Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 38/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 705/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V kann nur zu einer Genehmigungsfiktion führen, wenn der nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V zwingend erforderliche Behandlungsplan vorliegt.
2. Leistungen nach § 27a SGB V liegen für weibliche Versicherte offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV, soweit sie nach Vollendung des 40. Lebensjahres erbracht werden sollen. Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V normierten oberen Altersgrenzen stellen Grenzen des GKV-Leistungskatalogs dar, die jeder/jedem Versicherten klar sein müssen.
3. Eine Genehmigungsfiktion kommt nicht in Betracht, soweit eine weibliche Versicherte Leistungen nach § 27a SGB V beantragt hat, die nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres erbracht werden sollen.
2. Leistungen nach § 27a SGB V liegen für weibliche Versicherte offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV, soweit sie nach Vollendung des 40. Lebensjahres erbracht werden sollen. Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V normierten oberen Altersgrenzen stellen Grenzen des GKV-Leistungskatalogs dar, die jeder/jedem Versicherten klar sein müssen.
3. Eine Genehmigungsfiktion kommt nicht in Betracht, soweit eine weibliche Versicherte Leistungen nach § 27a SGB V beantragt hat, die nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres erbracht werden sollen.
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.10.2017 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von In-vitro-Fertilisations-Behandlungen (IVF-Behandlungen) sowie auf Erstattung von Kosten für bereits durchgeführte Behandlungen streitig.
Die 1976 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
1. Mit Schreiben vom 30.04.2016, eingegangen bei der Beklagten am 01.05.2016, stellte die Klägerin einen Antrag "für eine IVF Behandlung / künstliche Befruchtung" unter Vorlage eines ärztlichen Berichts der A. Klinik L-Stadt vom 07.04.2016. Nach Aufforderung durch die Beklagte legte die Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2016 (Eingang bei der Beklagten am 21.06.2016) einen Kostenvoranschlag der IVF-Zentren Z. GmbH vom 08.06.2016 einschließlich eines Behandlungsplans vor.
Hierauf beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 29.06.2016, nochmals mit Schreiben vom 07.07.2016, den MDK mit einer medizinischen Stellungnahme zu der beantragten künstlichen Befruchtung. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 29.06.2016 über die Einschaltung des MDK unterrichtet. Nach Eingang des sehr knapp gehaltenen, negativen Gutachtens des MDK vom 14.07.2016 lehnte die Beklagte den Antrag mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.07.2016 ab.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 10.08.2016. Bei der geplanten Behandlung in dem IVF-Zentrum Z. in B-Stadt würden die Vorgaben nach § 27a SGB V und das Deutsche Embryonenschutzgesetz eingehalten. Diesbezüglich wurde eine Erklärung von Prof. Dr. Z. vorgelegt. Ferner legte die Klägerin ein ärztliches Attest vom 11.11.2016 und Laborbefunde vor. Der Gynäkologe Dr. B. bescheinigte "eine absolute Indikation zur IVF Behandlung". Im Widerspruchsverfahren schaltete die Beklagte nochmals den MDK ein. Dieser führte unter dem 15.11.2016 - abweichend von seiner früheren Einschätzung - aus, eine IVF-Behandlung mit 3 Versuchen könne befürwortet werden. Allerdings könnten keine Mehrkosten übernommen werden, die durch eine Behandlung in Österreich anfielen.
2. Die Klägerin wandte sich - nunmehr vertreten durch ihren Bevollmächtigten - mit Schreiben vom 22.11.2016 an die Beklagte und machte den Eintritt einer Genehmigungsfiktion geltend.
Daraufhin räumte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2016 den Eintritt einer Genehmigungsfiktion ein und erklärte, man werde die Kosten für die Behandlung der In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryotransfer in dem mit Kostenvoranschlag vom 08.06.2016 beantragten Umfang übernehmen. Allerdings könne man sich nicht an Kosten für Behandlungen ab dem 26.11.2016 beteiligen, weil die Klägerin dann 40 Jahre alt sei und die Altersgrenze des § 27a Abs. 3 SGB V überschritten habe. Derartige Behandlungen seien von der Genehmigungsfiktion nicht erfasst.
Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 25.11.2016, die Genehmigungsfiktion beseitige auch die Altersgrenze, anderenfalls laufe § 13 Abs. 3a SGB V hier leer. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass Anknüpfungsereignis für den Stichtag nach den Richtlinien zu § 27a SGB V bei einer Behandlung im stimulierten Zyklus der erste Tag der Down-Regulation sei (Nr. 9.1 der Richtlinien). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 29.11.2016, sie könne sich nur an Versuchen beteiligen, die vor Erreichen der Altersgrenze begonnen hätten. Ausnahmen von den gesetzlichen Altersbeschränkungen seien nicht möglich.
Daraufhin hat die Klägerin am 23.01.2017 Leistungsklage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben (S 6 KR 38/17). Sie hat sich auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion berufen, hilfsweise auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte habe es versäumt, die Klägerin frühzeitig auf die Altersgrenze hinzuweisen.
Mit Schreiben vom 20.04.2017 hat die Beklagte entgegnet, aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.03.2016 ergebe sich, dass die Genehmigungsfiktion nur einsetzen könne, wenn ein hinreichend bestimmter Antrag vorliege. Die Unterlagen, die die Klägerin mittels E-Mail vom 30.04.2016 eingereicht habe, seien als hinreichend bestimmter Antrag nicht ausreichend gewesen. Erst mit Schreiben vom 10.06.2016, eingegangen bei der Beklagten am 21.06.2016, sei ein hinreichend bestimmter Leistungsantrag mit dem eingereichten Behandlungsplan und dem Kostenvoranschlag vom 08.06.2016 gestellt worden. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 29.06.2016 darüber informiert worden, dass der MDK eingeschaltet werde. Damit habe die Beklagte entsprechend § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V den Eintritt der Genehmigungsfiktion hinausgeschoben. Leider sei versäumt worden, taggenau eine bestimmte Fristverlängerung mitzuteilen, so dass die ablehnende Entscheidung vom 25.07.2016 nicht fristgerecht erfolgt sei mit der Folge, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Das BSG habe im Urteil vom 08.03.2016 ausgeführt, dass eine fingierte Genehmigung wirksam bleibe, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Im Fall der Klägerin habe sich nach Auffassung der Beklagten die Genehmigung "auf andere Weise" erledigt, nämlich durch die Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin am 26.11.2016.
Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 04.05.2017 erwidert, wenn zum Zeitpunkt des Antrags der behandelnde Arzt konkret und namentlich nicht feststehe oder benannt werde, stehe dieses einem hinreichend bestimmten Antrag nicht entgegen. Die gesetzliche Genehmigungsfiktion erschöpfe sich auch nicht mit der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin. § 13 Abs. 3a SGB V wolle im Ergebnis einer verzögerten Verbescheidung entgegenwirken und sehe hierfür im Sanktionswege den Eintritt einer gesetzlichen Fiktionswirkung vor. Allein durch Erfüllen des gesetzlichen Tatbestandes werde die fehlende oder verzögerte Genehmigung fingiert und damit ersetzt. Von einer Genehmigungsfiktion unter Bedingungen oder Auflagen spreche das Gesetz nicht. Die Genehmigungsfiktion sei daher umfassend und mangels gesetzlicher Regelungen keiner Einschränkung zugänglich.
3. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.07.2016 zurück. Für Behandlungen nach dem 26.11.2016 könnten unter keinen Umständen Kosten erstattet werden, auch nicht im Rahmen einer Genehmigungsfiktion. Man habe den Ehemann der Klägerin bereits in einem Telefonat am 14.05.2016 auf die Altersgrenze hingewiesen.
Auch dagegen hat die Klägerin am 16.05.2017 Klage zum SG erhoben (S 6 KR 232/17). Die Leistungsvoraussetzungen gemäß § 27a SGB V hätten anfangs vollständig vorgelegen. Mit Erreichen des 40. Lebensjahres am 26.11.2016 sei während des Vorverfahrens die Einhaltung des gesetzlichen Höchstalters entfallen. Hierauf komme es unter den gegebenen Umständen aber nicht an. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei auch diese Leistungsvoraussetzung erfüllt gewesen. Die Verzögerung bei der Bescheidung dürfe der Klägerin nicht angelastet werden. Da die Beklagte pflichtwidrig über den Antrag der Klägerin nur verzögert entschieden habe, sei es der Klägerin auch nicht möglich gewesen, sich die Leistung selbst zu beschaffen. Eine Selbstbeschaffung habe sich bereits deswegen verboten, weil sie dann ihren primären Leistungsanspruch verloren hätte. Außerdem sei eine Selbstbeschaffung aus finanziellen Gründen letztendlich nicht in Erwägung gezogen worden oder möglich gewesen. Hilfsweise stütze sich die Klägerin auch auf einen Schadensersatzanspruch. Bei ordnungsgemäßer Behandlung des Antrags hätte die Beklagte zeitnah entscheiden müssen. Sie hätte bei der gegebenen Befundlage ferner die Behandlung bewilligen müssen. Bei einem ordnungsgemäßen Verfahren wäre die Entscheidung noch im Mai 2016 möglich und auch geboten gewesen. Dies hätte der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, vor Erreichen der Höchstaltersgrenze am 26.11.2016 nötigenfalls drei Behandlungszyklen durchzuführen.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12.06.2017 ausgeführt, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Durch das Telefonat am 14.05.2016 sei der Klägerin bekannt gewesen, dass es die Altersgrenze von 40 Jahren für Frauen gebe. Selbst wenn aber während dieses Telefonats keine entsprechende Information erteilt worden sein sollte und die pflichtgemäße Information erst nach Vollendung des 40. Lebensjahres erfolgt wäre, könne dies das Erreichen der Altersgrenze und damit das Ende des grundsätzlichen Anspruchs auf Leistung zur künstlichen Befruchtung nicht beseitigen. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne die Klägerin demnach keine zulässige Amtshandlung mehr erreichen.
4. In der mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 hat das SG die beiden Rechtsstreitigkeiten S 6 KR 38/17 und S 6 KR 232/17 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Mit Urteil vom 24.10.2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2017 verurteilt, der Klägerin drei Behandlungszyklen einer IVF-Behandlung zu gewähren und hierbei ihr die bereits entstandenen Kosten des ersten Behandlungszyklus zu erstatten.
Das SG hat ausgeführt, der Naturalleistungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus der kraft Gesetzes eingetreten fingierten Genehmigung ihres Antrags vom 30.04.2016. Nach dem Urteil des BSG vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R - genüge es für die hinreichende Bestimmtheit, dass das Behandlungsziel klar sei. Nicht entscheidend dagegen sei, ob vom Versicherten eine bestimmte Behandlungsmethode als Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht genannt werde, wenn hierfür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung ständen, oder ob vom Versicherten ein konkreter Arzt benannt werde. Da die Klägerin in ihrem Antrag vom 30.04.2016 von einer "IVF-Behandlung/künstliche Befruchtung" gesprochen habe, sei unzweifelhaft das Ziel ihres Behandlungswunsches klar gewesen, nämlich eine medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gemäß § 27a Abs. 1 SGB V. Ein bestimmter Antrag habe somit vorgelegen. Selbst wenn man im Fall des § 27a SGB V die Bestimmtheit des Antrags an das Vorliegen eines Behandlungsplans knüpfen wollte, wäre der Antrag der Klägerin hier spätestens nach Eingang ihres Schreibens vom 10.06.2016 am 21.06.2016 hinreichend bestimmt gestellt worden. Weiter habe der Antrag auch eine Leistung betroffen, die die Klägerin entsprechend dem Schreiben der A. Klinik auf vom 07.04.2016 für erforderlich habe halten dürfen. Im Übrigen habe selbst der MDK in seiner Stellungnahme vom 15.11.2016 die beantragte Behandlung als erforderlich angesehen.
Über diesen Antrag habe die Beklagte sodann unstreitig nicht innerhalb der Bescheidungsfristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V entschieden und der Klägerin auch keine Mitteilung darüber gemacht, weshalb sie über den eingereichten Antrag nicht fristgerecht entscheiden könne, verbunden mit einer taggenauen Prognose, wann mit der Entscheidung zu rechnen sei. Dies gelte sowohl für den Beginn der Frist am 01.05.2016 wie für den Beginn der Frist am 21.06.2016, da hier die Beklagte nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist die ablehnende Entscheidung der Klägerin spätestens am 26.07.2016 hätte bekannt geben müssen. Vorliegend gelte aber die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 25.07.2016, da sie mit der Post versandt worden sei, erst am 28.07.2016 als bekannt gegeben (§ 27 Abs. 2 SGB X).
