L 5 U 32/96

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 347/94
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 U 32/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 50/02 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.06.1996 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des bescheides vom 27.09.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 sowie des Bescheides vom 19.09.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 verurteilt, dem Kläger wegen der gesundheiltlichen Folgen der Arbeitsunfälle vom 17.08.1992 und vom 24.11.1992 eine Verletztenrente ab 01.01.1993 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von insgesamt 20 v.H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob dem Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen zweier Arbeitsunfälle eine Verletztenrente zusteht.

Der am 00.00.1944 geborene Kläger war als LKW-Fahrer bei der Firma B K GmbH, Bad C, beschäftigt. Am 17.08.1992 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei dem die nach oben gefahrene Lademulde des LKW beim Rückwärtsfahren plötzlich und unkontrolliert nach unten fiel und eine erhebliche Erschütterung des LKW s herbeiführte. Der Kläger, der gerade während des Rückwärtsfahrens nach hinten aus dem LKW-Fenster gesehen hatte, wurde nach oben katapultiert und schlug mit dem Kopf unter das Fahrerhausdach.

Dr. T, Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses X, den der Kläger am gleichen Tag um 17.15 Uhr aufgesucht hatte, diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 18.08.1992 eine Platzwunde am Nasenrücken und stellte ferner fest, dass beim Kläger keine Bewusstlosigkeit und kein Erbrechen aufgetreten sei.

Am 24.11.1992 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall: Er wurde aufgrund einer plötzlichen schwenkenden Bewegung eines Baggerarms von der Baggerschaufel am Kopf getroffen und stürzte eine kleine Böschung herab. Dr. T stellte im Bericht vom 25.11.1992 oberflächliche Hautabschürfungen an der rechten Augenbraue, keine Bewußtlosigkeit, kein Erbrechen, keine retrograde Amnesie, jedoch mäßige Kopfschmerzen fest und diagnostizierte eine Schädelprellung mit oberflächlicher Hautabschürfung.

In der Folgezeit - auch bereits nach dem ersten Arbeitsunfall am 17.08.1992 - klagte der Kläger über zunehmende Kopfschmerzen sowie Schwindel, Seh- und Hörstörungen.

Die Beklagte veranlasste die Durchführung medizinischer Ermittlungen: Prof. Dr. T1, Chefarzt der Chirurgischen Klinik des K Krankenhauses, Siegen, vermochte auf chirurgischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen festzustellen (Gutachten vom 28.04.1993). Der auf einen entsprechenden Hinweis des Prof. Dr. T1 mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Dr. L, Neurologische Abteilung des Kreiskrankenhauses T, veranlasste die Einholung einer Stellungnahme des Dr. S, Oberarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses T. Dieser diagnostizierte eine Atlasblockierung links und Blockierung C2/C3 links und vertrat die Auffassung, dass die von ihm gefundenen und behandelten Blockierungen der Kopfgelenke Folgen des Unfalls vom 17.08.1992 seien, die sich durch den Unfall vom 24.11.1992 verschlimmert hätten.

Dr. L schloss sich dieser Beurteilung an (Gutachten vom 21.08.1993): Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sei die festgestellte Blockierung Unfallfolge sowohl des ersten wie auch des zweiten Unfalls. Ein Zusammenhang mit den bekannten Rücken- und Halswirbelsäulenleiden des Klägers bestehe nicht. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei bis zur Wiederaufnahme der Tätigkeit am 12.07.1993 mit 20 v.H. anzusetzen.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 27.09.1993 die Gewährung einer Verletztenrente aus Anlass des Arbeitsunfalls vom 17.08.1992 mit der Begründung ab, dass eine MdE in rentenberechtigendem Grade über die 13. Woche hinaus nicht vorliege.

Dagegen legte der Kläger am 08.10.1993 Widerspruch ein.

Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Neurologen Dr. L1, Wuppertal, vom 26.10.1993 ein: Die vermutlich stattgehabte zweimalige HWS- Zerrung habe die Bedeutung einer einmaligen vorübergehenden, nicht richtunggebenden Verschlimmerung gehabt. Bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Unfall liege eine MdE um 20 v.H. vor. Über diesen Zeitpunkt hinaus sei das Persistieren der Beschwerden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr den Unfallereignissen, sondern unfallunabhängig bestehenden alters- und anlagemäßig bedingten degenerativen Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule anzulasten.

