L 5 KR 119/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 3 RJ 268/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 119/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.06.2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger im Zeitraum vom 01.01.1997 bis 31.03.1999 der Rentenversicherungspflicht unterlag.

Der Beigeladene zu 1) war von September 1995 bis 2000 ordentlicher Student an der Fachhochschule K ..., der Kläger betrieb bis 31.05.1999 die Gaststätte "S ..." in K ... In diesem Betrieb war der Beigeladene zu 1) seit Februar 1996 in unterschiedlichem Umfang mehr als geringfügig tätig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) bestand nicht, eine bestimmte Arbeitszeit war nicht vereinbart. Der Beigeladene zu 1) arbeitete an den vom Kläger festgelegten Tagen; daneben kam er auch bei Personalengpässen zum Einsatz.

Im August 1996 vereinbarten die Parteien auf Bitte des Beigeladenen zu 1) zur Vorbereitung auf Prüfungen "unbezahlten Urlaub" von September bis Dezember 1996, wobei sich der Beigeladene zu 1) bereit erklärte, ggf. bei Personalengpässen eingesetzt zu werden. In den Monaten September und November 1996 arbeitete er nicht in der Gaststätte, im Oktober 1996 an zehn Tagen, im Dezember 1996 an zwei Tagen. Von Januar 1997 bis März 1999 war er dann wiederum mehr als geringfügig bei dem Kläger beschäftigt. Der Kläger führte - nach eigener Darstellung aus Unkenntnis - für den Monat Oktober 1996 Beiträge zur Rentenversicherung ab; ab Januar 1997 sah er den Beigeladenen zu 1) als weiterhin rentenversicherungsfrei an.

Auf Grund einer Betriebsprüfung im Januar 2000 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 17.05.2000 vom Kläger u.a. Rentenversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) für Zeit vom 01.01. bis 30.06.1997, 01.08. bis 38.02.1998 und 01.04.1998 bis 31.01.1999 in Höhe von insgesamt 5.810,66 DM (= 2.970,94 Euro). Mit seinem auf diese Nachforderung beschränkten Widerspruch machte der Kläger geltend, der Beigeladene zu 1) habe bereits vor dem 01.10.1996 bei ihm gearbeitet und sei ununterbrochen bis 31.03.1999 tätig gewesen. Lediglich in den Monaten September und November 1996 habe er unbezahlten Urlaub gehabt. Dadurch sei jedoch keine Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses eingetreten, so dass der Beigeladene zu 1) unverändert rentenversicherungsfrei sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da der Beigeladene zu 1) im September 1996 unbezahlten Urlaub gehabt habe, gelte die Übergangsregelung des § 230 Abs. 4 Satz 1 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) für ihn nicht.

Im Klageverfahren hat der Kläger erneut vorgetragen, der Beigeladene zu 1) sei seit Februar 1996 ununterbrochen beschäftigt gewesen. Zwar habe er Ende August 1996 wegen der Vorbereitung auf Klausuren um unbezahlten Urlaub von September bis Dezember 1996 gebeten. Um seinen Arbeitsplatz zu erhalten, sei er jedoch gleichzeitig bereit gewesen, bei personellen Engpässen eingesetzt zu werden, und habe daher auch in diesem Zeitraum zur Verfügung gestanden. Da das Arbeitsverhältnis somit ohne Unterbrechung fortgeführt worden sei, sei der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum auf Grund der Übergangsregelung des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI rentenversicherungsfrei gewesen.

Mit Urteil vom 06.06.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, das "Kernarbeitsverhältnis" sei im August 1996 beendet worden. Erst im Oktober 1996 sei das Kernarbeitsverhältnis durch einen neuen Abruf fortgesetzt worden, so dass die Übergangsregelung zur Rentenversicherungsfreiheit von Studenten nicht gelte.

Dieser Auffassung tritt der Kläger im Berufungsverfahren unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags entgegen. Er meint, die Aufteilung des Arbeitsverhältnisses in verschiedene "Kernarbeitsverhältnisse" sei sachlich nicht gerechtfertigt und habe auch nicht dem Parteiwillen entsprochen. Durch die Gewährung unbezahlten Urlaubs sei das Beschäftigungsverhältnis nicht unterbrochen worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.06.2001 zu ändern und den Bescheid vom 17.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2000 insoweit aufzuheben, als Rentenversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) gefordert worden sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene zu 2) vertritt die Auffassung, dass der Beigeladenen zu 1) seit Februar 1996 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden habe, so dass die Übergangsvorschrift des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI eingreife.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 17.05.2000 zu Recht Rentenversicherungsbeiträge für den Beigeladenen zu 1) festgesetzt.

