L 12 KA 21/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 338/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 21/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Gewährung des 10%igen Aufschlags für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG-Zuschlag) bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens (RLV) steht einer Praxis für einen im Job-Sharing nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V iVm § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV angestellten Arzt nicht zu.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. März 2018, S 38 KA 338/17, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für seine Jobsharing-Praxis bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens für das Quartal 1/2016 die Gewährung eines 10%igen Aufschlags für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG-Zuschlag).

Der Kläger ist als Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und beschäftigte seit dem 01.10.2015 und damit auch im streitgegenständlichen Quartal die angestellte Ärztin Frau Dr. M. im Rahmen eines Jobsharings. Im Honorarbescheid vom 17.08.2016 für das Quartal 1/2016 wies die Beklagte der Praxis des Klägers eine Obergrenze (RLV/QZV) von 103.794,10 EUR aus, ohne einen BAG-Zuschlag in Höhe von 10% gemäß Teil B Nummer 7.3.6 HVM zu berücksichtigen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2017 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei Jobsharing-Praxen finde die Zuschlagsregelung keine Anwendung. Der Praxisumfang dürfe nicht erweitert werden. Jobsharing-Praxen seien wie Einzelpraxen zu behandeln. Die Auffassung der Beklagten sei durch die Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.07.2014 (Az. L 12 KA 40/13 und L 12 KA 41/13) bestätigt worden.

In seiner Klage zum Sozialgericht München trägt der Kläger vor, weder Teil D der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V noch Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes sei zu entnehmen, dass Jobsharing-Praxen von dem Zuschlag ausgenommen sein sollten. Maßgeblich sei in erster Linie der Wortlaut der Regelungen. Aber auch ein systematischer Einwand ändere nichts, denn das Regelleistungsvolumen erfolge rein tatsächlich praxisbezogen. Entscheidend sei nicht, wie viele Regelleistungsvolumina zugewiesen würden, sondern allein, ob die in der Praxis tätigen Ärzte kooperativ tätig seien. Auch der Sinn und Zweck des Zuschlags spreche für eine Gewährung des Zuschlags. Denn die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis, wie kontinuierliche Betreuung von Patienten, Erweiterung des Leistungsspektrums und längere Öffnungszeiten würden genauso für Praxen mit Jobsharing-Angestellten gelten. Insgesamt handle es sich auch bei einer Jobsharing-Praxis um eine Form der kooperativen Behandlung von Patienten (vgl. BT-Drs 13/7264, S. 65). Ziel des Zuschlags sei nicht ein Nachteilsausgleich, sondern die Förderung der kooperativen Versorgung, wozu auch Jobsharing-Praxen gehörten. Zudem verwies der Kläger auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12). Dieses habe die Rechtsauffassung der Klägerseite bestätigt und stehe im Widerspruch zur Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts und Sozialgerichts München (28. Kammer). Die Beklagte führte aus, Jobsharing-Praxen seien nicht auf die kooperative oder interdisziplinäre Behandlung von Patienten ausgelegt. Es gehe nur darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten werde. Im Übrigen setze die Anwendung von Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes voraus, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen überhaupt ein eigenes RLV zu ermitteln sei. Eine solche Ermittlung erfolge aber nur für angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung, nicht aber für angestellte Ärzte einer Jobsharing-Praxis.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 21. März 2018 ab. Anzuwenden seien die nicht nur auf dem Gebiet des Sozialrechts entwickelten allgemeinen Auslegungsregeln. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln habe der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des BAG-Zuschlags nach Teil B Nummer 7.3.6 des HVM im Quartal 1/2016. Eine Auslegung der streitigen Regelung nach dem Wortlaut führe mangels Erwähnung von Jobsharing-Praxen nicht weiter. Das SG führte aus, dass eine Jobsharing-Anstellung nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft führe, die Praxis vielmehr weiter eine Einzelpraxis bleibe, wenn auch eine "sui generis". Die streitige Regelung erwähne zwar Praxen mit angestellten Ärzten. Dabei könne es sich in der Tat um so genannte Jobsharing-Praxen, aber auch um Praxen im Sinne von § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V (mit Angestellten ohne Leistungsbegrenzung) handeln. Wäre auch Jobsharing-Praxen ein Zuschlag zu gewähren, wäre dies ausdrücklich hervorgehoben worden, was jedoch nicht der Fall sei. Auch die systematische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr spreche das Regelungsgefüge im Honorarverteilungsmaßstab unter Beachtung der Vorgaben der KBV (Teil D der Vorgaben zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V) dafür, dass die Zuschlagsregelung voraussetze, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen ein eigenes Regelleistungsvolumen zu ermitteln sei. Dies folge insbesondere aus Ziff. 7.2.6 des Honorarverteilungsmaßstabes, wonach sich die Höhe der praxisbezogenen Obergrenze bei Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten aus der Addition der RLV (bzw. Addition der QZV) je Arzt, der in der Praxis tätig ist, ergibt. Nachdem die Ermittlung eines eigenen RLV als Rechengröße nur für einen angestellten Arzt ohne Leistungsbegrenzung erfolge, nicht aber bei einer Tätigkeit von Angestellten im Rahmen des Jobsharings (Ziff. 7.2.4 des Honorarverteilungsmaßstabes), finde die Regelung über den BAG-Zuschlag nach Teil B Nr. 7.3.6 des HVM keine Anwendung. Nach Sinn und Zweck der Zuschlagsregelung stehe die kooperative Behandlung der Patienten im Vordergrund. Der Gründung einer Jobsharing-Praxis liege jedoch keine kooperative Behandlung der Patienten zu Grunde, sondern das Bedürfnis, durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Die in den Urteilen des Sozialgerichts München vom 13.03.2013 (Aktenzeichen S 28 KA 1505/11 und S 28 KR 538/11) aufgezeigten Gesichtspunkte zur teleologischen Auslegung würden auch für die Rechtslage im Quartal 1/2016 gelten. Das Gericht (dort 28. Kammer) gehe zwar davon aus, dass es sich bei einer Jobsharing-Praxis um eine Berufsausübungsgemeinschaft handelt, komme in den genannten Entscheidungen aber zu dem Ergebnis, es müsse aus teleologischen Gründen (keine Ausweitung des Leistungsumfangs durch Jobsharing) eine einschränkende Auslegung in dem Sinne stattfinden, dass bei Berechnung des Regelleistungsvolumens im Fall von Jobsharing-Konstellationen keine Berücksichtigung eines Aufschlags in Höhe von 10% erfolgt.

Hiergegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Ergänzend zu den bereits im Klageverfahren vorgebrachten Argumenten wird ausgeführt, von der Regelung in Teil B Nr. 7.3.6 HVM würden auch Jobsharing-Praxen erfasst. Denn mit den Begriffen "Berufsausübungsgemeinschaft" und "angestellter Arzt" meinten das SGB V, die Ärzte-ZV und der BMV-Ä stets auch Jobsharing-Konstellationen, ohne dies besonders sprachlich hervorzuheben. Im Gegenteil werde immer dann, wenn nur angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung gemeint seien, dies ausdrücklich hervorgehoben und nicht umgekehrt, wie das SG meine. Nicht nachvollziehbar sei zudem die systematische Überlegung, dass die Zuschlagsregelung voraussetze, dass für jeden Teilnehmer in der genannten Versorgungsformen ein eigenes RLV zu ermitteln sei. In Teil B Nr. 7.2.6 HVM sei lediglich geregelt, dass bei Praxen mit mehreren Teilnehmern ein praxisbezogenes RLV festgestellt werde. Die Höhe der praxisbezogenen Obergrenze ergebe sich aus der Addition der RLV je Arzt. In Teil B Nr. 7.2.4 HVM sei zusätzlich geregelt, dass bei Jobsharing-Konstellationen keine zusätzliche Obergrenze - heißt: RLV - begründet werde. Teil B Nr. 7.3.6 HVM verhalte sich dazu überhaupt nicht. Es werde lediglich ein BAG-Zuschlag gewährt. Wie viele RLV in der Praxis errechnet und anschließend zu einem einzigen praxisbezogenen RLV zusammengezählt würden, sei dabei unerheblich. Teil B Nr. 7.3.6 Abs. 3 spreche ausdrücklich davon, dass das praxisbezogene RLV und nicht etwa das RLV jedes einzelnen Arztes erhöht werde.

