L 5 B 29/02 KR ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 49/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 B 29/02 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.03.2002 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin (Ag) ist eine geschlossene Betriebskrankenkasse für Mitarbeiter und Rentner von Trägerunternehmen der Ibank H (IB-H) sowie deren Familienangehörigen, die Antragstellerin (Ast) ist eine bundesweit tätige Ersatzkasse.

Die Ag setzt zur Werbung ein Faltblatt (sogenannter Flyer) ein, in dem sie sich mehrfach als "Nummer 1" bezeichnet. Auf der Frontseite des Flyers befindet sich über dem Bild einer lächelnden Frau unter der Frage "Noch bei irgendeiner Krankenkasse?" die fettgedruckte Überschrift "Jetzt zur Nummer 1 wechseln!". Auf den aufgefalteten Seiten befinden sich in Fettdruck die Überschriften "Wir sind die Nummer 1: Exklusiv für Sie da", "Was uns zur Nummer 1 macht", Was die Mitgliedschaft bei der Nummer 1 kostet" und "Wie Sie zur Nummer 1 kommen". Am unteren Ende der Seiten läuft quer über alle Seiten ein mit einem roten Rahmen versehener Text "Kommen Sie zur Nummer 1 - Profitieren Sie von Ihrer Mitgliedschaft in einer exklusiven Krankenkasse!". Wegen weiterer Einzelheiten des Faltblattes wird auf die Ablichtung Bl. 28/29 GA verwiesen.

Mit Schreiben vom 21.02.2002 rügte die Ast gegenüber der Ag die Werbeaussage, die Ag sei die Nummer 1 und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dies lehnte die Ag mit Schreiben vom 27.02.2002 ab.

Die Ast hat am 14.03.2002 Klage auf Unterlassung der Behauptung, die Ag sei die Nummer 1, erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Zur Begründung der einstweiligen Anordnung hat sie geltend gemacht, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei erforderlich, da die durch Wettbewerbsverstöße erzielten Vorteile in Form der Begründung neuer Mitgliedschaften durch ein Urteil im Hauptsacheverfahren nicht ausgeglichen werden können. Die beanstandete Werbung sei irreführend und verstoße daher gegen § 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), da sie den unzutreffenden Eindruck erwecke, die Ag sei die größte und beste Krankenkasse. Diese Deutung dränge sich für den Leser angesichts des Fettdrucks der Äußerungen mit dem Zusatz "Nummer 1" auf. Diese Behauptung sei ersichtlich falsch, denn die Ag sei nicht die größte Krankenkasse. Zwar werde in dem kleingedruckten Text des Faltblattes darauf hingewiesen, die Ag versichere in der IB-H mehr Mitarbeiter als andere Krankenkassen. Daraus ergebe sich jedoch nicht, die Ag rühme sich nur ihrer Stellung als "Größte" innerhalb des Kreises der Trägerunternehmen. Der Hinweis schließe die Irreführung auch deshalb nicht aus, weil die Ag anschließend unter der Überschrift "Was uns zur Nummer 1 macht" verschiedene Punkte aufliste, die die angebliche Begründung ihrer Stellung als Nummer 1 darstellten. Damit werde der Eindruck erweckt, die Position als Nummer 1 beziehe sich nicht allein auf den Marktanteil innerhalb der IB-H. Zudem sei die Auflistung irreführend, denn sie vermittle, dass der Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterschiedlich und das Leistungsangebot der Ag größer und besser als das anderer Krankenkassen sei. Die Alleinstellungsbehauptung sei insoweit außerdem schon deshalb unzulässig, weil die Ag nicht mehr Wahlmöglichkeiten biete als alle anderen Krankenkassen. Darüber hinaus sei die Behauptung, die Ag kenne ihre Versicherten besser als alle anderen Krankenkassen und könne daher maßgeschneiderte Angebote entwickeln, irreführend, weil große Krankenkassen über ein dichtes Geschäftsstellennetz verfügten und daher nicht zu erkennen sei, warum die Ag ihre Versicherten besser kennen können solle als beispielsweise sie - die Ast - die ihrigen.

