L 7 SB 121/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SB 387/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 SB 121/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.06.2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Im Juni 1996 beantragte der Kläger beim Beklagten u.a. die Höhe des GdB festzustellen. Nach Auswertung der beigezogenen Befundberichte der behandelnden Ärzte durch den Ärztlichen Dienst stellte der Beklagte mit Bescheid vom 11.09.1997 einen GdB von 50 fest wegen
"1. insulinpflichtiger Diabetes mellitus

2. Schuppenflechte

3. Karpaltunnelsyndrom, Polyneuropathie."

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte aus, sein Gesamtbehinderungszustand sei mit der Annahme eines GdB von 50 nicht ausreichend bewertet. Insbesonders seien die Funktionsstörungen der Augen und des Rumpfes nicht berücksichtigt. Außerdem sei ihm die Schilddrüse teilweise entfernt worden. Der Beklagte zog einen Befundbericht der Neuro-Chirurgischen Klinik der Medizinischen Einrichtungen der H - Universität D bei und ließ den Kläger gutachterlich von dem Chirurgen Dr. K untersuchen. Mit Abhilfebescheid vom 22.07.1998 erhöhte der Beklagte den GdB auf 60 und fügte die Leidensbezeichnung "Bandscheibenoperation der Lendenwirbelsäule" hinzu. Am 14.08.1998 wies der Beklagte im übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit der am 11.09.1998 vor dem SG Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 80 begehrt.

Er hat vorgetragen, seine vielfältigen und schwerwiegenden Leiden bedingten einen höheren GdB als 60.

Das SG hat Befundberichte von dem HNO-Arzt Dr. H , dem Orthopäden Dr. K , dem Internisten Dr. B , dem Augenarzt Dr. F und der Westdeutschen Kieferklinik der Medizinischen Einrichtungen der H - Universität D sowie einem Bericht der Klinik der Medizinischen Einrichtungen der H - Universität D eingeholt und einen Bericht der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Plastische Kopf- und Halschirurgie des E Krankenhauses D beigezogen. Anschließend hat das SG den Orthopäden Dr. J , den Neurologen und Psychiater Dr. R und den Internisten Dr. L mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Dr. L hat unter Berücksichtigung der Feststellungen der beiden Sachverständigen Dr. J und Dr. R die Auffassung vertreten, dass dem Gesundheitszustand des Klägers ein GdB von 70 beizumessen ist.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten vom 25.11.1999, 22.09.1999 und 28.07.1999 Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.06.2000 hat das SG Düsseldorf die Klage abgewiesen.

Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Am 19.07.2000 hat der Kläger Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt.

Er verfolgt sein Begehren weiter. Die Gesundheitsstörungen würden seinen gesamten Körper in der Funktionsweise wesentlich beeinträchtigen und sich extrem nachteilig auf das psychische und soziale Wohlbefinden auswirken. Deshalb sei bei ihm ein Gesamt-GdB von 80 anzusetzen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.06.2000 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 11.09.1997 und 22.07.1998, beide in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.08.1998, zu verurteilen, bei ihm ab Antragstellung einen GdB von 80 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Befundberichte von Dr. Z , dem Orthopäden Dr. S , dem Neurologen und Psychiater Dr. H und dem Internisten Dr. B eingeholt. Des weiteren hat der Senat die von der BfA eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. P und des Internisten Dr. G sowie die Akte des SG Düsseldorf S 27 RA 329/98 beigezogen. Anschließend hat der Senat ergänzende Stellungnahmen von dem Sachverständigen Dr. R und Dr. J zu den funktionellen Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf ihrem Fachgebiet und den wechselseitigen Beziehungen eingeholt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Stellungnahmen vom 13.02.2001, 06.03.2001 und 23.04.2001 verwiesen.

Durch Art. 1 § 3 Satz 1 des 2. Gesetzes zu Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (2. ModernG) ist das Landesversorgungsamt mit Wirkung zum 31.12.2000 aufgelöst worden. Die dem Landesversorgungsamt durch Gesetz und Rechtsverordnung übertragenen Aufgaben sind gemäß Art. 1 § 3 Satz 1 des 2. ModernG auf die Bezirksregierung Münster übertragen worden. Die nach Art. 1 § 3 Satz 1 des 2. ModernG übertragenen Aufgaben werden von der Abteilung 10 "Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" (Rderl. des Innenministeriums vom 13.12.2000) wahrgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Schwerbehindertenenakte des Beklagten sowie der beizogenen Akte des Sozialgerichts Düsseldorf, S 27 RA 329/98, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte entscheiden.

Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozessvertretung des Beklagten i.S. d. §§ 4 Abs. 6 S. 2 SchwbG, 71 Abs. 5 SGG sind gewahrt. Als Folge der Auflösung der bisherigen Landesoberbehörde "Landesversorgungsamt" ist ab 01.01.2001 der bisherige gesetzliche Vertreter des Beklagten ausgewechselt worden. Die Bezirksregierung Münster tritt nunmehr für das Land Nordrhein-Westfalen (NW) auf.

Diese Behörde erfüllt als die auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts fachkundigste Stelle der Verwaltung des Landes - jedenfalls in der jetzigen Ausgestaltung (Einsatz der Bediensteten des bisherigen Landesversorgungsamts in der Abteilung 10 der Bezirksregierung) - die in § 71 Abs. 5 SGG statuierten Voraussetzungen für den gesetzlichen Vertreter des Landes NW in Angelegenheiten des Schwerbehindertengesetzes unabhängig davon, ob die Auflösung des Landesversorgungsamtes und die Übertragung seiner Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster - wofür einiges spricht - gegen die bundesgesetzlichen Bestimmungen verstößt (LSG NW, Urteile vom 25.01.2001, L 7 V 54/99 u. L 7 SB 47/99, vom 30.01.2001, L 6 SB 100/99, vom 31.01.2001, L 10 VS 28/00).

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 60 zu.

Nach § 4 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) wird auf Antrag eines Behinderten das Vorliegen einer Behinderung und des GdB festgestellt. Eine Behinderung ist gemäß § 3 Abs. 1 SchwbG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung sind als GdB, nach Zehnergraden abgestuft, von 20 - 100 festzustellen (§ 3 Abs. 3 SchwbG). Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen, wie sie bei dem Kläger vorliegen, ist nach § 4 Abs. 3 SchwbG der Gesamt- GdB nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Der GdB ist unter Heranziehung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) in ihrer jeweils geltenden Fassung zu bilden. Dabei haben die AP rechtsnormähnliche Wirkung und sind wie untergesetzliche Normen von der Verwaltung und den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m. w. N.).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist nicht erwiesen, dass der Gesamtbehinderungszustand des Klägers ab Antragstellung mit einem höheren GdB als 60 zu bewerten ist. Dabei stützt sich der Senat auf die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. L , Dr. R und Dr. J. Die Gutachten sind insich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar begründet. Sie beruhen auf einer eingehenden Untersuchung des Klägers sowie kritischen Auswertungen der beigezogenen ärztlichen Unterlagen. Die Feststellungen der Sachverständigen stimmen mit den Erfahrungssätzen der AP 1996 überein und stehen auch nicht im Widerspruch mit den im Rentenverfahren erhobenen Befunden.

Der durch Diät und alleinige Insulinbehandlung gut einstellbare Diabetes mellitus des Klägers verursacht einen GdB von 40 (Nr. 26.15 S. 119 AP 1996).

Im Funktionssystem "Rumpf" besteht nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. J ein Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 sowie Verschleißveränderungen mit einer Bandscheibenvorwölbung L 4/5 verbunden mit einem statisch-muskulär-degenerativen Lendenwirbelsäulensyndrom (Lumbalsyndrom), Verspannungen der Rückenmuskulatur sowie mittelgradiger Funktionsbehinderung. Hinzu tritt ein Bandscheibenvorfall im Segment C 6/7 verbunden mit einem muskulären Halswirbelsäulensyndrom (Cervicalsyndrom) mit Verspannungen der Schulter-Nackenmuskulatur und leicht über endgradigen Funktionsbehinderungen sowie beginnenden Verschleißveränderungen in der Brustwirbelsäule mit einem statisch-muskulären Brustwirbelsäulensyndrom (Thoracalsyndrom) mit Verspannungen der Rückenmuskulatur. Diese Feststellungen stimmen im wesentlichen überein mit denen von Dr. P und Dr. V , deren Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, im Rentenverfahren erhobenen Befunden. Dr. P beschreibt beim Kläger rezidivierende Beschwerden der Lendenwirbelsäule nach Bandscheibenoperation 1995 sowie ein allenfalls beginnen des degenerative Halswirbelsäulensyndrom ohne Nachweis peripherer Ausfälle. Dr. V hat dargelegt, dass beim Kläger ein Bandscheibenvorfall C 6/7 ohne neurolgoische Ausfallerscheinungen, ein Zustand nach Operation eines Banscheibenvorfalles L 4/5, eine Bandscheibenvorwölbung L 4/5 ohne Nervenwurzelreizung, eine mäßig ausgeprägte Verschleißkrankheit der unteren Lendenwirbelsäule sowie eine gering ausgeprägte Verkrümmung der Wirbelsäule feststellbar sind. Das Auftreten von Nervenreizerscheinungen bzw. Nervenwurzelreizerscheinungen sowie von schweren funktionellen Auswirkungen i. S. v. Nr. 26.18 S. 140 AP 1996 wird von den auf orthopädischem Gebiet gehörten Ärzte nicht beschrieben. Für das Funktionssystem "Rumpf" ist ein GdB von 20 anzusetzen, da in der Lendenwirbelsäule Schäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen bestehen (Nr. 26.18, S 140 AP 1996). Die Funktionsstörungen in der Hals- und Brustwirbelsäule rechtfertigen keine Erhöhung des GdB für das Funktionssystem "Rumpf" von 20 auf 30. Denn es handelt sich bei diesen Funktionsstörungen nach den Darlegungen von Dr. J allenfalls um endgradige bis leichte funktionelle Auswirkungen, die Dr. J jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet. Soweit Dr. J unter Berufung auf die Ausführungen von Schillings in den Anhaltspunkten 1996 in der ergänzenden Stellungnahme vom 06.03.2001 ausführt, dass bei einem Einzel-GdB von 20 für Wirbelsäulenschäden in der Lendenwirbelsäule sowie von jeweils 10 für Wirbelsäulenschäden in der Hals- und Brustwirbelsäule das Funktionssystem "Rumpf" zusammenfassend mit einem GdB von 30 zu bewerten ist, um zu vermeiden, dass die Einzel-GdB von 10 zum Nachteil des Klägers bei der GdB-Bewertung eines Funktionssystems nicht beachtet werden, ist diese GdB-Bewertung vorliegend mit den Vorgaben der AP 1996 nicht vereinbar. Der Sachverständige Dr. J hat selbst in der Stellungnahme vom 23.04.2001 eingeräumt, dass die funktionellen Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden beim Kläger mit denen von schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten nicht vergleichbar sind, die nach den Erfahrungssätzen der AP 1996 ein GdB von 30 (Nr. 26.18, S. 140) bedingen. Für die Bildung des Einzel-GdB für ein Funktionssystem i.S.v. Nr. 18 Abs. 4 AP 1996, in dem mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, sind Rechenmethoden ungeeignet. Vielmehr ist zu prüfen, inwieweit die Auswirkungen der mehreren Funktionsbeeinträchtigungen in einem Funktionssystem mit denen von Funktionsstörungen, für die die AP 1996 einen festen Einzel-GdB-Wert für das Funktionssystem vorsehen, zu vergleiche sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beim Kläger das häufige Auftreten von Nervenreizerscheinungen oder Nervenwurzelausfallerscheinungen nicht belegt ist und nach den anamnestischen Angaben des Klägers die Beschwerden der Lendenwirbelsäule im Vordergrund stehen. Zusammenfassend ist das Funtkionssystem "Rumpf" mit einem GdB von 20 zu bewerten, wobei sich dieser Wert im oberen Bereich bewegt.

Dem Funktionssystem "Haut" ist nach den Erfahrungssätzen der AP 1996 ein GdB von 20 beizumessen. Nach Nr. 26.17 S. 131 AP 1996 bedingt eine Psoriasis vulgaris, die auf die Prädiktionsstellen beschränkt ist, einen GdB von 0 bis 10, eine ausgedehnte aber mit erscheinungsfreien Intervallen von Monaten einen GdB von 20 sowie bei lang andauernden ausgedehnten Befall oder stark beeinträchtigenden lokalem Befall einen GdB von 30 bis 50. Ein andauernder ausgedehnter Befall des Klägers nicht objektiviert worden.

Der Kläger berichtet von dem Auftreten von großflächiger Schuppenflechte am Stamm, an den oberen und unteren Extremitäten sowie im Gesichts- und Kopfbereich. Eine Behandlung der Psoriasis durch Ärzte in den letzten Jahren ist nicht belegt. Die Sachverständigen haben bei der körperlichen Untersuchung des Klägers am Stamm, sowie an den oberen und unteren Extremitäten Psoriasis Effloreszenzen in unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Aktivität beschrieben.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. R besteht beim Kläger im Funktionssystem "untere Extremitäten" eine Polyneuropathie in Form einer Sensibilitätsminderung in beiden Beinen verbunden mit einem herabgesetzten Vibrationsempfinden ohne motorische oder trophische Funktionsausfälle. Als Folge der Sensibilitätsstörung werden die sensiblen und takilen Reize von den afferenten, d.h. die vom Fuß zum Gehirn verlaufenden, Nervenfasern nicht mehr ordnungsgemäß geleitet und somit das Lagesinnempfinden erniedrigt. Desweiteren hält Dr. R das vom Kläger geschilderte Auftreten von Schmerzen in den Füßen bei zunehmender Belastung für glaubhaft. Nach Nr. 26.4 S. 63 AP 1996 wird der GdB-Grad von motorischen Ausfällen bei Polyneuropathien in Analogie zu den peripheren Nervenschäden gebildet. Bei den sensiblen Störungen und Schmerzen als Folge einer Polyneuropathie ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen - z. B. bei Feinbewegungen - führen können. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass keine motorischen Ausfallerscheinungen beim Kläger feststellbar sind, ist für die funktionellen Auswirkungen der Polyneuropathie ein GdB von 20 anzusetzen. Hinzu tritt nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. J eine beginnende Knorpelschädigung beider Kniescheiben sowie ein Senk-Spreizfuß beidseits, die noch keine nach den AP 1996 relevanten Funktionsstörungen nicht zur Folge haben. Zusammenfassend ist für das Funktionssystem "untere Extremitäten" ein GdB von 20 anzusetzten.

Dem beidseitigen Karpaltunnelsyndrom ist ein GdB von 10 beizumessen. Der Sachverständige Dr. R hat nachvollziehbar ausgeführt, dass nach dem elektrophysiologischen Befund und den subjektiv glaubhaften Beschwerden des Klägers - Beschwerden beim Gewichte heben - ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom zu diagnostizierten ist. Der Ansatz eines höherer GdB als 10 für ist nach den Erfahrungssätzen der AP 1996 nicht gerechtfertigt. Nach Nr. 26.18 S. 147 AP 1996 verursacht vollständige Ausfall des Nervus medianus distal ein GdB vom 30. Teilausfälle des Nervus medianus sind entsprechend geringer zu bewerten. Motorische oder sensible Ausfallerscheinungen, wie z. B. Sensibilitätsstörungen in den ersten drei Fingern der beiden Hände, Atrophie der Daumenballenmuskulatur, Lähmung bei der Opposion oder Abduktion, Schädigung der vegetativen Fasern, liegen beim Kläger noch nicht vor.