Spätestens ab 26.07.2016 habe ein Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer IVF-Behandlung bestanden, die nach ihrem gesetzlichen Umfang grundsätzlich drei Behandlungsversuche umfasse. Dieser Sachleistungsanspruch sei auch nicht später dadurch erloschen oder habe sich dadurch erledigt, dass die Klägerin am 26.11.2016 ihr 40. Lebensjahr vollendet habe und somit nach § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V grundsätzlich kein Leistungsanspruch mehr bestanden habe. Das Überschreiten der Höchstaltersgrenze stelle nämlich allein eine materielle Leistungsvoraussetzung für eine medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft dar, deren Fehlen aber unbeachtlich sei, wenn eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei. Die Klägerin habe ihren Naturalleistungsanspruch auf eine IVF-Behandlung auch nicht dadurch verwirkt, dass sie mit dieser nicht noch vor dem 26.11.2016 begonnen habe, obwohl sie nach Aktenlage von der Beklagten auf die Altersgrenze von 40 Jahren hingewiesen worden sei. Da § 13 Abs. 3a SGB V nicht nur denjenigen schütze, der finanziell in der Lage sei, nach dem Eintritt der Genehmigungsfiktion sich eine Sachleistung selbst zu beschaffen, sondern auch die Versicherten, die darauf angewiesen seien, dass die Krankenkasse ihnen die beantragte Sachleistung zur Verfügung stelle, sei die Klägerin berechtigt, auch den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abzuwarten und ihren Naturalleistungsanspruch auf diese Weise durchzusetzen.
Gegen das am 16.11.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.12.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Genehmigungsfiktion habe sich mit dem 25.11.2016 erledigt, weil die Klägerin am 26.11.2016 das 40. Lebensjahr vollendet habe. Auch im BSG-Urteil vom 11.07.2017 (B 1 KR 26/16 R) werde darauf hingewiesen, dass eine fingierte Genehmigung wirksam bleibe, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Seien Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so werde sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr bestehe (BSG, a.a.O., Rn. 35). Die Klägerin habe ausgeführt, sie habe Leistungen "im gesetzlichen Umfang" beantragt. Der gesetzliche Umfang ergebe sich aus § 27a SGB V und umfasse auch die Altersgrenze.
Die Klägerin hat entgegnet, die Voraussetzungen des § 27a SGB V seien nicht mehr zu prüfen, weil eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Auf die Bitte des Senats, sämtliche bereits entstandenen Kosten nachzuweisen, deren Erstattung sie begehre, hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe im Herbst 2017 für insgesamt 2.754,17 Euro einen ersten Behandlungszyklus durchführen lassen; für einen zweiten Behandlungszyklus im März 2018 seien 1.981,03 Euro angefallen. Beide Behandlungszyklen seien vorzeitig abgebrochen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.10.2017 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
Gegenstand des Rechtsstreits sind im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte zwei zulässige Klagebegehren. Die Klägerin begehrt die künftige Versorgung mit IVF-Behandlungen und die Erstattung der für die Behandlungen im Herbst 2017 und im März 2018 angefallenen Kosten.
1. Die Klägerin kann die geltend gemachten Ansprüche nicht auf eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V stützen.
a) Die Klägerin hat am 01.05.2016 keinen hinreichend bestimmten Antrag auf Versorgung mit IVF-Behandlungen gestellt.
Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist. Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf. eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zu gewähren, verschafft dem Adressaten eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Abs. 1 SGG, § 887 ZPO). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist. Dass hinsichtlich der Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, beeinträchtigt den Charakter einer Leistung als vertretbare Handlung nicht. Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso, wenn Patienten zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf die Beratung des behandelnden Arztes angewiesen sind (BSG, Urteil vom 07.11.2017, B 1 KR 24/17 R, Rn. 20 f. m.w.N.).
Der Antrag der Klägerin, der auf "eine IVF-Behandlung / künstliche Befruchtung" gerichtet war, genügte diesen Anforderungen nicht. Ein Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V kann nur zu einer Genehmigungsfiktion führen, wenn der nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V zwingend erforderliche Behandlungsplan vorliegt.
Unabhängig davon durfte die Klägerin IVF-Behandlungen zum damaligen Zeitpunkt auch subjektiv nicht für erforderlich halten. Denn am 01.05.2016 lag als ärztliche Stellungnahme lediglich der Arztbericht der A. Klinik L-Stadt vom 07.04.2016 vor, in dem nicht die Durchführung von IVF-Behandlungen, sondern nur eine Vorstellung in einem Kinderwunschzentrum "bezüglich der Fragestellung IVF oder ggf. Inseminationsversuch vs. abwartendes Verhalten" empfohlen wurde.
b) Dagegen lag am 21.06.2016 ein hinreichend bestimmter Antrag vor. An diesem Tag ging das Schreiben der Klägerin vom 10.06.2016 mit dem Behandlungsplan der IVF-Zentren Z. GmbH vom 08.06.2016 bei der Beklagten ein.
Zwar sind die Angaben in dem mit Schreiben vom 10.06.2016 vorgelegten Behandlungsplan widersprüchlich. Einerseits werden als Diagnosen "11.3 weibliche Subfertilität" und "11.3 männliche Subfertilität" angegeben; andererseits wird als geplante Behandlungsmaßnahme "intracytoplasmatische Spermieninjektion (gemäß Nr. 10.5)" genannt. Die medizinischen Indikationen hierfür sind in den Richtlinien über künstliche Befruchtung jedoch nicht unter Nr. 11.3, sondern unter Nr. 11.5 genannt. Danach ist Voraussetzung eine schwere männliche Fertilitätsstörung, dokumentiert durch zwei aktuelle Spermiogramme, die auf der Grundlage des Handbuchs der WHO zu "Examination and processing of human semen" erstellt worden sind. Die Untersuchung des Mannes im Rahmen der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nach Nummer 1 durch Ärztinnen oder Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Andrologie" muss der Indikationsstellung vorausgehen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird in dem Behandlungsplan gerade nicht bestätigt, dies gilt auch für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen nach Nr. 8 Satz 15 der Richtlinien über künstliche Befruchtung.