Die Ag hat die Eilbedürftigkeit verneint, weil nicht erkennbar sei, welche Nachteile der Ast angesichts der begrenzten Zahl der für einen Wechsel in Betracht kommenden Versicherten drohten. Ferner hat sie eine Irreführung bestritten, weil in dem Faltblatt deutlich gemacht werde, die Bezeichnung der Nummer 1 beziehe sich nur auf den Marktanteil innerhalb der Trägerunternehmen. Soweit sie in dem Abschnitt "Was uns zur Nummer 1 macht" auf eine Reihe von Leistungen verweise, durch die sie sich von anderen Krankenkassen unterscheide, sei dieser Hinweis nicht nur zulässig, sondern auch notwendig, um sich in dem Markt zu positionieren.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26.03.2002 der Ag bei Androhung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu verbreiten, sie sei die "Nummer 1". Es hat eine irreführende Werbung im Sinne des § 3 UWG deshalb bejaht, weil aufgrund Inhalt und Aufmachung des Faltblattes mit der Selbstdarstellung als "Nummer 1" auch bei mündigen Lesern der Eindruck erweckt werde, die Ag sei nicht nur hinsichtlich ihres Marktanteils unter den in der IB-H gesetzlich versicherten Beschäftigten die größte Kasse, sondern auch in einem weiteren Sinn "die Beste" oder "die Größte".

Mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, hält die Ag an ihrer Auffassung fest, sie habe hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich "nur" als Nummer 1 innerhalb der IB-H ansehe. Soweit das Sozialgericht bemängele, dass sie im Hinblick auf die von ihr angebotenen Leistung nicht deutlich gemacht habe, weshalb sie insoweit eine Spitzenstellung einnehme, werde übersehen, dass sie ihr Leistungsangebot dargestellt und daher jedem interessierten Leser ermöglicht habe, einen Vergleich mit den Leistungen seiner Krankenkasse anzustellen und sich ein Bild von ihrer - der Ag - Leistungsfähigkeit zu machen.

Die Ast hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, die Auflistung der Einzelleistungen sei zum Nachweis, dass die Ag damit leistungsmäßig an der Spitze stehe, nicht geeignet.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des Senats das Vorliegen eines Anordnungsgrundes bejaht. Ergänzend ist anzumerken, dass die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auch in Wettbewerbsstreitigkeiten zwischen gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr in Frage gestellt werden kann, nachdem nunmehr § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ((SGG) in der seit dem 02.01.2002 geltenden Fassung) den Erlass einstweiliger Anordnungen auch im sozialgerichtlichen Verfahren vorsieht. Dabei kann - in Anlehnung an die gesetzliche Wertung in § 25 UWG - davon ausgegangen werden, dass auch bei Wettbewerbsverstößen im öffentlich-rechtlich geprägten Wettbewerb zwischen Krankenversicherungsträgern im Regelfall ein Anordnungsgrund vorliegt. Es kann nicht hingenommen werden, dass sich rechtswidrig handelnde Kassen unzulässige Wettbewerbsvorteile verschaffen. Da die betroffenen Krankenkassen in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Inanspruchnahme der Aufsichtsbehörden verwiesen werden können, sind sie zur Abwehr drohender Nachteile auf rasch durchsetzbare Ansprüche auf Unterlassen wettbewerbswidriger Maßnahmen angewiesen (Senat, Beschluss vom 13.06.2000 - L 5 B 21/00 KR).