Ferner holte die Beklagte ein Gutachten des Chirurgen Dr. M und des Orthopäden C, beide Düsseldorf, vom 23.08.1994 ein: Bei der sogenannten Atlasblockierung handele es sich um eine reversible Funktionsstörung der oberen Halswirbelsäule. Sie stelle ein unspezifisches Symptom dar, dessen Ursachen manigfaltig sein könnten. Entscheidend sei, dass es an einer verletzungsbedingten Veränderung der oberen Halswirbelsäule fehle. Auch anlässlich des weiteren Unfallereignisses vom 24.11.1992 habe eine strukturelle Verletzung im Bereich des Schädels oder der Halswirbelsäule nicht gesichert werden können. Unfallfolgen lägen deshalb nicht vor.

Durch Bescheid vom 19.09.1994 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente aus Anlass des Unfalls vom 24.11.1992 unter Hinweis auf das Gutachten des Dr. M und des Orthopäden C ab.

Dagegen legte der Kläger am 30.09.1994 Widerspruch ein.

Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers durch die Widerspruchsbescheide vom 06.12.1994 zurück. Zur Begründung führte sie jeweils aus, dass die Halswirbelsäule des Klägers vorgeschädigt gewesen sei. Die bei ihm bestehenden Beschwerden könnten nicht auf eines der Unfallereignisse zurückgeführt werden.

Gegen den Bescheid vom 27.09.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 (Unfall vom 17.08.1992) sowie gegen den Bescheid vom 19.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 (Unfall vom 24.11.1992) hat der Kläger jeweils am 13.12.1994 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Das Sozialgericht hat beide Klagen durch Beschluss vom 19.06.1996 miteinander verbunden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Beschwerden (Kopfschmerzen, Schwindel, Hörstörungen, Gesichtsfeldausfälle) seien auf die Unfälle vom 17.08.1992 und/oder vom 24.11.1992 zurückzuführen.

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 27.09.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 17.08.1992 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. und unter Aufhebung des Bescheides vom 19.09.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 die Beklagte zu verurteilen, wegen der Folgen des Unfalls vom 24.11.1992 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig gehalten.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Prof. Dr. C1, Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses I, vom 20.01.1998 eingeholt. Dieser Sachverständige hat folgendes ausgeführt: Die vom Kläger geklagten Kopfschmerzen mit Tinnitus auf dem linken Ohr sowie die Sehstörungen seien weder auf den Arbeitsunfall vom 17.08.1992 noch auf den vom 24.11.1992 zurückzuführen. Bereits vor den genannten Arbeitsunfällen hätten bei dem Kläger Halswirbelsäulenbeschwerden mit Schwindel, Schwarz-werden vor den Augen und Kollapsneigung bestanden. Eine substantielle Schädigung im Bereich des Schädels und der Halswirbelsäule habe nicht festgestellt werden können.

Gestützt auf das Gutachten des Prof. Dr. C1 hat das Sozialgericht Dortmund die Klagen durch Urteil vom 19.06.1996 abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihm am 02.07.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.07.1996 Berufung eingelegt.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die von ihm geklagten Beschwerden (Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Sehstörungen) auf die Arbeitsunfälle vom 17.08.1992 und 24.11.1992 ursächlich zurückzuführen seien und dass ihm deswegen Rente nach einer MdE um 20 v.H. zustehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19.06.1996 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.09.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 sowie des Bescheides vom 19.09.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 zu verurteilen, ihm wegen der gesundheitlichen Folgen der Arbeitsunfälle vom 17.08.1992 und vom 24.11.1992 eine Verletztenrente ab 01.01.1993 nach einer MdE um 20 v.H. nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat zunächst Unterlagen von den behandelnden Ärzten des Klägers (Orthopäde Dr. L, C, sowie Arzt für Allgemeinmedizin Dr. E, Bad C) beigezogen und sodann eine ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. C1 vom 10.09.1997 eingeholt, in der der Sachverständige an seiner im Gutachten geäußerten Auffassung festgehalten hat.

