Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 17 Vs 84/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SVs 2/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.12.1995 abgeändert. Der Beklagte trägt die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, die dem Kläger dadurch entstanden sind, daß er - anwaltlich vertreten - Untätigkeitsklage erhoben hat.
Mit Bescheid vom 05.12.1994 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz mit 60 fest. Der Kläger hielt die getroffenen Feststellungen nicht für ausreichend und begehrte mit Widerspruch vom 09.12.1994 die Feststellung eines höheren GdB. Nachdem ihm der Beklagte Verfahrensunterlagen übersandt hatte, begründete der Kläger im Januar 1995 seinen Widerspruch und legte dazu weitere medizinische Unterlagen vor, die der Beklagte im März 1995 ärztlich auswerten ließ. Ende März 1995 teilte er dem Kläger mit, daß eine Abhilfe nicht möglich und die Angelegenheit zur Widerspruchsentscheidung an das Landesversorgungsamt abgegeben worden sei. Nachdem ein Bediensteter des Beklagten dem Kläger auf telefonische Anfrage mitgeteilt hatte, das Widerspruchsverfahren werde etwa zwei Jahre dauern, schaltete der Kläger seinen Anwalt ein, der am 02.05.1995 die Erledigung des Widerspruchs bis Mitte Mai 1995 an mahnte und, sofern es erforderlich werde, eine Untätigkeitsklage in Aussicht stellte. Ohne näher auf den Verfahrensstand einzugehen, antwortete der Beklagte mit einem Formularschreiben vom 04.05.1995, in welchem er auf die Vielzahl von Widersprüchen und die schlechte Personalsituation hinwies. Er sagte zu, "jedoch bemüht zu sein, so bald als möglich über den Widerspruch zu entscheiden". Eine entsprechende Schreibverfügung betreffend eine zurückweisende Entscheidung wurde bereits am 09.05.1995 getroffen, der entsprechende Widerspruchsbescheid erging jedoch erst am 19.06.1995, ohne daß dies dem Kläger angekündigt worden war.
Bereits vorher hatte der Bevollmächtigte des Klägers am 02.06.1995 Untätigkeitsklage erhoben und darauf hingewiesen, daß er keine Informationen über den Verfahrensablauf erhalten habe, vielmehr nur den Hinweis des Beklagten auf seine Bemühungen. Angesichts dessen sei Klage geboten.
Nach Erlaß des Widerspruchsbescheides hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
dem Beklagten die Kosten des Klageverfahrens aufzuerlegen.
Dies hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Beschluss vom 29.12.1995 abgelehnt, weil der Beklagte einen zureichenden Grund für die Überschreitung der Bescheidungsfrist gehabt habe. Bei der gerichtsbekannten Vielzahl der Widersprüche sowie des Personalmangels sei davon auszugehen, daß der Widerspruchsbescheid erst zweieinhalb Monate nach Eingang der Akten beim Landesversorgungsamt habe erteilt werden können.
Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger den Kostenanspruch weiter. Das SG hat nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten. Zutreffend ist das SG bei seiner Entscheidung von § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgegangen. Im Rahmen der nach sachgemäßen Ermessen gemäß § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz SGG zu treffenden Kostenentscheidung kann neben dem Maß des tatsächlichen oder mutmaßlichen Obsiegens u.a. auch von Bedeutung sein, ob einer oder mehrere Beteiligte anderen durch ihr prozessuales oder vorprozessuales Verhalten Veranlassung gegeben haben, Rechtsschutz zu suchen. Insbesondere kommt dies etwa dann in Betracht, wenn der Beklagte den Kläger durch eine zögerliche Sachbearbeitung veranlaßt hätte, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ein derartiges Fehlverhalten ist dem Beklagten anzulasten. Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage, die nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG erhoben worden ist, fallen in der Regel die Kosten dem Beklagten ganz zur Last, wenn ein Kläger oder eine Klägerin nach den ihnen bekannten Umständen mit der vom Gesetz angeordneten Bescheidung binnen der genannten Frist rechnen durfte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 5. Aufl., 1993, § 193, RN 13). Nach dem gesetzlichen Auftrag hat der Beklagte von sich aus alles zu tun, um das Verfahren in der maßgeblichen Zeit zum Abschluß zu bringen.
Zureichende Gründe für die Verlängerung des Bearbeitungszeitraumes können Umstände wie z.B. eine vorübergehende besondere Belastung, der Umzug einer Behörde, besondere Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung, mangelnde Mitwirkung eines Beteiligten sein. Kein zureichender Grund ist dauernder, sogar beim SG schon gerichtsbekannter Personalmangel, weil der Beklagte angesichts des gesetzlichen Auftrags gehalten ist, seinen Personalbedarf zu erhöhen, wenn seit langem Widerspruchsentscheidungen nicht innerhalb der - gegenüber dem Bereich der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bereits erweiterten - Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG ergehen. Dies folgt aus seiner organisatorischen Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug. In diesem Falle hilft auch eine pauschale, formularmäßige Benachrichtigung des Widerspruchsführers nicht, den Beklagten zu entlasten. Das gilt im vorliegenden Falle deshalb besonders, weil der Kläger mit seinem Mahnschreiben glaub haft vorgetragen hatte, Bedienstete des Beklagten hätten ihm er klärt, er müsse ca. zwei Jahre auf den Widerspruchsbescheid warten. Der Umstand, daß der Beklagte nur recht unverbindlich sein "Bemühen" um eine baldige Erledigung in Aussicht gestellt hatte, nicht aber konkret auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der offenbar schon ins Auge gefaßten Entscheidung hingewiesen und die Auskunft seiner Bediensteten als überzogen zurückgewiesen hat, mußte bei dem Kläger den Eindruck erwecken, er werde nur hingehalten, vertröstet und mit seiner, auf gesetzlichen Vorschriften beruhenden Mahnung nicht ernstgenommen. Dies rechtfertigt es, dem Beklagten die Verfahrenskosten nach § 193 SGG aufzuerlegen, ob gleich - wie dem SG zuzugestehen ist -, die Fristüberschreitung durch den Beklagten nur relativ gering war, zumal der Kläger erst im Januar 1995 eine Begründung zu seinem Rechtsbehelf vorgelegt und erst damit den Lauf der angemessenen Bearbeitungsfrist in Gang gesetzt hatte.
Über die Höhe der doch recht beträchtlich erscheinenden Kostenforderung des Klägers hat der Senat nicht zu befinden. Dies ist Sache des Festsetzungsverfahrens nach § 197 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, die dem Kläger dadurch entstanden sind, daß er - anwaltlich vertreten - Untätigkeitsklage erhoben hat.
Mit Bescheid vom 05.12.1994 stellte der Beklagte gegenüber dem Kläger den Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz mit 60 fest. Der Kläger hielt die getroffenen Feststellungen nicht für ausreichend und begehrte mit Widerspruch vom 09.12.1994 die Feststellung eines höheren GdB. Nachdem ihm der Beklagte Verfahrensunterlagen übersandt hatte, begründete der Kläger im Januar 1995 seinen Widerspruch und legte dazu weitere medizinische Unterlagen vor, die der Beklagte im März 1995 ärztlich auswerten ließ. Ende März 1995 teilte er dem Kläger mit, daß eine Abhilfe nicht möglich und die Angelegenheit zur Widerspruchsentscheidung an das Landesversorgungsamt abgegeben worden sei. Nachdem ein Bediensteter des Beklagten dem Kläger auf telefonische Anfrage mitgeteilt hatte, das Widerspruchsverfahren werde etwa zwei Jahre dauern, schaltete der Kläger seinen Anwalt ein, der am 02.05.1995 die Erledigung des Widerspruchs bis Mitte Mai 1995 an mahnte und, sofern es erforderlich werde, eine Untätigkeitsklage in Aussicht stellte. Ohne näher auf den Verfahrensstand einzugehen, antwortete der Beklagte mit einem Formularschreiben vom 04.05.1995, in welchem er auf die Vielzahl von Widersprüchen und die schlechte Personalsituation hinwies. Er sagte zu, "jedoch bemüht zu sein, so bald als möglich über den Widerspruch zu entscheiden". Eine entsprechende Schreibverfügung betreffend eine zurückweisende Entscheidung wurde bereits am 09.05.1995 getroffen, der entsprechende Widerspruchsbescheid erging jedoch erst am 19.06.1995, ohne daß dies dem Kläger angekündigt worden war.
Bereits vorher hatte der Bevollmächtigte des Klägers am 02.06.1995 Untätigkeitsklage erhoben und darauf hingewiesen, daß er keine Informationen über den Verfahrensablauf erhalten habe, vielmehr nur den Hinweis des Beklagten auf seine Bemühungen. Angesichts dessen sei Klage geboten.