Dies steht der Bestimmtheit des Antrags jedoch nicht entgegen, denn es wird deutlich, welche Behandlung die Klägerin auf der Grundlage des Behandlungsplans begehrt.
c) Der Antrag der Klägerin betraf jedoch eine Leistung, deren Erbringung nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres sie subjektiv nicht für erforderlich halten durfte und offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lag.
aa) Die Klägerin durfte die Erbringung der streitgegenständlichen Leistung nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres subjektiv nicht für erforderlich halten. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin bei Antragstellung am 21.06.2016 über die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V geregelte obere Altersgrenze informiert war. Denn nach § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V, Nr. 7 in Verbindung mit Nr. 14 der Richtlinien über künstliche Befruchtung ist vor IVF-Behandlungen eine Beratung im Hinblick auf die individuellen medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der künstlichen Befruchtung vorgeschrieben. Zu diesen Aspekten zählen auch die gesetzlichen Altersgrenzen. Eine solche Beratung hat die Klägerin spätestens vor Erstellung des Behandlungsplans bei der IVF-Zentren Z. GmbH, den sie mit Schreiben vom 10.06.2016 vorgelegt hat, in Anspruch genommen. Prof. Dr. Z. hat unter dem 10.08.2016 bestätigt, die Vorgaben nach § 27a SGB V einzuhalten. Auch aus einer Aktennotiz der Beklagten vom 09.05.2016 ergibt sich, dass die Klägerin auf die gesetzliche Altersgrenze von 40 Jahren hingewiesen worden ist.
bb) Die Erbringung der streitgegenständlichen Leistung nach Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin lag offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Zwar gilt nach § 13 Abs. 3a SGB V eine Leistung auch dann als genehmigt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat (BSG, Urteil vom 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R, Rn. 22). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt; die Vorschrift soll nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, a.a.O., Rn. 21).
Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V normierten oberen Altersgrenzen stellen solche Grenzen des GKV-Leistungskatalogs dar. Sie müssen jeder/jedem Versicherten klar sein; um dies sicherzustellen, ist - wie bereits dargelegt - in § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V, Nr. 7. in Verbindung mit Nr. 14 der Richtlinien über künstliche Befruchtung eine Beratung vorgeschrieben, die u.a. die Altersgrenzen zum Gegenstand hat.
Auch der Gesetzeszweck der in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V normierten Altersgrenzen spricht gegen die Möglichkeit, die oberen Altersgrenzen mittels einer Genehmigungsfiktion zu überwinden. Diese dienen nämlich ganz maßgeblich auch dem künftigen Wohl des erhofften Kindes. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum GKV-Modernisierungsgesetz (BT-Drs. 15/1525, S. 83). Diesem Gesetzeszweck kann nur dann Rechnung getragen werden, wenn die Überschreitung der Altersgrenzen mittels einer Genehmigungsfiktion ausgeschlossen ist.
Das Ergebnis wird auch durch den Gesetzeszweck von § 13 Abs. 3a SGB V gestützt. Diese Vorschrift stellt eine Sanktionsnorm dar (BSG, Urteil vom 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R, Rn. 22). Die Sanktion soll ausschließlich Krankenkassen treffen, die über Anträge nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen entscheiden. Im vorliegenden Fall träfe die mit einer Genehmigungsfiktion verbundene Sanktion jedoch nicht nur die Beklagte, sondern ggf. auch das erhoffte Kind, dessen künftiges Wohl nach Auffassung des Gesetzgebers durch die Altersgrenzen maßgeblich geschützt werden soll.
d) Damit kann offenbleiben, ob die maßgebliche Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V überschritten worden ist.
2. Ein Sachleistungsanspruch auf künftige Versorgung mit IVF-Behandlungen ergibt sich auch nicht aus § 27a SGB V. Insoweit kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihr 40. Lebensjahr bereits vollendet. Damit ist der Anspruch nach § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ausgeschlossen.
3. Einen Anspruch auf Erstattung der für die Behandlungen im Herbst 2017 und im März 2018 bereits angefallenen Kosten kann die Klägerin auch nicht auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V stützen. Die Beklagte hat nämlich mit Bescheid vom 25.07.2016 in der Fassung des Bescheides vom 23.11.2016 (Widerspruchsbescheid vom 12.04.2017) die Versorgung der Klägerin mit IVF-Behandlungen, die nach Vollendung des 40. Lebensjahres begonnen werden, nicht zu Unrecht abgelehnt. Denn § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V schließt Ansprüche auf IVF-Behandlungen für weibliche Versicherte aus, die das 40. Lebensjahr vollendet haben.
4. Der Umstand, dass die Klägerin Behandlungen in Österreich in Anspruch genommen hat und in Anspruch nehmen möchte, führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die das primäre Gemeinschaftsrecht umsetzenden Regelungen des SGB V (§ 13 Abs. 4 und 5 SGB V) sehen keine weitergehenden Leistungsansprüche vor, die von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3a ESchG und der §§ 27, 27a SGB V entbinden (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 1 KR 19/13 R).
Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegen nicht vor. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 5 R 5/13 R, Rn. 37 m.w.N.). Vorliegend fehlt es jedenfalls an der Möglichkeit der Beklagten, durch eine rechtmäßige Amtshandlung den von der Klägerin gewünschten Zustand herzustellen, weil § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V Ansprüche auf IVF-Behandlungen nach Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin ausschließt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von In-vitro-Fertilisations-Behandlungen (IVF-Behandlungen) sowie auf Erstattung von Kosten für bereits durchgeführte Behandlungen streitig.
Die 1976 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert.
1. Mit Schreiben vom 30.04.2016, eingegangen bei der Beklagten am 01.05.2016, stellte die Klägerin einen Antrag "für eine IVF Behandlung / künstliche Befruchtung" unter Vorlage eines ärztlichen Berichts der A. Klinik L-Stadt vom 07.04.2016. Nach Aufforderung durch die Beklagte legte die Klägerin mit Schreiben vom 10.06.2016 (Eingang bei der Beklagten am 21.06.2016) einen Kostenvoranschlag der IVF-Zentren Z. GmbH vom 08.06.2016 einschließlich eines Behandlungsplans vor.
