L 12 AL 114/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AL 96/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 114/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 46/01 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17. Mai 2000 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind einander in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob dem Kläger Arbeitslosenhilfe nach der Leistungsgruppe D oder C zu zahlen ist.

Der am ...1972 geborene Kläger verrichtete nach seiner im Jahr 1993 abgebrochenen Lehre verschiedene Aushilfstätigkeiten und bezog wiederholt Leistungen von der Beklagten. Vom 20.11.1995 bis 15.12.1996 war er als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Auf seinen Antrag vom 12.12.1996, bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld ab 16.12.1996 nach der Leistungsgruppe C. Der Kläger war verheiratet und hatte ein Kind. Auf seiner Lohnsteuerkarte war die Steuerklasse III eingetragen. Seit dem 15.06.1997 bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe ebenfalls nach Leistungsgruppe C. In seinen persönlichen Verhältnissen hatte sich nichts geändert. Auch zu Beginn des Jahres 1998 war die Lohnsteuerklasse III auf der Steuerkarte des Klägers eingetragen. Mit Bescheid vom 11.03.1998 wurde die Bewilligung für die Zeit vom 16.01.1998 - 08.03.1998 unterbrochen, da der Kläger einen Umzug verspätet gemeldet hatte.

Aufgrund eines Antrages vom 10.02.1998 wurde der Eintrag auf der Lohnsteuerkarte 1998 des Klägers mit Wirkung ab 01.03.1998 in die Steuerklasse V geändert. Grund hierfür war die Arbeitsaufnahme der Ehefrau des Klägers ab 27.01.1998 und seine eigene fortbestehende Arbeitslosigkeit. Dem Kläger wurde daraufhin ab 09.03.1998 Arbeitslosenhilfe nach Leistungsgruppe D gewährt. Eine eingetretene Überzahlung wurde zurückgefordert.

Am 22.06.1998 nahm der Kläger erneut eine Beschäftigung auf, während der Ehefrau zum 31.07.1998 gekündigt wurde. Im Juli 1998 verdiente der Kläger 2.773,33 DM brutto monatlich, seine Ehefrau 2.426,66 DM. Im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit seiner Ehefrau ab August 1998 und der eigenen Arbeitsaufnahme beantragte der Kläger am 05.08.1998 einen erneuten Wechsel der Steuerklasse. Mit Wirkung ab 01.09.1998 wurde bei ihm die Steuerklasse III eingetragen.

Aufgrund eines Unfalles Ende August 1998 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.08.1998 gekündigt. Am 01.09.1998 beantragte er die Wiederbewilligung von Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 23.10.1998 wurde dem Kläger ab 01.09.1998 Arbeitslosenhilfe wieder bewilligt, allerdings nicht entsprechend der eingetragenen Lohnsteuerklasse III nach der Leistungsgruppe C, sondern nach der Leistungsgruppe D, die der Steuerklasse V entspricht. Die Leistung belief sich auf wöchentlich 174,09 DM bzw. 24,87 DM täglich. Nach der Leistungsgruppe C hätte er Anspruch auf 287,91 DM/Woche bzw. 41,13 DM/Tag gehabt, also auf 16,26 DM mehr pro Tag. In der Folgezeit wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass er ihre Rechtsauffassung nicht teile.

Mit Bescheid vom 19.04.1999 wurde dem Kläger mitgeteilt, der Steuerklassenwechsel ab 01.09.1998 von V nach III sei unzweckmäßig gewesen, da nach dem zu berücksichtigenden Einkommen der Ehegatten die Steuerklassen IV/IV die zweckmäßigsten gewesen seien. Es verbleibe daher bei der Einstufung nach Steuerklasse V, also einer Leistung nach Leistungsgruppe D. - Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, die Wahl der Steuerklasse III sei für ihn zweckmäßig gewesen, weil er ab 22.06.1998 wieder in Arbeit gewesen, seine Ehefrau aber zum 01.08.1998 arbeitslos geworden sei. Ihm sei geraten worden, dass immer der die Steuerklasse III haben sollte, der einer Beschäftigung nachgehe. - Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.05.1999 zurück und führte aus: Die Neueintragung der Steuerklassen ab 01.09.1998 sei nicht sinnvoll gewesen, da die zu berücksichtigenden Gehälter fast gleich gewesen seien und damit die günstigere Einstufung der Ehegatten jeweils die Steuerklasse IV/IV gewesen sei. Änderungen der Lohnsteuerklassen der Ehegatten seien nach § 137 Abs. 4 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) nur zu berücksichtigen, wenn sie entweder dem Verhältnis der monatlichen Entgelte entprächen oder sich durch die neu eingetragenen Klassen ein Arbeitslosengeld ergebe, das geringer sei als das Arbeitslosengeld, das sich ohne Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Im Ergebnis führe dies dazu, dass die mittlerweile arbeitslos gewordene Ehefrau ebenso wie der Kläger Arbeitslosenhilfe nach der Leistungsstufe D erhalte.