Der sodann zum Sachverständigen ernannte Radiologe Prof. Dr. M, Knappschaftskrankenhaus S, hat im Gutachten vom 26.02.1998 degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit Bandscheibenschäden, knöcherne Reaktionen, Einengung einzelner Nervenaustrittslöcher sowie Einengung des gesamten Rückenmarkkanals beschrieben und ausgeführt, es sei nicht erkennbar, dass die vorliegenden Befunde sowie die daraus resultierenden Beschwerden allein oder annähernd gleichwertig mit anderen Ursachen mit Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall vom 17.08.1992 und/oder vom 24.11.1992 hervorgerufen oder verschlimmert worden sein.

Auf Antrag des Klägers ist sodann ein Gutachten gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Radiologen Dr. G, Arzt für Radiologie, Karlsruhe, eingeholt worden. Dieser Sachverständige hat in dem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 18.12.1998 ausgeführt: Bei dem Kläger habe sich im Anschluss an das erste Trauma vom 17.08.1992 eine zuvor nicht existente komplexe Beschwerdesymptomatik manifestiert, die durch das zweite Trauma vom 24.11.1992 ungünstig beeinflusst worden sei. Überwiegend werde für diese Symptomatik der Begriff des cerviko-cephalen Syndroms verwendet. Das Beschwerdebild nach dem Unfall sowie manualmedizinisch bzw. chiropraktisch erhobene Befunde, der CT-Befund von 1992 und der Funktions-CT-Befund von 1997 erlaubten die Annahme eines Unfallschadens als Ursache der cerviko-encephalen Symptomatik. Das cerviko-encephale Syndrom sei mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Der Chirurg Dr. M und der Orthopäde C haben in der von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme vom 13.02.1999 eingewandt, dass die vom Kläger geklagten Beschwerden auch bereits vor den Unfallereignissen vorgelegen hätten; außerdem müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger durch Dr. S angeblich erfolgreich manualmedizinisch behandelt worden sei.

Der Sachverständige Dr. G hat hierauf entgegnet (Stellungnahmen vom 06.06.1999 und 02.08.1999): Entgegen der Behauptung der ärztlichen Berater der Beklagten fänden sich keine Hinweise auf Schwindel oder andere Symptome eines cerviko-encephalen Syndroms vor dem ersten Arbeitsunfall im August 1992. Soweit von Dr. S eine gelöste Blockierung beschrieben werde, müsse die Lösung der Blockade nicht von Dauer sein.

Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen über den Kläger hat der Senat ein augenärztliches Gutachten des Prof. Dr. T2, Evangelisches Krankenhaus X und ein Gutachten des Prof. Dr. T3, Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, F, eingeholt.

Prof. Dr. T2 hat im Gutachten vom 15.06.2001 ausgeführt, keine der auf augenärztlichen Fachgebiet vorliegenden Krankheiten lasse sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf ein Unfallereignis zurückführen.

Der Sachverständige Prof. Dr. T3 hat im Gutachten vom 28.09.2001 folgendes ausgeführt: Die Unfälle des Klägers vom 17.08.1992 und/ oder vom 24.11.1992 hätten auch unter Berücksichtigung einer fortgeschrittenen Spondylarthrose des linksseitigen Zwischenwirbelgelenkes C2/C3 und einer vermutlich dadurch bedingten geringen Fehlstellung des Atlas, die in der Folgezeit nachgewiesenen gesundheitlichen Schädigungen i.S.d. Entstehung eines cerviko-encephalen Syndroms verursacht. Für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen des Klägers und den Unfallereignissen spreche sowohl die Konstanz als auch der enge zeitliche Zusammenhang mit dem Unfallereignis sowie die im Funktions-CT nachgewiesene Rotationsfehlstellung des Atlas, die auf früheren Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule von 1989 und 1991 nur retrospektiv angedeutet zu vermuten sei. In die gleiche Richtung ziele die Tatsache, dass die linksseitige Spondylarthrose zwischen Wirbelgelenk C2/C3 mit Uncoarthrose und Einengung des Durchtrittskanals der linken C2 Nervenwurzel zwar vor den Unfällen in ihrem Verlauf bereits eingeengt war, allerdings ohne eine entsprechende Symptomatik; dies deute auf eine Irritation der Nervenwurzel hin. Die Gewalteinwirkung durch Stauchung in Hyperextention am 17.08.1992, durch Hyperrotation am 24.11.1992 sei geeignet gewesen, eine nachhaltige Zerrung dieser Nervenwurzel mit posttraumatischer Schwellung und Zunahme der reaktiven Knochenneubildung im Foramen intervertebrale zu verursachen, mit der Folge einer Dekompensation der Rotationsfehlstellung des Atlas.