Hierauf beauftragte die Beklagte mit Schreiben vom 29.06.2016, nochmals mit Schreiben vom 07.07.2016, den MDK mit einer medizinischen Stellungnahme zu der beantragten künstlichen Befruchtung. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 29.06.2016 über die Einschaltung des MDK unterrichtet. Nach Eingang des sehr knapp gehaltenen, negativen Gutachtens des MDK vom 14.07.2016 lehnte die Beklagte den Antrag mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25.07.2016 ab.
Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 10.08.2016. Bei der geplanten Behandlung in dem IVF-Zentrum Z. in B-Stadt würden die Vorgaben nach § 27a SGB V und das Deutsche Embryonenschutzgesetz eingehalten. Diesbezüglich wurde eine Erklärung von Prof. Dr. Z. vorgelegt. Ferner legte die Klägerin ein ärztliches Attest vom 11.11.2016 und Laborbefunde vor. Der Gynäkologe Dr. B. bescheinigte "eine absolute Indikation zur IVF Behandlung". Im Widerspruchsverfahren schaltete die Beklagte nochmals den MDK ein. Dieser führte unter dem 15.11.2016 - abweichend von seiner früheren Einschätzung - aus, eine IVF-Behandlung mit 3 Versuchen könne befürwortet werden. Allerdings könnten keine Mehrkosten übernommen werden, die durch eine Behandlung in Österreich anfielen.
2. Die Klägerin wandte sich - nunmehr vertreten durch ihren Bevollmächtigten - mit Schreiben vom 22.11.2016 an die Beklagte und machte den Eintritt einer Genehmigungsfiktion geltend.
Daraufhin räumte die Beklagte mit Bescheid vom 23.11.2016 den Eintritt einer Genehmigungsfiktion ein und erklärte, man werde die Kosten für die Behandlung der In-Vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryotransfer in dem mit Kostenvoranschlag vom 08.06.2016 beantragten Umfang übernehmen. Allerdings könne man sich nicht an Kosten für Behandlungen ab dem 26.11.2016 beteiligen, weil die Klägerin dann 40 Jahre alt sei und die Altersgrenze des § 27a Abs. 3 SGB V überschritten habe. Derartige Behandlungen seien von der Genehmigungsfiktion nicht erfasst.
Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 25.11.2016, die Genehmigungsfiktion beseitige auch die Altersgrenze, anderenfalls laufe § 13 Abs. 3a SGB V hier leer. Hilfsweise werde darauf hingewiesen, dass Anknüpfungsereignis für den Stichtag nach den Richtlinien zu § 27a SGB V bei einer Behandlung im stimulierten Zyklus der erste Tag der Down-Regulation sei (Nr. 9.1 der Richtlinien). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 29.11.2016, sie könne sich nur an Versuchen beteiligen, die vor Erreichen der Altersgrenze begonnen hätten. Ausnahmen von den gesetzlichen Altersbeschränkungen seien nicht möglich.
Daraufhin hat die Klägerin am 23.01.2017 Leistungsklage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben (S 6 KR 38/17). Sie hat sich auf den Eintritt der Genehmigungsfiktion berufen, hilfsweise auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Die Beklagte habe es versäumt, die Klägerin frühzeitig auf die Altersgrenze hinzuweisen.
Mit Schreiben vom 20.04.2017 hat die Beklagte entgegnet, aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.03.2016 ergebe sich, dass die Genehmigungsfiktion nur einsetzen könne, wenn ein hinreichend bestimmter Antrag vorliege. Die Unterlagen, die die Klägerin mittels E-Mail vom 30.04.2016 eingereicht habe, seien als hinreichend bestimmter Antrag nicht ausreichend gewesen. Erst mit Schreiben vom 10.06.2016, eingegangen bei der Beklagten am 21.06.2016, sei ein hinreichend bestimmter Leistungsantrag mit dem eingereichten Behandlungsplan und dem Kostenvoranschlag vom 08.06.2016 gestellt worden. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 29.06.2016 darüber informiert worden, dass der MDK eingeschaltet werde. Damit habe die Beklagte entsprechend § 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V den Eintritt der Genehmigungsfiktion hinausgeschoben. Leider sei versäumt worden, taggenau eine bestimmte Fristverlängerung mitzuteilen, so dass die ablehnende Entscheidung vom 25.07.2016 nicht fristgerecht erfolgt sei mit der Folge, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Das BSG habe im Urteil vom 08.03.2016 ausgeführt, dass eine fingierte Genehmigung wirksam bleibe, solange und soweit sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Im Fall der Klägerin habe sich nach Auffassung der Beklagten die Genehmigung "auf andere Weise" erledigt, nämlich durch die Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin am 26.11.2016.
Hierauf hat die Klägerin mit Schreiben vom 04.05.2017 erwidert, wenn zum Zeitpunkt des Antrags der behandelnde Arzt konkret und namentlich nicht feststehe oder benannt werde, stehe dieses einem hinreichend bestimmten Antrag nicht entgegen. Die gesetzliche Genehmigungsfiktion erschöpfe sich auch nicht mit der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin. § 13 Abs. 3a SGB V wolle im Ergebnis einer verzögerten Verbescheidung entgegenwirken und sehe hierfür im Sanktionswege den Eintritt einer gesetzlichen Fiktionswirkung vor. Allein durch Erfüllen des gesetzlichen Tatbestandes werde die fehlende oder verzögerte Genehmigung fingiert und damit ersetzt. Von einer Genehmigungsfiktion unter Bedingungen oder Auflagen spreche das Gesetz nicht. Die Genehmigungsfiktion sei daher umfassend und mangels gesetzlicher Regelungen keiner Einschränkung zugänglich.
3. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2017 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.07.2016 zurück. Für Behandlungen nach dem 26.11.2016 könnten unter keinen Umständen Kosten erstattet werden, auch nicht im Rahmen einer Genehmigungsfiktion. Man habe den Ehemann der Klägerin bereits in einem Telefonat am 14.05.2016 auf die Altersgrenze hingewiesen.
