Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 23 U 30/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 U 104/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.07.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer beidseitigen Tendovaginitis stenosans an den Ringfingern der beiden Hände als Berufskrankheit sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Die am ...1940 geborene Klägerin war seit 1960 - zunächst versicherungspflichtig - als Masseurin und medizinische Bademeisterin tätig; etwa seit 1969 übte sie den Beruf selbständig aus. Am 04.05.1992 beantragte sie die Anerkennung einer beidseitigen Tendovaginitis stenosans an beiden Ringfingern (sog. "schnellender Finger") als Berufskrankheit. Die Beklagte zog verschiedene Unterlagen von den behandelnden Ärzten der Klägerin bei und holte so dann ein Gutachten des Dr. B ..., Arzt für Chirurgie, St ..., vom 16.07.1993 ein, in dem der Sachverständige feststellte: Das Symptom des sogenannten schnellenden Fingers werde bedingt durch sogenannte Sehnenknötchen, die in typischer Weise in Höhe der Grundgelenke der Finger ab und zu vorkämen. Diese Sehnenknötchen träten nicht nur bei manuellen Berufen, sondern auch bei Tätigkeiten auf, die kaum oder zumindest keine wesentlichen manuellen Arbeiten zum Inhalt hätten. Die Massagetätigkeit der Klägerin sei als eine vielseitige und abwechslungsreiche Tätigkeit anzusehen, bei der zweifelsohne auch die Hände beansprucht würden. Es sei hervorzuheben, dass bisher bei Masseuren bzw. Masseurinnen ein vermehrtes Auftreten von Sehnenknötchen noch nie beobachtet worden sei. Eine BK 2101 oder eine BK 2106 liege deshab nicht vor.
Die Beklagte lehnte daraufhin durch Bescheid vom 16.12.1993 die Anerkennung der Erkrankung der Klägerin im Bereich der Hände als Berufskrankheit ab.
Den dagegen von der Klägerin am 13.01.1994 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), Bezirksstelle Essen, vom 11.10.1994 sowie einer weiteren Stellungnahme des Dr. B ... vom 01.12.1994 durch den Widerspruchsbescheid vom 22.02.1996 zurück.
Die Klägerin hat am 27.02.1996 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die bei ihr vorliegende Tendovaginitis stenosans der beiden Ringfinger als Berufskrankheit gemäß der Ziffer 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.12.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.02.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr entweder wegen einer BK entsprechend der Ziffer 2101 der Anlage 1 zur BKVO oder wegen einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO Ver letztenrente nach einer vom Gericht festzusetzenden MdE wegen der bei ihr vorliegenden Tendovaginitis stenosans zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass die bei der Klägerin vorliegende Tendovaginitis stenosans der beiden Hände keine Berufskrankheit darstelle.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Prof. Dr. T ..., Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie, Handchirurgie und plastische Wiederherstellungschirurgie, M ... Krankenhaus St. J ..., H ..., eingeholt. Der gerichtliche Sachverständige hat hierin unter dem 30.11.1996 folgendes ausgeführt: Bei der Klägerin liege eine Narbenbildung im Bereich der rechten Hohlhand bei Zustand nach Ringbandspaltung D 3/D 4 und nach zweimaliger Neurolyse mit Narbenentfernung sowie nach Synovektomie der dritten und vierten Beugesehne und nach Entfernung eines fibromatösen Stranges im Verlauf des vierten Mittelhandstrahles vor. Ausgangspunkt dieser Erkrankung sei rechts wie links eine Tendovaginitis stenosans gewesen. Es sei in der Literatur nicht bekannt, dass die Tendovaginitis stenosans gehäuft bei gewissen Berufsgruppen in Erscheinung trete. Der Beruf der Masseurin sei zwar mit einer manuellen Tätigkeit verbunden, die auch mit einem gewissen Kraftaufwand einher gehe. Diese Tätigkeit sei jedoch abwechslungsreich und vielschichtig. Sie sei nicht vergleichbar mit Arbeiten, bei denen regelmäßig immer wieder ein bestimmter Handgriff notwendig sei - wie etwa bei Fließbandtätigkeiten.
