihnen die Federführung bei der Bearbeitung eines Falles übernehme. Dieser Federführer stelle Ermittlungen an, erstatte Strafanzeigen und mache Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich geltend. Eine wesentliche Aufgabe sei auch die regelmäßige Information über den Sachstand und darüber, ob ggf. ein Tätigwerden anderer Ersatzkassen erforderlich sei. Hierbei könne jede Ersatzkasse ihre Ansprüche selbst aufrechnen. Es sei unerheblich, ob die Klägerin die Ansprüche für unberechtigt oder unsubstantiiert halte. Diese Frage könnte in den Klageverfahren gegen die Aufrechnung geklärt werden.

Die Beklagte habe die anderen Ersatzkassen über im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren festgestellte Tatsachen, unter anderem die ermittelten Schäden zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen, informiert. Selbstverständlich könnten Verwaltungsbehörden die im Ermittlungsverfahren festgestellten Tatsachen für interne Entscheidungen und Vorgehensweisen heranziehen. Die Beklagte habe die Ersatzkassen weiter informiert, dass die Klägerin nicht zahlungsbereit und daher Aufrechnung angezeigt sei. Dies entspreche ihrer gesetzlichen Pflicht zur Zusammenarbeit und als Federführerin. Bei keiner Information habe es sich um Falschbehauptungen gehandelt.

Wegen der Regelung des § 47a Abs.1 SGB XI sei nachrangig, ob es sich um Leistungen nach dem SGB V oder dem SGB XI handle.

In der mündlichen Verhandlung am 27.07.2018 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, dass eine Unterlassungserklärung der Beklagten nicht abgegeben worden sei. Damit bestehe die Gefahr einer Wiederholung der bereits getätigten Behauptung. Er beziehe sich insoweit auf die allgemeine Praxis hinsichtlich Unterlassungserklärungen.

Die Beklagtenvertreterin hat erläutert, dass zwischen den Krankenkassen ein intensiver Austausch vor allem von Informationen geboten sei, der auch in der Praxis stattfinde. Da die Erklärungen bereits abgegeben worden seien und zum Teil prozessuale Schritte von den Kassen eingeleitet worden seien, sehe sie keine Wiederholungsgefahr. Allerdings wäre es ein fatales Signal, eine Unterlassungserklärung - wie gefordert - abzugeben. Mit einer Erklärung zu Protokoll, die getätigte Äußerung nicht nochmals erneut abzugeben, haben sich die Beteiligten nicht einverstanden erklärt. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Erklärungen zu unterlassen, wie im Schriftsatz vom 27.12.2016 beantragt, einschließlich Ziffer II.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch das Unterlassungsbegehren der Klägerin bezüglich der Aufstellung und/oder Verbreitung der Behauptung, die Techniker Krankenkasse und/oder die TK Pflegekasse, die BARMER GEK Krankenkasse und/oder Pflegekasse, die DAK Gesundheit Krankenkasse und/oder Pflegekasse und die HEK Krankenkasse und/oder Pflegekasse hätten gegen die Klägerin aufrechenbare Ersatzforderungen aufgrund falsch abgerechneter Leistungen des ambulanten Pflegedienstes der Klägerin "M." aus den Leistungserbringermonaten zwischen Juni 2007 und September 2009 und dürften diese von neu eingereichten Rechnungen der Klägerin bei den im einzelnen genannten Krankenkassen und/oder Pflegekassen abziehen sowie die abgezogenen Beiträge der vdek Landesvertretung Bayern gutschreiben.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage auf Unterlassung wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen.

Die gegen die Beklagte auf Unterlassung gerichtete Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs.5 SGG in Form einer Unterlassungsklage statthaft, weil sich das Begehren auf das Unterlassen einer zukünftig drohenden Amtshandlung richtet, die nicht in Form eines Verwaltungsaktes zu ergehen hat. Die Statthaftigkeit solcher (vorbeugender) Unterlassungsklagen als Unterfall der echten Leistungsklage wird vom BSG und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in ständiger Rechtsprechung anerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1993, 2 RU 8/92).

Die Klage hat aber keinen Erfolg, sie ist bereits unzulässig, denn es ist ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zu erkennen. An das Rechtsschutzbedürfnis sind bei Unterlassungsklagen nach der Rechtsprechung des BSG besondere Anforderungen zu stellen. Voraussetzung einer Unterlassungsklage ist die Behauptung des Klägers, dass ein Rechtsanspruch bestehe, dessen drohende Verletzung zu besorgen sei, dass also ein Eingriff in eine geschützte Rechtsposition bestehe (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.1995, 6 RKa 17/95). Als maßgebliches Kriterium für das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses und damit für die Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes gilt, dass ein erneutes als widerrechtlich beurteiltes Vorgehen der Behörde ernstlich zu befürchten ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1993, 2 RU 8/92).

Eine solche Wiederholungsgefahr ist aber vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte glaubhaft erklärt, sie sei - abgesehen vom Berufungsverfahren - nicht mehr mit der Sache befasst. Die Aufrechnungen seien durch andere Ersatzkassen erfolgt. Die Beklagte habe keinerlei Veranlassung, andere Krankenkassen in dieser Angelegenheit über irgendetwas zu informieren. Dieser Vortrag ist entgegen der Ausführungen der Klägerseite auch nicht als Schutzbehauptung zu werten. Die Beklagte hat vielmehr offensichtlich keine Veranlassung zu einer weiteren Befassung mit dem Sachverhalt.

Gegenstand der von der Klägerin als widerrechtlich angesehenen Information war ein im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ermittelter, sich aus der Abrechnung von nicht oder nicht vollständig erbrachten Leistungen in den Jahren 2007 bis 2009 ergebender Schaden zu Lasten einzelner Krankenkassen. Die Beklagte hat die Ersatzkassen Barmer GEK, DAK Gesundheit, HEK und TK über die Ergebnisse dieses staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu Lasten der genannten Ersatzkassen ermittelten Schadensbeträge informiert. Sie hat die Ersatzkassen weiter darüber informiert, dass die Klägerin nicht zahlungsbereit sei und daher Aufrechnung angezeigt sei. Das weitere Vorgehen blieb den einzelnen Ersatzkassen überlassen. Die Barmer GEK und die DAK haben jeweils bereits im Juli 2014 entsprechende Aufrechnungen vorgenommen. Die HEK hat im Oktober 2014 aufgerechnet. Die TK hat keine Aufrechnung vorgenommen. Die Klägerin hat gegen die von der Barmer GEK Pflegekasse und der DAK Gesundheit Pflegekasse vorgenommenen Aufrechnungen Klage erhoben.

Es besteht damit keinerlei ernstliche Befürchtung, dass sich das als rechtswidrig behauptete Handeln der Beklagten wiederholen wird.

Der Klägerin geht es vorliegend letztlich um eine abstrakte objektive Rechtskontrolle des Verwaltungshandelns der Beklagten. Diese im Wege des für diese Fälle nicht konzipierten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs geltend zu machen, ist nach der Rechtsprechung des BSG nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 15.11.1995, 6 RKa 17/95).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) liegen nicht vor.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a SGG i.v.m. § 52 Abs.2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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