L 5 KR 30/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 6/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 30/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.12.1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung des sog. Krankengeldspitzbetrages für die Zeit vom 15.10.1996 bis 03.03.1997.

Der am ... 1943 geborene, bei der Beklagten freiwillig versicherte Kläger war als Angestellter langjährig beim Landschaftsverband Rheinland beschäftigt. Ab dem 03.09.1996 war er ununterbrochen arbeitsunfähig. Von seinem Arbeitgeber erhielt er für den Zeitraum von 26 Wochen bis einschließlich 03.03.1997 Entgeltfortzahlung nach tarifvertraglichen Regelungen. Ab dem 04.03.1997 bezog er von der Beklagten Krankengeld.

Mit Bescheid vom 18.03.1997 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem Kläger rückwirkend Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 02.10.1996. Die Meldung über die Bewilligung der Rente ging am 27.03.1997 bei der Beklagten ein, die daraufhin für die Zeit ab dem 28.03.1997 kein Krankengeld mehr zahlte, jedoch den noch ausstehenden Betrag für die Zeit vom 20.03. bis 27.03.1997 überwies. Für die Zeit vom 04.03.1997 bis 27.03.1997 forderte die Beklagte das Krankengeld in Höhe des Rentenanspruchs von der BfA zurück.

Der Arbeitgeber des Klägers verrechnete die Gehaltsfortzahlungen für die Zeit ab dem 15.10.1996 als Vorschüsse mit der Nachzahlung aus der gesetzlichen Rente und der Zusatzversorgung.

Am 08.07.1991 bat der Kläger deshalb die Beklagte um Auskunft, ob ihm für die Zeit vom 15.10.1996 bis 03.03.1997 Krankengeld zustehe. Mit Bescheid vom 14.07.1997 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld ab. Anspruch auf Krankengeld bestehe nur für Versicherte, die Anspruch auf Arbeitsentgelt hätten. Wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt rückwirkend entfalle, bestehe für diesen Zeitraum auch kein Krankengeldanspruch. Ein Doppelbezug von Krankengeld einerseits und Rente und Versorgungsbezug andererseits sei nicht möglich.

Der Kläger erhob am 18.07.1997 Widerspruch, den er mit Schreiben vom 17.09.1997 begründete: Da sein Gehalt ab dem 15.10.1996 als "Vorschuss auf die zu erwartende Rente" gezahlt und vom Arbeitgeber zurückgefordert worden sei, sei tatsächlich kein Gehalt gezahlt worden. Folgerichtig sei auch der Ruhenstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V entfallen, so dass nunmehr der grundsätzlich bestehende Krankengeldanspruch realisiert werden müsse. Er sei einverstanden, wenn vom Krankengeld der Zahlbetrag der Rente abgezogen werde. Die Auszahlung des (Rest-)Krankengeldes entspreche dem Willen des Gesetzgebers nach § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V und der Gleichheit vor dem Gesetz nach Artikel 3 GG, da er nicht besser gestellt werde, als ein Arbeitnehmer mit Anspruch auf nur 6 Wochen Lohnfortzahlung. Ferner sei von der BKK Westfalen-Lippe in einem vergleichbaren Fall die Nachzahlung vorgenommen worden. Wenn keine übereinstimmende Rechtsauffassung der Betriebskrankenkassen bestehe, sei der Landesverband einzuschalten.

Nach einer Anfrage beim BKK Landesverband wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.1997 unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zurück. Der Gesetzgeber schließe den Bezug von Krankengeld und Rente für den gleichen Zeitraum aus. Werde eine Rente für einen zurückliegenden Zeitraum gewährt, in dem kein Krankengeld gezahlt worden sei, habe der Versicherte keinen Anspruch auf die Zahlung des Differenz- Unterschiedsbetrages.

Am 06.01.1998 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen: Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung betreffe nicht seinen Fall. Im Urteil vom 25.09.1979 -3 RK 78/77- führe das BSG zwar aus, dass ein Anspruch auf Krankengeld mit Zubilligung der Rente ende. Dennoch habe die Beklagte das Krankengeld bis zum 27.03.1997 später ausgezahlt. Die Beklagte stelle sich damit selbst gegen die Rechtsprechung.