Die Klägerin, die mit dem Gutachten des Prof. Dr. T ... nicht einverstanden gewesen ist, hat gemäß § 109 des Sozialgerichts gesetzes (SGG) beantragt, ein Gutachten des Prof. Dr. H ..., E ... Krankenhaus K ...-D ..., einzuholen. Auf die Anregung dieses Sachverständigen hin hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 17.11.1997 eingeholt, der zur Tätigkeit der Klägerin und die damit verundenen Belastungen ausgeführt hat: Bei der klassischen Massage werde flächig mit der ganzen Hand behandelt. Durch Cremes oder Massageöle werde die Arbeit erleichtert. Die Massage erfolge muskulär an der Oberfläche. Bindegewebsmassage bedeute dagegen den Einsatz von Ring- und Mittelfinger, die aufgestellt durch Zug und Halten reflektorisch auf die beteiligten Nerven wirkten. Durch Druck müssten tiefere Zonen erreicht werden. Die gleichen Finger behandelten danach punktuell und durch Friktion (abdrehendes Streichen mit den Fingerspitzen) den erkrankten Bereich. Hierfür habe die Klägerin ausschließlich ihre rechte Hand benutzt. Die Bindegewebsmassage werde auf absolut trockener Haut durchgeführt. Aus der Zahl der gesamten monatlichen Praxismassagen errechne sich ein Anteil von etwa 5,3 Bindegewebsmassagen pro Arbeitstag.
Der Sachverständige Prof. Dr. H ... hat dann in seinem Gutachten vom 17.06.1998 ausgeführt: Im Rahmen der Anerkennung einer Berufskrankheit gelte es, die technischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit streng von den medizinischen Voraussetzungen zu trennen. Zu den Krankheitsbildern, die von der Berufskrankheit Nr. 2101 erfasst würden, zähle neben der Tendovaginitis crepitans die Epicondylitis und Styloiditis an Sehnenansätzen sowie die Tendovaginitis stenosans. Auch er gelange zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Tendovaginitis stenosans beidseits vorliege. Somit seien die medizinische Voraussetzung zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Ziffer 2101 Anlage zur BKVO gegeben.
Das Sozialgericht hat daraufhin ein Gutachten des Prof. Dr. D ..., Chefarzt der Klinik für plastische Chirurgie/Handchirurgie, Knappschaftskrankenhaus B ... B ..., G ...-B ..., eingeholt, in dem der Sachverständige unter dem 06.05.1999 folgendes festgestellt hat: Bei der Klägerin lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die mit Wahrscheinlichkeit als Berufskrankheit im Sinne der Ziffer 2101 (Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze) festgestellt werden könnten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Massage insbesondere die vierten Finger beiderseits belastet seien. Es komme vielmehr zu einer wechselnden, die einzelnen Finger gleichermaßen betreffenden Belastung. Bei der BK 2101 seien zunächst nachzuweisende Tätigkeiten mit einseitiger langandauernder mechanischer Beanspruchung, vor allem ungewohnte Tätigkeiten mit unzweckmäßiger Innervation und statischer Haltearbeit gemeint. Diese sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. In Literatur und Rechtsprechung seien keine Fälle bekannt, bei denen die Tätigkeit der Massage als auslösender Faktor für die BK 2101 anerkennt worden sei.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.07.1999 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.08.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.09.1999 Berufung eingelegt.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass die bei ihr vorliegende Tendovaginitis stenosans als Berufskrankheit gemäß Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.07.1999 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.1996 zu verurteilen, ihr entweder wegen einer Berufskrankheit entsprechend der Ziffer 2101 der Anlage 1 zur BKVO oder wegen einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO Verletztenrente nach einer vom Gericht festzusetzenden MdE wegen der bei ihr vorliegen den Tendovaginitis stenosans zu gewähren, hilfsweise, ein weiteres Sachverständigengutachten nach § 106 SGG einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat eine Stellungnahme des Prof. Dr. H ... vom 27.07.2000 eingeholt. Der Sachverständige hat an seiner Auffassung festgehalten, dass die Klägerin an einer Tendovaginitis stenosans der Ringfinger beidseits ursächlich erkrankt sei und damit die medizinischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit der Nr. 2101 gegeben seien. Die technischen Voraussetzungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls erfüllt.
