L 3 B 7/02 RJ

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 10 RJ 76/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 B 7/02 RJ
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 13. August 2002 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren darüber, ob die Beklagte dem Kläger die außergerichtlichen Kosten einer Untätigkeitsklage erstatten muss.

Mit Bescheid vom 13. August 2001 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab.

Dagegen erhob er am 04. September 2001 Widerspruch, den er nach Akteneinsicht am 25. September 2001 begründete. Die Beklagte forderte Befundberichte der behandelnden Ärzte an und teilte dies dem Kläger unter dem 20. November 2001 mit. Der letzte Befundbericht ging am 16. Januar 2002 bei der Beklagten ein.

Nachdem die Beklagte die Befundberichte am 30. Januar 2002 ausgewertet hatte, gab sie ein Gutachten in Auftrag und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 14. Februar 2002 mit. Unter dem 18. Februar 2002 lehnte der Kläger es ab, bei dem Gutachter zu erscheinen, weil die Anfahrt zu beschwerlich sei. Daraufhin wurde ein anderer Gutachter beauftragt, der den Kläger am 28. März 2002 untersuchte. Das Gutachten ging am 08. April 2002 bei der Beklagten ein.

Am 02. April 2002 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Nachdem die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2002 zurückgewiesen hatte, erklärte der Kläger die Untätigkeitsklage für erledigt. Gleichzeitig beantragte er, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Beklagte habe "notwendige Beschleunigungsmaßnahmen" unterlassen und den Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten beschieden.

Mit Beschluss vom 13. August 2002 verneinte das Sozialgericht eine Kostenpflicht der Beklagten: Sie habe den Widerspruch des Klägers vor Erhebung der Untätigkeitsklage aus zureichenden Gründen nicht beschieden. Der Kläger sei am 28. März 2002 untersucht worden. Deshalb habe er keinenfalls damit rechnen können, dass sein Widerspruch vor Erhebung der Untätigkeitsklage am 02. April 2002 beschieden werde.

Nach Zustellung am 20. August 2002 hat der Kläger gegen diese Entscheidung am 19. September 2002 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 13. März 2003 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten haben.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 und 3 i.V.m. § 102 Satz 3, 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das gerichtliche Verfahren anders als durch Urteil endet. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Denn der Kläger hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Diese Erklärung ist prozessrechtlich als Klagerücknahme auszulegen (§ 102 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kostenerstattung erfolgt unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen, wobei insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage maßgeblich sind (Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7. Auflage 2002, § 193 Rdnr. 13). Für eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist ergänzend der Rechtsgedanke des § 161 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) heranzuziehen: Danach fallen der Beklagten bei einer Untätigkeitsklage die Kosten dann zur Last, wenn die Klage sowohl zulässig als auch begründet war und der Kläger nach dem ihm bekannten Umständen mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2003, Az.: L 3 B 19/02 P; Meyer-Ladewig, § 88 Rdnr. 11 und § 193 Rdnr. 13 c; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, § 193 Rdnr. 7 j, 10 b).

Die zulässige Untätigkeitsklage war im Zeitpunkt der Klageerhebung am 02. April 2002 unbegründet. Es bestanden nämlich zureichende Gründe dafür, dass die Beklagte noch nicht über den Widerspruch des Klägers entschieden hatte. Denn die Ermittlungen, die die Beklagte gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) von Amts wegen durchzuführen hat, waren noch nicht abgeschlossen.

Dies konnte der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung unschwer erkennen. Denn er wusste, dass zwischen der Untersuchung am 28. März 2002 und der Klageerhebung am 02. April 2002 lediglich ein Werktag lag. Ihm musste klar sein, dass für die Erstellung des Gutachtens, die Abhilfe- bzw. Nichtabhilfeentscheidung der Verwaltung und für die Entscheidung des Widerspruchsausschusses realistischerweise ein längerer Zeitraum erforderlich sein würde.

Da dem Kläger die sachlichen Gründe für die Verzögerung der Entscheidung über den Widerspruch bekannt waren und damit gleichzeitig erkennbar war, dass einzureichender Grund für die längere Bearbeitungsdauer bestand, konnte er am 02. April 2002 nicht mit einer Entscheidung der Beklagten rechnen.

Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt auch die Dauer des Widerspruchsverfahrens insgesamt ein anderes Ergebnis nicht. Gerade wenn medizinische Ermittlungen notwendig sind, erweist sich der gesetzliche Zeitraum von drei Monaten als zu kurz. Hier haben allein schon die den Kläger behandelnden Ärzte mehr als die Hälfte des Zeitraums benötigt, Berichte zu erstatten. Beschleunigungsmaßnahmen sieht der Gesetzgeber nicht vor; die Alternative des Antrags auf gerichtliche Vernehmung (§ 22 SGB X) bringt jedenfalls keine Zeitersparnis.

Ein weiterer Zeitraum von knappen sechs Wochen für die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens ist auf jeden Fall angemessen zu berücksichtigen.

Wenn der Kläger also meint, die Beklagte müsse "Vorkehrungen" treffen, um die gesetzliche Frist einzuhalten, dann liegen solche bei diesem Sachverhalt jedenfalls weder nahe, noch sind sie überhaupt ersichtlich.

Unzutreffend ist letztlich die Auffassung des Klägers, nach Ablauf der Frist des § 88 Abs. 2 SGG sei ein zureichender sachlicher Grund nicht mehr nachzuprüfen. Die Einhaltung der Frist ist lediglich eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Untätigkeitsklage. Für deren Begründetheit ist selbstverständlich zu prüfen, ob die Behörde den Antrag ohne sachlichen, rechtfertigenden Grund nicht innerhalb der Frist beschieden hat. Das war hier - wie dargelegt - nicht der Fall.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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