L 10 SB 21/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 36 SB 20/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SB 21/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 1999 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Im übrigen werden der Klägerin anteiligte Gerichtskosten in Höhe von 700,-- DM auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich der außergewöhnlichen Gehbehinderung (Merkzeichen "aG") vorliegen.

Die 1950 geborene Klägerin war von Beruf Rechtspflegerin. 1989 wurde sie wegen ihrer Gesundheitsstörungen aufgrund amtsärztlicher Untersuchung in den vorzeitigen Ruhestand versetzt.

Am 18.04.1995 beantragte sie unter Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens von Dr. L ..., Gesundheitsamt des Kreises M., die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und des Nachteilsausgleichs "aG". Sie leide an einer allergischen und autoallergischen Immunstörung mit rheumatischer Erkrankung und Ischialgie sowie an einer erheblichen Kreislauflabilität. Wegen der Duftstoffallergie sei ihr die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und Taxen nicht möglich. Aufgrund von Erschöpfungs- und Schwächezuständen könne sie nicht lange laufen und müsse - auch wegen der Wirbelsäule -, Gelenk- und Ischiasschmerzen - zeitweise von Verwandten im eigenen Auto gefahren werden. Die Beschaffung der für sie geeigneten Nahrungsmittel in besonderen Geschäften sei nur mit einem Auto möglich, wenn sie in der Nähe des Fahrzieles parken könne.

Das Versorgungsamt Düsseldorf holte von den behandelnden Ärzten Prof. S ... und Dr. K ... Befundberichte ein. Ferner erstattete Oberregierungsmedizinalrätin A ... aufgrund ambulanter Untersuchung ein Gutachten. Der Ärztin lag die Bescheinigung des Psychologen H ... vor, bei der die Klägerin seit 1983 in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung stand. Sodann stellte der Beklagte durch Bescheid vom 14.11.1995 folgende Funktionsstörungen mit einem GdB von 50 fest:

1. Allergische Erkrankung mit Körperschwäche und psychastnenischer Erschöpfung

2. Wirbelsäulenfehlstellung.

Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie erneut eine außergewöhnliche Gehbehinderung geltend machte, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 08.01.1996 zurück. Er verneinte das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.

Am 17.01.1996 hat die Klägerin beim Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und unter Vorlage zahlreicher ärztlicher Bescheinigungen vorgetragen, der GdB sei mit 80 zu bewerten. Zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung hat sie ergänzend zu ihrem Vortrag im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, wegen der Rücken- und Gelenkbeschwerden, der vorzeitigen Erschöpfung bis zum Zusammenbruch könne sie nur noch kleinere Wegstrecken zu Fuß zurücklegen. Träten von den Allergien und Tetanien ausgehende Schwindelanfälle auf, bedürfe sie sofort ärztlicher Hilfe und könne selbst kleine Entfernungen nicht mehr zu Fuß bewältigen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 14.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.1996 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 80 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "aG" festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides gestützt.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. B ..., eines psychiatrischen Gutachtens von Dr. L .../Dr. H ... - G ... und deren ergänzender Stellungnahme. Der Sachverständige B ... hat degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit wiederkehrenden neurologischen Reizerscheinungen festgestellt und dafür einen GdB von 10 angenommen. Bezüglich der objektivierbaren schmerzhaften Verspannungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule sei eine subjektive Überlagerung unverkennbar. Die Röntgenaufnahmen zeigten dezente degenerative Wirbelsäulenveränderungen, so daß die geklagte Ichiasneuralgie mit starken Schmerzen durchaus glaubhaft sei. Die übrigen Gelenke seien in einem altersentsprechenden Ausmaß zu bewegen, wenngleich in erster Linie nur passiv. Es ergebe sich kein Anhalt für eine Bechterew sche Erkrankung. Eine Osteoporose sei durchaus wahrscheinlich. Sie bedinge jedoch keinen GdB. Eine erhebliche und außergewöhnliche Gehbehinderung hat der Sachverständige B ... verneint. Die Sachverständigen L .../H ... haben eine histrionische Persönlichkeitsstruktur mit Dramatisierung bezüglich der eigenen Person sowie Verlangen nach Anerkennung durch andere und daneben auch anankastische Persönlichkeitsanteile mit Perfektionismus, übermäßiger Gewissenhaftigkeit und Pedanterie beschrieben. Im Vordergrund stehe eine Somatisierungsstörung mit seit mehreren Jahren anhaltenden multiplen und unterschiedlichen körperlichen Symptomen (Wirbelsäulen-, Gelenkbeschwerden, Bauchbeschwerden, Kreislaufkollaps, allergische Reaktionen, vor allem auf Düfte, Schwindel, Herzrasen, brennende Augen, asthmatische Beschwerden, Übelkeit, Erbrechen), für die keine ausreichende somatische Erklärung gefunden worden sei. Begleitend habe sich im Laufe der Jahre eine rezidivierende, inzwischen lang anhaltende, chronifizierte schwere depressive Episode entwickelt mit bedrückter Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Verminderung des Antriebes sowie erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung bereits nach nur kleinen Anstrengungen, z.B. durch Erledigung leichtester Hausarbeit. Begleitet werde die Symptomatik durch negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, zeitweilig gestörten Schlaf, gestörten Appetit mit Gewichtsverlust und massive Einschränkung der sozialen und beruflichen Aktivitäten. Die Klägerin habe kaum noch bzw. nur telefonischen Kontakt auch zu nahen Angehörigen oder Freunden. Sie lebe nur in ihrem eigenen System. Der depressive Zustand erscheine durch das histrionische Verhalten verdeckt, sei aber dahinter in aller Deutlichkeit spürbar und bei exakter Exploration sehr eindrücklich. Für das psychiatrische Leiden sei ein GdB mit 80 anzunehmen. Der auf orthopädischem Fachgebiet festgestellte GdB von 10 führe zu keiner Erhöhung. Die Sachverständigen habe eine außergewöhnliche Gehbehinderung bejaht. Die Klägerin leide zwar nicht an einer organisch begründbaren Gehbehinderung im eigentlichen Sinne, sei also durchaus in der Lage zu laufen. Aufgrund der schweren psychischen Erkrankung, nämlich der Somatisierungsstörung, des schweren depressiven Leidens und der Antriebsminderung, sei sie dauerhaft nicht in der Lage, übliche Wegstrecken zurückzulegen, so daß dies einer Gehbehinderung von Querschnittsgelähmten oder anderen massiv Gehbehinderten gleichkomme. Ihre körperliche Belastbarkeit sei als äußerst gering einzustufen. Insgesamt könne sie allenfalls nur kurze Wegstrecken zurücklegen mit Entfernungen deutlich unter 2 km. Ergänzend haben die Sachverständigen ausgeführt, wenn man streng dem Gesetzestext folge, liege bei der Klägerin eine solche Beeinträchtigung, die einer Gehbehinderung von Querschnittsgelähmten oder anderen massiv Gehbehinderten gleichkomme, noch nicht dauerhaft vor. Es gäbe auch Tage, an denen es ihr besser gehe und sie nicht in dieser Art beeinträchtigt sei. Sicherlich liege auch keine organische Krankheit vor, die eine solche Einstufung rechtfertige. Dieses beschreibe jedoch gerade das Dilemma, in dem sich die Klägerin ohnehin befinde, daß sie selbst und viele der früher aufgesuchten Ärzte bei der Schwere der Erkrankung nach organischen Ursachen gesucht hätten und suchten und die Schwere der psychischen Störungen nicht berücksichtigten und dies der Gesetzgeber bisher auch nicht tue, so daß ihr aus dieser Sichtweise, die der Schwere der Erkrankung nicht gerecht werde, das Merkmal "aG" nicht zuerkannt werden könne.

Mit Urteil vom 25.02.1999 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, einen GdB von 80 festzustellen und die auf die Feststellung des Nachteilsausgleichs "aG" gerichtete Klage abgewiesen. Für die psychische Erkrankung sei unter Berücksichtigung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP), die für schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 80 bis 100 vorsähen, ein GdB von 80 gerechtfertigt. Eine außergewöhnliche Gehbehinderung hat das SG verneint, weil die Klägerin nicht zu dem in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 46 Straßenverkehrsordnung (STVO) genannten Personenkreis gehöre und diesem auch nicht hinsichtlich der Gehfähigkeit gleichzusetzen sei. Dem psychiatrischen Sachverständigen sei insoweit nicht zu folgen, sondern der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG), daß nicht allgemeine Erschwernisse, sondern nur die außergewöhnliche Behinderung beim Gehen, die Inanspruchnahme der begrenzt zur Verfügung stehenden Behindertenparkplätze rechtfertige.

Gegen das ihr am 26.03.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14.04.1999 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie könne außerhalb ihres Kraftfahrzeuges kurze Wegstrecken nur mit großer Anstrengung oder fremder Hilfe zurücklegen, somit sei von einer außergewöhnlichen Gehbehinderung auszugehen. Es lägen auch nicht nur allgemeine Erschwernisse beim Gehen vor, ebensowenig bloße Antriebsstörungen. Es handele sich bei ihr vielmehr um ein psychisches Leiden, das in seinen Auswirkungen denen einer ernsthaften organischen Erkrankung gleichkomme.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Düsseldorf vom 26. Februar 1999 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Januar 1996 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "außergewöhnliche Gehbehinderung" (Merkzeichen aG) festzustellen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26. Februar 1999 zurückzuweisen.

Er hat auf die Rechtsprechung des BSG verwiesen, wonach eine außergewöhnliche Gehbehinderung nur vorliege, wenn die Möglichkeit der Fortbewegung in einem hohen Maße eingeschränkt sei, wobei ausdrücklich auf die Behinderungen beim Gehen abzustellen sei. Die psychischen Leiden der Klägerin wirkten sich auf die Gehfähigkeit nicht funktional aus, so daß eine Gleichstellung mit dem in den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften genannten Personenkreis nicht in Betracht komme.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage, soweit diese auf die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" gerichtet war, abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 14.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.1996 beschwert die Klägerin insoweit nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG".

Gemäß § 4 Abs. 4 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) hat das Versorgungsamt die Voraussetzungen für diesen Nachteilsausgleich festzustellen und das Merkzeichen "aG" in den Schwerbehindertenausweis einzutragen (§ 3 Abs.1 Nr. 3 der Ausweisverordnung Schwerbehindertengesetz - SchwbAwV - i.v.m. § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz - StVG -). Wer als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen ist, legt das Schwerbehindertenrecht nicht fest. Es verweist hierzu auf den durch straßenverkehrsrechtliche Vorschriften definierten Begriff. Danach ist außergewöhnlich gehbehindert, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Fahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen: Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsrechtlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, die dem vorstehend aufgeführten Personenkreis gleichzustellen sind (allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung - VwV - StVO vom 19.03.1992 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung - StVO -).

Zu dem in der VwV - StVO - ausdrücklich genannten Personenkreis gehört die Klägerin nicht.

Sie ist diesem auch nicht gleichzustellen. Eine Gleichstellung setzt voraus, daß bei dem Behinderten, der die Anerkennung als außergewöhnlich Gehbehinderter anstrebt, in funktioneller Hinsicht eine Einschränkung vorliegt, die der Einschränkung entspricht, die bei dem ausdrücklich bezeichneten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten regelmäßig vorliegt, d.h. er muß in seiner Gehfähigkeit ebenso eingeschränkt sein. Aus dem in der genannten Verwaltungsvorschrift enthaltenen Hinweis auf den "vorstehend angeführten Personenkreis" folgt, daß die Auswirkungen der bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen denen des genannten Personenkreises funktionell gleichzuachten sind. Der Leidenszustand muß also ebenfalls wegen einer außergewöhnlichen Behinderung beim Gehen die Fortbewegung auf das schwerste einschränken (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - in: SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 11; BSG, Urteil vom 17.12.1997 - 9 RVs 16/96 - in: SozR 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 22). Der Klägerin muß der unausweisliche Fußweg zwischen einem ordnungsmäßig haltenden oder parkenden Fahrzeug und dem angestrebten Ziel in ähnlicher Weise außerordentlich schwerfallen wie den ausdrücklich genannten Personen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß jede Ausweitung des Kreises der Berechtigten sich nachteilig auf den zu schützenden Personenkreis auswirken würde. Denn innerstädtische Parkflächen können nicht beliebig vermehrt werden. Im Interesse aller Verkehrsteilnehmer muß möglichst an deren Gleichberechtigung festgehalten werden (BSG, Urteil vom 29.01.1992 - 9 a RVs 4/90 in: br. 1992, Seite 91 ff.; BSG, Urteil vom 17.12.1997 aaO). Die geforderte gleichstarke Beeinträchtigung der Klägerin wie bei den in der VwV - StVO - aufgeführten Personen ist vorliegend nicht nachgewiesen. Die Klägerin ist durchaus in der Lage sich fortzubewegen. Der Sachverständige Baumgardt hat ihr Gangbild als normal ohne erkennbares Hinken beschrieben. Er hat auf seinem Fachgebiet lediglich degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit wiederkehrenden Reizerscheinungen festgestellt, die er mit einem GdB von 10 bewertet hat. Zu Bewegungen, die der Überprüfung des Fußbodenabstandes und der Schober und Ott schen Zeichen dienen sollten, sah sich die Klägerin außerstande. Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates hat der Sachverständige bei der von ihm vorgenommenen - passiven - Beweglichkeitsüberprüfung nicht festgestellt. Die Beweglichkeit der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke entsprach den in den AHP 1996 Nr. 8 (Seite 15) angegebenen normalen Bewegungsausmaßen. Die Behauptung der Klägerin, der Sachverständige habe die Überprüfung der Bewegungsfähigkeit "gegen den natürlichen Schmerzwiderstand mit Gewalt" durchgeführt und sie hätte wegen der bei der Untersuchung verursachten Brustwirbelblockierung mit Akkupunktur behandelt werden müssen, ist unerheblich. Denn daß die Klägerin ihre Gehwerkzeuge benutzen kann, wird auch von den Sachverständigen L .../H ... bestätigt, die die Klägerin jedoch aufgrund der bei ihr vorliegenden ausgeprägten Antriebsminderung und einer als äußerst gering einzustufenden körperlichen Belastbarkeit nur noch für in der Lage erachtet haben, allenfalls kurze Wegstrecken mit Entfernungen deutlich unter 2 km zurückzulegen. Derartige, durch psychische Leiden bedingte Störungen rechtfertigen die Gleichsetzung mit dem in der VwV - StVO - angeführten Personenkreis ebenfalls nicht. Denn diese Beeinträchtigungen bewirken nicht, daß die Beine und Füße die ihnen zukommende Funktion der Fortbewegung nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen erfüllen (BSG, Urteil vom 17.12.1997 aaO). Abgesehen davon erfüllt eine "allenfalls kurze Wegstrecke mit Entfernungen deutlich unter 2 km", zu deren Zurücklegung die Sachverständigen L .../H ... die Klägerin noch für in der Lage erachtet haben, angesichts der Auffassung des BSG, eine Gehfähigkeit von 200 m reiche nicht aus (Beschluss vom 15.02.1995 - 9 BH Vs 1/94), nicht die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Auch die Klägerin selbst hat vorgetragen, im Sommer 300 bis 500 m gehen zu können, sofern keine Allergene einwirkten.

Daß die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag bei schubweise auftretenden Schwindelzuständen, Kreislaufschwäche sowie Tetanieanfällen, mit denen sie jederzeit rechnen müsse, im Sommer bei Allergeneinwirkung und im Winter wegen der Kälte nicht in der Lage ist, auch nur kleine Entfernungen zurückzulegen, rechtfertigt die erforderliche Gleichstellung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ebenfalls nicht.

