L 6 Vs 109/96

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 Vs 256/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 Vs 109/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einer nicht über das übliche Maß hinausgehenden psychischen Beeinträchtigung nach einem erlitten Herzinfarkt mit Dilatation wird durch den für das Herzleiden festgestellten Grad der Behinderung bereits Rechnung getragen; dieser erfaßt, wie bei anderen Krankheiten auch, die mit der Krankheit verbundenen seelischen Begleiterscheinungen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.06.1996 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) von 50 auf 40.

Der 1953 geborene Kläger erlitt im November 1991 einen Herzinfarkt; im Januar 1992 wurde deswegen eine Kranzgefäßdilatation durchgeführt.

Mit Bescheid vom 17.09.1992 stellte der Beklagte wegen der Behinderungen:

"1. Coronare Eingefäßerkrankung, Infarktnarbe, durchgemachte Kranzgefäßdilatation

2. Struma"

einen GdB von 50 fest.

Mit seinem Änderungsantrag von Januar 1993 machte der Kläger zusätzlich verstärkt auftretende Rückenbeschwerden geltend. Nach Auswertung von Berichten des prakt. Arztes K. setzte der Beklagte - nachdem er dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte (Anhörungsschreiben vom 16.08.1993) - wegen eingetretener Heilungsbewährung des Herzleidens und unter zusätzlicher Berücksichtigung von "Beschwerden bei Wirbelsäulenfehlhaltung und Verschleiß" als Behinderung den GdB von 50 auf 40 herab (Bescheid vom 12.01.1994 und Widerspruchsbescheid vom 27.09.1994).

Im Klageverfahren hat der Kläger im wesentlichen geltend gemacht, angesichts des neu hinzugekommenen Wirbelsäulenleidens habe sich sein Gesundheitszustand insgesamt nicht gebessert.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben, durch Einholung eines fachinternistischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. N., Chefarzt der Med. Klinik I des St. J. D.-H., vom 26.01.1996 sowie eines orthopädischen Zusatzgutachtens von Dr. P., Leitender Arzt der Abt. für Physikalische Therapie und Beschäftigungstherapie desselben Krankenhauses, vom 24.05.1995. Die Sachverständigen haben den Gesamt-GdB unter Berücksichtigung eines Einzel-GdB für das Herzleiden - wegen der eingetretenen Heilungsbewährung - von 20 und weiterer Teil-GdB von jeweils 20 für Veränderungen der Wirbelsäule sowie für einen Ten nisellenbogen mit 50 eingeschätzt.

Mit Urteil vom 13.06.1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt, unter Berücksichtigung der von den Sachverständigen in Ansatz gebrachten Einzel-GdB und der erkennbaren Funktionsbeeinträchtigungen sei ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist weiterhin insbesondere unter Hinweis auf die Einschätzungen der Sachverständigen der Auffassung, daß das Ausmaß seiner Gesundheitsstörungen einen GdB von insgesamt 50 bedinge.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.06.1996 abzuändern und den Bescheid vom 12.01.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.1994 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Im Berufungsverfahren sind von dem Arzt für innere Medizin Dr. G. und dem prakt. Arzt K. Befundberichte von November bzw. Dezember 1996 beigezogen worden.

Auf die Inhalte der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger kann nicht beanspruchen, daß ihm weiterhin der Schwerbehindertenstatus zugebilligt wird. Der Beklagte hat den GdB zu Recht wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10 auf 40 herabgesetzt. Die Herzleistungsminderung ist dabei zutreffend - entsprechend den "Anhaltspunkten für die Ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" - AHP-1983/mittlerweile ersetzt durch die AHP 1996 - nur noch mit einem Einzel-GdB von 30 berücksichtigt worden, weil nach dem Herzinfarkt Heilungsbewährung eingetreten war. Die aufgrund der Wirbelsäulenveränderungen mit Schulter-Arm-Syndrom und des Tennisarmes eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes rechtfertigt jedenfalls keinen höheren GdB als 40.

Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem erstinstanzlichen Beweisergebnis; die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen zeigen keine neuen Gesichtspunkte auf.

Die Herzerkrankung ist bei Erlaß des Bescheides vom 17.09.1992 zutreffend mit einem GdB von 50 berücksichtigt worden (AHP 1983 S. 67). Zwischenzeitlich ist - der Herabsetzungscheid ist zwei Jahre nach dem Herzinfarkt ergangen - Heilungsbewährung eingetreten. Denn die Herzerkrankung hat sich wegen des rückfallfreien Verlaufs mit hoher Wahrscheinlichkeit konsolidiert, wie die von Prof. Dr. N. erhobenen Befunde verdeutlichen.

