L 11 KA 94/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 19 Ka 5/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 94/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 74/98 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.04.1998 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger in den Quartalen III/1997 und IV/1997 zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung zuzulassen ist.

Der Kläger ist als Arzt für Innere Medizin in W. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sein Wahlrecht gem. § 73 Abs. 1a Satz 2 SGB V übte er zum 01.01.1996 dahin aus, daß er sich für die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung entschied. Daneben beantragte er die gleichzeitige Zulassung zur haus- und fachärztlichen Versorgung. Der Zulassungsausschuß für Ärzte Duisburg stellte mit Beschluss vom 24.04.1996 fest, daß der Kläger ab Jahresbeginn 1996 an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt. Den Antrag auf Zulassung zur gleichzeitigen haus- und fachärztlichen Versorgung lehnte der Zulassungausschuß ab. Der Widerspruch blieb erfolglos. Die Klage ist beim Sozialgericht Duisburg anhängig. Mit Schreiben vom 21.12.1997 beantragte der Kläger:

"Da über meinen Antrag auf Zulassung auf Teilnahme sowohl an der haus- wie fachärztlichen Tätigkeit noch nicht entschieden ist, stelle ich hiermit fristgerecht den Antrag, zu Beginn des III. Quartals 1997 an der fachärztlichen Versorgung, ggf. als Gastroenterologe teilzunehmen. Durch die Nichtstellung dieses Antrags können mir weiterhin erhebliche Nachteile erwachsen. Ich behalte mir das Recht vor, wegen der derzeit noch völlig undurchsichtigen Rechtslage im Abrechnungsbereich, diesen Antrag bis zum 30.6.1996 zurückzuziehen."

Unter dem 22.01.1997 ergänzte er seinen Antrag wie folgt:

"Meinen o.a. genannten Antrag präzisiere ich hiermit dahingehend, daß zunächst nur eine Zulassungsänderung auf den fachärztlichen Internisten beantragt wird, also ohne die Führung des Teilgebiets Gastroenterologie. Mein unentschiedener Doppelantrag bleibt hiervon unberührt."

Mit Beschluss vom 29.01.1997 genehmigte der Zulassungausschuß dem Kläger mit Wirkung zum 01.07.1997 die Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Mit Schreiben vom 18.04.1997 erklärte der Kläger:

"Zunächst bestätige ich den Erhalt der Zulassung zur fachärztlichen Versorgung per 3. Quartal 1997, die unter dem Vorbehalt meines Antrags vom 21.12.1996 steht. Ich bedauere, durch die derzeitige Datenlage gezwungen zu sein, Sie über Gebühr in Anspruch nehmen zu müssen. Es werden folgende Anträge gestellt:

A)
Für den Fall der Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung im 3. Quartal 1998:
- auf Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung ab 1.10.1997

B)
für den Fall der Nichtannahme der Zulassung zur fachärztlichen Versorgung per 1.7.1997
- auf Zulassung zur fachärztlichen Versorgung per 1.10.1997.

Beide Anträge werden unter dem Vorbehalt der Zurückziehung vor dem Eintritt der geänderten Zulassung gestellt."

In einem weiteren Schreiben vom 18.06.1997 führte er aus:

"Nachdem nunmehr gesicherte Daten über Praxisbudgets und HVM vorliegen, erkläre ich folgendes:

Ich mache hiermit von meinen Vorbehalt im o.a. Antrag Gebrauch und ziehe meinen Antrag auf Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zurück. Bitte betätigen Sie, daß ich somit ab 01.07.1998 nicht an der fachärztlichen, sondern an der hausärztlichen Versorgung teilnehme. Ich bedauere, Ihnen zusätzliche Arbeit verursacht zu haben, nehme aber an, daß Sie angesichts der verwirrenden Vorgänge um den EBM Verständnis haben können."

Hierauf änderte der Zulassungausschuß mit Beschluss vom 25.06.1997 die Zulassung des Klägers zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung wegen § 7 Abs. 1 des Hausarztvertrages mit Wirkung ab 01.01.1998 in eine Zulassung als Facharzt für Innere Medizin zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung. In seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe seinen Antrag auf Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung von Anfang an nur unter dem Vorbehalt der Rücknahme gestellt und diese Rücknahme mit Schreiben vom 18.06.1997 erklärt. Dennoch sei die Zulassung erst zum 01.01.1998 geändert worden. Der Zulassungsausschuß habe pflichtwidrig einen unter Vorbehalt gestellten Antrag umformuliert. Dies habe nicht seinem Willen entsprochen. Er sei nicht davon unterrichtet worden, daß der Beschluss vom 29.01.1997 nicht antragsgemäß unter Vorbehalt ergangen sei. Pflichtwidrig habe der Zulassungsausschuß ferner die von ihm erklärte Rücknahme des Antrags vom 21.12.1996 in einen Antrag umformuliert, ihm wieder eine Zulassung zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung zu erteilen.