Die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) bei dem Kläger unterlag in der Zeit vom 01.01.1997 - 31.03.1998 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Der Beigeladene zu 1) war in dieser Zeit bei dem Kläger gegen Entgelt im Sinne des § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) abhängig beschäftigt. Schon wegen der Höhe der in den streitbefangenen Monaten erzielten Entgelte überschritt diese Beschäftigung die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (in der bis 31.03.1999 geltenden Fassung). Dies wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt.

Entgegen seiner Auffassung war der Beigeladene zu 1) nicht nach § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI versicherungsfrei. Nach dieser Vorschrift, die im Zusammenhang mit der Streichung des die Versicherungsfreiheit sog. Werkstudenten in der Rentenversicherung regelnden § 5 Abs. 3 SGB VI a.F. durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz ([WFG] vom 25.09.1996, BGBl. I, 1461) mit Wirkung vom 01.10.1996 eingeführt worden ist, bleiben Personen, die am 01.10.1996 in einer Beschäftigung als Studenten versicherungsfrei waren, in dieser Beschäftigung weiterhin versicherungsfrei. Die Regelung setzt also die Fortsetzung einer am 30.09.1996 (bei dem Stichtag 01.10.1996 handelt es sich offensichtlich um ein Redaktionsversehen, da eine Übergangsregelung sinnvollerweise nur an den letzten Tag der Geltung des alten Rechts anknüpfen kann, vgl. Zugmaier, SGb 1997, 258) bestehenden versicherungsfreien Beschäftigung nach dem 01.10.1996 voraus.

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass ungeachtet der fehlenden Vereinbarung einer bestimmten Arbeitszeit und des Tätigwerdens des Beigeladenen zu 1) auf Abruf durch den Kläger zwischen den Parteien ein Dauerarbeitsverhältnis begründet worden war (vgl. dazu BAG, BB 1998, 2211, 2212), das auch während der Zeit des unbezahlten Urlaubsfortbestand: Die Parteien gingen offensichtlich davon aus, dass der Beigeladene zu 1) nach Dezember 1996 im bisherigen Umfang für den Kläger tätig werden würde.

Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist jedoch für die Anwendung des § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI unerheblich, denn die Vorschrift knüpft an die Beschäftigung im Sinne des § 7 SGB IV an. Wenn auch das (arbeitsrechtliche) Arbeitsverhältnis und das (sozialversicherungsrechtliche) Beschäftigungsverhältnis weitgehend übereinstimmen, sind doch beide Institute nicht deckungsgleich und voneinander zu unterscheiden (vgl. BSG, Die Beiträge 1991, 115). § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI verlangt, dass die betreffende Person in einer Beschäftigung als Wekstudent am 01.10.1996 (richtig: 30.09.1996) versicherungsfrei war. Da Versicherungsfreiheit notwendig Versicherungspflicht - also einen Sachverhalt, der dem Grunde nach Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI begründet - voraussetzt, kann die Übergangsregelung nur eingreifen, wenn ein am 30.09.1996 bestehendes, "an sich" versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach dem 01.10.1996 fortgeführt worden ist.

Der Beigeladene zu 1) hat aber im September 1996 nicht für den Kläger gearbeitet und auch kein Entgelt erhalten. Da die Versicherungspflicht mit dem Wegfall der die Versicherungspflicht begründenden Tatbestandsmerkmale - Beschäftigung gegen Entgelt - entfällt (vgl. Kass.Komm. - Gürtner - § 1 SGB VI Rdnr. 4), endete das Beschäftigungsverhältnis und damit die Versicherungspflicht im August 1996; denn abredegemäß erfolgte im September 1996 kein Einsatz des Beigeladenen zu 1) mehr und es wurde auch kein Entgelt gezahlt. Demgemäß kann schon mangels Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im September 1996 die Tätigkeit ab Oktober 1996 nicht als Fortsetzung einer zuvor bestehenden versicherungsfreien Beschäftigung angesehen werden.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 SGB IV, die in Übernahme der früher im Krankenversicherungs- und Arbeitsförderungsrecht geltenden Regelungen (§§ 192 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V], 24 Abs. 3 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] jeweils in der bis 31.12.1998 geltenden Fassung) nunmehr auch für das Rentenversicherungsrecht vorsieht, dass das Fortbestehen einer Beschäftigung gegen Entgelt für einen Monat fingiert wird, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Entgelt fortdauert, ist erst am 01.01.1999 in Kraft getreten (Art. 4 Nr.1, Art.33 Abs.1 Rentenreformgesetz 1999 vom 16.12.1997, BGBl. I, 2998) und somit hier nicht anwendbar.