Im BSG-Urteil vom 08.03.1990 -3 RK 9/89- und im Urteil des BGH vom 13.05.1968 -III ZR 182/67- gehe es nur um eine rechtsirrtümliche Nichtzahlung von Krankengeld vor Rentenzahlung. Hier gehe es jedoch nicht um die Frage, ob ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung oder ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch geltend gemacht werden könne. Zu der Frage, wie zu verfahren sei, wenn der Tatbestand, der zum Ruhen des Krankengeldes geführt habe, nachträglich weggefallen sei, bevor Krankengeld nachgezahlt oder Rente bewilligt worden sei, habe das BSG keine Entscheidung getroffen. Da der Tatbestand des Ruhens bei rückwirkender Feststellung einer Gehaltsfortzahlung nachträglich eintreten könne, müsse bei einer Gehaltsrückforderung auch der Ruhenstatbestand nachträglich entfallen können. Die für ihn günstigen tarifvertraglichen Regelungen dürften nicht zu einer finanziellen Schlechterstellung führen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.12.1997 zu verurteilen, dem Kläger vom 15.10.1996 bis 03.03.1997 Krankengeld unter Abzug des Zahlbetrages der Erwerbsunfähigkeitsrente zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, der Bezug von Krankengeld und Rente für den gleichen Zeitraum sei schon nach dem Gesetz ausgeschlossen. Die Rechtsprechung des BSG verdeutliche nur, dass selbst bei weitreichenderer Problematik kein Anspruch auf den Unterschiedsbetrag bestehe.

Mit Urteil vom 14.12.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Anspruch auf Krankengeld ende gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit Beginn der Leistung der EU-Rente. Habe der Versicherte kein Krankengeld erhalten, obwohl er dies habe beanspruchen können, sei die Zahlung des Spitzbetrages ausgeschlossen. Da der Krankengeldanspruch rückwirkend vernichtet werde, sei es nicht relevant, ob das Krankengeld rechtswidrig nicht gewährt worden oder wegen eines Ruhenstatbestandes nicht zur Auszahlung gelangt sei.

Gegen das am 28.01.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.02.2000 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, es sei unklar, ob die BSG-Rechtsprechung auch bei Wegfall des Ruhenstatbestandes gelte. In der Verwaltungspraxis werde das Krankengeld bis zur Rentenbewilligung gezahlt und die BSG-Rechtsprechung ignoriert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.12.1999 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.1997 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 15.10.1996 bis 03.03.1997 Krankengeld unter Abzug der für den gleichen Zeitraum bewilligten Erwerbsunfähig keitsrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, da bei einem Bruttokrankengeld von 140,-- DM (netto 120,05 DM) kalendertäglich und einer monatlichen EU-Rente von 2.301,83 DM für den streitigen Zeitraum hinsichtlich des Spitzbetrages die Berufungssumme erreicht wird.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat für die Zeit vom 15.10.1996 bis 03.03.1997 keinen Anspruch auf den Differenzbetrag zwischen Rente und Bruttokrankengeld.

Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Krankengeldspitzbetrages nach § 44 Abs. 1 SGB V setzt das Bestehen eines Krankengeldanspruches ab dem 15.10.1996 voraus. Ein solcher Anspruch besteht nicht mehr, weil er gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit Beginn der EU-Rente zum 02.10.1996 erloschen ist. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V endet ein Anspruch auf Krankengeld vom Beginn einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dabei ist als Leistungsbeginn der Rente der Zeitpunkt anzusehen, von dem an der Versicherte sie beanspruchen kann, d.h. ab dem Zeitpunkt, ab dem die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen (BSG SozR 2200 § 183 Nr. 25 = BSGE 48 (253, 254); SozR Nr. 6 zu § 183 RVO = BSGE 19, 28, 29). Der Anspruch auf Krankengeld fällt in vollem Umfang, also hinsichtlich seiner Voraussetzungen und des Stammrechts weg, weil neben den typischerweise mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben verbundenen Leistungen kein Anspruch auf Krankengeld mehr besteht (BSG SozR 3-2500 § 48 Nr. 4 SGB V).

Nach dem Zweck des Gesetzes soll der (volle) Doppelbezug von Leistungen verhindert werden, die dem gleichen Zweck dienen, nämlich dem Ersatz von Arbeitsentgelt. Daher besteht die Ausschlusswirkung des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V, gleichgültig ob Krankengeld schon bewilligt war und ausgezahlt worden ist (BSG SozR Nr. 6 zu § 183 RVO, nochmals bestätigt in der Entscheidung des BSG vom 08.12.1992, SozR 3-2500 § 48 Nr. 4).

Werden also Leistungen nach § 50 Abs. 1 SGB V für zurückliegende Zeiten bewilligt, fällt auch der Krankengeldanspruch rückwirkend weg. Dabei macht es rechtlich für den Wegfall des Stammrechts keinen Unterschied, ob das Krankengeld ausgezahlt worden ist oder ob es nur nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geruht hat. Demzufolge kommt es nicht darauf an, ob der Ruhenstatbestand nachträglich entfallen ist und das BSG für eine solche Fallkonstellation noch keine Entscheidung getroffen hat. Insoweit besteht gar keine offene Rechtsfrage, weil die Vorschrift des § 50 Abs. 1 SGB V eindeutig ist. Das BSG hat hierzu in den von den Beteiligten zitierten und weiteren Entscheidungen mehrfach entschieden, dass grundsätzlich der Doppelbezug von Rente und Krankengeld nach dem Gesetz ausgeschlossen ist.