Auch die Annahme, dass der Gründung einer Jobsharing-Praxis keine kooperative Behandlung der Patienten zu Grunde liege, sei weder nachvollziehbar noch unangefochten. Insbesondere in diesen Konstellationen würden längere Öffnungszeiten und ein größeres Leistungsspektrum angeboten, was gerade das Wesen der kooperativen Tätigkeit sei.

Schließlich überzeuge auch die Ausführung des SG zur Leistungsbegrenzung nicht, denn eine Erhöhung des RLV wirke sich auf die Leistungsbegrenzung überhaupt nicht aus. Der RLV-Zuschlag erhöhe nicht gleichzeitig die Jobsharing-Obergrenze.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.03.2018, S 38 KA 338/17 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12.07.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Widerspruch des Klägers gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 17.08.2016 betreffend das Quartal 1/2016 erneut entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und hierbei sowohl die RLV-Obergrenze als auch das Honorar für 1/2016 unter Berücksichtigung des BAG-Zuschlags zu berechnen und die Differenz auszuzahlen sowie die Hinzuziehung des Rechtsanwalts im Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend. Der Kläger (Einzelpraxis mit Jobsharing-Angestellter) falle schon nicht in den Anwendungsbereich der Ausgleichsregelung gemäß Teil B Nummer 7.3.6 HVM. Denn die Regelung sei vor dem Hintergrund der Umstellung der RLV-Ermittlung von Arztfällen auf Behandlungsfälle zu sehen. Die zum 01.07.2009 in Kraft getretene Änderung, die einen übermäßigen Anstieg der Arztfälle und einen damit verbundenen Verfall der RLV-Fallwerte verhindern sollte, sei für Berufsausübungsgemeinschaften und Medizinische Versorgungszentren relevant, weil dort die Zahl der Arztfälle in der Regel höher als die Zahl der Behandlungsfälle sei. Um Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ gleichwohl weiterhin zu fördern und Nachteile infolge der veränderten Fallzählung möglichst zu vermeiden, habe der Bewertungsausschuss gleichzeitig mit der Umstellung der Fallzählung zum Ausgleich eine Zuschlagsregelung für diese Einrichtungen beschlossen. Nachdem bei Einzelpraxen mit Jobsharing-Angestellten durch die Umstellungen keine Auswirkungen zu befürchten seien, da dem anstellenden Arzt die Arztfälle des Jobsharing-Angestellten gemäß Teil B Nummer 7.2.4 Abs. 1 HVM zugerechnet würden, bestehe hier schon kein Bedarf für eine Ausgleichsregelung. Diesen Zusammenhang übersehe das LSG Hamburg in seiner Entscheidung.

Für Praxen mit Jobsharing-Angestellten würde mit Teil B Nummer 7.2.4 Abs. 1 Satz 1 HVM eine Sonderregelung gelten, die im Teil B Nummer 7.2 "Bezugsgrößen - Definitionen - Bestimmungen zu Tätigkeitsvarianten" verankert sei. Danach begründe die Tätigkeit des angestellten Arztes im Rahmen des Jobsharing und von Jobsharing-Partner in Jobsharing-Gemeinschaftspraxen/BAGs keine zusätzliche Obergrenze, also kein eigenes RLV, sondern werde dem anstellenden Arzt zugerechnet. Eine Praxis mit angestelltem Arzt ohne Leistungsbegrenzung (§ 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V) unterliege anderen Regeln. Der angestellte Arzt ohne Leistungsbegrenzung zähle in der Bedarfsplanung, unterliege keiner Jobsharing-Punktzahlobergrenze und müsse im Gegensatz zum Jobsharing-Angestellten auch nicht notwendigerweise über das gleiche Fachgebiet wie sein Prinzipal verfügen. Daher bekomme der angestellte Arzt ohne Leistungsbegrenzung auch ein eigenes RLV, welches in das Praxis-RLV, also in die Obergrenze der Praxis mit einfließe. Nachdem der Jobsharing-Angestellte kein eigenes RLV begründen könne, könne dies bei der Gesamtberechnung der Obergrenze für die Praxis auch nicht durch Addition berücksichtigt werden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Höhe des Regelleistungsvolumens für das Quartal 1/2016 unter Berücksichtigung eines BAG-Aufschlags von 10% berechnet und dem Kläger das daraus resultierende höhere Honorar ausbezahlt.

