L 5 KR 111/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 43/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 111/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 75/01 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.07.2001 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2001 verurteilt, dem Kläger für den 11.01.1999 Krankengeld zu gewähren. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Krankengeld.

Der 1938 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er bezieht seit dem 01.02.1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Vor sei nem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis war er von seinem Arbeitgeber seit August 1998 von der Arbeitsleistung freigestellt worden.

Unter dem 11.01.1999 stellte Internist Dr. E ... K ... auf einem vertragsärztlichen Vordruck wegen "Rektum-Operation" Arbeitsunfähigkeit bis 31.01.1999 fest. Unter dem 26.04.1999 bescheinigte er dann formlos, der Kläger sei schon ab dem 29.10.1998 wegen eines Zustands nach Rektum-Operation 1996 mit verzögerter Wundheilung und erneuter Rektum-Operation bei Verdacht auf Analkarzinom arbeitsunfähig krank gewesen.

Mit Bescheid vom 31.05.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 29.10.1998 bis 31.01.1999 ab, weil nach einer eingeholten Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) die genannten Diagnosen keine Arbeitsunfähigkeit bedingt hätten und zudem eine Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise für ein bis zwei Tage rückwirkend bescheinigt werden dürfe. Ferner machte sie darauf aufmerksam, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht fristgerecht eingereicht worden sei. Auf den Widerspruch des Klägers wies sie mit Schreiben vom 02.07.1999 ferner darauf hin, nach Mitteilung des Arbeitgebers sei das Arbeitsentgelt bis 31.01.1999 gezahlt worden, so dass ein eventueller Krankengeldanspruch geruht habe. Der Kläger machte demgegenüber geltend, der Arbeitgeber habe in einem Arbeitsgerichtsprozess gegen den erhobenen Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit einem Gehaltsrückforderungsanspruch aufgerechnet, so dass sein Gehaltsanspruch für den Monat Januar 1999 untergegangen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2000 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Der Kläger forderte von der Beklagten im Verfahren SG Gelsenkirchen S 17 KR 113/00 die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 11.01. bis 31.01.1999. In der mündlichen Verhandlung am 12.10.2000 gab der Sitzungsvertreter der Beklagten folgende Erklärung ab: "Nach nochmaliger eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage und aufgrund der Hinweise des Kammervorsitzenden erkennt die Beklagte nunmehr den Anspruch des Klägers an und wird ihm das Krankengeld für die Zeit vom 11.01.1999 bis zum 31.01.1999 nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen nachzahlen". Der Kläger nahm das Anerkenntnis am 16.10.2000 an.

Mit Schreiben vom 24.11.2000 beantragte der Kläger unter Hinweis auf weitere ärztliche Unterlagen, die nach seiner Auffassung das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit belegten, Krankengeld für die Zeit vom 01. bis 11.01.1999. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27.11.2000 in Ausführung des Anerkenntnisses Krankengeld für die Zeit vom 12. bis 31.01.1999 fest. Mit Bescheid vom 28.11.2000 lehnte sie die Zahlung von Krankengeld für den 11.01.1999 ab, da nach dem "Urteil" vom 12.10.2000 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren sei und ein Anspruch auf Krankengeld erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehe. Mit Bescheid vom 30.11.2000 lehnte sie eine Krankengeldzahlung vom 01. bis 10.01.1999 ab, da Dr. E ... K ... insoweit erst am 26.04.1999 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe und ein Krankengeldanspruch erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit entstehe. Darüber hinaus hätte wegen der nicht rechtzeitigen Meldung ein Krankengeldanspruch geruht, selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit schon früher ärztlich festgestellt worden wäre. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2000 zurück.

Mit der am 26.03.2001 erhobenen Klage hat der Kläger Krankengeld vom 01. bis 11.01.1999, "hilfsweise" vom 10.12. bis 11.01.1999 gefordert. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei im fraglichen Zeitraum arbeitsunfähig gewesen. Da sein Arbeitgeber gegen seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung mit 1,5 Monatsgehältern aufgerechnet habe, habe er für sechs Wochen kein Gehalt erhalten, so dass ihm für diesen Zeitraum Krankengeld zustehe.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 12.07.2000 die Klage abgewiesen. Soweit Krankengeld für den 11.01.1999 begehrt werde, habe das abgegebene Anerkenntnis, den Anspruch nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu erfüllen, auch die Beachtung der Vorschrift des § 46 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eingeschlossen. Für die Zeit vor dem 11.01.1999 könne dahinstehen, ob und seit wann Arbeitsunfähigkeit vorgelegen und ob der Arbeitgeber das Entgelt bezahlt habe, da einem Krankengeldanspruch in jedem Fall mangels rechtzeitiger Meldung der Arbeitsunfähigkeit die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V entgegenstehe.