Der Anspruch des Klägers lässt sich auch nicht aus § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V herleiten.

Ist das Krankengeld über den Rentenbeginn hinaus gezahlt worden und übersteigt dieses den Betrag der Rentenleistungen, kann die Krankenkasse den überschießenden Betrag vom Versicherten gemäß § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB V zwar nicht zurückfordern. Dabei gründet sich das Rückforderungsverbot des Krankengeldspitzbetrages in dem Vertrauensschutz des Versicherten, der sich auf den rechtmäßigen Bezug des Krankengeldes und dessen Verbrauch einstellen durfte. Umgekehrt haben aber Versicherte keinen nachträglichen Anspruch auf Auszahlung des Spitzbetrages, wenn die Krankenkasse bis zur Feststellung der Rentenleistung kein Krankengeld gezahlt hat. Ein solcher Anspruch besteht nicht einmal dann, wenn das Krankengeld von der Krankenkasse rechtswidrig nicht ausgezahlt worden ist (BSG Urteil vom 08.03.1990; SozR 3-2200 § 183 RVO Nr. 1). Erst recht ist der Anspruch nicht gegeben, wenn die Krankenkasse unter Beachtung der Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V rechtmäßig kein Krankengeld auszahlt. Denn die Vorschrift des § 50 Abs. 1 Satz 2 stellt keine eigene Anspruchsgrundlage, sondern nur einen Einwand des Versicherten gegen die Rückforderung tatsächlich ausgezahlten Krankengeldes bezogen auf den Spitzbetrag dar.

Die weitere Argumentation des Klägers kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Ob die Beklagte das Krankengeld für die Zeit vom 21. bis 27.03.1997 noch nach Zugang der Mitteilung über die Bewilligung der Rente ausgezahlt hat, ist unerheblich. Die Beklagte setzt sich damit auch nicht in Gegensatz zu der BSG-Rechtsprechung. Vielmehr erfüllt sie die zwischen dem Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger (VdR) und den Bundesverbänden der Krankenkassen getroffene Vereinbarung über die Durchführung des Erstattungsverfahrens nach den §§ 103, 106 ff. SGB X beim Zusammentreffen von Krankengeld und Rente vom 02.10.1991 und 23.06.1992 (BKK 1992, Seite 425, 427 ff.), um die Abwicklung des Erstattungsverfahrens zu vereinfachen. Deshalb war es auch nicht erforderlich, dem Antrag des Klägers auf Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten stattzugeben und diesen zur Verwaltungspraxis der Auszahlung von Krankengeld als Zeugen zu hören.

Entgegen der Ansicht des Klägers zwingt der Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG nicht dazu, ihm den Krankengeldspitzbetrag nachzuzahlen. Denn der Krankengeldanspruch des Klägers bleibt nicht deshalb in seinem Stammrecht erhalten, weil er wegen der tarifvertraglichen Entgeltfortzahlung nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für einen Zeitraum von 26 Wochen geruht hat. Der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, wenn also die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss. Es liegt hier schon kein gleicher Sachverhalt vor, der ungleich behandelt würde oder ein ungleicher Sachverhalt, der gleich behandelt würde. Der Kläger hat sich freiwillig durch den Abschluss des Arbeitsvertrages und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den tarifvertraglichen Bedingungen unterworfen, deren positive und negative Wirkungen er gegen sich gelten lassen muss. Im Übrigen sind Regelungen, die eine Doppelversorgung von Leistungen mit gleicher Zweckbestimmung verhindern sollen, unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 53, 313, 331 = SozR 4100 § 168 Nr. 12). Der Leistungsausschluss des § 50 Abs.1 SGB V und die Ruhensbestimmungen haben gerade zum Inhalt, Doppelzahlungen zu vermeiden, die dem gleichen Zweck -hier dem Lohn- und Einkommensersatz dienen. Der Betroffene erhält im Ergebnis die Leistungen, die er zur sozialen Sicherung erhalten soll. Dabei ist der Schutzzweck erfüllt, wenn er nur eine dieser Leistungen erhält. Die Auszahlung des Spitzbetrages an den Kläger würde hingegen dem Gesetz zuwider laufen, weil Krankengeld gezahlt würde für eine Zeit, für die bereits Rente zugebilligt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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