Der Widerspruch wurde mit Beschluss vom 07.01.1998 zurückgewiesen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens weiter, auch für die Quartale III und IV/1997 zur hausärztlichen Versorgung zugelassen zu werden.

Der Kläger hat beantragt,

ihn unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 07.01.1998 auch für die Zeit vom 01.07.1997 bis zu 31.12.1997 zur hausärztlichen Versorgung zuzulassen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf den angefochtenen Bescheid bezogen.

Das Sozialgericht Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 29.04.1998 abgewiesen. Die Entscheidung des Beklagten sei rechtmäßig. Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 29.01.1997 sei bestandskräftig geworden. Der Zulassungsausschuß habe die Erklärung des Klägers im Schreiben vom 18.06.1997, seinen Antrag vom 21.12.1996 zurückzunehmen, zutreffend als Widerruf gem. § 7 Abs.1 Satz 2 des Hausarztvertrags ausgelegt. Wegen § 7 Abs. 1 Satz 3 des Hausarztvertrags sei der Wechsel in die hausärztliche Versorgung erst zum 01.10.1998 möglich gewesen. Auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne der Kläger sein Begehren nicht stützen.

Diese Entscheidung greift der Kläger mit der Berufung an und trägt vor: Er habe seinen Antrag ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rücknahme gestellt. Aus dem Gesamtzusammenhang sei nichts ersichtlich, was den Schluß zulassen könnte, der Antrag solle ggf. auch unbedingt gelten. Hätte er davon Kenntnis gehabt, daß der Antrag nicht zurückgenommen werden kann, wäre er niemals das Risiko eingegangen, definitiv einen Antrag auf Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zu stellen. Da ihm erst jetzt bekannt geworden sei, daß ein Antrag unter Vorbehalt unzulässig sei, und er den Antrag ohne Vorbehalt nicht gestellt hätte, liege kein wirksamer Antrag vor. Ohne wirksamen Antrag sei der Verwaltungsakt nichtig. Er sei daher weiterhin ununterbrochen für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.1997 zur hausärztlichen Versorgung zuzulassen. Sollte die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nicht bestätigt werden können, treffe ihn an der Versäumung der Rechtsbehelfsfrist kein Verschulden, da kein Anlaß bestanden habe, sich gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses zu wehren. Der Beschluss habe zur Frage des Vorbehalts nicht Stellung genommen, so daß von der Rücknahmefähigkeit auszugehen gewesen sei. Daher müsse zumindest Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Er habe darauf vertrauen dürfen, daß sein Vorbehalt wirksam sei, ansonsten hätte dem widersprochen werden müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.04.1998 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen, hilfsweise festzustellen, daß der Bescheid des Beklagten vom 07.01.1998 rechtswidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil entspreche der Sach- und Rechtslage.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Hierzu ist zu bemerken:

1.
Mit Beschluss vom 29.01.1997 hat der Zulassungsausschuß den Kläger zum 01.07.1997 zur Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung zugelassen. Der Beschluss wurde am 24.02.1997 per Einschreiben zur Post gegeben und ist bindend (§ 77 SGG) geworden. Er war mit einer eindeutigen, allgemein verständlichen und zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Kläger hat den Beschluss nicht angefochten. Seine Auffassung, der Beschluss sei rechtswidrig bzw. nichtig, geht fehl. Ein wirksamer Antrag liegt vor. Der Kläger hat unter dem 21.12.1996 beantragt, an der fachärztlichen Versorgung teilzunehmen. Soweit er sich in diesem Antrag "das Recht vorbehalten hat, wegen der derzeit noch völlig ungeklärten Rechtslage im Abrechnungsbereich, diesen Antrag bis zum 30.06.1996 zurückzuziehen", steht das einer wirksamen Antragstellung nicht entgegen. Diese vom Kläger als "Vorbehalt" bezeichnete Formulierung kann unterschiedliche Bedeutung haben. Sie läßt die Auslegung zu, daß der Kläger hiermit erklären wollte, den Antrag ggf. bis zum 30.06.1996 zurückzuziehen, sofern noch kein Bescheid ergangen sein sollte; sie läßt gleichermaßen die Interpretation zu, daß der Kläger den Antrag trotz eines zwischenzeitlich ergangenen Bescheides jedenfalls dann zurückziehen wollte, wenn sich die "Rechtslage im Abrechnungsbereich" geklärt hat. Im ersten Fall konnte der Antrag nicht mehr zurückgenommen werden, weil der Bescheid am 29.01.1997 ergangen ist. Auch im zweiten Fall konnte der Antrag nicht zurückgenommen werden. Anträge, die den ärztlichen Status treffen, sind bedingungsfeindlich. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB hängt das Schicksal des Antrags dann davon ab, ob anzunehmen ist, daß der Antrag auch ohne die Bedingung gestellt worden wäre. Der Kläger behauptet dies zwar, indessen kommt es hierauf nicht an. Wäre der Antrag deswegen unwirksam, hätte dies jedenfalls nicht die Nichtigkeit des Zulassungsbescheides zur Folge. Die Nichtigkeitsgründe des § 40 Abs. 2 SGB X greifen ersichtlich nicht ein. Der Bescheid ist aber auch nicht aufgrund der Generalklausel des § 40 Abs. 1 SGB X nichtig. Denn aus § 41 Abs. 1 Nr. 1 SGB X folgt, daß der für den Erlaß des Verwaltungsaktes erforderlich Antrag noch nachgeholt werden kann. Nach Wertung des Gesetzgebers ist mithin ein ohne Antrag ergangener Verwaltungsakt nur rechtswidrig und nicht nichtig (vgl. auch Wiesner in Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Auflage, 1996, § 41 Rdn. 2 mwN). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine Antragsnachholung möglich ist. Ausgehend von der Behauptung des Klägers, er hätte den Antrag nicht gestellt, wenn er von der Unzulässigkeit des Vorbehalts gewußt hätte, wäre der Zulassungsbescheid sonach rechtswidrig. Dies ist indessen nicht mehr rechtserheblich, weil der Kläger den Beschluss nicht angefochten hat, dieser damit bestandskräftig geworden ist und den Kläger bindet. Damit ist der Kläger mit Wirkung ab dem 01.07.1997 zur fachärztlichen Versorgung zugelassen worden. Eine Rücknahme des Antrags durch Schreiben vom 18.06.1997 war nunmehr nicht mehr möglich.