Nach Erlaß des Widerspruchsbescheides hat der Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
dem Beklagten die Kosten des Klageverfahrens aufzuerlegen.
Dies hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Beschluss vom 29.12.1995 abgelehnt, weil der Beklagte einen zureichenden Grund für die Überschreitung der Bescheidungsfrist gehabt habe. Bei der gerichtsbekannten Vielzahl der Widersprüche sowie des Personalmangels sei davon auszugehen, daß der Widerspruchsbescheid erst zweieinhalb Monate nach Eingang der Akten beim Landesversorgungsamt habe erteilt werden können.
Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger den Kostenanspruch weiter. Das SG hat nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten. Zutreffend ist das SG bei seiner Entscheidung von § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgegangen. Im Rahmen der nach sachgemäßen Ermessen gemäß § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz SGG zu treffenden Kostenentscheidung kann neben dem Maß des tatsächlichen oder mutmaßlichen Obsiegens u.a. auch von Bedeutung sein, ob einer oder mehrere Beteiligte anderen durch ihr prozessuales oder vorprozessuales Verhalten Veranlassung gegeben haben, Rechtsschutz zu suchen. Insbesondere kommt dies etwa dann in Betracht, wenn der Beklagte den Kläger durch eine zögerliche Sachbearbeitung veranlaßt hätte, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Ein derartiges Fehlverhalten ist dem Beklagten anzulasten. Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage, die nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG erhoben worden ist, fallen in der Regel die Kosten dem Beklagten ganz zur Last, wenn ein Kläger oder eine Klägerin nach den ihnen bekannten Umständen mit der vom Gesetz angeordneten Bescheidung binnen der genannten Frist rechnen durfte (vgl. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 5. Aufl., 1993, § 193, RN 13). Nach dem gesetzlichen Auftrag hat der Beklagte von sich aus alles zu tun, um das Verfahren in der maßgeblichen Zeit zum Abschluß zu bringen.
Zureichende Gründe für die Verlängerung des Bearbeitungszeitraumes können Umstände wie z.B. eine vorübergehende besondere Belastung, der Umzug einer Behörde, besondere Schwierigkeiten bei der Sachaufklärung, mangelnde Mitwirkung eines Beteiligten sein. Kein zureichender Grund ist dauernder, sogar beim SG schon gerichtsbekannter Personalmangel, weil der Beklagte angesichts des gesetzlichen Auftrags gehalten ist, seinen Personalbedarf zu erhöhen, wenn seit langem Widerspruchsentscheidungen nicht innerhalb der - gegenüber dem Bereich der Kranken- und Arbeitslosenversicherung bereits erweiterten - Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG ergehen. Dies folgt aus seiner organisatorischen Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug. In diesem Falle hilft auch eine pauschale, formularmäßige Benachrichtigung des Widerspruchsführers nicht, den Beklagten zu entlasten. Das gilt im vorliegenden Falle deshalb besonders, weil der Kläger mit seinem Mahnschreiben glaub haft vorgetragen hatte, Bedienstete des Beklagten hätten ihm er klärt, er müsse ca. zwei Jahre auf den Widerspruchsbescheid warten. Der Umstand, daß der Beklagte nur recht unverbindlich sein "Bemühen" um eine baldige Erledigung in Aussicht gestellt hatte, nicht aber konkret auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der offenbar schon ins Auge gefaßten Entscheidung hingewiesen und die Auskunft seiner Bediensteten als überzogen zurückgewiesen hat, mußte bei dem Kläger den Eindruck erwecken, er werde nur hingehalten, vertröstet und mit seiner, auf gesetzlichen Vorschriften beruhenden Mahnung nicht ernstgenommen. Dies rechtfertigt es, dem Beklagten die Verfahrenskosten nach § 193 SGG aufzuerlegen, ob gleich - wie dem SG zuzugestehen ist -, die Fristüberschreitung durch den Beklagten nur relativ gering war, zumal der Kläger erst im Januar 1995 eine Begründung zu seinem Rechtsbehelf vorgelegt und erst damit den Lauf der angemessenen Bearbeitungsfrist in Gang gesetzt hatte.
Über die Höhe der doch recht beträchtlich erscheinenden Kostenforderung des Klägers hat der Senat nicht zu befinden. Dies ist Sache des Festsetzungsverfahrens nach § 197 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
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