L 12 AL 176/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AL 224/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 176/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 128/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. August 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob eine vom Vater der Klägerin gewährte freiwillige Unterstützung auf die Arbeitslosenhilfe der Klägerin als Einkommen anzurechnen ist oder nicht.

Die am ...1974 geborene Klägerin bezog von der Beklagten Arbeitslosenhil fe. Zuletzt wurde ihr ab 01.10.1999 Arbeitslosenhilfe für ein weiteres Jahr bewilligt. Ab 01.01.2000 betrug die wöchentliche Leistung 209,79 DM nach Lei stungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz und einem Bemessungsentgelt von 550,-- DM. Die Leistungsgewährung war vom 29.05. bis 07.07.2000 wegen eines genehmigten Auslandsaufenthalts unterbrochen. Vom 08.07. bis 30.11.2000 bezog sie erneut Arbeitslosenhilfe in Höhe von nunmehr 207,27 DM pro Woche. Ab dem 01.12.2000 nahm sie eine selbstständige Tätigkeit auf.

Durch eine Mitteilung des Finanzamtes Hagen vom 24.07.2001 wurde der Beklagten bekannt, dass die Klägerin im Kalenderjahr 2000 Unterstützungsleistungen von ihren Eltern in Höhe von insgesamt 2.000,-- DM erhalten habe. Den Erhalt dieser Leistungen hat die Klägerin der Beklagten gegenüber nicht angegeben. Nach erfolgter Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2001 die Be willigung von Arbeitslosenhilfe teilweise für die Zeit ab 25.02.2000 bis 30.11.2000 auf und forderte den durch die Anrechnung überzahlten Betrag in Höhe von 1.434,01 DM zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe von ihren Eltern laut Mitteilung des Finanzamtes in Höhe von 2.000,-- DM Un terstützungsleistungen erhalten, die mit monatlich 166,66 DM auf die Arbeits losenhilfe als Einkommen anzurechnen seien. Der dagegen eingelegte Widerspruch, der damit begründet wurde, die Gelder der Eltern seien freiwillige Leistungen, eine Unterhaltsverpflichtung habe nicht bestanden und die Zahlun gen könnten somit nicht auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet werden, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2002 zurückgewiesen.

Am 26.07.2002 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben und sich im wesentlich dagegen gewandt, dass die freiwilligen Unterstützungsleistungen ihrer Eltern auf ihre Arbeitslosenhilfe angerechnet würden. Die Klägerin hat diese Anrechnung nicht für gerechtfertigt gehalten.

Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 18.10.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2000 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die freiwilligen Unterstüt zungsleistungen der Eltern als Einkommen auf die Arbeitslosenhilfe der Kläge rin anzurechnen seien.

Mit Urteil vom 30.08.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Be gründung hat es angeführt. Die Unterstützungsleistungen der Eltern seien auf die Arbeitslosenhilfe anzurechnen. Dies folge aus § 194 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III). Auch wenn die Eltern der Klägerin gegen über nicht zum Unterhalt verpflichtet gewesen seien, so seien doch regelmäßig Unterstützungsleistungen gezahlt worden. Zu den Einnahmen in Geld zählten auch Schenkungen.

Gegen dieses ihr am 10.09.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.09.2002 eingegangene Berufung der Klägerin. Sie vertritt die Auffassung, dass die freiwilligen Leistungen ihrer Eltern nicht als Einkommen auf ihre Arbeitslosenhilfe anzurechnen seien. Dies folge aus § 194 Abs. 3 Nr. 8 SGB III. Sie sei volljährig und habe keinerlei Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern. Ihr Vater sei auch nicht leistungsfähig. Wenn ein Vater über- obligatorische Anstrengungen unternehme, um die Arbeitslosenhilfe seiner Tochter in begrenztem Rahmen und ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung aufzustocken, so sei dies der Fall, den § 194 Abs. 3 Nr. 8 SGB III im Auge habe.