2. a) Auch ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen, denn die beanstandete Aussage in dem Faltblatt, die Ag sei die "Nummer 1", ist wettbewerbswidrig. Soweit das Sozialgericht eine irreführende Werbung im Sinne des § 3 UWG angenommen hat, trifft zwar zu, dass der Wettbewerb in der GKV unmittelbar nicht den Vorschriften des UWG unterliegt. Maßstäbe und Grenzen für das Wettbewerbshandeln der Krankenkassen ergeben sich insoweit aus der Pflicht der Kassen zur Aufklärung, Beratung und Information der Versicherten (§§ 13 bis 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) sowie dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit anderen Sozialleistungsträgern zusammenzuarbeiten (§ 86 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)). Verstößt eine Krankenkasse gegen die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger, kann dies einen Anspruch des betroffenen Trägers auf Unterlassung der beeinträchtigenden Maßnahme begründen (BSGE 63, 144, 145; 82, 78, 80). Zur Ausfüllung und Konkretisierung dieses durch das Sozialgesetzbuch eingeräumten Anspruchs können jedoch die Regelungen des privaten Wettbewerbsrechts und die dazu entwickelten Grundsätze entsprechend herangezogen werden, soweit sie nicht durch Besonderheiten der öffentlich-rechtlichen Beziehungen der Krankenkassen zueinander zu modifizieren sind (BSGE 56, 140, 144; 82, 78, 80). In diesem Zusammenhang gehen die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden vom 03.11.1994 (in der Fassung vom 06.06.1999, abgedruckt in: MuW 2000, 55) zu Recht davon aus, dass die Krankenkassen als Körperschaften öffentlichen Rechts besonderen Bedingungen unterliegen, die über jene des UWG hinausgehen. Somit kann als "Faustformel" festgehalten werden, dass zunächst alle Werbemaßnahmen von Krankenkassen, die gegen §§ 1, 3 UWG verstoßen, unzulässig sind und darüber hinaus gegebenenfalls zu prüfen ist, ob die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Wettbewerbs eine restriktivere Beurteilung gebieten, wofür die genannten Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden einen Anhalt bieten können.

b) Nach diesen Maßstäben ist die Aussage der Ag, sie sei die "Nummer 1", in jedem Fall wettbewerbswidrig.

aa) Es spricht schon viel dafür, dass die Aussage als irreführend im Sinne des § 3 UWG zu qualifizieren ist. Wie auch die Ag nicht in Abrede stellt, nimmt sie mit der Selbstbezeichnung als "Nummer 1" eine Spitzen- oder Alleinstellung für sich in Anspruch. Entgegen ihrer Behauptung ist diese Aussage nicht auf den Marktanteil innerhalb der Beschäftigten der IB-H beschränkt. Zutreffend weist das Sozialgericht darauf hin, dass die Ag in dem Faltblatt als "Nummer 1" herausgestellt wird, ohne dass hinreichend deutlich wird, dass sich diese Aussage lediglich auf den Marktanteil innerhalb der Trägerunternehmen beziehen soll. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist mit der undifferenzierten Selbstbezeichnung als "Nummer 1" auch die Berühmung einer qualitativen Spitzenstellung verbunden. Gegenüber der optischen und inhaltlichen Gestaltung des Faltblattes, die von der Herausstellung der Position als "Nummer 1" dominiert und mit der der Eindruck erweckt wird, die Ag sehe sich in jeder Hinsicht als "Nummer 1" an, kann der Satz zu Beginn des Faltblattes, keine andere Krankenkasse versichere mehr Mitarbeiter in der IB-H als die Ag, nicht als Beschränkung der Berühmung als Nummer 1 auf den quantitativen Marktanteil gesehen werden. Im Gegenteil stellt die Ag anschließend unter der Überschrift "Was uns zur Nummer 1 macht" gerade ihre (angebliche) besondere Leistungsfähigkeit heraus. Diese Ausführungen, die schon vom Umfang her das Faltblatt dominieren, sollen den Eindruck erwecken, die Ag sei die "beste" (also die Nummer 1 in qualitativer Hinsicht) der für die Mitarbeiter der Trägerunternehmen in Betracht kommenden Kassen. Dies macht die Ag relativ unverblümt deutlich, wenn es in dem Text heißt: " Wir kennen unsere Versicherten besser als alle anderen Krankenkassen. Deswegen können wir maßgeschneiderte Angebote entwickeln, die Ihren Ansprüchen und speziellen Bedürfnissen entsprechen " und dann einige Leistungsangebote anführt. Mit dieser Aussage wendet sie sich nämlich nicht nur an die schon bei ihr Versicherten (was auch keinen Sinn machen würde), sondern, wie die Verwendung der Anredeform "Ihren" zeigt, ausdrücklich an den potentiellen Mitgliederkreis. Die kausale Verknüpfung zwischen dem ersten Satz "Wir kennen unsere Versicherten besser als alle anderen Krankenkassen" und der folgenden Behauptung, "deswegen" maßgeschneiderte Angebote entwickeln zu können, zeigt, dass der Aussagegehalt des ersten Satzes entgegen dem Vortrag der Ag nicht auf die - in der Tat banale - Bekundung, eigene Versicherte besser zu kennen als bei anderen Kassen versicherte Personen, beschränkt ist. Die Ag nimmt für sich vielmehr in Anspruch, grundsätzlich und generell besser auf Bedürfnisse der Versicherten reagieren zu können als andere Kassen; sie tut damit kund, dem Kreis der potentiellen Mitglieder das beste Angebot bieten zu können. Verstärkt wird der Aussagegehalt, die beste der in Betracht kommenden Kassen zu sein, durch den Text in dem roten Rahmen am unteren Ende der Seiten "Kommen Sie zur Nummer 1 - Profitieren Sie von Ihrer Mitgliedschaft in einer exklusiven Krankenkasse!". Es kann dahinstehen, ob nicht die Verwendung des Wortes "exklusiv", das die Ag als geschlossene Betriebskrankenkasse kennzeichnen soll, in diesem Zusammenhang insoweit irreführend ist, weil mit dem Wort exklusiv regelmäßig die Vorstellung von etwas qualitativ Besonderem verbunden ist, was für die Eigenschaft als geschlossene Betriebskrankenkasse nicht zutrifft. Die mit dem Faltblatt angesprochenen Mitarbeiter der Trägerunternehmen sollen jedenfalls von der Mitgliedschaft bei der (exklusiven) "Nummer 1" einen Nutzen ziehen und Vorteile haben (= profitieren), was sich naturgemäß nur aus dem besonderen "maßgeschneiderten" Angebot der Ag und nicht ihren Marktanteil ergeben kann.