Insgesamt begründeten die Kriterien die überwiegende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Die MdE sei auf 20 v.H. einzuschätzen.

Der ärztliche Berater der Beklagten Dr. M hat in der weiteren Stellungnahme vom 22.10.2001 eingewandt, dass der vom Sachverständigen Dr. T3 angenommene enge zeitliche Zusammenhang des geklagten Beschwerdebildes mit den Unfallereignissen nicht gegeben sei; auch insgesamt arbeite der Sachverständige mit Hypothesen und gebrauche widersprüchliche Argumente.

In der auf Veranlassung des Senats abgegebenen Stellungnahme vom 03.01.2002 hat Prof. Dr. T3 entgegnet: Unzutreffend sei die Behauptung, dass der Kläger die Beschwerden erstmals Monate nach dem letzten der beiden zur Diskussion stehenden Unfallereignissen geäussert habe. Tatsache sei vielmehr, dass der Kläger bereits anlässlich der im Durchgangsarztbericht vom 17.08.1992 angeordneten Nachschau am 25.08.1992 über starke Kopfschmerzen und Tinnitus, bei der nächsten Nachschau am 11.09.1992 über starke Kopfschmerzen und Augentränen sowie am 16.09.1992 über unverändert gebliebene Kopfschmerzen geklagt habe. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ergebe sich, dass Zerrungen der Spinalnerven C3/C2 und C3 für cerviko-encephale Funktionsstörungen nach Distorsionstraumen der Halswirbelsäule verantwortlich gemacht würden. Diese Möglichkeit sei umso grösser, wenn die Zwischenwirbelgelenke C2/C3 erhebliche degenerative Veränderungen mit Einengung der Foramina intervertebrale aufwiesen. Neuere Publikationen belegten die Möglichkeit passagerer Verletzungen der vertebralen Arterie durch Einengung oder Abknickung, ohne dass Strukturverletzungen apparativ nachzuweisen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 27.09.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 sowie der Bescheid vom 19.09.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.12.1994 sind rechtswidrig. Dem Kläger steht wegen der gesundheitlichen Folgen der Arbeitsunfälle vom 17.08.1992 und vom 24.11.1992 eine Verletztenrente ab 01.01.1993 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von insgesamt 20 v.H. zu.

Der vorliegende Fall beurteilt sich gemäß § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) noch nach den bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Gemäß §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 RVO besteht ein Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Arbeitsunfalles um mindestens 20 v.H. gemindert ist und diese zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Kläger ist wegen der gesundheitlichen Folgen der Arbeitsunfälle vom 17.08.1992 und 24.11.1992 um 20 v.H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Dabei erfolgt die Entscheidung auf wahldeutiger Grundlage: Entweder führen die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Folgen eines der beiden Unfallereignisse vom 17.08.1992 bzw. vom 24.11.1992 zu einer MdE um 20 v.H. oder die Folgen jedes der Unfälle bewirken für sich eine MdE um jeweils 10 v.H. (vergl. § 581 Absatz 3 RV0).