1. Die auf die Zuweisung eines höheren Regelleistungsvolumens in Form der Gewährung eines BAG-Zuschlags für das Quartal 1/2016 gerichtete Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Honorarbescheid für das Quartal 1/2016 noch nicht bestandskräftig geworden.

2. Die Berufung ist aber nicht begründet, weil die Beklagte die Obergrenze RLV/QZV zutreffend ohne die Berücksichtigung des BAG-Zuschlags nach Teil B 7.3.6 des HVM ermittelt hat. Dem Kläger steht kein Anspruch auf den BAG-Zuschlag zu. Dass die Beklagte das RLV fehlerhaft berechnet hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Klägers sind auch die normativen Grundlagen dieser Berechnung beachtet worden und für sich genommen wirksam.

3. Rechtsgrundlage für das klägerische Begehren ist zunächst § 87b Abs. 4 SGB V in Verbindung mit Teil D der Vorgaben zur Honorarverteilung der KBV. Nach § 87b Abs. 2 und 4 SGB V hat die KBV unter anderem Vorgaben zur Berücksichtigung kooperativer Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen zu bestimmen. Zweck der Regelung ist die Förderung der gemeinsamen (patientennahen) Berufsausübung in der vertragsärztlichen Versorgung (RegE GKV-VStG, BT-Drs. 17/6906 S. 65 zu § 87b).

Nach diesen für das streitgegenständliche Quartal geltenden Vorgaben (Vorgaben zur Berücksichtigung kooperativer Behandlung von Patienten in dafür gebildeten Versorgungsformen) prüft die Kassenärztliche Vereinigung, ob Tatbestände für eine angemessene Berücksichtigung der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür vorgesehenen Versorgungsformen bei der Honorarverteilung vorliegen. Liegen Tatbestände für eine Berücksichtigung vor, kann zur Förderung der gemeinsamen vertragsärztlichen Versorgung in dafür vorgesehenen Versorgungsformen (soweit hier von Bedeutung) das zu erwartende praxisbezogene Honorar bei nicht standortübergreifenden fach- und schwerpunktgleichen Berufsausübungsgemeinschaften und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe um 10% erhöht werden.

4. Diese Vorgabe hat die Beklagte in ihrem ab dem 01.01.2016 gültigen HVM umgesetzt. Die Bestimmung in Teil B, auf die sich der Kläger beruft, lautet (soweit hier maßgeblich) wie folgt:

"7.3.6 RLV-Erhöhung für Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten (BAG-Zuschlag) (I) Aufgrund der gewählten Fallzahlbestimmung für das RLV (RLV-relevante Arztfälle entsprechenden einer Einzelpraxis den RLV-relevanten Behandlungsfällen, in einer Berufsausübungsgemeinschaft, medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten ergeben sich die RLV-relevanten Arztfälle aus dem prozentualen Anteil der RLV-relevanten Arztfälle an den RLV-relevanten Behandlungsfällen) wird zum Ausgleich ein BAG -Zuschlag gewährt.

(II) ...

(III) In Umsetzung der Vorgaben der KBV, Teil D (vergleiche Anlage 5 zu Teil E) wird der kooperativen Behandlung von Patienten wie folgt Rechnung getragen:

...