Mit der Herausstellung als "Nummer 1" erweckt die Ag also den Eindruck, über den Marktanteil hinaus auch leistungsmäßig die "Erste" zu sein. Die Behauptung einer solchen Allein- oder Spitzenstellung ist wegen der Gefahr der Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise nur zulässig, wenn die Werbeaussage wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorspruch gegenüber den Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet (vgl. BGH GRUR 1991, 850; NJW 1996, 2161; NJW 1998, 3349; GRUR 2002, 182). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, macht auch die Ag nicht geltend; ihr Vortrag gibt für keine dieser Voraussetzungen etwas her. Der Hinweis, in dem Faltblatt würden die Leistungen dargestellt, so dass es jedem Interessenten ermöglicht werde, einen Vergleich mit den Leistungen der eigenen Kasse anzustellen und sich ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Ag zu machen, geht fehlt, weil die Ag nicht lediglich zum Vergleich auffordert, sondern sich ihrer Spitzenstellung rühmt und eine solche Aussage nur zulässig ist, wenn sie sachlich richtig (d.h. objektiv zutreffend) ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, § 3 Rdnr. 75). Ohnehin begegnet auch die Darstellung der Leistungen z. T. erheblichen Bedenken. Soweit "Aktivwochen" in Erholungsgebieten, zu denen die Ag offenbar einen Zuschuss gewährt und ein "Gesundheitsurlaub" in "ausgesuchten 4-Sterne-Kurhäusern in den schönsten Landschaften Deutschlands und Italiens" angeführt werden, ist ein Bezug zum Leistungskatalog der GKV nicht erkennbar; die Ast hat insoweit zu Recht gerügt, es werde der Eindruck erweckt, als zählten auch Urlaube zu den möglichen Leistungen und Versicherte könnten medizinisch nicht indizierte Leistungen erhalten. Das Angebot von Akupunktur als Leistung bei chronischen Erkrankungen ist sprachlich irreführend gestaltet. Die Ag gibt insoweit an, sie übernehme Akupunktur bei chronischen Erkrankungen wie Kopfschmerzen, Lendenwirbelsäulensyndrom und Osteoarthritis. Die Verwendung des Wortes "wie" deutet auf eine beispielhafte Aufzählung hin, für den unbefangenen Leser entsteht der Eindruck, bei vergleichbaren chronischen Erkrankungen werde ebenfalls Akupunktur gewährt. Tatsächlich darf die Ag nach dem für alle Krankenkassen verbindlichen Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zu den BUB-Richtlinien vom 16.10.2000 (BAnz. Nr. 12 vom 18.01.2001) Akupunktur nur für die drei angegebenen Indikationen und auch nur im Rahmen eines befristeten Modellvorhabens anbieten. Die Nennung dieser Leistung macht zugleich deutlich, dass die Ag keineswegs ein besseres Leistungsangebot als Konkurrenzkassen hat, denn nach Kenntnis des Senats haben die meisten, wenn nicht alle größeren Kassen ebenfalls eine entsprechende Leistung in ihre Satzungen aufgenommen.