Gegen das ihm am 17.07.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.07.2001 Berufung eingelegt. Er wiederholt seinen Vortrag, dass er bereits vor dem 11.01.1999 arbeitsunfähig gewesen sei, dies sei auch von dem behandelnden Urologen bescheinigt worden. Die Ruhensvorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V greife nicht ein, da die Beklagte den MDK zur Arbeitsunfähigkeit befragt und damit die "angeblich verspätete Meldung der Arbeitsunfähigkeit aufgehoben" habe. Weiter macht er geltend, sein Arbeitgeber sei verantwortlich dafür, dass er die bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht sofort habe ärztlich bescheinigen lassen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 12.07.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 28.11.2000 und 30.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2001 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 10.12.1998 bis 11.01.1999, hilfsweise für die Zeit vom 01.01.1999 bis 11.01.1999 Krankengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben, konnte der Senat über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die Berufung ist statthaft. Der Senat hat angesichts der Tatsache, dass der vom Kläger gestellte "Hilfsantrag" weiter geht als der "Hauptantrag", die Anträge dahingehend ausgelegt, dass der Kläger in erster Linie seinen weitergehenden Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab 10.12.1998 verfolgen will und daher dieses Begehren als Hauptantrag anzusehen ist. Da das Bruttokrankengeld 148,75 DM je Kalendertag beträgt, wird die Grenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG weit überschritten. Die auch sonst zulässige Berufung ist jedoch nur insoweit begründet, als der Kläger Krankengeld für den 11.01.1999 begehrt.

Der Kläger kann Krankengeld für den 11.01.1999 aufgrund des von ihm angenommenen Anerkenntnisses der Beklagten vom 12.10.2000 beanspruchen. Der Kläger hatte im früheren Verfahren eindeutig Krankengeld für die Zeit vom 11.01. bis 31.01.1999 begehrt. Zwar entstand nach der materiellen Rechtslage gemäß § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V sein Krankengeldanspruch nicht schon an dem Tag der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (11.01.1999), sondern erst an dem folgenden Tag, hier also dem 12.01.1999. Gleichwohl hat die Beklagte - offenbar weil sie den tatsächlichen Beginn des Anspruchs übersehen hat - den vom Kläger erhobenen Anspruch in der mündlichen Verhandlung uneingeschränkt anerkannt und sich sogar ausdrücklich verpflichtet, Krankengeld vom 11. bis 31.01.1999 zu zahlen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann angesichts dieser eindeutigen zeitlichen Festlegung dem Zusatz "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen" nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass damit auch hinsichtlich der Dauer des Anspruchs allein die - weder in der Erklärung der Beklagten noch etwa in einem Hinweis des Gerichts klargestellte - materielle Rechtslage maßgebend sein sollte. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers konnte das Anerkenntnis vielmehr nur so verstanden werden, dass der erhobene Anspruch "ohne wenn und aber", also vom 11.01. bis 31.01.1999 anerkannt werde und lediglich Höhe und Zahlbetrag des Krankengeldes sich nach den gesetzlichen Bestimmungen richteten. Dass sich die Beklagte damit zu einer (teilweise) gesetzwidrigen Leistung verpflichtete, machte das Anerkenntnis nicht nichtig (vgl. Meyer- Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 101 Rdn. 24). Gründe, die wie bei einem Vergleichsvertrag zur Nichtigkeit des Anerkenntnisses führen könnten (§ 58 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), s. dazu Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdn. 15) sind nicht ersichtlich.

Dagegen besteht für die Zeit vor dem 11.01.1999 kein Anspruch auf Krankengeld. Selbst wenn der Kläger schon seit Oktober 1998 (oder früher) arbeitsunfähig war, hätte ein Krankengeldanspruch gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V mangels Meldung der Arbeitsunfähigkeit geruht, denn eine vor dem 11.01.1999 bestehende Arbeitsunfähigkeit ist der Beklagten erst im April/Mai 1999 mitgeteilt worden. Die Auffassung des Klägers, das Ruhen des Anspruchs sei "aufgehoben", weil die Beklagte zweimal den MDK zur Prüfung der Arbeitsunfähigkeit eingeschaltet habe, ist abwegig. Zwar trifft es zu, dass diese Prüfung durch den MDK angesichts der einer Krankengeldgewährung ohnehin entgegenstehenden Ruhensregelung überflüssig war. Dieser Umstand steht aber dem Eintritt der gesetzlichen Rechtsfolge des Ruhens des Anspruchs bis zum Eingang der Meldung nicht entgegen. Im übrigen übersieht der Kläger, dass die Beklagte bereits im Bescheid vom 31.05.1999 darauf hingewiesen hat, man habe trotz der verspäteten Meldung der Arbeitsunfähigkeit auf seinen Wunsch eine Stellungnahme des MDK eingeholt. Unerheblich ist für den Krankengeldanspruch auch, ob der Kläger durch seinen Arbeitgeber davon abgehalten worden ist, Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen oder mitzuteilen.

Darüber hinaus hat der Kläger mit Schreiben vom 29.11.2000 gegen über der Beklagten eingeräumt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für die Zeit ab 28.10.1998 seien erst nachträglich erstellt worden. Nach dieser Erklärung konnte somit nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V ein Krankengeldanspruch nicht vor dem 27.04.1999 entstehen - und zu diesem Zeitpunkt bestand wegen des Rentenbezugs gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V kein Anspruch auf Krankengeld mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Angesichts des geringfügigen Umfangs des Obsiegens des Klägers ist eine Kostenquotelung nicht geboten.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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