Das praxisbezogene RLV wird

a) ...

b) bei nicht standortübergreifenden fach-und schwerpunktgleichen Berufsausübungsgemeinschaften, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten der gleichen Arztgruppe gemäß Teil E, Anlage 1, Nummer 2 um 10% erhöht,

c) ...

Zunächst ist festzustellen, dass die klägerische Praxis keine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ist, denn das Jobsharing wird vorliegend nicht durch eine Jobsharing-Zulassung nach § 101 Abs. 1 Nr. 4 SGB V iVm § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV ausgeübt. Der Kläger hat seine Jobsharing-Partnerin vielmehr nach § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V iVm § 58 Abs. 2, §§ 59, 60 BedPlRL angestellt. Eine BAG im Sinne von § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV ist aber - wie das SG zutreffend festgestellt hat - nur unter zugelassenen Leistungserbringern zulässig.

5. Nach dem Wortlaut der streitigen Regelung des HVM besteht zwar ein Anspruch auf den BAG-Zuschlag grds. auch für Praxen mit angestellten Ärzten. Dies gilt aber nicht für Jobsharing-Angestellte, denn die Regelung ist nicht auf Jobsharing-Konstellationen anwendbar. Ausgangspunkt der Ausgleichsregelung in Form des BAG-Zuschlags ist gemäß Teil B Nummer 7.3.6 Abs. 1 HVM die "gewählte Fallzahlbestimmung für das RLV". Nach Teil B Nummer 7.3.3 Abs. 1 Satz 1 HVM sind für das RLV relevante Fälle kurativ-ambulante Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1 und 2 BMV-Ä.

Mit dem Beschluss vom 20. April 2009 hat der Bewertungsausschuss die Fallzählung ab dem 1. Juli 2009 umgestellt. Grund für diese Umstellung war, dass sich ein deutlicher Anstieg der Anzahl der Arztfälle abzeichnete. Zur Vermeidung der sich hieraus ergebenden Konsequenz eines sich insbesondere für Einzelpraxen und besonders spezialisierte Ärzte nachteiligen sukzessiven Verfalls der Fallwerte im Regeleistungsvolumen hatte der Bewertungsausschuss beschlossen, die Fallzählung auf den Behandlungsfall umzustellen. Die Summe der RLV-Fälle in einer Arztpraxis entspricht damit immer der Anzahl der RLV-relevanten Behandlungsfälle in der Arztpraxis. In fachübergreifenden Berufsausübungsgemeinschaften erfolgt die Aufteilung anhand der Arztfälle der einzelnen Ärzte. Die Umstellung von Arzt- auf den Behandlungsfall ist für Berufsausübungsgemeinschaften und MVZ relevant, weil dort die Anzahl der Arztfälle in der Regel höher ist als die Zahl der Behandlungsfälle. Gleichzeitig wurde für Gemeinschaftspraxen und Kooperationen eine Zuschlagsregelung oder besser gesagt eine prozentuale "RLV-Erhöhung" beschlossen. Damit sollte die kooperative Tätigkeit weiterhin gefördert und Nachteile infolge der veränderten Fallzählung möglichst vermieden werden. Für Einzelpraxen und Praxisgemeinschaften hatte die Umstellung der Fallzählung hingegen keine Auswirkungen, da hier Behandlungs- und Arztfallzahl identisch sind, so dass es für diese Praxen keiner Ausgleichsregelung bedurfte.

Dieser Hintergrund für die Notwendigkeit einer Ausgleichsregelung findet in dem Klammerzusatz der Regelung des Teil B Nummer 7.3.6 Abs. 1 HVM ausdrücklich Erwähnung.

Im vorliegenden Fall, in dem es sich um eine Einzelpraxis mit Jobsharing-Angestellter handelt, hat die Umstellung der Fallzählung von Arzt- auf Behandlungsfall keine Auswirkungen. Eine ausdrückliche Regelung zum Jobsharing findet sich vielmehr bereits in Teil B Nummer 7.2.4 Abs. 1 HVM, wonach dem anstellenden Arzt die Arztfälle der Jobsharing-Angestellten zugerechnet werden. Dies hat zur Folge, dass bei Einzelpraxen mit Jobsharing-Angestellten die Arztfälle identisch mit dem Behandlungsfällen des anstellenden Arztes sind. Dadurch besteht hier kein Bedarf für eine Ausgleichsregelung.

