L 20 KR 61/19

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 KR 289/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 KR 61/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eintritt der Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei Aufhebung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 1 SGB V
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2019 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Durchführung der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung für die Klägerin und die daraus resultierenden Beitrags- und Beitragsnachforderungen durch die Beklagten vom 01.04.2007 bis 31.01.2011. Ab 01.02.2011 ist die Klägerin Mitglied bei der Techniker Krankenkasse.

Die Klägerin war seit 1981 über ihren Ehemann bei den Beklagten familienversichert nach § 10 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch SGB V. Mit Bescheid vom 29.11.2011 wurde die Familienversicherung rückwirkend für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2011 aufgehoben. Die Klägerin beantragte eine Überprüfung dieses Bescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Nach ablehnendem Bescheid vom 02.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) in dem Verfahren S 8 KR 324/14. Für das Jahr 2008 gab die Beklagte ein Teilanerkenntnis dahingehend ab, dass die Familienversicherung für das Jahr 2008 durchgeführt wurde. Im Übrigen hat das SG die Entscheidung der Beklagten bestätigt. Die dagegen eingelegte Berufung (L 20 KR 57/15) wurde am 17.07.2018 zurückgenommen.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29.11.2011 stellten die Beklagten die Versicherungspflicht und Mitgliedschaft in der Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.04.2007 fest. Der monatliche Beitrag betrage in der Gesamtsumme 121,68 EUR. Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 10.12.2011 Widerspruch ein. Sie führte aus, sie wünsche keine rückwirkende Durchführung der Versicherung.

Mit Bescheid vom 23.01.2012 erinnerten die Beklagten an die Zahlungsverpflichtung und den Beitragsrückstand sowie angefallene Säumniszuschläge, ebenso mit Leistungsbescheid vom 07.02.2012. Dagegen legte die Klägerin ebenfalls Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2012 wiesen die Beklagten die Widersprüche zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 14.05.2012 Klage zum SG erhoben. Die durchgeführte rückwirkende Versicherung sei nicht bei den Beklagten durchzuführen, sondern bei der Techniker Krankenkasse. Sie habe insoweit ein Wahlrecht.

Nach Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2019 die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 29.11.2011 sowie die Zahlungserinnerung vom 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 sei rechtmäßig.

Ein Wahlrecht, die Techniker Krankenkasse zu wählen, habe der Klägerin nicht zugestanden. Nach § 174 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) würden abweichend von § 173 SGB V Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Mitglied der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert gewesen seien. Hierbei könne es sich auch um eine freiwillige oder Familienversicherung gehandelt haben. Sie würden daher zwingend ihrer früheren Krankenkasse zugewiesen. Soweit nach § 174 Abs. 5 2. HS SGB V § 173 SGB V gelte, beziehe sich dies allein auf die Gruppe der Versicherungspflichtigen, bei denen ein Versicherungsverhältnis nie bestanden habe.

Dagegen hat die Klägerin mit einem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) am 20.02.2019 eingegangen Schreiben Berufung eingelegt.

Zur Begründung hat der Bevollmächtigte auf das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen, L 16 KR 41/09 vom 11.03.2010 verwiesen. § 174 Abs. 5 2. HS SGB V beziehe sich allein auf die Gruppe der Versicherungspflichtigen, bei denen ein Versicherungsverhältnis nie bestanden habe. So sei dies bei der Klägerin. Die Familienversicherung begründe keine Mitgliedschaft, so Baier in Krauskopf, SGB V §10 Rn. 9. Demzufolge habe die Klägerin ein Wahlrecht im Sinne des § 174 Abs. 5 2. HS gehabt.

Die Beklagten haben auf die ihrer Ansicht nach richtigen Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids des SG verwiesen.

Mit Beschluss vom 02.05.2019 hat der Senat die Berufung der Berichterstatterin übertragen.

Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2019 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29.11.2011 und 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 aufzuheben.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 25.01.2019 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akten des SG Bayreuth in den Verfahren S 8 KR 289/12, S 8 KR 324/14, die Akte des LSG in dem Verfahren L 20 KR 57/15 und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Durchführung der Versicherungspflicht im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.04.2007 bis 31.01.2011 bei der Techniker Krankenkasse. Auch die Beitragserhebung erfolgte rechtmäßig. Die Bescheide der Beklagten vom 29.11.2011 und 23.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 erweisen sich als rechtmäßig.

Die Klägerin war seit 1981 über ihren Ehemann bei den Beklagten familienversichert nach § 10 Abs. 1 SGB V. Mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 29.11.2011 wurde die Familienversicherung rückwirkend für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.01.2011 aufgehoben. Demzufolge trat eine Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) ab 01.04.2007 ein. Die Klägerin hatte ab 01.04.2007 keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall.

Gemäß § 174 Abs. 5 SGB V werden abweichend von § 173 Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Mitglied der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren, andernfalls werden sie Mitglied der von ihnen nach § 173 Abs. 1 gewählten Krankenkasse; § 173 gilt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin bestand für sie kein Wahlrecht im Sinne des 2. Halbsatzes. Zwar stimmt der Senat insoweit mit der Klägerin überein, dass Halbsatz 2 sich allein auf die Gruppe der Versicherungspflichtigen bezieht, bei denen ein Versicherungsverhältnis nie bestanden habe (ebenso BSG vom 11.09.2018, B 1 KR 10/18 R und LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.03.2010, L 16 KR 41/09). Allerdings gehört die Klägerin nicht zu dieser Gruppe. Für die Frage, ob ein Versicherungsverhältnis bestanden hat, kommt es nicht auf die Frage der Mitgliedschaft an. Richtig ist zwar, dass der über die Familienversicherung versicherte Angehörige im Sinne des § 10 SGB V keine Mitgliedschaft vermittelt, aber sehr wohl ein Versicherungsverhältnis vermittelt (§ 10 Juris-PK Rn. 9, Sonnhof in Hauck/ Noftz, SGB, § 174 SGB V Rn. 11).

Dies ergibt sich auch schon aus dem Wortlaut des § 175 Abs. 5, bei dem es heißt "bei der sie zuletzt versichert waren". Eine Mitgliedschaft ist insoweit nicht erforderlich.

Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin auf die Kommentierung bei Krauskopf abstellt, ist richtig, dass die Familienversicherung keine Mitgliedschaft vermittelt. Allerdings kommt es nicht auf die Mitgliedschaft an. Nach Baier in Krauskopf, Krankenversicherung Kommentar, Stand Juni 2018, § 174 SGB V Rn. 8, werden Versicherte, die zuletzt krankenversichert waren, Mitglied der Krankenkasse, bei der sie zuletzt Mitglied oder familienversichert waren.

Materielle Einwendungen gegen die Höhe der Beitragsfestsetzung und die Säumniszuschläge hat der Bevollmächtigte nicht erhoben und sind auch nicht ersichtlich, insbesondere nachdem die Beklagten dargetan haben, dass sich die Höhe der Beiträge durch die Durchführung der Familienversicherung für das Jahr 2008 verringert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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