Prof. Dr. D ... hat in der vom Senat daraufhin eingeholten Stellungnahme vom 22.01.2001 ausgeführt, dass der von dem Sachverständigen Prof. Dr. H ... getroffenen Schlussfolgerung von dem Vorliegen einer Tendovaginitis stenosans der Ringfinger auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 2101 nicht zu folgen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 16.12.1993 und der Widerspruchsbescheid vom 22.02.1996 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihr vorliegende Tendovaginitis stenosans an den Fingern der beiden Hände als Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKVO anerkannt und eine Verletztenrente gewährt wird; ebensowenig besteht ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der vorliegende Fall beurteilt sich gemäß § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) noch nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO.
Gemäß § 551 Abs. 1 Satz 2 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall (im Sinne des § 548 RVO) ferner eine Berufskrankheit. Nach Satz 2 des § 551 Abs. 1 sind Berufskrankheiten die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.
Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt grundsätzlich voraus (vgl. dazu Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, § 9 SGB VII Rdnr. 14), dass zum einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss ein der Berufskrankheit entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre (vgl. insoweit BSGE 61, 127, 129; 63, 272, 278) wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden (haftungsausfüllende Kausalität). Hinsichtlich dieses Zusammenhangs genügt eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, die erst dann gegeben ist, wenn nach geltender ärztlich wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 303, 309; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38).
Nr. 2101 der Anlage 1 zur BeKVO erfasst Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nach dem Merkblatt zur BK Nr. 43 der Anlage 1 zur 7. BKVO (Bekanntmachung des BMA vom 18.02.1963, Bundesarbeitsblatt Fachteil Arbeitsschutz 1963, 24) können die genannten Erkrankungen durch einseitige langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen. Gemeint sind einseitige, langandauernde mechanische Beanspruchungen, wie kurzzyklische repetitive feinmotorische Handtätigkeiten mit hoher Bewegungsfrequenz (mindestens 10.000 Bewegungsabläufe pro Stunde), hochfrequente feinmotorische Tätigkeiten, insbesondere in unphysiologischer Haltung sowie Beanspruchung durch ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung, repetitive Arbeitsverrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist (vgl. dazu Mehrtens/Perlebach a.a.O. M 2101 Rdnr. 3).
Im Falle der Klägerin sind diese arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten kommt als Tätigkeit, die die betroffenen Finger der jeweiligen Hände besonders belastet hat, nur die Durchführung der sogenannten Bindegewebsmassagen durch die Klägerin in Betracht. Die Feststellungen des TAD gehen dahin, dass die Klägerin unter Anlegung eines großzügigen Maßstabes etwa 5,3 Bindegewebsmassagen je Arbeitstag durchgeführt hat. Nur bei diesen Bindegewebsmassagen wird der Ring- und Mittelfinger im Gegensatz zu der klassischen Massage besonders belastet. Von diesen Feststellungen des TAD ausgehend ergibt sich ein zeitlicher Umfang der Belastung von 5,3 x 15 Minuten täglich, also rund 80 Minuten. Dies entspricht bei einer achtstündigen Arbeitsschicht einem Anteil von etwa 16,5 %. Dies kann nicht als eine einseitige und langdauernde mechanische Beanspruchung angesehen werden. Dies umso weniger, als die Klägerin die Bindegewebsmassagen verteilt über den gesamten Arbeitstag und unterbrochen durch andere abwechslungsreiche Tätigkeiten wie klassische Massagen und die Verwaltungstätigkeit als Inhaberin des Massagebetriebes ausgeübt hat.
