L 12 AL 232/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AL 24/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 232/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 223/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.09.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung einer Abfindung durch die Arbeitgeberin des Klägers.

Der 1943 in der Türkei geborene Kläger war seit 1970 bei der ...-Werke AG in K ... als Montagearbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 22.06. zum 31.08.1998 mit Zahlung einer Abfindung in Höhe von 96.398,73 DM. In der Zeit von Februar bis Juli 1998 bezog der Kläger ein Arbeitsentgelt von 25.418,72 DM für 181 Kalendertage, was einem kalendertäglichen Entgelt von 140,43 DM entsprach. Das Entgelt für den Monat August 1998 von 4.008,00 DM wurde im Dezember ausgezahlt. Ab September 1998 erhielt der Kläger zudem die betriebliche Altersversorgung in Höhe von monatlich 655,25 DM. Die ordentliche Kündigung des Klägers war gem. § 20 Nr. 4 Manteltarifvertrag der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen (MTV) in der Fassung vom 15. Mai 1995 ausgeschlossen. Ausnahmen waren nur bei bestimmten Änderungskündigungen, Betriebsänderungen, wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden war, oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien möglich. Eine Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Kündigung lag jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages nicht vor. Diese ist erst während des anhängigen Klageverfahrens am 06.11. und 9.11.2000 nachgeholt worden.

Der Kläger meldete sich zum 01.09.1998 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 30.10.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab und stellte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gem. den §§ 117 Abs. 2, 3, 242 x Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i. V. m. § 427 des 3. Sozialgesetzbuches (SGB III) bis zum 24.05.1999 fest.

Zur Begründung führte sie an, die fiktive Kündigungsfrist betrage 18 Monate; anzurechnen sei eine Abfindung von 96.398,73 DM, wobei sie bei ihrer Berechnung von einem kalendertäglichen Arbeitsentgelt von 108,61 DM ausging.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, man habe ihn zwar aufgeklärt, dass der Anspruch 3 Monate ruhen könne, nicht jedoch bis zum Mai 1999; die Kündigungsfrist betrage nicht 18 Monate.

Mit Änderungsbescheid vom 02.02.1999 verkürzte die Beklagte den Ruhenszeitraum auf den 19.04.1999, wobei sie nunmehr eine Abfindungssumme von 108.193,23 DM, die zur 30 v. H. anzurechnen sei, zu Grunde legte, sowie ein kalendertägliches Entgelt von 140,43 DM; sie rechnete zu der Abfindung die 18-fache betriebliche Rente hinzu.

Mit Bescheid vom 26.02.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 12.03.1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er hat die Auffassung vertreten: Es sei unzulässig, die fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten anzuwenden, denn in Absprache und Übereinstimmung mit den Tarifvertragsparteien und dem Betriebsrat würden bei Ford seit Jahren ältere Arbeitnehmer durch Aufhebungsvereinbarungen freigesetzt. Bei ihm sei es versäumt worden die Zustimmung der Tarifvertragsparteien gem. § 20 Nr. 4 des MTV einzuholen. Dieses Versäumnis sei jedoch nachträglich während des Klageverfahrens nachgeholt worden. Da er den Aufhebungsvertrag am 15.05.1998 abgeschlossen habe, ende die 7-monatige ordentliche Kündigungsfrist zum 31.12.1998, so dass nur bis zu diesem Zeitpunkt der Arbeitslosengeldanspruch ruhen könne. Es sei zudem nicht zulässig, auch die Leistung der betrieblichen Altersversorgung auf die Abfindungssumme aufzuschlagen; von der verbleibenden Abfindung seien 23.638,42 DM abzuziehen, die nicht als Abfindung zu werten seien, sondern als Pensionsausgleichszahlung, um Nachteile hinsichtlich der Altersversorgung auszugleichen.

Vor dem SG hat der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 30.10.1999 und 02.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bereits ab 13.01.1999 Arbeitslosengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmung zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Zustimmung der Tarifvertragsparteien komme keine Rückwirkung zu.