Der vom Beklagten für die Herzerkrankung angesetzte GdB von 30 entspricht wegen der hier vorgenommenen Dilatation den AHP 1983. Denn hiernach (S. 67) war der GdB u.a.nach koronarchirurgischen Eingriffen nicht niedriger als 30 zu bewerten (dies galt auch bei einer Koronardilatation, Sachverständigenbeirat im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 27.04.1988).

Die Wirbelsäulenveränderungen mit Schulter-Arm-Syndrom sind entsprechend der auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Einschätzung des Sachverständigen Dr. P. mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Demgegenüber entspricht der von Dr. P. für den Tennisarm rechts vorgeschlagene GdB von 20 nicht den AHP (S. 110). Vielmehr ist angesichts der leichten Einschränkung der Beweglichkeit des Ellenbogens und der unauffälligen Unterarmdrehbeweglichkeit auch unter Berücksichtigung der leichten Minderung der groben Kraft der rechten Hand für die hieraus resultierenden Funktionsstörungen entsprechend den Vorgaben der AHP allenfalls ein GdB von 10 angemessen.

Ausgehend von diesen Einzel-GdB, also 30, 20 und 10 - die Kontrolle der Schilddrüsenparameter ergab regelrechte Befunde -, ist jedenfalls ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt. Maßgeblich für die Bildung des Gesamt-GdB sind in erster Linie die hierzu in den AHP enthaltenen auf 4 Abs. 3 Satz 1 SchwbG beruhenden Grundsätze. Obwohl die AHP als solche keine Rechtsnormqualität besitzen, sind sie jedoch faktisch zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Verwaltungshandelns und zur Wahrung des Gleichheitssatzes wie solche zu beachten (st.Rspr.: vgl. BSGE 72, 285 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 6; BSGE 75, 176). Dies hat zur Folge, daß grundsätzlich nicht durch Einzelfallgutachten von den nach den Anhaltspunkten maßgeblichen Grundsätzen abgewichen werden kann. Der von den Sachverständigen vorgeschlagene GdB von 50 steht mit den nach den AHP für die Bildung des Gesamt-GdB zu beachtenden Vorgaben (AHP Nr. 19) nicht in Einklang. Denn hiernach ist insbesondere zu berücksichtigen, daß zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 10 grundsätzlich nicht zu einer GdB-Erhöhung führen und es auch bei Funktionsstörungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme der Behinderung zu schließen. Unter Beachtung dieser Grundsätze rechtfertigen die von der Leitbehinderung - der Herzerkrankung - unabhängigen Wirbelsäulen- und Gelenkveränderungen allenfalls eine GdB-Erhöhung um 10. Hiermit wird der weiteren Beeinträchtigung der durch die kardiale Grunderkrankung herabgesetzten Leistungsfähigkeit hinreichend Rechnung getragen. Besonders nachteilige Auswirkungen der einzelnen Funktionsstörungen zueinander, wie dies z.B. bei Beeinträchtigungen paariger Organe oder verschiedener Sinnesorgane der Fall ist, sind nicht erkennbar. Die von Prof. Dr. N. bei seinem Vorschlag angesprochene psychische Beeinträchtigung kann bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht gesondert berücksichtigt werden. Denn als Begleitsymptomatik nach dem erlittenen Herzinfarkt und der Dilatation ist ihr bereits durch den GdB für das Herzleiden Rechnung getragen, der auch hier - wie bei allen anderen Behinderungen (AHP Nr. 18 Abs. 8) - die mit der Krankheit verbundenen seelischen Begleiterscheinungen erfaßt. Über das übliche Maß hinausgehende besondere psychische Auswirkungen des Herzleidens sind nicht ersichtlich.

Aus den nunmehr geltenden AHP 1996 läßt sich kein für den Kläger günstigeres Ergebnis herleiten. Vielmehr kann hiernach der GdB für die Herzerkrankung statt - wie nach den AHP 1983 - mit 30 nur noch mit 20 bewertet werden. Denn nunmehr ist nach operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen (z.B. Ballondilatation) der GdB allein von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig (AHP 1996 S. 88). Da hier - wie von Prof. Dr. N ... beschrieben - von einer Leistungsbeeinträchtigung erst bei schwerer Belastung auszugehen ist, ist nach den AHP 1996 (S. 86ff) für das Herzleiden nur ein GdB von höchstens 20 gerechtfertigt, so daß sich ein höherer Gesamt-GdB als 40 erst recht nicht begründen läßt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.

Es besteht kein Anlaß, die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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