Darüber hinaus kann aber auch die Kausalität zwischen der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung und den Einwirkungen aufgrund der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich gemacht werden. Zweifelhaft ist zunächst, dass die bei der Klägerin vorliegende Tendovaginitis stenosans eine Erkrankung im Sinne der Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKVO ist. Bei dieser Erkrankung handelt es sich nämlich nach Auffassung mancher Autoren primär nicht um eine Sehnenscheidenentzündung, sondern um eine knotige Verdickung der Beugesehnen selbst, die sich sekundär gelegentlich auf eine Sklerosierung des Sehnenscheidenringbandes aufpfropft. Erkrankungen der Sehnen sind aber im Verordnungstext nicht angesprochen (vgl. Mehrtens/Perlebach a.a.O. Anm. 7). In diese Richtung zielt auch die Beurteilung des von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. B ..., der im Gutachten vom 16.07.1993 die Auffassung vertreten hat, es handele sich weder um eine Erkrankung der Sehnenscheide oder der Sehne, sondern vielmehr um eine Erkrankung des Lignum anulare, einem Bestandteil der Fingergrundgelenke (vergl. Seite 17/18 des Gutachtens). Ob die Erkrankung der Klägerin eine solche im Sinne der Nr. 2101 der Anlage zur BKVO darstellt, kann jedoch dahingestellt bleiben.
Der ursächliche Zusammenhang der Tendovaginitis stenosans mit beruflichen Einwirkungen lässt sich nämlich ebenfalls nicht begründen. Diesen ursächlichen Zusammenhang haben die Sachverständigen Prof. Dr. T ... und Prof. Dr. D ... in ihren Gutachten übereinstimmend verneint. Sie haben darauf hingewiesen, dass ein derartiger Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit eines Masseurs und der Tendovaginitis stenosans in der Literatur nicht bekannt sei. Demgegenüber ist die gegenteilige Auffassung des Prof. Dr. H ... nicht überzeugend. Dieser Arzt unterliegt nämlich ganz offensichtlich dem Irrtum, dass bereits immer dann, wenn einerseits die ar beitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, andererseits aber auch eine Erkrankung der in der jeweiligen Ziffer der BKVO genannten Art vorliegt, der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Krankheit zu bejahen, mithin eine Berufskrankheit anzuerkennen ist. Dies entspricht jedoch eindeutig nicht den rechtlichen Vorgaben. Vielmehr muss aufgrund einer Würdigung im Einzelfall der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit wahrscheinlich gemacht werden. Die konkreten Umstände, unter denen die Klägerin ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist, vermögen einen solchen Zusammenhang mit der Tendovaginnitis stenosans gerade nicht zu begründen. Nach den Feststellungen des TAD hat die Klägerin nur in einem geringen Umfang (ca. 16,5% der täglichen Arbeitszeit) und verteilt über den ganzen Arbeitstag, unterbrochen durch andere, die betroffenen Finger nicht einseitig belastende Arbeiten, die sich allein auf die betroffenen Finger auswirkenden Bindegewebsmassagen erbracht. Für die Richtigkeit der Beurteilungen des Prof.Dr. T ... und des Prof. Dr. D ... und gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht hier außerdem, dass die Klägerin nach den Feststellungen des TAD für die Bindegewebsmassagen ausschließlich die rechte Hand benutzt hat, jedoch auch ihre linke Hand in nahezu gleichem Umfang von der hier in Rede stehenden Erkrankung, der Tendovaginitis stenosans, betroffen ist. Zudem hat der Sachverständige Prof. Dr. T ... darauf hingewiesen, dass die Symptome der Tendovaginitis stenosans des dritten rechten und linken Fingers erst im September 1992, mithin nach Aufgabe der Tätigkeit als Masseurin, aufgetreten seien.
Eine Anerkennung der Tendovaginitis stenosans nach § 551 Absatz 2 RVO ("wie eine Berufskrankheit") scheidet schon deshalb aus, weil auch hierfür der ursächliche Zusammenhang zwischen der Krankheit und der gefährdenden Tätigkeit wahrscheinlich sein muß (vergl. Be reiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 9 SGB VII Anm.13.1); diese Voraussetzung ist - wie ausgeführt - nicht erfüllt.
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach § 581 RVO besteht nicht, weil eine eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachende Berufskrankheit bei der Klägerin nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer beidseitigen Tendovaginitis stenosans an den Ringfingern der beiden Hände als Berufskrankheit sowie die Gewährung einer Verletztenrente.