Diese einschränkende Auslegung ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelungen zum Jobsharing im Rahmen einer Anstellung. Gem. § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V (in der Fassung vom 16.07.2015) iVm § 58 Abs. 5, § 60 BedPlRL verpflichtet sich der anstellende Arzt gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leistungsbegrenzung, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet.

Hieraus folgt, dass Praxen mit Jobsharing-Angestellten nach § 95 Abs. 9 Satz 2 SGB V anders als Praxen mit angestellten Ärzten nach § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V einer strengen Leistungsbegrenzung unterliegen. Mit dieser Leistungsbegrenzung wäre ein 10%-Aufschlag auf das Regelleistungsvolumen nicht zu vereinbaren. Denn ein solcher Aufschlag würde nur aufgrund des Umstandes gewährt werden, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit mit einem (angestellten) Jobsharing-Partner ausübt - obwohl durch den Jobsharing-Arzt gerade keine Ausweitung des Leistungsumfangs erfolgen soll. Einer Ausgleichsregelung wie in Teil B Nr. 7.3.6 HVM bedarf es daher mangels Ausgleichsbedarf nicht.

Dass die für Jobsharing-Berufsausübungsgemeinschaften bestehenden Leistungsbegrenzungen nicht nur im Bereich der Bedarfsplanung, sondern auch im Rahmen der Berechnung des Regelleistungsvolumens Beachtung finden müssen, ergibt sich auch aus Teil F Nr. 1.2.3 des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.08.2008 (7. Sitzung). Denn danach ist bei der Ermittlung des Regelleistungsvolumens eines Arztes der Umfang seiner Tätigkeit lt. Zulassungs- bzw. Genehmigungsbescheid zu berücksichtigen (so schon SG München, Urteil vom 13.03.2013, S 28 KA 558/11).

Im Übrigen ist dem HVM 2016 zu entnehmen, dass die Tätigkeit angestellter Ärzte im Rahmen des Jobsharing (also mit Leistungsbegrenzung) kein zusätzliches RLV begründet, sondern dem anstellenden Arzt zugerechnet wird (Teil B Nr. 7.2.4 Abs. 1 HVM).

Anders verhält es sich für eine Praxis mit angestellten Ärzten ohne Leistungsbegrenzung (§ 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V). Ein angestellter Arzt ohne Leistungsbegrenzung fällt in die Bedarfsplanung, unterliegt keiner Jobsharing-Punktzahlobergrenze und muss auch nicht über das gleiche Fachgebiet wie sein Prinzipal verfügen. Daher bekommt der angestellte Arzt ohne Leistungsbegrenzung auch ein eigenes RLV, welches in das Praxis-RLV, also in die Obergrenze der Praxis mit einfließt. Gemäß Teil B Nummer 7.2.6 HVM erfolgt die Berechnung der Obergrenze aus RLV und QZV bei BAGs, MVZ und Praxen mit angestellten Ärzten praxisbezogen. Dabei ergibt sich die Höhe der praxisbezogenen Obergrenze aus der Addition der RLV je Arzt, der in der Praxis tätig ist sowie gegebenenfalls der Addition der QZV je Arzt, der in der Praxis tätig ist. Hieraus folgt wiederum, dass auch an dieser Stelle nur ein RLV addiert werden kann, dass auch existiert. Nachdem er für den angestellten Jobsharing-Partner gemäß Teil B Nummer 7.2.4 HVM schon kein eigenes RLV gebildet wird, bleiben diese Ärzte auch bei der Gesamtberechnung der Obergrenze für die Praxis außen vor.

Dem Anwendungsbereich des Teil B Nummer 7.3.6 HVM unterfallen daher nur angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung mit eigenem RLV, das nach Teil B Nr. 7.2.6 HVM Bestandteil der Obergrenze aus RLV und QZV ist, nicht aber der angestellte Arzt im Rahmen des Jobsharing.