Mit Urteil vom 07.09.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es u. a. ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld für ein früheren Zeitraum, da die Beklagte zu Recht ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 19.04.1999 festgestellt habe. Gem. § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist geendet habe. Bei Fehlen einer Kündigung beginne diese Frist mit dem Tag der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sei eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gelte bei zeitlich unbegrenzten Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten gem. § 117 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 AFG. Diese Voraussetzungen seien bei dem Kläger vorliegend erfüllt. Durch den Aufhebungsvertrag sei das Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 31.08.1998 beendet worden, ohne dass die Kündigungsfrist eingehalten worden sei. Selbst bei einer ordentlichen Kündigung hätte frühestens zum 31.01.1999 gekündigt werden können. Eine solche sei jedoch vorliegend tarifvertraglich gar nicht möglich gewesen. Die Unkündbarkeit des Klägers sei auch nicht durch die Zustimmung der Tarifvertragsparteien nach § 20 Nr. 4 MTV entfallen, da diese nicht vor Abschluss des Aufhebungsvertrages eingeholt und erteilt worden war. Eine nachträgliche Zustimmung könne nicht im Nachhinein zur Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung führen. Die Zustimmung der Tarifvertragsparteien wirke nur für die Zukunft. Darüber hinaus habe die Beklagte zu Recht einen Betrag von 108.193,23 DM ihren Berechnungen als Abfindung zu Grunde gelegt. Entgegen der Auffassung des Klägers sei auch die Pensionszahlung zu berücksichtigen, da sie eine im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Leistung darstelle. Auch der Abzug von 23.638,42 DM, die als Pensionsausgleichszahlung zu werten sind, scheide aus, da es sich insoweit um Leistungen handele, die nicht in jedem Fall am fristgerechten Ende des Arbeitsverhältnisses in gleicher Höhe zu zahlen gewesen seien. Zu Recht habe die Beklagte auch den Bruttozahlbetrag ihrer Berechnung zu Grunde gelegt. Die übrigen Berechnungen der Beklagten seien ebenfalls nicht zu beanstanden.

Gegen dieses ihm am 11.10.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.11.2001 Berufung eingelegt, mit der er u. a. geltend macht: Er habe für den Abschluss der Auflösungsvereinbarung einen wichtigen Grund gehabt, da er wegen erheblicher gesundheitlicher Beschwerden seine bisherige Tätigkeit bei seiner Arbeitgeberin nicht mehr habe ausüben können. Auf das Arbeitsverhältnis seien die Bestimmungen des MTV anwendbar. Er erfülle die dort genannten Voraussetzungen, da er unkündbar gewesen sei. Es werde jedoch von den Tarifvertragsparteien regelmäßig davon Gebrauch gemacht, die Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung älterer Arbeitnehmer bzw. entsprechender Auflösungsvereinbarungen zu erteilen. Dies sei auch in anderen Fällen im Sommer 1998 geschehen. Lediglich bei ihm sei die Einholung der Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses versäumt worden. Aus diesem Grunde habe er sich im Nachhinein um die Zustimmung der Tarifvertragsparteien bemüht. Mit Schreiben vom 06.11.2000 bzw. 9.11.2000 hätten die Tarifvertragsparteien nachträglich ihre Zustimmung zum Aufhebungsvertrag erteilt. Da die ordentliche Kündigungsfrist für ihn bei einer Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren 7 Monate betragen habe, hätte daher die Kündigungsfrist am 31.12.1998 geendet. Das Ruhen des Arbeitslosengeldes hätte also höchstens bis zu diesem Datum angeordnet werden dürfen. Aus dem Manteltarifvertrag ergebe sich im Übrigen auch keine Regelung dazu, dass die Zustimmung nicht rückwirkend gelten solle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 07.09.2001 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor: Die ehemalige Arbeitgeberin habe mit Schreiben vom 19.04.2000 ausdrücklich bestätigt, dass von der Möglichkeit gem. § 20 Nr. 4 MTV nicht Gebrauch gemacht worden sei. Zudem beziehe sich die Regelung des § 20 Ziffer 4 Satz 1 MTV nur auf Änderungskündigungen. Die Ausnahme sei daher lediglich vorgesehen für eine Änderungskündigung im Einzelfall zum Zwecke der Entgeltminderung. Darüber hinaus sei die Kündigung ein bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft, dessen Wirksamkeit nicht von einer nachträglichen Genehmigung abhängig gemacht werden dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.1999 sind rechtmäßig. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld bis zum 19.04.1999 ruhte.