Hiergegen hat der Kläger am 01.07.1999 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Er begehrt die Zahlung von Arbeitslosenhilfe nach der Leistungsgruppe C anstelle der Leistungsgruppe D. Zur Begründung hat er vorgetragen: Seine Ehefrau habe am 27.01.1998 eine Tätigkeit aufgenommen und man habe deshalb zum 01.03.1998 die Steuerklassen gewechselt. Am 22.06.1998 habe er wieder eine Tätigkeit aufgenommen, während seiner Ehefrau zum 31.07.1998 gekündigt worden sei und ihre Arbeitslosigkeit absehbar gewesen sei. Deshalb habe er sich wieder für die Steuerklasse III und seine Frau für die Steuerklasse V entschieden. Es sei nicht voraussehbar gewesen, dass er zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Steuerklassenwechsels erneut arbeitslos werden würde. Ein erneuter Steuerklassenwechsel sei danach nicht mehr möglich gewesen.

Zu Beginn des Jahres 1999 war auf der Steuerklasse des Klägers weiterhin die Steuerklasse III eingetragen. Zum 01.09.1999 hat die Ehefrau des Klägers wieder eine Tätigkeit aufgenommen. Aus diesen Grunde haben die Eheleute erneut ihre Lohnsteuerkarten ändern lassen. Ab den 01.09.1999 hat der Kläger die Steuerklasse V, seine Ehefrau die Lohnsteuerklasse III. Er hat daraufhin gegenüber dem Sozialgericht erklärt, dass er die erhöhte Zahlung nach Leistungsgruppe C lediglich bis zum 31.08.1999 begehre.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger sinngemäß beantragt,

die Bescheide vom 23.10.1998 und 19.04.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.05.1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.09.1998 bis zum 31.08.1999 Arbeitlosenhilfe nach der Leistungsgruppe C anstelle der Leistungsgruppe D zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrer bisher vertretenen Rechtsauffassung festgehalten. Sie hat darauf hingewiesen, es sei nach dem Gesetz durchaus möglich, dass zwei Ehegatten Arbeitslosenhilfe nach der Leistunggruppe D erhielten.

Mit Urteil vom 17.05.2000 hat das Sozialgericht der Klage statt gegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.09.1998 Leistungen nach der Leistungsgruppe C zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Aufgrund des am 01.09.1998 zu berücksichtigenden Einkommens der Ehegatten sei die zweckmäßige Lohnsteuerkombination diejenige nach IV/IV gewesen. Der Lohnsteuerklassenwechsel zum 01.09.1998 sei daher nicht zweckmäßig gewesen. § 137 Abs. 4 SGB III greife somit nicht ein. Lägen die Möglichkeiten der Berücksichtigung des Steuerklassenwechsels nicht vor, müsse auf den Grundsatz zurückgegriffen werden, dass sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse richte, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden sei, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen gewesen sei. Für den Kläger sei der Anspruch am 16.12.1996 entstanden. Zum Jahresbeginn 1996 sei auf seiner Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III eingetragen gewesen. Diese Steuerklasse sei deshalb auch für die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab dem 01.09.1998 zu berücksichtigen.

Gegen dieses ihr am 29.05.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 27.06.2000 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Sie folge dem Sozialgericht insoweit, als dieses festgestellt habe, dass die Voraussetzungen des § 137 Abs. 4 SGB III für die Berücksichtungsfähigkeit des Lohnsteuerklassenwechsels zum 01.09.1998 nicht vorlägen. Die Auffassung des Sozialgerichtes, dass dann auf § 137 Abs. 3 SGB III zurückzugreifen sei, sei jedoch unzutreffend. Das Sozialgericht habe übersehen, dass der Kläger bereits zum 01.03.1998 einen Lohnsteuerklassenwechsel vorgenommen habe, der nach § 137 Abs. 4 SGB III zu berücksichtigenden gewesen sei. Dann müsse aber folgerichtlich der Steuerklassenwechsel zum 01.09.1998 unberücksichtigt bleiben, weil weder die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen zu diesen Zeitpunkt dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprächen noch sich aufgrund des Wechsels von der Lohnsteuerklasse V zurück zur Lohnsteuerklasse III eine geringere Leistung ergeben habe. Sie verbleibe bei der Ansicht, dass es der Gesetzgeber durchaus akzeptiere, wenn beide Ehegatten Arbeitslosenhilfe nach der Leistungsgruppe D erhielten.