Auch dagegen hat die Klägerin am 16.05.2017 Klage zum SG erhoben (S 6 KR 232/17). Die Leistungsvoraussetzungen gemäß § 27a SGB V hätten anfangs vollständig vorgelegen. Mit Erreichen des 40. Lebensjahres am 26.11.2016 sei während des Vorverfahrens die Einhaltung des gesetzlichen Höchstalters entfallen. Hierauf komme es unter den gegebenen Umständen aber nicht an. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei auch diese Leistungsvoraussetzung erfüllt gewesen. Die Verzögerung bei der Bescheidung dürfe der Klägerin nicht angelastet werden. Da die Beklagte pflichtwidrig über den Antrag der Klägerin nur verzögert entschieden habe, sei es der Klägerin auch nicht möglich gewesen, sich die Leistung selbst zu beschaffen. Eine Selbstbeschaffung habe sich bereits deswegen verboten, weil sie dann ihren primären Leistungsanspruch verloren hätte. Außerdem sei eine Selbstbeschaffung aus finanziellen Gründen letztendlich nicht in Erwägung gezogen worden oder möglich gewesen. Hilfsweise stütze sich die Klägerin auch auf einen Schadensersatzanspruch. Bei ordnungsgemäßer Behandlung des Antrags hätte die Beklagte zeitnah entscheiden müssen. Sie hätte bei der gegebenen Befundlage ferner die Behandlung bewilligen müssen. Bei einem ordnungsgemäßen Verfahren wäre die Entscheidung noch im Mai 2016 möglich und auch geboten gewesen. Dies hätte der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, vor Erreichen der Höchstaltersgrenze am 26.11.2016 nötigenfalls drei Behandlungszyklen durchzuführen.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 12.06.2017 ausgeführt, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nicht gegeben. Durch das Telefonat am 14.05.2016 sei der Klägerin bekannt gewesen, dass es die Altersgrenze von 40 Jahren für Frauen gebe. Selbst wenn aber während dieses Telefonats keine entsprechende Information erteilt worden sein sollte und die pflichtgemäße Information erst nach Vollendung des 40. Lebensjahres erfolgt wäre, könne dies das Erreichen der Altersgrenze und damit das Ende des grundsätzlichen Anspruchs auf Leistung zur künstlichen Befruchtung nicht beseitigen. Mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne die Klägerin demnach keine zulässige Amtshandlung mehr erreichen.
4. In der mündlichen Verhandlung am 24.10.2017 hat das SG die beiden Rechtsstreitigkeiten S 6 KR 38/17 und S 6 KR 232/17 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Mit Urteil vom 24.10.2017 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2017 verurteilt, der Klägerin drei Behandlungszyklen einer IVF-Behandlung zu gewähren und hierbei ihr die bereits entstandenen Kosten des ersten Behandlungszyklus zu erstatten.
Das SG hat ausgeführt, der Naturalleistungsanspruch der Klägerin ergebe sich aus der kraft Gesetzes eingetreten fingierten Genehmigung ihres Antrags vom 30.04.2016. Nach dem Urteil des BSG vom 11.07.2017 - B 1 KR 26/16 R - genüge es für die hinreichende Bestimmtheit, dass das Behandlungsziel klar sei. Nicht entscheidend dagegen sei, ob vom Versicherten eine bestimmte Behandlungsmethode als Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht genannt werde, wenn hierfür mehrere Möglichkeiten zur Verfügung ständen, oder ob vom Versicherten ein konkreter Arzt benannt werde. Da die Klägerin in ihrem Antrag vom 30.04.2016 von einer "IVF-Behandlung/künstliche Befruchtung" gesprochen habe, sei unzweifelhaft das Ziel ihres Behandlungswunsches klar gewesen, nämlich eine medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft gemäß § 27a Abs. 1 SGB V. Ein bestimmter Antrag habe somit vorgelegen. Selbst wenn man im Fall des § 27a SGB V die Bestimmtheit des Antrags an das Vorliegen eines Behandlungsplans knüpfen wollte, wäre der Antrag der Klägerin hier spätestens nach Eingang ihres Schreibens vom 10.06.2016 am 21.06.2016 hinreichend bestimmt gestellt worden. Weiter habe der Antrag auch eine Leistung betroffen, die die Klägerin entsprechend dem Schreiben der A. Klinik auf vom 07.04.2016 für erforderlich habe halten dürfen. Im Übrigen habe selbst der MDK in seiner Stellungnahme vom 15.11.2016 die beantragte Behandlung als erforderlich angesehen.
Über diesen Antrag habe die Beklagte sodann unstreitig nicht innerhalb der Bescheidungsfristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V entschieden und der Klägerin auch keine Mitteilung darüber gemacht, weshalb sie über den eingereichten Antrag nicht fristgerecht entscheiden könne, verbunden mit einer taggenauen Prognose, wann mit der Entscheidung zu rechnen sei. Dies gelte sowohl für den Beginn der Frist am 01.05.2016 wie für den Beginn der Frist am 21.06.2016, da hier die Beklagte nach Ablauf der Fünf-Wochen-Frist die ablehnende Entscheidung der Klägerin spätestens am 26.07.2016 hätte bekannt geben müssen. Vorliegend gelte aber die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 25.07.2016, da sie mit der Post versandt worden sei, erst am 28.07.2016 als bekannt gegeben (§ 27 Abs. 2 SGB X).