Die am ...1940 geborene Klägerin war seit 1960 - zunächst versicherungspflichtig - als Masseurin und medizinische Bademeisterin tätig; etwa seit 1969 übte sie den Beruf selbständig aus. Am 04.05.1992 beantragte sie die Anerkennung einer beidseitigen Tendovaginitis stenosans an beiden Ringfingern (sog. "schnellender Finger") als Berufskrankheit. Die Beklagte zog verschiedene Unterlagen von den behandelnden Ärzten der Klägerin bei und holte so dann ein Gutachten des Dr. B ..., Arzt für Chirurgie, St ..., vom 16.07.1993 ein, in dem der Sachverständige feststellte: Das Symptom des sogenannten schnellenden Fingers werde bedingt durch sogenannte Sehnenknötchen, die in typischer Weise in Höhe der Grundgelenke der Finger ab und zu vorkämen. Diese Sehnenknötchen träten nicht nur bei manuellen Berufen, sondern auch bei Tätigkeiten auf, die kaum oder zumindest keine wesentlichen manuellen Arbeiten zum Inhalt hätten. Die Massagetätigkeit der Klägerin sei als eine vielseitige und abwechslungsreiche Tätigkeit anzusehen, bei der zweifelsohne auch die Hände beansprucht würden. Es sei hervorzuheben, dass bisher bei Masseuren bzw. Masseurinnen ein vermehrtes Auftreten von Sehnenknötchen noch nie beobachtet worden sei. Eine BK 2101 oder eine BK 2106 liege deshab nicht vor.
Die Beklagte lehnte daraufhin durch Bescheid vom 16.12.1993 die Anerkennung der Erkrankung der Klägerin im Bereich der Hände als Berufskrankheit ab.
Den dagegen von der Klägerin am 13.01.1994 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), Bezirksstelle Essen, vom 11.10.1994 sowie einer weiteren Stellungnahme des Dr. B ... vom 01.12.1994 durch den Widerspruchsbescheid vom 22.02.1996 zurück.
Die Klägerin hat am 27.02.1996 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die bei ihr vorliegende Tendovaginitis stenosans der beiden Ringfinger als Berufskrankheit gemäß der Ziffer 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.12.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.02.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr entweder wegen einer BK entsprechend der Ziffer 2101 der Anlage 1 zur BKVO oder wegen einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO Ver letztenrente nach einer vom Gericht festzusetzenden MdE wegen der bei ihr vorliegenden Tendovaginitis stenosans zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass die bei der Klägerin vorliegende Tendovaginitis stenosans der beiden Hände keine Berufskrankheit darstelle.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Prof. Dr. T ..., Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie, Handchirurgie und plastische Wiederherstellungschirurgie, M ... Krankenhaus St. J ..., H ..., eingeholt. Der gerichtliche Sachverständige hat hierin unter dem 30.11.1996 folgendes ausgeführt: Bei der Klägerin liege eine Narbenbildung im Bereich der rechten Hohlhand bei Zustand nach Ringbandspaltung D 3/D 4 und nach zweimaliger Neurolyse mit Narbenentfernung sowie nach Synovektomie der dritten und vierten Beugesehne und nach Entfernung eines fibromatösen Stranges im Verlauf des vierten Mittelhandstrahles vor. Ausgangspunkt dieser Erkrankung sei rechts wie links eine Tendovaginitis stenosans gewesen. Es sei in der Literatur nicht bekannt, dass die Tendovaginitis stenosans gehäuft bei gewissen Berufsgruppen in Erscheinung trete. Der Beruf der Masseurin sei zwar mit einer manuellen Tätigkeit verbunden, die auch mit einem gewissen Kraftaufwand einher gehe. Diese Tätigkeit sei jedoch abwechslungsreich und vielschichtig. Sie sei nicht vergleichbar mit Arbeiten, bei denen regelmäßig immer wieder ein bestimmter Handgriff notwendig sei - wie etwa bei Fließbandtätigkeiten.