Die Beklagten beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.05.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist er daraufhin: § 137 Abs. 4 SGB III wolle ungerechtfertigte Manipulationen des Leistungsbeziehers verhindern. Ein solcher Leistungsmissbrauch sei hier erkennbar nicht gegeben. Der Kläger habe sich lediglich falsch entschieden. Sinn und Zweck der Vorschrift könne es nicht sein, den Leistungsempfänger, der einen unzweckmäßigen Steuerklassenwechsel vornehme, noch zusätzlich da durch zu bestrafen und finanziell zu benachteiligen, dass man beide Ehepartner in die Leistungsgruppe D eingruppiere. Gerade weil ein Fall des Leistungsmissbrauches ersichtlich nicht vorliege, müsse mit dem Sozialgericht gemäß § 137 Abs. 3 SGB III auf die Steuerklasse zurückgegriffen werden, die zu Beginn desjenigen Jahres eingetragen gewesen sein, in dem der Anspruch entstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Es wird insbesondere die Berufungssumme von 1.000,00 DM nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichts gesetz (SGG) erreicht. Gestritten wird um höhere Arbeitlosenhilfe für ein Jahr. Die Differenz zwischen den Leistungsgruppen D und C betrug zu Beginn am 01.09.1998 16,26 DM pro Tag. Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung ist ferner begründet. Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide zu Unrecht aufgehoben, denn dem Kläger steht höhere Arbeitslosenhilfe nach der Leistungsgruppe C nicht zu. Der Widerspruchsbescheid vom 31.05.1999 gibt vielmehr die Rechtslage zutreffend wieder, so dass die hiergegen gerichtete Klage abzuweisen war.

Die Höhe der Arbeitslosenhilfe richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 SGB III i. V. m. § 137 SGB III nach der Steuerklasse, die auf der Lohnsteuerkarte des Antragstellers eingetragen ist. Hierbei ist der Steuerklasse III die Leistungsgruppe C und der Steuerklasse V die Leistungsgruppe D zugeordnet, § 137 Abs. 2 SGB III. Nach § 137 Abs. 3 richtet sich die Zuordnung grundsätzlich nach der Steuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Dies war hier im Falle des Klägers die Steuerklasse III, also die Leistungsgruppe C, denn zu Beginn des Anspruchjahres war die Steuerklasse III beim Kläger eingetragen. Die Leistungsbewilligung ab dem 16.12.1996 an den Kläger nach Leistungsgruppe C entsprach somit den gesetzlichen Vorschriften.

Eine einmal zuerkannte Leistungsgruppe ist jedoch nicht für die gesamte Dauer des Anspruches verbindlich. Insbesondere Änderungen der Steuerklasse können zu einer Änderung der Leistungsgruppe führen. So sieht § 137 Abs. 3 S. 2 SGB III vor, dass Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse mit Wirkung des Tagesberücksichtigt werden, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorliegen. Für eine Änderung der Steuerklassen unter Ehegatten gibt es jedoch in § 137 Abs. 4 SGB III eine Sonderregelung. Haben Ehegatten die Lohnsteuerklassen gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen gemäß § 137 Abs. 4 S. 1 SGB III von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn 1. die neu eingetragenen Steuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder

2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen eine Arbeitslosenhilfe ergibt, die geringer ist, als die Arbeitslosenhilfe, die sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe.

Ein Wechsel der Lohnsteuerklassen ist jedoch, was vom Sozialgericht nicht beachtet worden ist, nicht erstmals zum 01.09.1998 erfolgt, sondern bereits zum 01.03.1998. Der Wechsel zum 01.09.1998 war somit nicht der erste, sondern der zweite. Um beurteilen zu können, ob der Wechsel ab 01.09.1998 beachtlich ist, muss man also auch den vom Sozialgericht vernachlässigten Wechsel zum 01.03.1998 in die Überlegungen einbeziehen. Zum 01.03.1998 hat der Kläger von der Steuerklasse III zur Steuerklasse V gewechselt. Ob dieser Wechsel steuerrechtlich sinnvoll war, bedarf hier keiner Diskussion, weil der Wechsel bereits nach § 137 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III beachtlich war, weil sich hierdurch für den Kläger eine niedrigere Arbeitslosenhilfe ergab. Die Arbeitslosenhilfe ist in Leistungsgruppe D (Steuerklasse V) niedriger als in Leistungsgruppe C (Steuerklasse III). Der Anspruch veringerte sich von täglich 41,77 DM auf 25,17 DM. Die Beklagte war somit gehalten, den Wechsel gemäß § 137 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB III zu beachten, ohne dass es darauf ankam, ob die neu eingetragenen Steuerklassen dem monatlichen Arbeitsentgelt beider Ehegatten entsprachen.

Erst vor diesem Hintergrund kann der erneute Wechsel zum 01.09.1998 gem. § 137 SGB III auf seine Beachtlichkeit hin geprüft werden. Beim Eingang der Änderungsmitteilung musste die Beklagte also den Wechsel in die Steuerklasse V zum 01.03.1998 als beachtlich zu Grunde legen und prüfen, ob nunmehr der Wechsel in die Steuerklasse III zum 01.09.1998 ebenfalls nach § 137 Abs. 4 S. 1 SGB III beachtlich war. Ein Wechsel der Steuerklassen unter Ehegatten ist hiernach nur unter zwei Kriterien beachtlich: 1.Die neu eingetragenen Steuerklassen müssen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen.

Dies ist nicht der Fall. Im Juli 1998 haben beide Ehegatten Arbeitseinkommen aus nicht selbstständiger Tätigkeit erzielt, und zwar die Ehefrau in Höhe von 2.426,66 DM, der Kläger in Höhe von 2.773,33 DM jeweils brutto. Bei diesen Einkommensverhältnissen wäre die Lohnsteuerklassenkombination IV/IV am zweckmäßigsten, weil sie zu dem geringsten Lohnsteuerabzug geführt hätte. Bei den Lohnsteuerklassen IV/IV wäre nach den 1998 geltenen Steuertabellen für den Kläger 324,41 DM Lohnsteuer angefallen, für die Ehefrau 218,16 DM. Bei der Lohnsteuerklasse III für den Kläger und der Lohnsteuerklasse V für die Ehefrau hätte der Kläger dagegen überhaupt keine Steuern zahlen müssen, die Ehefrau aber 644,50 DM. Die getroffene Wahl führte also zu einer um 101,93 DM höheren Steuerpflicht und entsprach damit nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte der Eheleute. Um bei einen Verdienst des Ehemannes von 2.800,00 DM brutto im Monat für diesen die Steuerklasse III zu wählen, hätte die Ehefrau nicht mehr als 1.431,00 DM verdienen dürfen (vgl. Herofski/Altehoefer, Kommentar zum Lohnsteuerrecht, Stand Juli 2000, § 38 b EStG, Rdnr. 52 nebst anliegender Tabelle; Luchterhand, Gesamt-Abzugs-Tabelle ab 01.01.1998 zum Ablesen der Abzüge für die Lohnsteuer). Zu Recht haben daher Beklagte und Sozialgericht festgestellt, dass der Lohnsteuerklassenwechsel, den der Kläger zum 01.09.1998 vorgenommen hat, nicht zweckmäßig war. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger mit seinem Verhalten einer in der Bevölkerung weit verbreiteten Ansicht gefolgt ist, dass immer der die günstigste Steuerklasse haben soll, der arbeitet. Diese Ansicht ist aber nur dann richtig, wenn die Ehefrau nicht berufstätig ist und auch keine Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosenhilfe erhält, denn auch diese richtet sich nach dem zuvor erzielten Arbeitsverdienst. Deshalb war der Lohnsteuer klassenwechsel zum 01.09.1998 selbst dann steuerrechtlich unzweckmäßig, wenn die angenommenen tatsächlichen Voraussetzungen (Arbeit Ehemann, Arbeitslosigkeit Ehefrau) eingetreten wären. 2. Auch die zweite Alternative des § 137 Abs. 4 S. 1 SGB III trifft für den Kläger nicht zu, da sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklasse III nicht eine geringere Arbeitslosenhilfe ergäbe als vorher, sondern eine höhere. Der Leistungssatz nach Leistungsgruppe C hätte gegenüber der Leistungsgruppe D um DM 16,26 täglich höher gelegen.