Spätestens ab 26.07.2016 habe ein Naturalleistungsanspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer IVF-Behandlung bestanden, die nach ihrem gesetzlichen Umfang grundsätzlich drei Behandlungsversuche umfasse. Dieser Sachleistungsanspruch sei auch nicht später dadurch erloschen oder habe sich dadurch erledigt, dass die Klägerin am 26.11.2016 ihr 40. Lebensjahr vollendet habe und somit nach § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V grundsätzlich kein Leistungsanspruch mehr bestanden habe. Das Überschreiten der Höchstaltersgrenze stelle nämlich allein eine materielle Leistungsvoraussetzung für eine medizinische Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft dar, deren Fehlen aber unbeachtlich sei, wenn eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei. Die Klägerin habe ihren Naturalleistungsanspruch auf eine IVF-Behandlung auch nicht dadurch verwirkt, dass sie mit dieser nicht noch vor dem 26.11.2016 begonnen habe, obwohl sie nach Aktenlage von der Beklagten auf die Altersgrenze von 40 Jahren hingewiesen worden sei. Da § 13 Abs. 3a SGB V nicht nur denjenigen schütze, der finanziell in der Lage sei, nach dem Eintritt der Genehmigungsfiktion sich eine Sachleistung selbst zu beschaffen, sondern auch die Versicherten, die darauf angewiesen seien, dass die Krankenkasse ihnen die beantragte Sachleistung zur Verfügung stelle, sei die Klägerin berechtigt, auch den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens abzuwarten und ihren Naturalleistungsanspruch auf diese Weise durchzusetzen.
Gegen das am 16.11.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.12.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Die Genehmigungsfiktion habe sich mit dem 25.11.2016 erledigt, weil die Klägerin am 26.11.2016 das 40. Lebensjahr vollendet habe. Auch im BSG-Urteil vom 11.07.2017 (B 1 KR 26/16 R) werde darauf hingewiesen, dass eine fingierte Genehmigung wirksam bleibe, solange sie nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sei. Seien Bestand oder Rechtswirkungen einer Genehmigung für den Adressaten erkennbar von vornherein an den Fortbestand einer bestimmten Situation gebunden, so werde sie gegenstandslos, wenn die betreffende Situation nicht mehr bestehe (BSG, a.a.O., Rn. 35). Die Klägerin habe ausgeführt, sie habe Leistungen "im gesetzlichen Umfang" beantragt. Der gesetzliche Umfang ergebe sich aus § 27a SGB V und umfasse auch die Altersgrenze.
Die Klägerin hat entgegnet, die Voraussetzungen des § 27a SGB V seien nicht mehr zu prüfen, weil eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei. Auf die Bitte des Senats, sämtliche bereits entstandenen Kosten nachzuweisen, deren Erstattung sie begehre, hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe im Herbst 2017 für insgesamt 2.754,17 Euro einen ersten Behandlungszyklus durchführen lassen; für einen zweiten Behandlungszyklus im März 2018 seien 1.981,03 Euro angefallen. Beide Behandlungszyklen seien vorzeitig abgebrochen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24.10.2017 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
Gegenstand des Rechtsstreits sind im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG) zusammen verfolgte zwei zulässige Klagebegehren. Die Klägerin begehrt die künftige Versorgung mit IVF-Behandlungen und die Erstattung der für die Behandlungen im Herbst 2017 und im März 2018 angefallenen Kosten.
1. Die Klägerin kann die geltend gemachten Ansprüche nicht auf eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V stützen.
a) Die Klägerin hat am 01.05.2016 keinen hinreichend bestimmten Antrag auf Versorgung mit IVF-Behandlungen gestellt.
Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrags fingierte Genehmigung ihrerseits im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt ist. Ein Verwaltungsakt ist - zusammengefasst - inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X), wenn sein Adressat objektiv in der Lage ist, den Regelungsgehalt des Verfügungssatzes zu erkennen und der Verfügungssatz ggf. eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bildet. So liegt es, wenn der Verfügungssatz in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten. Die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit richten sich im Einzelnen nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. Der Verfügungssatz, einen Naturalleistungsanspruch auf eine bestimmte Krankenbehandlung (§ 27 SGB V) zu gewähren, verschafft dem Adressaten eine Rechtsgrundlage dafür, mittels Leistungsklage einen Vollstreckungstitel auf das Zuerkannte zu erhalten. Die Vollstreckung erfolgt nach den Regelungen über vertretbare Handlungen (vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 1, § 198 Abs. 1 SGG, § 887 ZPO). Es genügt hierfür, dass das Behandlungsziel klar ist. Dass hinsichtlich der Mittel zur Erfüllung der Leistungspflicht verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung stehen, beeinträchtigt den Charakter einer Leistung als vertretbare Handlung nicht. Diese allgemeinen Grundsätze gelten ebenso, wenn Patienten zur Konkretisierung der Behandlungsleistung auf die Beratung des behandelnden Arztes angewiesen sind (BSG, Urteil vom 07.11.2017, B 1 KR 24/17 R, Rn. 20 f. m.w.N.).
Der Antrag der Klägerin, der auf "eine IVF-Behandlung / künstliche Befruchtung" gerichtet war, genügte diesen Anforderungen nicht. Ein Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V kann nur zu einer Genehmigungsfiktion führen, wenn der nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V zwingend erforderliche Behandlungsplan vorliegt.
Unabhängig davon durfte die Klägerin IVF-Behandlungen zum damaligen Zeitpunkt auch subjektiv nicht für erforderlich halten. Denn am 01.05.2016 lag als ärztliche Stellungnahme lediglich der Arztbericht der A. Klinik L-Stadt vom 07.04.2016 vor, in dem nicht die Durchführung von IVF-Behandlungen, sondern nur eine Vorstellung in einem Kinderwunschzentrum "bezüglich der Fragestellung IVF oder ggf. Inseminationsversuch vs. abwartendes Verhalten" empfohlen wurde.
b) Dagegen lag am 21.06.2016 ein hinreichend bestimmter Antrag vor. An diesem Tag ging das Schreiben der Klägerin vom 10.06.2016 mit dem Behandlungsplan der IVF-Zentren Z. GmbH vom 08.06.2016 bei der Beklagten ein.
Zwar sind die Angaben in dem mit Schreiben vom 10.06.2016 vorgelegten Behandlungsplan widersprüchlich. Einerseits werden als Diagnosen "11.3 weibliche Subfertilität" und "11.3 männliche Subfertilität" angegeben; andererseits wird als geplante Behandlungsmaßnahme "intracytoplasmatische Spermieninjektion (gemäß Nr. 10.5)" genannt. Die medizinischen Indikationen hierfür sind in den Richtlinien über künstliche Befruchtung jedoch nicht unter Nr. 11.3, sondern unter Nr. 11.5 genannt. Danach ist Voraussetzung eine schwere männliche Fertilitätsstörung, dokumentiert durch zwei aktuelle Spermiogramme, die auf der Grundlage des Handbuchs der WHO zu "Examination and processing of human semen" erstellt worden sind. Die Untersuchung des Mannes im Rahmen der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen nach Nummer 1 durch Ärztinnen oder Ärzte mit der Zusatzbezeichnung "Andrologie" muss der Indikationsstellung vorausgehen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird in dem Behandlungsplan gerade nicht bestätigt, dies gilt auch für das Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen nach Nr. 8 Satz 15 der Richtlinien über künstliche Befruchtung.
