L 13 RJ 68/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 12 RJ 81/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 RJ 68/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berechnung der dem Kläger bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) sowie um einen zugunsten der Beigeladenen einbehaltenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5.201,76 DM.

Der am 09.07.1937 geborene Kläger erhält seit dem 01.06.1997 eine ihm mit Bescheid der Beklagten vom 26.01.1998 bewilligte EU-Rente in Höhe von 1.577,22 DM für den Juli 1997 und 1.603,24 DM ab dem 01.07.1997. Für die Zeit vom 01.06.1997 bis 28.02.1998 wurde der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 14.403,14 DM vorläufig einbehalten.

Am 05.02.1998 machte die Beigeladene als Träger der Sozialhilfe einen Erstattungsanspruch für dem Kläger vom 01.09.1997 bis 28.02.1998 geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 5.201,76 DM geltend.

Der Kläger legte am 09.02.1998 Widerspruch gegen den Rentenbescheid ein, ohne sich zunächst zur Sache einzulassen.

Mit Bescheid vom 10.02.1998 zahlte die Beklagte von dem einbehaltenen Nachzahlungsbetrag 8.565,08 DM an den Kläger, rechnete 636,30 DM mit eigenen Forderungen auf und behielt 5.201,76 DM zugunsten der Beigeladenen ein.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 26.02.1998 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er u.a. ausführte, die Beigeladene habe keinen Anspruch auf den von ihr geltend gemachten Betrag. Er habe keinerlei Mitteilungen darüber erhalten, dass über diese Forderung eine Pfändung oder Abtretung vorliege. Zugleich führte er bezüglich seines Widerspruchs gegen den Rentenbescheid aus, es sei eine Lehrzeit als Hochseefischer vom 01.09. bis ca. 15.09.1953 bei einem Fischkombinat R ...-M ... nicht berücksichtigt worden.

Die Beklagte wies die Widersprüche gegen die Bescheide vom 26.01. und 10.02.1998 zurück und führte insbesondere aus, die behauptete Lehrzeit könne nicht berücksichtigt werden, weil hierfür eine Beitragsentrichtung nicht überwiegend wahrscheinlich sei. Der Erstattungsanspruch der Beigeladenen bestehe nach § 104 des zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X), weil diese dem Kläger für den Nachzahlungszeitraum Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet habe.

Bereits vor Erteilung des Widerspruchsbescheides hatte der Kläger am 30.01., 10.02. und 23.03.1998 Klagen zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind. Er hat ausgeführt, die behauptete Lehrzeit zum Hochseefischer sei auf Grund der von ihm gemachten Angaben als Beitragszeit anzuerkennen; Unterlagen hierüber lägen ihm allerdings nicht vor. Er bestreite nicht, dass er im Nachzahlungszeitraum Leistungen der Beigeladenen erhalten habe, halte diese aber nicht für erstattungsfähig, weil ihm insofern keine schriftlichen Bewilligungsbescheide erteilt worden seien. Zudem hat er sich gegen die Aufrechnung der Beklagten mit eigenen Forderungen in Höhe von 636,30 DM gewandt.

Das SG hat zur behaupteten Beitragszeit Auskünfte der Seekasse Hamburg, der LVA Mecklenburg - Vorpommern, der Hansestadt Rostock, der AOK Mecklenburg - Vorpommern, der BfA und der Stadt Gießen eingeholt, wegen deren Inhalt Bezug auf die Gerichtsakten genommen wird. Desweiteren hat die DISOS GmbH, der die Verwaltung der Akten der liquidierten ehemaligen volkseigenen Betriebe übertragen ist, mitgeteilt, es lägen ihr zwar Unterlagen des ehemaligen VEB Fischkombinats Rostock vor, hierin befände sich jedoch kein Lohnkonto für den Kläger. Die LVA Berlin hat die dort über den Kläger vorliegenden Rentenunterlagen übersandt, aus denen sich ergibt, dass für ihn erstmals am 09.05.1954 ein Versicherungsausweis ausgestellt wurde.

Das SG hat mit Urteil vom 11.05.2001 die Klage abgewiesen:

Die vom Kläger geltend gemachte Lehrzeit könne nicht anerkannt werden, weil sie nicht glaubhaft gemacht sei. Allein die Angaben des Klägers reichten insofern nicht aus, weil dieser weder den Ausbildungszeitraum exakt angeben, noch Ausführungen zum seiner zeit erzielten Entgelt machen könne. Die um Auskunft gebetenen Versicherungsträger und Behörden hätten die behauptete Ausbildung nicht bestätigen können. Die Beklagte sei auch berechtigt gewesen, von der Rentennachzahlung für die Monate Juni 1997 bis Februar 1998 5.201,76 DM einzubehalten und an die Beigeladene auszuzahlen. Die Beigeladene sei im Verhältnis zur Beklagten ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger im Sinne des § 104 SGB X, was sich aus § 2 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergebe. Dort sei bestimmt, dass Sozialhilfe nicht erhalte, wer sich selbst helfen oder die erforderliche Hilfe von anderen, insbesondere Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhalten könne. Dementsprechend regele § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG, dass Hilfe zum Lebensunterhalt nur dem zu gewähren sei, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen könne. Als Einkommen sei u.a. eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Der Erstattungsanspruch der Beigeladenen hänge entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht davon ab, ob bezüglich der ihm geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt schriftliche Bewilligungsbescheide ergangen seien. Schließlich habe die Beklagte auch mit eigenen Forderungen aufrechnen dürfen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 31.05.2001 zugestellte Urteil am 25.06.2001 Berufung eingelegt, mit welcher er sich nicht mehr gegen die Aufrechnung der Beklagten in Höhe von 636,30 DM wendet. Er hat zusätzlich begehrt, die Zeit vom 21.09.1990 bis zum 31.05.1993 als Zeit der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und zur Glaubhaftmachung der Beitragszeit im Jahr 1953 Beweis angeboten durch Vernehmung seiner Schwester Ursel S ... als Zeugin.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin U ... S ... im Wege der Rechtshilfe. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift des SG Rostock vom 26.03.2002.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Mai 2001 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 26.01.1998 und des Bescheides vom 10.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.1998 zu verurteilen: 1. die Zeit vom 01. bis zum 15.09.1953 als Beitragszeit anzuerkennen,