Die Auffassung, schon für die Zeit vor Inkrafttreten des § 7 Abs. 3 SGB IV habe es allgemeiner Auffassung entsprochen, dass das Beschäftigungsverhältnis und die Versicherungspflicht trotz Nichterbringung der tatsächlichen Arbeitsleistung fortbestehe, wenn der Arbeitsvertrag rechtlich weiter bestehe, die Arbeitsvertragsparteien einen grundsätzlichen Fortsetzungswillen hätten und das Ende der Unterbrechung absehbar sei (Voelzke in: Schulin; HS-RV § 16 Rdn. 97), kann hier zu keinem für den Kläger günstige ren Ergebnis führen. Diese Ansicht bezieht sich auf ältere Entscheidungen des BSG, die überwiegend das Krankenversicherungsrecht betreffen (vgl. BSGE 12, 90; 20, 154; 34, 254). In den Entscheidungen, in denen das BSG in Bezug auf das Rentenversicherungsrecht das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses bejaht hat, hatte der Arbeitgeber einen Teil des Arbeitsentgelts fortgezahlt (BSGE 41, 24; SozR 2200 § 1227 Nr. 4). Demgegenüber hat in neueren Entscheidungen, die unbezahlten Urlaub betrafen, das BSG - in Bezug das Krankenversicherungsrecht - betont, die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung entfalle, wenn ein Element des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses entfalle, also entweder die Beschäftigung oder das Entgelt. Die Mitgliedschaft bestehe nur weiter, soweit ein Erhaltenstatbestand nach § 311 Reichsversicherungsordnung [RVO] bzw. § 192 SGB V eingreife. Vor dem 01.01.1999 gab es aber in der Rentenversicherung keinen gesetzlichen Erhaltenstatbestand.

Wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgehen würde, dass auch vor dem 01.01.1999 Beschäftigung und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung trotz Nichtausübung der Tätigkeit fortbestehend konnten, könnte ein solcher Fortbestand nicht länger als in den anderen Zweigen der Sozialversicherung, also letztlich nur in dem nun im § 7 Abs. 3 SGB IV festgelegten Umfang für einen Monat (nicht: Kalendermonat) bejaht werden. Auch in diesem Fall wäre spätestens ab 01.01.1997 Versicherungspflicht eingetreten. Selbst wenn man davon ausginge, dass im September 1996 eine versicherungsfreie Beschäftigung fortbestanden hätte und somit der Beigeladene zu 1) während seiner Beschäftigung im Oktober 1996 weiter versicherungsfrei gewesen wäre, wäre danach eine weitere Unterbrechung im gesamten Monat November 1996 eingetreten. Damit würde die zeitliche Grenze des § 7 Abs. 3 SGB IV überschritten, so dass die (versicherungsfreie) Beschäftigung beendet war, als der Beigeladene zu 1) im Dezember 1996 wiederum für den Kläger gearbeitet hat. Ob die Tätigkeit in diesem Monat wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei war, kann dahinstehen; jedenfalls stellt sich die mehr als geringfügige Beschäftigung ab Januar 1997 nicht als Fortsetzung einer vor dem in § 230 Abs. 4 Satz 1 SGB VI genannten Stichtag versicherungsfreien Beschäftigung dar und unterlag damit ab Januar der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.

Die Beklagte hat somit zu Recht Rentenversicherungsbeiträge in rechnerisch unstreitiger Höhe für das seit dem 01.01.1997 vom Beigeladenen zu 1) erzielte Entgelt festgesetzt. Die Befugnis der Beklagten zur Festsetzung ergibt sich aus § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, die Pflicht des Klägers zur Beitragszahlung als Arbeitgeber aus § 174 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit § 28i Abs. 1 Satz 1 SGB IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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