Das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches beurteilt sich nach den §§ 117 Abs. 2, 3, 242 x Abs. 4 AFG i. V. m. § 427 SGB III. Es galt daher eine (fingierte) Kündigungsfrist von 18 Monaten, weil dem Kläger gem. § 20 MTV nicht ordentlich gekündigt werden konnte. Nach § 20 Nr. 4 des hier anwend baren MTV der Metall- und Elektro-Industrie konnte dem Kläger, der das 55 Lebensjahr vollendet hatte und dem Unternehmen mehr als 10 Jahre angehörte, grundsätzlich nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Eine ordentliche Kündigung wird allerdings durch die Möglichkeit der sonstigen Änderungskündigung oder bei Betriebsänderung wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist, oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien (wieder) eröffnet. Im Falle des Klägers lag jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages vom 22.06.1998 die Zustimmung der Tarifvertragsparteien nicht vor. Diese ist erst während des laufenden Klageverfahrens nachgeholt worden. Die Beklagte irrt, wenn sie meint, dass die Ausnahme (Zustimmung der Tarifvertragsparteien) lediglich für eine Änderungskündigung im Einzelfall zum Zwecke der Entgeltminderung vorgesehen sei. Diese Einschränkung lässt sich dem Wortlaut des MTV nicht entnehmen. Vielmehr beziehen sich die in Parenthese aufgeführten Ausnahmetatbestände eindeutig auf Satz 1 des § 20 Nr. 4 MTV, der die Unkündbarkeit normiert.

Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten und des SGs, dass die Unkündbarkeit nur entfallen kann, wenn vor Ausspruch der Kündigung oder ggfs. des diesen ersetzenden Aufhebungsvertrages die Zustimmung der Tarifvertragsparteien erfolgt. Die nachträgliche Genehmigung im Sinne des § 184 BGB kann die vorhergehende Zustimmung nicht nachträglich ersetzen, da ein Schwebezustand bei einer einseitigen Willenserklärung - der Kündigung - nicht zugelassen werden kann (vgl. Schaub, Arbeitsrechthandbuch 6. Auflage § 123 Anmerkung 105). Zu Recht weist das SG darauf hin, dass eine zuvor ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung nicht im Nachhinein Rechtswirksamkeit durch Nachholung der Zustimmung der Tarifvertragsparteien erlangen kann. Da letztlich die Abfindung u. a. künftige, nunmehr untergehende Arbeitsentgeltansprüche ausgleichen sollte (vgl. BSG Urteil vom 29.01.2001 in SozR 3 4100 § 177 Nr. 22 ) und die Arbeitgeberin im Hinblick auf das Alter und die lange Dauer der Betriebszugehörigkeit keine realisierbare alternative Möglichkeit der ordentlichen Kündigung des Klägers ohne Abfindung hatte, ist das zeitweilige Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld auch gerechtfertigt. Denn dadurch soll insgesamt der Praxis entgegengetreten werden, ältere an sich unkündbare Arbeitnehmer gegen Zahlung von Abfindung freizusetzen und damit u.a. die Arbeitslosenversicherung zu belasten (vlg. BSG aaO).

Was den Ruhenszeitraum und die Aufstockung des Abfindungsbetrages durch die Pensionszahlung angeht, verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG s in dem angefochtenen Urteil und nimmt hierauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG nicht vor liegen.
Rechtskraft
Aus
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