2. die einbehaltene Nachzahlung in Höhe von DM 5.201,76 auszuzahlen,

3. die Zeit vom 21.09.1990 bis zum 31.05.1993 als Zeit der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, hilfsweise die mündliche Verhandlung zu vertagen, damit die Beigeladene zu seinem Schriftsatz vom 28.01.2002 Stellung nimmt.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten, die den Kläger betreffenden Akten des Sozialamts der Beigeladenen und die beigezogene Akte 20 K 4945/98 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Diese Akten haben vorgelegen und waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Sowohl der Bescheid der Beklagten vom 26.01.1998, als auch der vom 10.02.1998, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.1998, sind rechtmäßig.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der von ihm behaupteten Beitragszeit bei der Berechnung der ihm bewilligten EU-Rente. Beitragszeiten sind grundsätzlich nach § 55 Abs. 1

Satz 1 des sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Da die vom Kläger behauptete Ausbildungs- bzw. Beschäftigungszeit im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden wäre, könnte sie nur nach § 248 Abs. 3 SGB VI Berücksichtigung finden. Danach stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Als solche System sind diejenigen der gesetzlichen Rentenversicherung der DDR, wie beispielsweise die Sozialversicherungsanstalten bzw. Sozialversicherungskassen oder der FDGB-SV anzusehen.

Zur Anerkennung dieser Zeiten genügt es nach § 286b SGB VI, dass der Versicherte glaubhaft macht, dass er im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 09.05.1945 bis 31.12.1991 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder -einkommen erzielte und dass von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Diese Glaubhaftmachung ist dem Kläger nicht gelungen. Der Senat nimmt insofern nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug.

Die in der Berufungsinstanz getätigten weiteren Ermittlungen haben die Feststellungen des SG bestätigt. Die Zeugin S ... hat ausgesagt, der Kläger habe nach Abschluss seiner Schulausbildung, etwa im Juli 1953, zunächst in der Landwirtschaft ausgeholfen und dann, nach ihrer Erinnerung im September, eine Lehre in R ...-M ... begonnen. Er sei dort in einem Internat untergebracht gewesen und nur an den Wochenenden nach Hause gekommen. Sie habe keine Kenntnisse darüber, ob und in welcher Höhe ihr Bruder für seine Lehre ein Entgelt erhalten habe und ob ggf. Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien.

Diese Aussage belegt jedenfalls nicht, wie von § 286b SGB VI gefordert, dass der Kläger in der streitigen Zeit ein beitragspflichtiges Entgelt bzw. Einkommen erzielt und von diesem Beiträge gezahlt wurden. Die Angaben der Zeugin sprechen vielmehr dafür, was der Senat allerdings im Ergebnis dahinstehen lassen kann, dass es sich bei der vom Kläger behaupteten Ausbildungszeit möglicherweise um Schul- und nicht um Berufsausbildung handelte. Dies würde die Internatsunterbringung erklären. Beitragszeiten im Beitrittsgebiet sind nach § 248 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VI aber ausdrücklich nicht Zeiten der Schul-, Fach- oder Hochschulausbildung.

Die streitige Zeit kann auch nicht nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI als Anrechnungszeit berücksichtigt werden, weil sie vor dem 17. Lebensjahr des Klägers liegt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung des an die Beigeladene ausgekehrten Nachzahlungsbetrags in Höhe von 5.201,76 DM aus der Rentennachzahlung für den Zeitraum vom 01.06.1997 bis zum 28.02.1998. Zwar hat er auf Grund des Bewilligungsbescheides vom 26.01.1998 Anspruch auf EU-Rente in Höhe des gesamten Nachzahlungsbetrags von 14.403,14 DM.

Dieser Anspruch gilt jedoch nach § 107 Abs. 1 SGB X in Höhe von 5.201,76 DM als erfüllt, weil insoweit ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen die Beklagten besteht.

Dieser Erstattungsanspruch folgt aus § 104 Abs. 1 SGB X. Hat danach ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt, weil die Beigeladene gegenüber der Beklagten in diesem Sinne nur nachrangig zur Leistung verpflichtet war. Der Senat nimmt auch insofern nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug.

Es wird i.ü. nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die vom Kläger vertretene Rechtsmeinung, der Erstattungsanspruch hänge davon ab, dass der nachrangig verpflichtete Leistungsträger schriftliche Bewilligungsbescheide erlassen habe, nicht nur rechtsirrig, sondern abwegig ist. Aus diesem Grund erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

Schließlich ist die vom Kläger im Berufungsverfahren noch geltend gemachte Zeit vom 21.09.1990 bis zum 31.05.1993 als Zeit der Arbeitslosigkeit bereits mit Erteilung des Bescheides vom 26.01.1998 bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden. Der angegriffene Bescheid ist damit auch insofern rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Es besteht kein Anlass, nach § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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