Das steht zur vollen Überzeugung des erkennenden Senats fest aufgrund einer umfassenden Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme. Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T3 hat in seinem Gutachten vom 28.09.2001 sowie seiner ergänzenden Stellungnahme vom 03.01.2001 überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass das cerviko-cephale bzw. cerviko-encephale Syndrom mit den Symptomen Kopfschmerz, Schwindel, mit Gleichgewichtsstörungen und Gangunsicherheit, depressiv-neurasthenischen Beschwerden, Sehstörungen und Hörstörungen auf die Unfallereignisse vom 17.08.1992 und 24.11.1992 zurückzuführen ist und mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten ist. Dabei hat der gerichtliche Sachverständige eingehend die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkte dargelegt und diskutiert. Der Senat schließt sich diesen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen an. Die von der Beklagten dagegen unter Vorlage von Stellungnahmen ihrer ärztlichen Berater Dr. M und C erhobenen Einwände hält der Senat dagegen nicht für überzeugend. Prof. Dr. T3 wie auch bereits der weitere Sachverständige Dr. G haben darauf hingewiesen, dass entgegen der Annahme der ärztlichen Berater der Beklagten ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Unfallereignissen und den geklagten Beschwerden vorliegt; der Sachverständige Prof. Dr. T3 hat dies unter Angabe der Behandlungsdaten, die anhand der vorliegenden Aktenunterlagen nachzuvollziehen sind, eingehend begründet. In gleicher Weise unzutreffend ist die Annahme der ärztlichen Berater der Beklagten - wie auch des in erster Instanz gehörten Sachverständigen Prof. Dr. C1 - der Kläger habe bereits vor den Unfallereignissen über ähnliche Beschwerden geklagt. Prof. Dr. T3 wie auch Dr. G haben auch insoweit überzeugend dargelegt, dass die Art der nach den Aktenunterlagen vor den Unfallereignissen vom Kläger geklagten Beschwerden sich qualitativ von denen unterscheidet, die bei dem Kläger nach den Unfallereignissen anzunehmen sind. So hat Prof. Dr. T3 zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Kläger anlässlich von Kuraufenthalten geklagte orthostatische Neigung zum Blutdruckabfall beim Aufrichten aus horizontaler Lage ("Schwarzwerden vor den Augen") qualitativ von dem nach den Unfallereignissen geklagten Schwindel zu unterscheiden sei. An Hand der CT-Befunde konnte der Sachverständige Prof. Dr. T3 auch darlegen, dass die 1989/1991 bereits vorhandene geringe Fehlstellung des Atlas vor den Unfallereignissen keine entsprechende Symptomatik im Bereich der Kopf-Halsgelenke verursacht hat.

Schliesslich hat der Sachverständige Prof.Dr. T3 unter Hinweis auf neuere wissenschaftliche Publikationen dargelegt, dass die Annahme der ärztlichen Berater der Beklagten wie auch des Prof. Dr. C1 und des Prof. Dr. M, ein ursächlicher Zusammenhang der vom Kläger geklagten Beschwerden mit den Unfallereignissen scheide schon deshalb aus, weil knöcherne Verletzungen der Halswirbelsäule bzw. des Kopfes mit bildgebenden Verfahren nicht nachweisbar gewesen seien, unzutreffend ist. Es sind danach passagere Verletzungen der Vertebralarterien durch Einengung oder Abknickung möglich, ohne dass die Strukturverletzungen apparativ nachzuweisen sind. Im Ergebnis besteht damit auch Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. G, der in seinem Gutachten ebenfalls eingehend dargelegt hat, dass die beim Kläger vorliegende Beschweresymptomatik durch Ereignisse der hier in Rede stehenden Art ausgelöst werden kann, ohne dass hierfür knöcherne Verletzungen anhand von Röntgen- oder CT-Aufnahmen nachgewiesen werden können.

Der Senat ist daher bei zusammenfassender Würdigung der Auffassung, dass die beim Kläger vorliegende cerviko-encephale Symptomatik mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Unfallereignisse vom 17.08.1992 und 24.11.1992 zurückzuführen sind und mit einer MdE um 20 v.H. zu beurteilen sind. Insoweit stützt sich der Senat auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T3. Die Einschätzung der MdE durch Prof. Dr. T3 ist nach Auffassung des Senat so zu würdigen, dass der gerichtliche Sachverständige davon ausgeht, dass - ab 01.01.1993 - entweder die gesundheitlichen Folgen eines der beiden Arbeitsunfälle eine MdE um 20 v.H. bewirken oder aber jeder der vom Kläger erlittenen Arbeitsunfälle eine MdE um 10.v.H. hervorruft. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Rechtskraft
Aus
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