Auf Anfrage des Senats hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitge teilt, dass sie etwa 165,-- bis 170,-- DM monatlich von ihrem Vater während ihrer Arbeitslosigkeit erhalten habe. Das Rechenwerk der Beklagten im Schriftsatz vom 20.11.2002 werde als solches nicht in Frage gestellt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2002 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Leistung des Vaters oder der Eltern sei auf die Arbeitslosenhilfe anzurechnen, weil zumin dest eine sittliche Verpflichtung bestanden habe im Sinne von § 194 Abs. 3 Nr. 8 SGB III, die Tochter zu unterstützen. Mit Schriftsatz vom 20.11.2002 hat die Beklagte dargelegt, wie sie die im Jahr 2000 gezahlten 2.000,-- DM als Anrechnungsbetrag umgerechnet habe. Hiernach ergibt sich pro Tag der Ar beitslosigkeit der Klägerin ein Anrechnungsbetrag von 5,40 DM. Wegen des ge nauen Wortlauts wird auf den Schriftsatz vom 20.11.2002 Bezug genommen.

Der Senat hat mit Zustimmung der Eltern deren Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2000 beigezogen. Hieraus ergibt sich, dass der Vater gegenüber dem Finanzamt einen Betrag von 2.000,-- DM zur Unterstützung seiner Tochter wegen deren Arbeitslosigkeit geltend gemacht hat. Dieser Betrag ist vom Finanzamt auch steuermindernd anerkannt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf des Inhalt der Gerichtsakte sowie der die Klägerin betreffene Verwaltungsakte der Be klagten und der Einkommenssteuerakte der Eltern der Klägerin Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Sozialgericht und die Beklagte haben zutreffend entschieden, dass die Zahlung des Vaters in Höhe von 2.000,-- DM im Jahr 2000 auf die Arbeitslosenhilfe der Klägerin anzurechnen war und die Klägerin deshalb die Arbeitslosen hilfe nach der entsprechenden teilweisen Aufhebung der Arbeitslosenhilfe in Höhe des Anrechnungsbetrages von 1.434,01 DM (= 733,20 Euro) zurückzahlen muss.

Die Klägerin hatte im fraglichen Zeitraum vom 25.02. bis 18.06.2000 und vom 08.07. bis 30.11.2000 dem Grunde nach Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Sie war arbeitslos, hatte sich arbeitslos gemeldet, stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, hatte zuvor Arbeitslosengeld bezogen und war auch bedürftig, § 190 SGB III. Dies ist zwischen den Beteiligen nicht umstritten. Aus der Akte er geben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese übereinstimmende Einschät zung der Beteiligten unzutreffend sein könnte. Der Senat nimmt insoweit mit dem Sozialgericht Bezug auf die Ausführungen zu den Anspruchsvoraussetzungen im Widerspruchsbescheid vom 08.07.2002.

Fraglich war allein, ob die freiwillige Zahlung des Vaters in Höhe von insge samt 2.000,-- DM, die nach Angabe der Klägerin im Termin zur mündlichen Ver handlung in Höhe von monatlichen Teilzahlungen von jeweils 165 DM - 170 DM vorgenommen worden ist, auf die Arbeitslosenhilfe anzurechnen war oder als sogenannte priviligierte Zahlung anrechnungsfrei gestellt werden konnte. Der Senat ist mit dem Sozialgericht der Auffassung, dass die Anrechnung erfolgen musste.

Die Leistung des Vaters in Höhe von 2.000,-- DM ist als Einkommen im Sinne von § 194 Abs. 2 SGB III zu werten. Danach sind Einkommen im Sinne der Vor schrift über die Arbeitslosenhilfe alle Einnahmen in Geld und Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können. Man kann die Leistung des Vaters als freiwillige Unterstützung werten, also quasi als Schenkung. Auf eine solche besteht zwar kein Rechtsanspruch, wird sie aber geleistet, dann ist sie anzurechnen, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat.