Die Klägerin, die mit dem Gutachten des Prof. Dr. T ... nicht einverstanden gewesen ist, hat gemäß § 109 des Sozialgerichts gesetzes (SGG) beantragt, ein Gutachten des Prof. Dr. H ..., E ... Krankenhaus K ...-D ..., einzuholen. Auf die Anregung dieses Sachverständigen hin hat die Beklagte eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 17.11.1997 eingeholt, der zur Tätigkeit der Klägerin und die damit verundenen Belastungen ausgeführt hat: Bei der klassischen Massage werde flächig mit der ganzen Hand behandelt. Durch Cremes oder Massageöle werde die Arbeit erleichtert. Die Massage erfolge muskulär an der Oberfläche. Bindegewebsmassage bedeute dagegen den Einsatz von Ring- und Mittelfinger, die aufgestellt durch Zug und Halten reflektorisch auf die beteiligten Nerven wirkten. Durch Druck müssten tiefere Zonen erreicht werden. Die gleichen Finger behandelten danach punktuell und durch Friktion (abdrehendes Streichen mit den Fingerspitzen) den erkrankten Bereich. Hierfür habe die Klägerin ausschließlich ihre rechte Hand benutzt. Die Bindegewebsmassage werde auf absolut trockener Haut durchgeführt. Aus der Zahl der gesamten monatlichen Praxismassagen errechne sich ein Anteil von etwa 5,3 Bindegewebsmassagen pro Arbeitstag.
Der Sachverständige Prof. Dr. H ... hat dann in seinem Gutachten vom 17.06.1998 ausgeführt: Im Rahmen der Anerkennung einer Berufskrankheit gelte es, die technischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit streng von den medizinischen Voraussetzungen zu trennen. Zu den Krankheitsbildern, die von der Berufskrankheit Nr. 2101 erfasst würden, zähle neben der Tendovaginitis crepitans die Epicondylitis und Styloiditis an Sehnenansätzen sowie die Tendovaginitis stenosans. Auch er gelange zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine Tendovaginitis stenosans beidseits vorliege. Somit seien die medizinische Voraussetzung zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Ziffer 2101 Anlage zur BKVO gegeben.
Das Sozialgericht hat daraufhin ein Gutachten des Prof. Dr. D ..., Chefarzt der Klinik für plastische Chirurgie/Handchirurgie, Knappschaftskrankenhaus B ... B ..., G ...-B ..., eingeholt, in dem der Sachverständige unter dem 06.05.1999 folgendes festgestellt hat: Bei der Klägerin lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die mit Wahrscheinlichkeit als Berufskrankheit im Sinne der Ziffer 2101 (Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze) festgestellt werden könnten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass bei der Massage insbesondere die vierten Finger beiderseits belastet seien. Es komme vielmehr zu einer wechselnden, die einzelnen Finger gleichermaßen betreffenden Belastung. Bei der BK 2101 seien zunächst nachzuweisende Tätigkeiten mit einseitiger langandauernder mechanischer Beanspruchung, vor allem ungewohnte Tätigkeiten mit unzweckmäßiger Innervation und statischer Haltearbeit gemeint. Diese sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor. In Literatur und Rechtsprechung seien keine Fälle bekannt, bei denen die Tätigkeit der Massage als auslösender Faktor für die BK 2101 anerkennt worden sei.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 26.07.1999 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 17.08.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.09.1999 Berufung eingelegt.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass die bei ihr vorliegende Tendovaginitis stenosans als Berufskrankheit gemäß Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.07.1999 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.1996 zu verurteilen, ihr entweder wegen einer Berufskrankheit entsprechend der Ziffer 2101 der Anlage 1 zur BKVO oder wegen einer Berufskrankheit gemäß § 551 Abs. 2 RVO Verletztenrente nach einer vom Gericht festzusetzenden MdE wegen der bei ihr vorliegen den Tendovaginitis stenosans zu gewähren, hilfsweise, ein weiteres Sachverständigengutachten nach § 106 SGG einzuholen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat eine Stellungnahme des Prof. Dr. H ... vom 27.07.2000 eingeholt. Der Sachverständige hat an seiner Auffassung festgehalten, dass die Klägerin an einer Tendovaginitis stenosans der Ringfinger beidseits ursächlich erkrankt sei und damit die medizinischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit der Nr. 2101 gegeben seien. Die technischen Voraussetzungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls erfüllt.