Zutreffend hat der Zulassungausschuß das Schreiben vom 18.06.1997 dahin interpretiert, daß der Kläger jedenfalls auch für die Zukunft wieder an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen will. Richtigerweise hat er deswegen unter dem 25.06.1997 entschieden, den Kläger ab dem 01.01.1998 zur hausärztlichen Versorgung zuzulassen. Daß der Zulassungsausschuß den Kläger nicht sogleich wieder zur hausärztlichen Versorgung zugelassen hat, sondern eine Frist von zwei Quartalen vorgegeben hat, beruht auf §§ 7, 7a des Hausarztvertrags.

2.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Dem Schriftsatz vom 24.06.1998 ist zu entnehmen, daß der Kläger meint, ihm könne wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist, bezogen auf den Beschluss vom 29.01.1997, Wiedereinsetzung gewährt werden. Das ist aus mehreren Gründen verfehlt. Er hätte einen entsprechenden Antrag beim Berufungsausschuß stellen müssen. Zudem sind die Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Antrag ist wegen § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG verspätet. Im übrigen hat der Kläger die versäumte Rechtshandlung bislang nicht nachgeholt. Schließlich scheitert die Wiedereinsetzung daran, daß der Antrag unzulässig ist, weil er erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Ende der versäumten Frist gestellt worden ist.

3.
Der Hilfsantrag hat gleichermaßen keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten 07.01.1998 bezieht sich auf einen in der Vergangenheit liegenden und abgeschlossenen Zeitraum, nämlich die Quartale III und IV/1997. Eine rückwirkende Zulassung des Klägers zur hausärztlichen Versorgung für die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 31.12.1997 ist rechtlich ausgeschlossen. Statusentscheidungen wirken immer nur ex-nunc (std. Rspr.; vgl nur BSG vom 20.09.1995 - 6 RKa 37/94 -; 02.09.1995 - 6 RKa 32/94 -, 19.06.1996 - 6 BKa 23/95 - sowie vom 28.01.1998 - B 6 KA 41/96 R -; Senatsbeschluß vom 18.06.1996 - L 11 Ka 63/96 -; Senatsurteile vom 19.02.1997 - L 11 Ka 175/96 - und 02.07.1997 - L 11 Ka 111/96 -). Deswegen hat der Senat den Kläger daraufhingewiesen, daß seinem Begehren prozessual nur Rechnung getragen werden kann, wenn die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 07.01.1998 festgestellt werde. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Fortsetzungsfeststellungklage. Die Voraussetzungen hierfür sind nicht dargetan. Hat sich der angefochtene Verwaltungsakt erledigt, spricht das Gericht gem. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG auf Antrag aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (vgl. BSG vom 08.12.1993 - 14a RKa 1/93-, 22.06.1994 - 6 RKa 22/93 - und 22.06.1993 - 6 RKa 46/93-); das Fortsetzungsfeststellungsinteresse folgt aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr. Darunter ist die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr für den Kläger zu verstehen, daß der Beklagte unter im wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen in naher Zukunft einen gleichartigen Verwaltungsakt wie den erledigten erlassen wird (BSG vom 22.06.1994 - 6 RKa 22/93 -; BVerwG vom 25.08.1993 - 6 C 7/93 -). Das ist schwerlich vorstellbar und vom Kläger auch nicht behauptet worden.

Die Berufung des Klägers konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183 und 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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