Die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachte Stimmbandproblematik - nach längeren Sprechen Räuspern und Husten - bedingt nach den Erfahrungssätzen der AP 1996 allenfalls einen GdB von 10 (Nr. 26.7 S. 80). Danach wird eine funktionelle oder organische Stimmstörung mit guter Stimmung mit einem GdB von 0 bis 10 und mit dauernder Heiserkeit mit einem GdB von 20 bewertet. Dr. L hat ausgeführt, daß nach 10 Minuten Sprechen beim Kläger die Stimme flacher wird, Hustenanfälle auftreten und die Verständigungsmöglichkeiten nachläßt. Er hält den Kläger nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten mit permanentem Publikumsverkehr zu verrichten. Im Rahmen eines Büroarbeitstages ist nach Einschätzung von Dr. L eine verständigung in der Gruppe ohne weiteres möglich. Eine dauernde Heiserkeit des Klägers hat Dr. L oder ein anderer Schverständiger nicht beschrieben, ebenfalls wird eine solche Stimmbandstörung vom Kläger in den anamnestischen Angaben nicht geltend gemacht.

Der Zustand nach Schilddrüsenresektion verursacht keinen meßbaren GdB (Nr. 26.15 S. 123 AP 1996). Anhaltende Beeinträchtigungen als Folge der Schilddrüsenfunktionsstörung haben weder die den Kläger begutachtenden Ärzte Dr. L und Dr. G , dessen Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, auf internistischem Gebiet festgestellt noch werden solche von den behandelnden Ärzten beschrieben.

Die durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen bedingten Funktionsbeeinträchtigungen sind mit der Annahme eines GdB von 60 ausreichend bewertet. Nach den AP 1996 ist, ausgehend von der schwerwiegendsten Störung zu prüfen, ob und insoweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, daß leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und dass es bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung anzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgben ist der GdB von 40 für das Funktionssystem "innere Sekretion und Stoffwechsel" von 40 im Hinblick auf die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem "Rumpf" von 10 auf 50 zu erhöhen. Zum Erfordernis der Einhaltung einer bestimten Diät, Medikation und Strukturierung der Nahrungsaufnahme verbunden mit der Gefahr einer Unterzuckerung tritt eine Einschränkung der körperlichen Belastungsfähigkeit hinzu, die den Gesamtbehinderungszustand vergrößert. Nach Auffassung aller im Schwerbehinderten- und Rentenverfahren auf orthopädischem Fachgebiet gehörten Ärzten ist die Belastbarkeit des Achsenskeletts des Klägers dauerhaft gemindert, vor allem bei mittelschweren und schweren Arbeiten mit Zwanghaltung, häufigem Bücken und Knieen, Steigen auf Leitern und Gerüsten und Arbeiten mit erheblichen Temperaturschwankungen. Die Funktionsbeeinträchtigungen in den Funktionssystemen "Haut" und "untere Extremitäten" führen zu einer weiteren Vergrößerung des Gesamtbehinderungszustandes, die eine Anhebung des Gesamt-GdBs auf 60 rechtfertigt. Im Hinblick darauf, dass sich die funktionellen Auswirkungen der Funktionsstörungen in den beiden Funktionssystemen "Rumpf" und "untere Extremitäten" nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Dr. Riemann insoweit teilweise überschneiden, als durch die Wirbelsäulenschäden der Lendenwirbelsäule und die Polyneuropathie Tätigkeiten auf Gerüsten und Leitern nicht mehr möglich sind und Schmerzen in den Beinen anfallen, kann der Gesamt-GdB entgegen der Auffassung des Sachverständigen Dr. Laros nicht auf 70 angehoben werden. Denn bei den Gesundheitsstörungen, die mit einem GdB von 20 bewertet werden, handelt es sich nicht um völlig vorneinander unabhängigen Funktionsstörungen, die unterschiedliche Abläufe im täglichen Leben betreffen, sondern liegt eine teilweise Überschneidung der funtkionellen Auswirkungen vor. Die übrigen Gesundheitsstörungen, die mit einem GdB von 10 bewertet sind, haben keine Erhöhung des Gesamtbehinderungszustandes zur Folge.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Anlaß, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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