Ist aber der Steuerklassenwechsel unbeachtlich, dann verbleibt es bei der vorhergehenden Einstufung. Die Auffassung des Sozialgerichtes, es komme dann auf die bei Beginn des Anspruchs maßgebliche Steuerklasse an, kann nur für Fälle gelten, in denen keine zwischenzeitliche Änderungen zu berücksichtigen waren. Das Zitat des Sozialgerichts (vgl. Gagel, SGB III, Kommentar, § 137 Rdnr. 5 - 7, 55) geht daher fehl.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist zur Überzeugung des Senats keine andere Entscheidung zulässig. Insbesondere ist es nicht möglich, auf den Inhalt der Vorgängervorschrift des § 113 Abs. 2 AFG, die bis zum 31.12.1997 Geltung hatte, lückenfüllend zurückzugreifen. Nach dieser Vorschrift war bei einer unzweckmäßigen Steuerklassenwahl die "richtige" maßgebend. Dies wäre hier bei Steuerklasse IV/IV immerhin die Leistungsgruppe A gewesen, die zwar finanziell schlechter als Leistungsgruppe C, aber besser als Leistungsgruppe D ist. Die Vorschrift des § 113 Abs. 2 AFG hat im SGB III keinen Niederschlag gefunden. Bei § 137 Abs. 4 SGB III, gültig ab 01.01.1998, handelt es sich um eine völlig neue Vorschrift, die im bisherigen Recht kein Vorbild hatte. Der Senat geht davon aus, dass es sich um eine bewusste Neuregelung handelt, bei der durchaus finanzielle Gründe und Gründe der Vereinfachung mitgespielt haben mögen. Für den Senat ergeben sich keine Anhaltspunkte dass Fälle wie der vorliegende nicht gesehen worden sein sollen. Diese Fälle gab es immerhin auch schon unter der Geltung des § 113 Abs. 2 AFG, der nunmehr durch § 137 Abs. 4 SGB III abgeändert worden ist. Der Senat wendet diese Fassung an und sieht für eine lückenfüllende Ergänzung durch Rechtsprechung etwa im Sinne der Auffassung des Sozialgerichtes oder des früheren § 113 Abs. 2 AFG keinen Raum. Zwar ist zuzugeben, dass die Fassung des § 137 Abs. 4 SGB III primär unter den Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung eingeführt worden ist und eine solche dem Kläger nicht unterstellt werden kann. Er ist vielmehr einer in der Bevölkerung weit verbreiteten Handlungsweise gefolgt, die sich zudem durch die Ereignisse in den Verhältnissen der Ehegatten im August 1998 überholt hat. Der Kläger selbst behauptet aber nicht, er sei zu seinem Verhalten durch eine falsche Beratung durch die Beklagte veranlasst worden. Der Senat hält es nicht für zulässig, das Gesetz in Fällen der Möglichkeit eines Missbrauches anders auszulegen als in Fällen, in denen ein solcher - wie hier - eindeutig verneint werden kann.

Auch das Argument des Klägers, es könne nicht sein, dass beide Ehegatten Leistungen nach Leistungsgruppe D erhalten, überzeugt nicht. Zwar ist dies nicht der Normalfall, jedoch ist diese Möglichkeit nach dem Gesetz nicht ausgeschlossen. Die Gesetzesformulierung, dass Änderungen immer berücksichtigt werden, die für den Leistungsempfänger zu einer niederigen Leistung führen, Änderungen, die zu einer höheren Leistung führen, dagegen nur, wenn sie steuerlich zweckmäßig sind, spricht vielmehr dafür, dass die vorliegende Fallgestaltung durchaus gesehen und bewusst in Kauf genommen worden ist.

Der Senat hält das Ergebnis auch nicht für dermaßen ungerecht, dass an eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes zu denken gewesen wäre. Immerhin beruht die Steuerklassenwahl auf einer freien Willensentscheidung der Eheleute, auf die die Beklagte keinen Einfluss hat und die hier auch nicht durch eine unzutreffende Beratung beeinflusst worden ist. Zudem war es dem Kläger unbenommen, nachdem er den Bescheid vom 23.10.1998 erhielten und die Folgen seines Wechsels erkennbar wurden, zumindest für das Jahr 1999 durch Eintragung der Steuerklassen IV/IV die Wirkungen des § 137 Abs. 4 Nr. 1 SGB III herbeizuführen. Die Folgen seiner eigenen Fehlentscheidung hätte er dann jedenfalls auf 4 Monate begrenzen können.

Der Berufung der Beklagte konnte somit der Erfolg nicht versagt bleiben. Das Urteil des Sozialgerichtes war abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Auslegung des § 137 Abs. 4 S.1 SGB III grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG zugemessen hat.
Rechtskraft
Aus
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