Dies steht der Bestimmtheit des Antrags jedoch nicht entgegen, denn es wird deutlich, welche Behandlung die Klägerin auf der Grundlage des Behandlungsplans begehrt.
c) Der Antrag der Klägerin betraf jedoch eine Leistung, deren Erbringung nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres sie subjektiv nicht für erforderlich halten durfte und offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung lag.
aa) Die Klägerin durfte die Erbringung der streitgegenständlichen Leistung nach Vollendung ihres 40. Lebensjahres subjektiv nicht für erforderlich halten. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Klägerin bei Antragstellung am 21.06.2016 über die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V geregelte obere Altersgrenze informiert war. Denn nach § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V, Nr. 7 in Verbindung mit Nr. 14 der Richtlinien über künstliche Befruchtung ist vor IVF-Behandlungen eine Beratung im Hinblick auf die individuellen medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der künstlichen Befruchtung vorgeschrieben. Zu diesen Aspekten zählen auch die gesetzlichen Altersgrenzen. Eine solche Beratung hat die Klägerin spätestens vor Erstellung des Behandlungsplans bei der IVF-Zentren Z. GmbH, den sie mit Schreiben vom 10.06.2016 vorgelegt hat, in Anspruch genommen. Prof. Dr. Z. hat unter dem 10.08.2016 bestätigt, die Vorgaben nach § 27a SGB V einzuhalten. Auch aus einer Aktennotiz der Beklagten vom 09.05.2016 ergibt sich, dass die Klägerin auf die gesetzliche Altersgrenze von 40 Jahren hingewiesen worden ist.
bb) Die Erbringung der streitgegenständlichen Leistung nach Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin lag offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Zwar gilt nach § 13 Abs. 3a SGB V eine Leistung auch dann als genehmigt, wenn der Antragsteller auf diese objektiv keinen materiell-rechtlichen Anspruch hat (BSG, Urteil vom 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R, Rn. 22). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt; die Vorschrift soll nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (BSG, a.a.O., Rn. 21).
Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V normierten oberen Altersgrenzen stellen solche Grenzen des GKV-Leistungskatalogs dar. Sie müssen jeder/jedem Versicherten klar sein; um dies sicherzustellen, ist - wie bereits dargelegt - in § 27a Abs. 1 Nr. 5 SGB V, Nr. 7. in Verbindung mit Nr. 14 der Richtlinien über künstliche Befruchtung eine Beratung vorgeschrieben, die u.a. die Altersgrenzen zum Gegenstand hat.
Auch der Gesetzeszweck der in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V normierten Altersgrenzen spricht gegen die Möglichkeit, die oberen Altersgrenzen mittels einer Genehmigungsfiktion zu überwinden. Diese dienen nämlich ganz maßgeblich auch dem künftigen Wohl des erhofften Kindes. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zum GKV-Modernisierungsgesetz (BT-Drs. 15/1525, S. 83). Diesem Gesetzeszweck kann nur dann Rechnung getragen werden, wenn die Überschreitung der Altersgrenzen mittels einer Genehmigungsfiktion ausgeschlossen ist.
Das Ergebnis wird auch durch den Gesetzeszweck von § 13 Abs. 3a SGB V gestützt. Diese Vorschrift stellt eine Sanktionsnorm dar (BSG, Urteil vom 11.07.2017, B 1 KR 26/16 R, Rn. 22). Die Sanktion soll ausschließlich Krankenkassen treffen, die über Anträge nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen entscheiden. Im vorliegenden Fall träfe die mit einer Genehmigungsfiktion verbundene Sanktion jedoch nicht nur die Beklagte, sondern ggf. auch das erhoffte Kind, dessen künftiges Wohl nach Auffassung des Gesetzgebers durch die Altersgrenzen maßgeblich geschützt werden soll.
d) Damit kann offenbleiben, ob die maßgebliche Frist des § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V überschritten worden ist.
2. Ein Sachleistungsanspruch auf künftige Versorgung mit IVF-Behandlungen ergibt sich auch nicht aus § 27a SGB V. Insoweit kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin ihr 40. Lebensjahr bereits vollendet. Damit ist der Anspruch nach § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ausgeschlossen.
3. Einen Anspruch auf Erstattung der für die Behandlungen im Herbst 2017 und im März 2018 bereits angefallenen Kosten kann die Klägerin auch nicht auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V stützen. Die Beklagte hat nämlich mit Bescheid vom 25.07.2016 in der Fassung des Bescheides vom 23.11.2016 (Widerspruchsbescheid vom 12.04.2017) die Versorgung der Klägerin mit IVF-Behandlungen, die nach Vollendung des 40. Lebensjahres begonnen werden, nicht zu Unrecht abgelehnt. Denn § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V schließt Ansprüche auf IVF-Behandlungen für weibliche Versicherte aus, die das 40. Lebensjahr vollendet haben.
4. Der Umstand, dass die Klägerin Behandlungen in Österreich in Anspruch genommen hat und in Anspruch nehmen möchte, führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die das primäre Gemeinschaftsrecht umsetzenden Regelungen des SGB V (§ 13 Abs. 4 und 5 SGB V) sehen keine weitergehenden Leistungsansprüche vor, die von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 3a ESchG und der §§ 27, 27a SGB V entbinden (BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 1 KR 19/13 R).
Die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs liegen nicht vor. Dessen (im Wesentlichen dreigliedriger) Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 5 R 5/13 R, Rn. 37 m.w.N.). Vorliegend fehlt es jedenfalls an der Möglichkeit der Beklagten, durch eine rechtmäßige Amtshandlung den von der Klägerin gewünschten Zustand herzustellen, weil § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V Ansprüche auf IVF-Behandlungen nach Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin ausschließt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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