Prof. Dr. D ... hat in der vom Senat daraufhin eingeholten Stellungnahme vom 22.01.2001 ausgeführt, dass der von dem Sachverständigen Prof. Dr. H ... getroffenen Schlussfolgerung von dem Vorliegen einer Tendovaginitis stenosans der Ringfinger auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit der Nr. 2101 nicht zu folgen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 16.12.1993 und der Widerspruchsbescheid vom 22.02.1996 sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihr vorliegende Tendovaginitis stenosans an den Fingern der beiden Hände als Berufskrankheit nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKVO anerkannt und eine Verletztenrente gewährt wird; ebensowenig besteht ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der vorliegende Fall beurteilt sich gemäß § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) noch nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO.
Gemäß § 551 Abs. 1 Satz 2 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall (im Sinne des § 548 RVO) ferner eine Berufskrankheit. Nach Satz 2 des § 551 Abs. 1 sind Berufskrankheiten die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet.
Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt grundsätzlich voraus (vgl. dazu Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, § 9 SGB VII Rdnr. 14), dass zum einen in der Person des Versicherten die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss ein der Berufskrankheit entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre (vgl. insoweit BSGE 61, 127, 129; 63, 272, 278) wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden (haftungsausfüllende Kausalität). Hinsichtlich dieses Zusammenhangs genügt eine ausreichende Wahrscheinlichkeit, die erst dann gegeben ist, wenn nach geltender ärztlich wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 303, 309; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38).
Nr. 2101 der Anlage 1 zur BeKVO erfasst Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Nach dem Merkblatt zur BK Nr. 43 der Anlage 1 zur 7. BKVO (Bekanntmachung des BMA vom 18.02.1963, Bundesarbeitsblatt Fachteil Arbeitsschutz 1963, 24) können die genannten Erkrankungen durch einseitige langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen. Gemeint sind einseitige, langandauernde mechanische Beanspruchungen, wie kurzzyklische repetitive feinmotorische Handtätigkeiten mit hoher Bewegungsfrequenz (mindestens 10.000 Bewegungsabläufe pro Stunde), hochfrequente feinmotorische Tätigkeiten, insbesondere in unphysiologischer Haltung sowie Beanspruchung durch ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung, repetitive Arbeitsverrichtung mit statischen und dynamischen Anteilen, bei denen eine einseitige von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist (vgl. dazu Mehrtens/Perlebach a.a.O. M 2101 Rdnr. 3).
Im Falle der Klägerin sind diese arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten kommt als Tätigkeit, die die betroffenen Finger der jeweiligen Hände besonders belastet hat, nur die Durchführung der sogenannten Bindegewebsmassagen durch die Klägerin in Betracht. Die Feststellungen des TAD gehen dahin, dass die Klägerin unter Anlegung eines großzügigen Maßstabes etwa 5,3 Bindegewebsmassagen je Arbeitstag durchgeführt hat. Nur bei diesen Bindegewebsmassagen wird der Ring- und Mittelfinger im Gegensatz zu der klassischen Massage besonders belastet. Von diesen Feststellungen des TAD ausgehend ergibt sich ein zeitlicher Umfang der Belastung von 5,3 x 15 Minuten täglich, also rund 80 Minuten. Dies entspricht bei einer achtstündigen Arbeitsschicht einem Anteil von etwa 16,5 %. Dies kann nicht als eine einseitige und langdauernde mechanische Beanspruchung angesehen werden. Dies umso weniger, als die Klägerin die Bindegewebsmassagen verteilt über den gesamten Arbeitstag und unterbrochen durch andere abwechslungsreiche Tätigkeiten wie klassische Massagen und die Verwaltungstätigkeit als Inhaberin des Massagebetriebes ausgeübt hat.