bb) Selbst wenn man entgegen dem oben Gesagten einen Verstoß gegen § 3 UWG verneinen würde, wäre die Verwendung des Faltblattes im öffentlich-rechtlichen Wettbewerb rechtswidrig. Rechtlicher Ausgangspunkt für Werbemaßnahmen der Krankenkassen sind §§ 13 ff. SGB I. Jede Werbemaßnahme einer gesetzlichen Krankenkasse muss daher einen sich auf die GKV beziehenden sachlichen Informationsgehalt aufweisen. So dürfen bei Werbemaßnahmen auch Besonderheiten einer Versicherung bei der werbenden Kasse herausgestellt werden, jedoch muss dies durch eine sachliche Darstellung der eigenen Besonderheiten geschehen (Gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze, Abschnitt II.2.). Schon im Urteil vom 20.4.1988 hat das BSG gefordert, dass auch bei der Mitgliederwerbung der Ersatzkassen die Information im Vordergrund zu stehen habe (BSGE 63, 144, 146). Nachdem nunmehr alle Krankenkassen Mitgliederwerbung betreiben dürfen, gilt diese Forderung für alle Kassen, so dass demgemäß das BSG im Urteil vom 31.03.1998 von der Pflicht zur sachbezogenen Information spricht (BSGE 82, 78, 80).

Diesen Anforderungen werden Aufmachung und Inhalt des Faltblattes nicht gerecht. Die optische und inhaltliche Gestaltung des Faltblattes ist von dem Herausstellen der Position als "Nummer 1" geprägt, die naturgemäß als solche ohne sachlichen Informationsgehalt ist. Es kann dahinstehen, ob nicht grundsätzlich die Berühmung einer solchen Spitzenposition innerhalb der Krankenversicherungsträger angesichts der in § 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) betonten Solidargemeinschaft "der" Krankenversicherung unzulässig ist. Jedenfalls vermag der Text des Faltblattes die geforderte sachliche Aufklärung für die in Anspruch genommene Position nicht zu liefern. Schon die Verwendung des Wortes "exklusiv" im Zusammenhang mit der Beschreibung des Mitgliederkreises verlässt den Boden einer sachlichen Information über die Eigenschaft als geschlossene Betriebskrankenkasse. Auch die Darstellung des Leistungsangebotes begegnet, wie bereits oben dargestellt, jedenfalls zum Teil Bedenken, weil der Bezug zur GKV nicht erkennbar ist. Keineswegs ergibt sich aus den genannten Leistungsangeboten, weshalb die Ag im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben als Krankenversicherungsträger angesichts des weitgehend gesetzlich festgelegten Leistungskatalogs besser als andere Krankenkassen in der Lage sein soll, auf Belange ihrer Versicherten einzugehen und deren gesetzlich eingeräumte Ansprüche zu befriedigen.

3. Da die beanstandete Werbemaßnahme rechtswidrig ist, hat das Sozialgericht die Ag zu Recht verpflichtet, es zu unterlassen, sich als "Nummer 1" darzustellen. Zur Klarstellung sei insoweit darauf hingewiesen, dass sich dieses Verbot nur auf die isolierte Selbstbezeichnung ohne nähere Kennzeichnung bezieht und daher eine mit einer konkreten und nachprüfbaren Erläuterung verbundene Aussage (etwa: "Wir sind die Nummer 1 hinsichtlich der Zahl der bei uns versicherten Mitarbeiter der IB-H") von diesem Verbot nicht mitumfasst wäre.

Die Androhung der Ordnungsmittel ergibt sich aus § 198 SGG, § 890 Abs.2 Zivilprozessordnung (ZPO) (zur Anwendbarkeit des § 890 ZPO auch in öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsstreitigkeiten s. BSGE 63, 144, 149).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG (in der seit 02.01.2002 geltenden Fassung) i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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