L 17 U 62/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (11) U 11/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 62/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 22. Januar 1999 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist der Anspruch auf Verletztenrente.

Die 1939 geborene Klägerin zog sich im Rahmen ihrer Tätigkeit als Raumpflegerin am 23.01.1995 einen Arbeitsunfall zu, als sie beim Ausschütten eines Eimers ausglitt und dabei auf das Gesäß fiel. Der Orthopäde und zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung ermächtigte Arzt Dr. E ... diagnostizierte im Bericht vom 08.02.1995 eine Wirbelsäulenprellung sowie eine Prellung am rechten Kniegelenk. Die Beklagte gewährte wegen der Folgen des Unfalles aufgrund einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K ... Verletztengeld bis zum 04.07.1995. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens zog sie Berichte des Orthopäden Dr. E ..., des Radiologen Dr. K ... sowie des Orthopäden Dr. R ... bei. Letzterer beschrieb im Bericht vom 24.01.1997 ein chronifiziertes Lumbalsyndrom unklarer Genese.

Dr. B ..., Leitender Arzt der Abteilung Neurotraumatologie und Rückenmarkverletzte der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B ... in B ..., erstattete auf Veranlassung der Beklagten am 11.06.1997 ein Gutachten und kam darin zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß der Unfall zu keinen substantiellen Schädigungen im Lendenwirbelsäulenbereich geführt habe und die derzeitige Beschwerdesymptomatik Folge degenerativer Wirbelsäulenveränderungen mit schmerzreflektorischer Muskelverspannung sei. - Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid 03.07.1997 die Gewährung von Verletztenrente mit der Begründung ab, der Arbeitsunfall habe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit hinterlassen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.1998 als unbegründet zurück.

Am 11.02.1998 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Münster Klage erhoben.

Das SG hat die bei der LVA Westfalen vorhandenen medizinischen Unterlagen der Klägerin - unter anderem ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. G ... vom 16.07.1997 sowie einen Entlassungsbericht von Dr. G ..., Klinik M ... in B ... R ... vom 09.09.1996 - beigezogen und mit Gerichtsbescheid vom 22.01.1999 die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird verwiesen. Der Gerichtsbescheid wurde der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 03.02.1999 zugestellt.

Am 01.03.1999 hat diese beim SG beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen und am 10.03.1999 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, ihr beim SG fristgerecht gestellter Antrag auf Anberaumung eines Verhandlungstermins sei in eine Berufung umzudeuten. Dem Gutachten von Dr. B ... könne nicht gefolgt werden.

Die Klägerin beantragt in der Sache sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des SG Münster vom 22.01.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.01.1998 zu verurteilen, wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 23.01.1995 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakte lag vor und war Gegenstand der Beratung.

II.

Die Berufung ist verfristet und damit unzulässig.

Nach § 151 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist nach Abs. 2 auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem SG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

Der Gerichtsbescheid, mit dem die Klage auf Gewährung von Verletztenrente abgewiesen worden war, wurde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 03.02.1999 zugestellt. Er enthielt - da ein Berufungsausschlußgrund im Sinne von § 144 Abs. 1 SGG nicht vorlag - die zutreffende Rechtsmittelbelehrung, daß der Gerichtsbescheid mit der Berufung angefochten werden könne. Nach § 105 Abs. 2 SGG können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides die Beteiligten das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist eine Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Ist gegen einen Gerichtsbescheid - wie im vorliegenden Fall - die Berufung statthaft, so ist ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht zulässig und die Umdeutung eines solchen gleichwohl gestellten Antrages in eine Berufung nicht möglich. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Beschluss vom 02.08.1995 - 9 B 303.95 - (= DVBL 1996, 105) zu der entsprechenden Regelung in § 84 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entschieden. Die dort gemachten Rechtsausführungen überzeugen und sind daher nach Ansicht des Senates auch hier einschlägig. Auch wenn danach Rechtsmittelerklärungen der Verfahrensbeteiligten einer Umdeutung grundsätzlich zugänglich sein können und das Wort Berufung nicht unbedingt erforderlich ist, so ist entscheidend, ob der Erklärung die Absicht zu entnehmen ist, die angegriffene Entscheidung einer Nachprüfung durch das höhere Gericht zu unterziehen. Das ist vorliegend indes nicht der Fall. Die rechtskundige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat mit ihrem am 01.03.1999 beim SG eingegangenen Schriftsatz vom 25.02.1999 nicht das nach der Rechtslage gegebene Rechtsmittel eingelegt, sondern eine mündliche Verhandlung vor dem SG beantragt, damit dieses seine im Gerichtsbescheid vertretene Rechtsauffassung überprüfe und dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens von Amts wegen stattgebe. Damit war das Ziel der Klägerin gerade nicht darauf gerichtet, die erstinstanzliche gerichtliche Entscheidung im zweiten Rechtszug zu überprüfen.

Der vorgenannten Entscheidung des BVerwG ist auch die Kommentarliteratur beigetreten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 11. Aufl., § 84 Rdnr. 33, 34), und sie wird auch für das sozialgerichtliche Verfahren vertreten (Niesel, Der Sozialgerichtsprozeß, 3. Aufl., Rdnr. 331; Zeihe, SGG § 151, Rdnr. 10b; zweifelnd Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 151, Rdnr. 11a).

Der Senat konnte über die Berufung gem. § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, ob wohl sich die Berufung gegen einen Gerichtsbescheid richtet, weil in § 158 SGG eine dem § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG entsprechende Regelung fehlt (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O. § 158 Rdnr. 6; Bley in: Sozialversicherung - SGB/RVO/SGG - Gesamtkommentar, § 158 Rdnr. 6b). Das BVerwG (a.a.O.) hat zur VwGO ebenfalls diese Rechtsansicht vertreten und darauf hingewiesen, daß dies auch nicht in Widerspruch zu Artikel 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Revisionszulassung bestand kein Anlaß.
Rechtskraft
Aus
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