Im Falle eines Behinderten, bei dem ein hirnorganisches Anfallsleiden als Funktionsstörung festgestellt worden war, hat das BSG (Urteil vom 29.01.1992 aaO) die dauernde Gefahr des Eintrittes einer außergewöhnlichen Gehunfähigkeit ein Fortbestehen derselben nicht gleichgeachtet. Gefährdungen dieser Art bestünden bei zahllosen Behinderten mit hirnorganischen Anfallsleiden sowie bei unzähligen Personen mit anderen Erkrankungen, die gelegentlich zu einem anfallsartigen Zusammenbruch führten. Diese Personen könnten die notwendigen Strecken zwischen dem vorschriftsmäßig abgestellten Kraftfahrzeug und ihrem jeweiligen Ziel zurücklegen, wenn auch manche unter Umständen mit gewissen Mühen. Wenn die Parkvergünstigung auf sie ausgedehnt würde, widerspräche das dem dargelegten Zweck der Ausnahmegenehmigung. Falls einmal unmittelbar vor oder nach Verlassen eines Kraftfahrzeuges ein Anfall aufträte und Gehunfähigkeit verursachte, bestünde ein Notfall, der nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu einem straffreien Abweichen von der für alle Verkehrsteilnehmer bestehenden Parkregelung berechtigte.

Die Berufung konnte nach alledem kein Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 192, 193 SGG.

Nach § 192 kann das Gericht einem Beteiligten, der durch Mutwillen dem Gericht Kosten verursacht hat, diese ganz oder teilweise auferlegen. Mutwillen eines Beteiligten liegt vor, wenn er die Erfolglosigkeit weiterer Prozeßführung kennt und entgegen seiner besseren Einsicht von weiterer Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt (Vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.06.1961 - 3 RK 67/60 - in: SozR Nr. 4 zu § 192 SGG; BSG, Urteil vom 14.08.1986 - 2 BU 39/86 - in: HV - Info 1986, 1516 - 1519). Auch derjenige, der eine mit Nachweisen belegte Rechtsauffassung durch ein Rechtsmittel bekämpft, ohne die Nachweise auch nur zur Kenntnis zu nehmen, handelt mutwillig (BSG, Beschluss vom 14.08.1992 - 9 b BAR 14/92 -).

Hier hat der Senat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil die Klägerin trotz Einsicht in die Erfolglosigkeit der Prozeßführung auf der weiteren Rechtsverfolgung bestanden hat. Mit der Klägerin sind die Sach- und Rechtslage sowie die einschlägigen Entscheidungen des BSG eingehend erörtert worden. Ihr ist mitgeteilt worden, daß und weshalb ihre Berufung keinen Erfolg haben und die Revision nicht zugelassen werden würde. Der Senat hat aufgrund des Verhaltens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, daß sie, die als Rechtspflegerin beruflich tätig war, die Erfolglosigkeit der Prozeßführung nach Beratung mit ihrer Prozeßbevollmächtigten eingesehen und entgegen dieser Einsicht von der weiteren Rechtsverfolgung keinen Abstand genommen hat. Sachgerechte Gründe für ihr Verhalten hat sie nicht angegeben, so daß die Fortführung des Streitverfahrens nur als mutwillig angesehen werden kann. Deswegen ist die Anwendung des § 192 SGG geboten. Die Gemeinschaft der Steuerzahler ist von einer mißbräuchlichen Ausnutzung der grundsätzlichen Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens zu schützen.

Zu den Kosten, die einem Beteiligten nach § 192 SGG auferlegt werden können, gehören auch die Kosten der Gerichtshaltung, die bei sachgerechtem Verhalten der Klägerin vermieden worden wären.

Da es sich insoweit um eine Schadensersatzregelung handelt, kann ihre Höhe nach § 202 SGG i.V.m. § 287 Zivilprozeßordnung geschätzt werden (BSG, Urteil vom 14.08.1986 a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches LSG, SGb 1980, 309, 310 mit Anmerkung von Hommel 314). Die Senatsberatung, Urteilsverkündung und -begründung, die weitere richterliche und verwaltungsmäßige Bearbeitung, Urteilsabsetzung, Herstellen und Zustellen der Urteilsausfertigungen sowie die Abschlußarbeiten der Geschäftsstelle verursachen zusätzliche Aufwendungen, deren tatsächliche Höhe erheblich über dem vorsorglich auf 700,00 DM begrenzten Teilbetrag liegt (vgl. dazu Urteil des LSG NRW vom 11.11.1987 - L 12 Ar 158/85 - m.w.N.).

Die übrige Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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