Darüber hinaus kann aber auch die Kausalität zwischen der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankung und den Einwirkungen aufgrund der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich gemacht werden. Zweifelhaft ist zunächst, dass die bei der Klägerin vorliegende Tendovaginitis stenosans eine Erkrankung im Sinne der Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKVO ist. Bei dieser Erkrankung handelt es sich nämlich nach Auffassung mancher Autoren primär nicht um eine Sehnenscheidenentzündung, sondern um eine knotige Verdickung der Beugesehnen selbst, die sich sekundär gelegentlich auf eine Sklerosierung des Sehnenscheidenringbandes aufpfropft. Erkrankungen der Sehnen sind aber im Verordnungstext nicht angesprochen (vgl. Mehrtens/Perlebach a.a.O. Anm. 7). In diese Richtung zielt auch die Beurteilung des von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörten Sachverständigen Dr. B ..., der im Gutachten vom 16.07.1993 die Auffassung vertreten hat, es handele sich weder um eine Erkrankung der Sehnenscheide oder der Sehne, sondern vielmehr um eine Erkrankung des Lignum anulare, einem Bestandteil der Fingergrundgelenke (vergl. Seite 17/18 des Gutachtens). Ob die Erkrankung der Klägerin eine solche im Sinne der Nr. 2101 der Anlage zur BKVO darstellt, kann jedoch dahingestellt bleiben.
Der ursächliche Zusammenhang der Tendovaginitis stenosans mit beruflichen Einwirkungen lässt sich nämlich ebenfalls nicht begründen. Diesen ursächlichen Zusammenhang haben die Sachverständigen Prof. Dr. T ... und Prof. Dr. D ... in ihren Gutachten übereinstimmend verneint. Sie haben darauf hingewiesen, dass ein derartiger Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit eines Masseurs und der Tendovaginitis stenosans in der Literatur nicht bekannt sei. Demgegenüber ist die gegenteilige Auffassung des Prof. Dr. H ... nicht überzeugend. Dieser Arzt unterliegt nämlich ganz offensichtlich dem Irrtum, dass bereits immer dann, wenn einerseits die ar beitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, andererseits aber auch eine Erkrankung der in der jeweiligen Ziffer der BKVO genannten Art vorliegt, der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Krankheit zu bejahen, mithin eine Berufskrankheit anzuerkennen ist. Dies entspricht jedoch eindeutig nicht den rechtlichen Vorgaben. Vielmehr muss aufgrund einer Würdigung im Einzelfall der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit wahrscheinlich gemacht werden. Die konkreten Umstände, unter denen die Klägerin ihrer beruflichen Tätigkeit nachgegangen ist, vermögen einen solchen Zusammenhang mit der Tendovaginnitis stenosans gerade nicht zu begründen. Nach den Feststellungen des TAD hat die Klägerin nur in einem geringen Umfang (ca. 16,5% der täglichen Arbeitszeit) und verteilt über den ganzen Arbeitstag, unterbrochen durch andere, die betroffenen Finger nicht einseitig belastende Arbeiten, die sich allein auf die betroffenen Finger auswirkenden Bindegewebsmassagen erbracht. Für die Richtigkeit der Beurteilungen des Prof.Dr. T ... und des Prof. Dr. D ... und gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht hier außerdem, dass die Klägerin nach den Feststellungen des TAD für die Bindegewebsmassagen ausschließlich die rechte Hand benutzt hat, jedoch auch ihre linke Hand in nahezu gleichem Umfang von der hier in Rede stehenden Erkrankung, der Tendovaginitis stenosans, betroffen ist. Zudem hat der Sachverständige Prof. Dr. T ... darauf hingewiesen, dass die Symptome der Tendovaginitis stenosans des dritten rechten und linken Fingers erst im September 1992, mithin nach Aufgabe der Tätigkeit als Masseurin, aufgetreten seien.
Eine Anerkennung der Tendovaginitis stenosans nach § 551 Absatz 2 RVO ("wie eine Berufskrankheit") scheidet schon deshalb aus, weil auch hierfür der ursächliche Zusammenhang zwischen der Krankheit und der gefährdenden Tätigkeit wahrscheinlich sein muß (vergl. Be reiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, § 9 SGB VII Anm.13.1); diese Voraussetzung ist - wie ausgeführt - nicht erfüllt.
Ein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach § 581 RVO besteht nicht, weil eine eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verursachende Berufskrankheit bei der Klägerin nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
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