Eine Anrechnung konnte auch nicht nach § 194 Abs. 3 Nr. 8 SGB III unterblei ben. Nach dieser Vorschrift gelten nicht als Einkommen Unterstützungen auf grund eigener Vorsorge für den Fall der Arbeitslosigkeit oder Zuwendungen, die die freie Wohlfahrtspflege erbringt oder die ein Dritter zur Ergänzung der Arbeitslosenhife erbringt, ohne dazu rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein. Einen Unterhaltsanspruch hatte die volljährige Klägerin, die von ihren Eltern bereits eine Ausbildung zur Arzthelferin finanziert erhalten hatte, nicht. Es handelt sich um eine freiwillige Leistung des Vaters wegen der Arbeitslosigkeit der Klägerin. Dies folgt ausdrücklich aus der Steuerer klärung des Vaters für das Jahr 2000, in der er den Unterstützungsbetrag von 2.000,-- DM als Unterstützungsleistung für seine noch in seinem Haushalt le bende arbeitslose Tochter deklariert hat. Aus dem Steuerbescheid vom 02.08.2001 an die Eltern folgt, dass das Finanzamt die Zahlung als absetzungswürdige Unterhaltsleistung anerkant hat, wodurch sich die Steuer schuld der Eltern um 554,-- DM vermindert hat. Nach Ansicht des Senats hat der Vater somit eine Unterstützungsleistung steuerlich geltend gemacht. Wer dies tut, der ist zu der Leistung zumindest sittlich verpflichtet. Dies gilt zumindest im Verhältnis Vater-Tochter im gemeinsamen Haushalt. Der Senat hält es schon aus Gründen, um Mißbrauch vorzubeugen, nicht für möglich, dass sich der Vater gegenüber der Steuerbehörde wegen anerkennenswerter Unterstützungs leistungen einen Steuervorteil verschafft, die Klägerin sich aber gegenüber der ebenfalls vom Steuerzahler finanzierten Arbeitslosenhilfe darauf berufen kann, es habe keine rechtliche oder sittliche Verpflichtung für die Zahlung bestanden. Der Senat geht daher von einer sittlichen Verpflichtung des Vaters zur Unterstützung seiner Tochter aus, so dass die Leistung nicht nach § 194 Abs. 3 Nr. 8 SGB III priviligiert ist. Der Umstand, dass dem Steuervorteil des Vaters in Höhe von 554,00 DM ein Nachteil der Tochter in Höhe von 1.434,01 DM gegenübersteht, ist nicht von Bedeutung. Hier hätte sich der Vater vielmehr vorher z.B. von einem Steuerberater über die Folgen seines Handelns beraten lassen können.

Bezüglich der Höhe des Rückforderungsbetrages geht der Senat zugunsten der Klägerin von der Rechenweise der Beklagten im Schriftsatz vom 20.11.2002 aus. Dort hat die Beklagte die Zahlung des Vaters gleichmäßig auf das ganze Jahr verteilt, obwohl die Klägerin nicht das ganze Jahr über Leistungen bezogen hat. Da der Vater seine Leistungen aber ausdrücklich gegenüber dem Finanzamt als Unterstützungsleistung wegen Arbeitslosigkeit der Klägerin bezeichnet hat, hätte man auch erwägen können, den Unterstützungsbetrag nur auf die Tage des tatsächlichen Leistungsbezuges zu verteilen, was dazu führen würde, dass die gesamten 2.000,-- DM anzurechnen wären. Da die Rechnung der Beklagten aber die Klägerin begünstigt, muss dies nicht näher geklärt werden. Zumindest ist nicht feststellbar, dass der Rückforderungsbetrag zu Lasten der Klägerin zu hoch festgesetzt worden ist.

Wegen der übrigen Rückforderungsvoraussetzungen, insbesondere zu den Voraus setzungen des § 48 SGB X und des § 330 SGB III wird mit dem Sozialgericht auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2002, hier insbesondere Seite 3 des Widerspruchsbescheides, Bezug genommen. Der Senat hält diese Aus führungen in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht für zutreffend.

Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziff. 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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