6. Schließlich kann der Kläger auch keine Rechte aus den Grundsätzen über die Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Beklagten herleiten. Der Beklagten kann insbesondere nicht entgegengehalten werden, sie sei ihrem Prüfauftrag (Teil D Nr. 1 der Vorgaben der KBV) hinsichtlich einer angemessenen Berücksichtigung der kooperativen Behandlung von Patienten in dafür vorgesehenen Versorgungsformen bei der Honorarverteilung nicht nachgekommen. Denn die Beklagte hat für Jobsharing-Konstellationen in Teil B Nummer 7.2.4 HVM explizit vorgesehen, dass für angestellte Ärzte im Rahmen des Jobsharings gerade keine zusätzliche Obergrenze begründet wird, sondern die Tätigkeit dem anstellenden Arzt zugerechnet wird. Sie hat mit dieser Regelung Jobsharing-Konstellationen ausdrücklich ausgenommen.

7. Auch soweit der Klägerbevollmächtigte vorbringt, auch der Gründung einer Jobsharing-Praxis liege eine kooperative Behandlung der Patienten zu Grunde, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die BAG-Zuschläge finden - neben dem v.g. Nachteilsausgleich - ihre Rechtfertigung in dem Ziel der Förderung der gemeinschaftlichen Berufsausübung von Ärzten (BSG, Urteil vom 16.05.2018, B 6 KA 15/17 R). Eine kooperative Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit wird als sinnvoll angesehen. Dies betrifft zum Beispiel die bessere Auslastung von teuren medizinischen Geräten im fachärztlichen Bereich und eine bessere Realisierbarkeit von ambulanten Operationen sowie belegärztliche Tätigkeit durch Gemeinschaftspraxen. Auch die Annahme eines oftmals größeren Behandlungsspektrums auch in fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxen im Vergleich zu Einzelpraxen sei mindestens plausibel (BSG, Urteil vom 17.03.2010, B 6 KA 41/08 R). Bezogen auf die Behandlung in einer BAG hat das BSG im Urteil vom 16.05.2018 ausgeführt, dass die Behandlungen einer BAG für den Patienten auch deshalb Vorteile bieten, weil die Sprechzeiten durch eine größere Anzahl von Ärzten erweitert werden können. Diese Vorteile gelten jedoch für den angestellten Arzt im Rahmen einer Jobsharing-Anstellung mit Leistungsbegrenzung nur sehr eingeschränkt. Aufgrund der Leistungsbegrenzung kann weder das Argument der besseren Auslastung von teuren medizinischen Geräten, einer besseren Realisierbarkeit von ambulanten Operationen oder längerer Sprechzeiten gelten, da der anstellende und der angestellte Arzt gemeinsam gerade nicht mehr Leistungen erbringen dürfen (entgegen LSG Hamburg, Urteil vom 25.02.2015, L 5 KA 10/12). Eine Jobsharing-Zulassung oder eine Jobsharing-Anstellung hat in erster Linie nicht zum Ziel, eine kooperative Berufsausübung und die damit verbundenen Vorteile für die Patienten zu fördern. Die Jobsharing-Zulassung bzw. Anstellung stellt vielmehr allein eine von mehreren Möglichkeiten dar, auch bei Anordnung von Zulassungsbeschränkungen gerade jungen Ärzten ein Tätigwerden innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu ermöglichen. Die praktisch durchsetzbare Umsatzbeschränkung eröffnet erst Zulassungs- oder Anstellungsmöglichkeiten, die unter Versorgungsgesichtspunkten in überversorgten Bereichen nicht geboten und deshalb nach den Zielen der Bedarfsplanung eher unerwünscht sind (BSG, Urteil vom 21. März 2012 - B 6 KA 15/11 R -, SozR 4-2500 § 101 Nr. 12). Die Förderung der Jobsharing-Konstellation durch Zuerkennung eines weiteren Zuschlags in Höhe von 10% würde dieser Umsatzbeschränkung zuwiderlaufen.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg und ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 HS 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat der Kläger die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved