L 4 P 67/17

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 P 66/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 P 67/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Pflegegeld unterliegt grundsätzlich dem Pfändungsschutz. Dies gilt auch für Pflegegeldleistungen aus einem privaten Versicherungsverhältnis.
2. Die Aufrechnung durch den Versicherer richtet sich bei der privaten Pflegeversicherung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, ergänzt vor allem durch Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes. § 51 SGB I findet keine Anwendung.
3. Private Krankenkassen können gegen Pflegegeldansprüche geschuldete Beiträge bzw. Beitragsrückstände aufrechnen, sofern keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vorliegt oder eintritt.
4. Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich nicht aus der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20.09.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung durch die Beklagte und Berufungsbeklagte mit dem monatlichen Pflegegeld der Klägerin und Berufungsklägerin streitig. Es besteht eine private Pflegepflichtversicherung unter der Versicherungsnummer xxx-A mit dem Tarif PV mit Tarifstufe PVN. Ein Beihilfeanspruch besteht nicht.

Ausweislich eines Medicproof-Gutachtens vom 13.02.2017 liegen bei der Klägerin seit 01.01.2017 die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen entsprechend dem Pflegegrad II vor. Daraufhin teilte die Beklagte in einem Schreiben vom 18.04.2017 der Klägerin mit, dass ihr aufgrund des Medicproof-Gutachtens ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 316,00 EUR zustehe, dass aber auch gleichzeitig dieses Pflegegeld verrechnet werde mit entsprechenden Beitragsrückständen. Diese beliefen sich zum 30.06.2017 auf insgesamt 1.676,67 EUR.

Nachdem die Klägerin mehrfach versucht hatte, die Beklagte zur Auszahlung des ent-sprechenden monatlichen Pflegegeldes zu bewegen, hat die Klägerin mit Schreiben vom 10.05.2017 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Zuletzt hat sie in der mündlichen Verhandlung am 20.09.2017 den Antrag gestellt, die Beklagte zu verpflichten, ihr ab 01.01.2017 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 316,00 EUR auszuzahlen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.09.2017 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht gemäß § 394 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Pflegegeld mit dem Anspruch aus Beitragsrückständen aufgerechnet. Unstreitig hätten zum 30.06.2017 Beitragsrückstände in Höhe von 1.676,67 EUR bestanden. Ausweislich des § 394 Satz 2 BGB könnten gegen die aus Hilfskassen, worunter die Pflegekasse falle, zu beziehenden Hebungen die entsprechenden geschuldeten Beiträge aufgerechnet werden. Exakt diese Fallkonstellation sei vorliegend gegeben.

Gegen das am 29.09.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.10.2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, mit der sie ihren Antrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgt hat. Sie hat umfangreiche Schreiben und Unterlagen zu ihren Lebensumständen, ihrem Gesundheitszustand und ihrer finanziellen Lage eingereicht.

Der Senat hat auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25.01.2018 (Az.: L 5 P 81/16 - juris) hingewiesen. Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass die Auszahlung des Pflegegeldes jeden Monat mit dem aktuellen Beitragsrückstand verrechnet werde. Aktuell bestünden somit keine Beitragsrückstände mehr.

Die Stadt S. hat mit Schreiben vom 12.11.2018 mitgeteilt, dass die Klägerin bis einschließlich 31.07.2016 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten habe. Die Leistungen seien zum 31.07.2016 wegen ausreichenden Einkommens eingestellt worden. Ein Neuantrag liege aktuell nicht vor.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2018 hat der Senat im Hinblick auf § 193 Abs. 6 S. 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zu bedenken gegeben, dass Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gemäß Auskunft der Stadt S. nur bis 31.07.2016 bezogen wurden. Mit Beschluss ist der Beklagten aufgegeben worden, für die Zeit ab 01.01.2017, getrennt nach Kranken- und Pflegeversicherung, monatlich anzugeben,
a) welche Beitragsforderungen entstanden sind,
b) welche Zahlungen von der Klägerin tatsächlich geleistet wurden,
c) mit welcher Forderung aufgerechnet wurde,
d) ob bei der Aufrechnung auch Rückstände aus früheren Zeiten mit eingeflossen sind.

Der Rechtsstreit ist zur weiteren Sachverhaltsaufklärung vertagt worden.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 22.01.2019 die Saldenentwicklung bei der Krankenversicherung von Juni 2008 bis Dezember 2018 (Saldo am Monatsende zuletzt: 37.679,32 EUR) sowie bei der Pflegeversicherung übersandt. Bei letzterer erfolgte demnach ab April 2017 eine Leistungsverrechnung (Saldo Ende März 2017: 3.243,23 EUR); seit Ende Februar 2018 beträgt das Saldo am Monatsende 0,00 EUR. Die Beklagte hat hierzu darauf hingewiesen, dass sie die Bereiche Kranken- und Pflegepflichtversicherung stets streng voneinander getrennt behandelt habe und die Beiträge dementsprechend auch getrennt gebucht und verrechnet habe. Im Bereich der Pflegeversicherung sei im Zeitraum November 2014 bis März 2017 (Zahlungsart "Zahlung von Sirius Inkasso") ein externes Inkassounternehmen mit der Beitreibung der offenen Beiträge beauftragt worden. Eine Verrechnung sei ab April 2017 vorgenommen worden. Dabei sei das monatliche Pflegegeld in Höhe von 316.- EUR mit den rückständigen Beiträgen verrechnet worden. Rückwirkend sei nur die erste Leistungsverrechnung im April 2017 für drei Monate (948.- EUR) erfolgt. Die Klägerin selbst habe am 04.10.2017 den Betrag von 75,00 EUR geleistet. Ab März 2018 sei der aktuelle Monatsbeitrag mit der aktuellen Versicherungsleistung (monatsgleich) verrechnet worden.

Die Entscheidung des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar und auch mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht vereinbar. Vorliegend sei nämlich die Klägerin bereits nicht hilfebedürftig wie der Versicherungsnehmer im Fall des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen. Sie habe Leistungen der Grundsicherung nur bis einschließlich 31.07.2016 erhalten. Im Übrigen hat die Beklagte auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 05.12.2018 (Az.: IV ZR 81/18 - juris, ergangen zum sog. Notlagentarif) hingewiesen. Sogar im Notlagentarif sei eine Verrechnung mit Beitragsrückständen für zulässig erklärt worden.

Die Klägerin hat auf einen Pfändungsschutz in Höhe von 1.076.- EUR verwiesen. Ihr Netto-Einkommen betrage 1.056,31 EUR (Rentenbetrag gem. Bescheid der DRV Rheinland vom 18.01.2019). Eine billigere Wohnung bekomme sie nicht. Sie hat die Ansicht vertreten, dass das Pflegegeld nicht gepfändet werden dürfe.

Die Beklagte hat die Versicherungsunterlagen vorgelegt und mit Schriftsatz vom 13.03.2019 ferner mitgeteilt, dass die hier einschlägigen Allgemeinen Vertragsbedingungen der privaten Pflegepflichtversicherung (AVB, Stand 04.2017), die den MB/PPV 2017 und dem Tarif PV entsprechen, den Musterbedingungen des PKV-Verbandes zur Pflegepflichtversicherung entsprächen.

Die Klägerin hat zuletzt mit Schriftsatz, eingegangen am 21.03.2019, u.a. eine Bescheinigung nach § 850 k Abs. 5 ZPO der K. S. GmbH vom 15.03.2019 zum Pfändungsschutzkonto vorgelegt. Danach beträgt der pfandfreie monatliche Sockelbetrag bei der Klägerin 1.323,36 EUR. Pflegegeld wird in Höhe von 189,56 EUR ausgezahlt.

Beigezogen wurde die Sozialhilfeakte der Stadt S ... Mit Bescheid vom 19.07.2016 gewährte die Stadt S. der Klägerin mit Ablauf des 31.07.2016 keine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII mehr. Unter Berücksichtigung der Rente ab 01.08.2016 in Höhe von 1.077,51 EUR errechne sich ab diesem Datum kein Anspruch mehr auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Auf den beiliegenden Berechnungsbogen 8/2016 wurde verwiesen.

Gemäß der Beitragsanpassung zum 01.01.2019 beträgt der Monatsbeitrag für den PVN-Tarif 126,44 EUR. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2019, bei der die Klägerin nicht anwesend war, eine aktuelle Saldenmitteilung bis einschließlich März 2019 übergeben. Nach dem 30.06.2016 bis heute seien auch keine Beiträge über einen Sozialhilfeträger geleistet worden. Auf die Niederschrift der Sitzung wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 20. September 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. Januar 2017 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 316,00 EUR auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Sozialhilfeakte der Stadt S. und auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).

Streitgegenständlich ist nur die Auszahlung des Pflegegeldes seit 01.01.2017 in Höhe von monatlich 316,00 EUR. Die Klägerin wendet sich insoweit gegen die Verrechnung bzw. Aufrechnung durch die Beklagte. Der Rechtsstreit bezieht sich auf das Versicherungsverhältnis, das den Bereich der Pflegeversicherung betrifft (Tarifstufe PVN). Die Beitragsrückstände, die die Krankenversicherung betreffen, sind von der Beklagten am ordentlichen Gericht anhängig gemacht und nicht streitgegenständlich.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Senat schließt sich hierbei den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts an (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Die Beklagte trennte hinsichtlich der Beitragsrückstände zwischen den Beiträgen, die sich auf die Krankenversicherung beziehen, und denjenigen, die die Pflegeversicherung betreffen. Die Aufrechnung gegen das unstreitige Pflegegeld in Höhe von 316.- EUR betraf nur die Pflegeversicherung. Streitig ist dabei die Zeit der Pflegegeldgewährung ab 01.01.2017. Ausweislich der Übersichten der Beklagten erfolgte in der Zeit vom Januar 2017 bis einschließlich März 2017 keine Leistungsverrechnung bzw. Aufrechnung. Gegen das streitige Pflegegeld wurde erst ab April 2017 aufgerechnet. Dabei wurde das monatliche Pflegegeld in Höhe von 316.- EUR mit den rückständigen Beiträgen verrechnet. Diese erste Leistungsverrechnung im April 2017 erfolgte mit der Nachzahlung des Pflegegeldes für die ersten drei Monaten (somit 948.- EUR). Seit März 2018 wurde der aktuelle Monatsbeitrag mit der aktuellen Versicherungsleistung (monatsgleich) verrechnet. Hieraus ergibt sich eine Auszahlung von Pflegegeld in Höhe des Restbetrages, d.h. seit 01.01.2019 werden 189,56 EUR an die Klägerin gezahlt, wie sich auch aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des K. S. GmbH nach § 850 k Abs. 5 ZPO vom 15.03.2019 ergibt. In der Höhe der Auszahlung des Restbetrags - nach Abzug der Beitragshöhe seit März 2018 - ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

Im Übrigen durfte die Beklagte jedoch die Beiträge und Beitragsrückstände wie erfolgt gegen den Anspruch auf Pflegegeld aufrechnen.

Zwar unterliegt das Pflegegeld grundsätzlich dem Pfändungsschutz, auf den sich die Klägerin beruft. Soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt, § 394 S. 1 BGB. Unpfändbar sind zum einen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen (vgl. § 54 Abs. 1 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB I); hierzu zählen auch Surrogate von derartigen Ansprüchen (vgl. hierzu: KassKomm-Siefert, § 54 SGB I, Rn. 17). Zum andern sind unpfändbar Ansprüche auf Geldleistungen, die dafür bestimmt sind, den durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwand auszugleichen (§ 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I). § 394 BGB erfasst insoweit auch die Regelung des § 54 SGB I (Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 394 Rn. 3).

Nach ganz herrschender Kommentarliteratur unterliegt das Pflegegeld nach § 37 SGB XI dem Pfändungsschutz gemäß § 54 Abs. 3 Nr. 3 SGB I; das Pflegegeld dient der Deckung eines krankheitsbedingten Mehraufwands (Häusler, in: Hauck/Noftz, SGB I, I § 54 Rn. 53; JurisPK- SGB I, § 54 Rn. 72; Bigge, in: Eichenhofer/von Koppenfels-Spies, Kommentar zum SGB I, 2. Aufl. 2018, § 54 Rn. 43; Thomas/Putzo-Seiler, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 829 Rn. 16 c). Z.T. wird vertreten, dass sich der Pfändungsschutz als Surrogat gemäß § 54 Abs. 1 SGB I ergibt.

Dies gilt nach Ansicht des Senats auch für Pflegegeldleistungen aus einem privaten Versicherungsverhältnis. Die Regelungen für die private Pflegeversicherung nach § 110 SGB XI wollen nämlich sicherstellen, dass die Belange der Personen, die nach § 23 SGB XI zum Abschluss eines Pflegeversicherungsvertrages bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen verpflichtet sind, ausreichend gewahrt werden. So vertritt z.B. auch das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 12.02.2002, Az. L 3 P 19/00) die Ansicht, dass die Zweckbestimmung des Pflegegeldes, die Pflegebereitschaft einer nahestehenden Person oder eines Nachbarn zu erhalten, auch auf das aus der privaten Pflege-versicherung zu zahlende Pflegegeld zutrifft (dem folgend z.B.: SG Hamburg, Urt. v. 24.09.2012, Az.: S 23 P 134/10 - juris Rn. 28; zur grundsätzlichen Unpfändbarkeit nach § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO auch für das Pflegegeld: Thomas/Putzo-Seiler, a.a.O., § 850 b Rn. 10). Dem schließt sich der Senat an.

Davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob auch ein Aufrechnungsverbot besteht. Vorliegend besteht trotz Pfändungsschutz kein Aufrechnungsverbot; zutreffend hat das Sozialgericht dies mit der Regelung des § 394 S. 2 BGB begründet.

Da die Klägerin nicht gesetzlich, sondern privat pflegeversichert ist, sind diesbezügliche Regelungen des SGB I, insbesondere §§ 51 und 54 SGB I, nicht (unmittelbar) anwendbar. Hinsichtlich der Aufrechnung kommen vielmehr die allgemeinen Regelungen des BGB, hier insb. § 394 BGB, zum Zuge, ergänzt durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung (Bedingungsteil MB/PPV 2017) und Regelungen des VVG. Allerdings regeln die Allgemeinen Versicherungsbedingungen in § 12 nur die Aufrechnung durch den Versicherungsnehmer, nicht durch den Versicherer.

Wie oben dargelegt findet die Aufrechnung gegen die Forderung nicht statt, soweit eine Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist, § 394 S. 1 BGB. Ein Aufrechnungsausschluss für private Krankenversicherer ergibt sich im Grundsatz aus § 394 S. 1 BGB i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Wie dargelegt stehen unter Pfändungsschutz Unterstützungsbezüge (aus öffentlichen und privaten Kassen). Hierzu zählt auch das Pflegegeld (Thomas/Putzo-Seiler, a.a.O., § 850 b Rn. 10).

Allerdings können nach § 394 S. 2 BGB gegen die aus Kranken-, Hilfs- oder Sterbekassen, insbesondere aus Knappschaftskassen und Kassen der Knappschaftsvereine, zu beziehenden Hebungen geschuldete Beiträge aufgerechnet werden. Hieraus wird überwiegend geschlossen, dass der Versicherer berechtigt ist, ausnahmsweise auch gegen eigentlich gemäß § 850 b Abs. 1 Nr. 4 ZPO unpfändbare Forderungen aufzurechnen (BGH, Urt. v. 05.12.2018, Az.: IV ZR 81/18 - juris Rn. 15 m.w.N.). Mit "Hebungen" sind Versicherungsforderungen gemeint. Der Begriff "Krankenkasse" ist gemäß dem Sinn und Zweck der Regelung dahingehend auszulegen, dass bei der privaten Pflegeversicherung der Versicherer insgesamt betroffen ist; damit unterliegen auch die Beiträge, die auf die Pflegeversicherung entfallen, der Ausnahme des § 394 S. 2 BGB.

Dabei ist zu beachten, dass die vergleichbare Regelung des § 51 Abs. 2 SGB I eine spezielle Regelung hierzu darstellt (Staudinger, Kommentar zum BGB, Neuaufl. 2016, § 394 Rn. 68). Jedoch greift das SGB I, wie dargelegt, nicht für das hier gegebene private Versicherungsverhältnis.

Die Klägerin ist seit Jahren mit der Beitragszahlung für die private Pflegeversicherung in Rückstand bzw. zahlt keine Beiträge - mit geringen Ausnahmen. Es waren daher zuletzt zum 31.03.2017 Beitragsrückstände in Höhe von 3.243,23 EUR aufgelaufen. Gemäß § 394 S. 2 BGB konnte die Beklagte daher gegen die seit 01.01.2017 geschuldete Pflegegeldleistung aufrechnen und diese mit der Beitragsforderung verrechnen.

Dem stehen auch nicht Regelungen des VVG entgegen. Ein grundsätzlicher Ausschluss des § 394 S. 2 BGB findet sich dort nicht (so offensichtlich auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen in dem bereits angesprochenen Urteil vom 25.01.2018 (a.a.O., juris Rn. 23). Vielmehr sind bei der Anwendung der §§ 387 ff BGB lediglich weiter die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes zu prüfen - hier insbesondere § 193 Abs. 6 S. 5 VVG (s.a. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., juris - Rn. 24 ff; zur Anwendbarkeit auch für die private Pflegeversicherung: Rn. 25).

§ 193 Abs. 6 S. 5 VVG bestimmt, dass im Falle des Verzugs mit der Prämienzahlung das Ruhen des Vertrags nicht eintritt oder endet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist oder wird. Das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen hat nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ein Aufrechnungsverbot jedenfalls dann angenommen, wenn - wie hier - ein Beitragsrückstand für den Zeitraum, in dem die Leistungsansprüche entstanden sind (gegen die der Versicherer aufrechnen will), nicht besteht. Nach Darlegung des LSG würden die Regelungen des § 193 Abs. 6 S. 5 VVG und des § 110 Abs. 4 SGB XI umgangen bzw. blieben ohne praktische Bedeutung, würde man ein Aufrechnungsverbot nicht annehmen. Dadurch wird wenigstens teilweise eine Deckungsgleichheit mit der gesetzlichen Pflegeversicherung, bei der § 51 Abs. 2 SGB I greift, hergestellt. Deshalb sei in dem dort zu entscheidenden Fall die Aufrechnung ausgeschlossen gewesen, "weil der Kläger hilfebedürftig im Sinne des SGB XII ist." (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., juris Rn. 27).

Vorliegend erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu, da eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin im Sinne des § 193 Abs. 6 S. 5 VVG nicht gegeben ist. Die Klägerin bezog nach Angaben der Stadt S. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse nur bis einschließlich 31.07.2016. Mit Bescheid vom 19.07.2016 gewährte die Stadt S. der Klägerin mit Ablauf des 31.07.2016 keine Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII mehr, da sich unter Berücksichtigung der Rente ab 01.08.2016 in Höhe von 1.077,51 EUR ab diesem Datum kein Anspruch mehr auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung errechnete. Insoweit ist auch auf den hierzu vorgelegten Berechnungsbogen zum August 2016 zu verweisen. Es ist auch nicht ersichtlich bzw. vorgetragen, dass die Klägerin hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wurde (§ 193 Abs. 6 S. 5 VVG), ohne tatsächlich entsprechende Leistungen bezogen bzw. beantragt zu haben. Ein Neuantrag wurde zumindest bis Oktober 2018 nicht gestellt. Der Bezug der Rente aus der Deutschen Rentenversicherung lief ohne Unterbrechung weiter. Bei der Bedarfsberechnung ist hinsichtlich des Unterkunftsbedarfs zu berücksichtigen, dass dem Sohn der Klägerin der hälftige Mietanteil zuzuordnen ist (Kopfteilprinzip; vgl. etwa Nguyen, in: jurisPK-SGB XII, Stand 2/2018, § 35 Rn. 57 ff).

Soweit die Beklagte auf das Urteil des BGH vom 05.12.2018 (Az.: IV ZR 81/18 - juris) verweist, stützt dies die Zulässigkeit der Aufrechnung mit rückständigen Beitragszahlungen. Der BGH entschied die bis dahin streitige Frage, ob auch eine Aufrechnung im Rahmen eines Notlagentarifs zulässig ist, zugunsten der Aufrechnungszulässigkeit. Auch der BGH prüfte dabei u.a. die Zulässigkeit der Aufrechnung aus § 394 BGB (BGH, a.a.O., juris Rn. 15 ff). Aufgerechnet wurde dort allerdings nicht gegen Pflegegeldansprüche, sondern gegen einen Kostenerstattungsanspruch nach erfolgter Krankenbehandlung.

Dafür, dass wie bei § 51 Abs. 2 SGB I nur gegen die Hälfte des Pflegegeldes hätte aufgerechnet werden können, findet sich für die private Pflegeversicherung keine Regelung. Auch findet sich weder in § 394 S. 2 BGB noch in § 193 Abs. 6 VVG noch in sonstigen Regelungen des VVG oder der Allgemeinen Vertragsbedingungen eine Regelung, dass ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Entstehen der Beitragsforderung und dem Anspruch auf Auszahlung des Pflegegeldes bestehen müsste, so dass weder die Aufrechnung im April 2017 gegen die Nachzahlung von drei Monaten Pflegegeld zu beanstanden ist noch der kontinuierliche Abbau des Beitragsrückstandes. Vielmehr ist gerade aus der Ausnahmeregelung des § 394 S. 2 BGB abzuleiten, dass im Rahmen des gegenseitigen Vertragsverhältnisses zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer auch das Interesse des Versicherers auf Beitragszahlung angemessen zu berücksichtigen ist - sofern keine Hilfebedürftigkeit des Versicherungsnehmers eintritt. Letztlich wirkt dies auch einer Kündigung des Vertragsverhältnisses durch den Versicherer bei fortlaufenden Beitragsrückständen entgegen. Damit erscheinen auch die Belange des Versicherungsnehmers - der seiner Beitragspflicht im Rahmen des Versicherungsvertrages nicht nachkommt - ausreichend gewahrt, so dass sich auch aus § 110 Abs. 1 SGB XI eine Heranziehung insbesondere des § 51 Abs. 2 SGB I nicht ableiten lässt.

Schließlich ergibt sich auch kein Aufrechnungsverbot aufgrund der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos, das gemäß der Bescheinigung des K. S. GmbH vom 15.03.2019 für die Klägerin offensichtlich eingerichtet wurde. Dieses bietet zwar einen Pfändungsschutz mindestens in Höhe des Grundfreibetrags von derzeit 1.133,80 EUR (vgl. §§ 850 k Abs. 1 S. 1, 850 c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 a ZPO). Im Falle der Klägerin beträgt der pfandfreie monatliche Sockelbetrag derzeit 1.323,36 EUR, da sich der Sockelbetrag um die auf das Pfändungsschutzkonto überwiesenen Sozialgeldleistungen erhöht (vgl. auch Thomas/Putzo, a.a.O., § 850 k, Rn. 16). Geschützt sind in diesem Rahmen nur die tatsächlich auf das Pfändungsschutzkonto eingegangenen Sozialgeldleistungen wie hier der Restbetrag des Pflegegeldes in Höhe von derzeit 189,56 EUR. Eine vorherige Aufrechnung wird dadurch nicht ausgeschlossen. Als Rechtsbehelfe des Kontoinhabers greifen deshalb allein die allgemeinen Regeln der ZPO gegen Vollstreckungsversuche, insb. §§ 704 ff ZPO. § 850 k ZPO enthält keine vorrangige Sonderbestimmung über Rechtsbehelfe (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 76. Aufl. 2018, § 850 k, Rn 110).

Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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