L 14 RJ 151/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 12 RJ 141/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 14 RJ 151/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte auch unter Änderung des Bescheides vom 03.06.2002 verurteilt wird, dem Kläger Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.09.1987 zu zahlen. Die Beklagte trägt auch die dem Kläger im zweiten Rechtszug entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger die Altersrente bzw. das Altersruhegeld aus der deutschen Rentenversicherung bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres ab dem 01.09.1987 zu zahlen ist.

Der im August 1922 in Polen geborene Kläger ist Jude und Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Er lebt seit 1948 in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.

Am 06.09.1987 stellte er beim israelischen Versicherungsträger einen Antrag auf (israelische) Altersrente.

Am 04.08.1997 beantragte der Kläger über die BfA eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung und machte hierbei neben Ersatzzeiten auch Beitragszeiten aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung geltend, die er im DP-Lager Landsberg am Lech zwischen Dezember 1945 und Dezember 1947 verrichtet habe. Nach weiteren Ermittlungen gab die BfA die Rentenangelegenheit zuständigerweise an die Beklagte ab. Diese bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 17.02.1998 Regelaltersrente ab 01.08.1997 unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten vom 01.12.1939 bis 23.02.1945 sowie einer Beitragszeit vom 01.04.1947 bis 30.04.1947 in Höhe von (damals) monatlich 5,81 DM. Die Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten vom 01.12.1945 bis 31.03.1947 sowie vom 01.05.1947 bis zum 31.12.1947 lehnte die Beklagte wegen fehlender Glaubhaftmachung ab.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, ohne diesen weiter zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 27.05.1998 bei dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und geltend gemacht, die Altersrente stehe ihm bereits ab Vollendung seines 65. Lebensjahres, also ab dem 01.09.1987 zu. Insoweit sei auf seinen in Israel gestellten Antrag abzustellen, durch den die Verjährung gemäß § 45 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I) i.V.m. Artikel 27 des deutsch-israelischen Sozialversicherungsabkommens (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 17.12.1973 - BGBl. II 1975, S. 246 - DISVA -) unterbrochen worden sei.

Nachdem die Beklagte im Rahmen des Klageverfahrens zunächst vorgetragen hatte, Artikel 27 DISVA sei nicht einschlägig, da der Kläger nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates den Zeitpunkt bestimmen könne, der für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen maßgebend sein solle (Artikel 27 Abs. 2 Satz 2 DISVA i.V.m. § 1248 Abs. 5 und 6 Reichsversicherungsordnung - RVO -), hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.03.2001 den in Israel gestellten Rentenantrag vom 06.09.1987 als Rentenantrag gemäß Artikel 27 DISVA anerkannt.Sie hat aber nunmehr für die Rentenbeträge vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 die Einrede der Verjährung gemäß § 45 SGB I erhoben, da davon auszugehen sei, dass deutsche Zeiten erstmals mit dem Antrag vom 31.07.1997 (Eingang am 04.08.1997) geltend gemacht worden seien. Der israelische Versicherungsträger habe auf mehrere Anfragen, mit denen die näheren Umstände der damaligen Antragstellung hätten geklärt werden sollen, nicht geantwortet.

Der Kläger ist der Einrede der Verjährung entgegen getreten.

Er hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 17.02.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1998 zu verurteilen, Regelaltersrente ab dem 01.09.1987, hilfsweise ab dem 01.01.1993 zu gewähren.

Die Beklagte hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Klage insoweit abzuweisen, als der Kläger eine Rentenzahlung auch für die Zeit vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 begehrt.

Mit Urteil vom 28.08.2001 hat das Sozialgericht - ohne mündliche Verhandlung - die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bereits ab dem 01.09.1987 zu zahlen. In den Entscheidungsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe mit Vollendung des 65. Lebensjahres einen Anspruch auf Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 5 RVO ab dem 01.09.1987 erworben. Der Anspruch sei für die Zeit vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 nicht verjährt. Zwar ordne § 45 Abs. 1 SGB I an, dass Ansprüche auf Sozialleistungen in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährten, in dem sie entstanden seien. Nach § 45 Abs. 3 SGB I werde die Verjährung aber durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung unterbrochen. Die Unterbrechung dauere bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag. Der am 06.09.1987 gestellte Rentenantrag habe zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt, die bis zur Erteilung des Rentenbescheides am 17.02.1998 angedauert habe. Da dieser Antrag auch nach Auffassung der Beklagten als Antrag auf Leistungen aus der deutschen Rentenversicherung anzusehen sei, sei er auch im Rahmen des § 45 Abs. 3 SGB I maßgeblich. Der Gesetzeswortlaut lasse keine Differenzierung in dem Sinne zu, dass der Antrag nur dann zur Unterbrechung der Verjährung führe, wenn der deutsche Rentenversicherungsträger von ihm Kenntnis erlangt habe. Die somit durch den Antrag beim israelischen Versicherungsträger eingetretene Unterbrechung der Verjährung sei auch nicht gemäß § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 211 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vor Abschluß des deutschen Rentenverfahrens entfallen. Nach diesen Vorschriften ende die Unterbrechung, wenn ein Verwaltungsverfahren nicht betrieben werde. Hier sei nicht feststellbar, dass der Kläger das Rentenverfahren nicht in dem von ihm zu erwartenden Maß betrieben habe. Der israelische Versicherungsträger habe auf mehrere Anfragen der Beklagten, ob der Kläger in dem Antrag vom 06.09.1987 das Vorhandensein deutscher Versicherungszeiten angegeben bzw. in irgend einer Weise zu erkennen gegeben habe, dass er auch Rente aus der deutschen Rentenversicherung begehre, nicht reagiert. Dies wecke erhebliche Zweifel daran, dass der nach 1987 eingetretene Verfahrensstillstand in den Verantwortungsbereich des Klägers falle. Da ein Versäumnis des Klägers nicht nachgewiesen sei, finde § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 211 Abs. 2 BGB keine Anwendung.

Gegen das ihr am 20.09.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.10.2001 Berufung eingelegt.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Rentenbeträge für die Zeit vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 verjährt seien. Von einer Antragsgleichstellung im Sinne des Artikel 27 DISVA könne zwar auch dann ausgegangen werden, wenn der deutsche Versicherungsträger erst nach langjähriger Verspätung von der Antragstellung in Israel Kenntnis erhalte. Die Nichtangabe deutscher Zeiten beim israelischen Rentenversicherungsträger könne auch nicht dazu führen, dem bei der Nationalversicherungsanstalt in Israel gestellten Antrag dem Grunde nach die Wirkung für das deutsche Feststellungsverfahren zu nehmen. Der in Israel gestellte Antrag habe jedoch nicht gleichzeitig die Unterbrechung der Verjährung nach § 45 Abs. 3 SGB I zur Folge. Eine Antragstellung im Sinne des § 45 Abs. 3 SGB I könne erst dann angenommen werden, wenn aus den bei der Antragstellung vorgelegten Unterlagen oder dem Vorbringen des Antragstellers erkennbar sei, dass auch Versicherungszeiten nach deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt seien und eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung in Betracht kommen könne. Erst dann sei der Anspruch im Sinne von § 45 Abs. 3 SGB I angemeldet und der Leistungsträger in der Lage, dass Rentenbegehren zu prüfen. Vorher liege kein sachlicher Grund für eine Unterbrechung der Verjährung vor. Der in Artikel 27 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens geregelte Gleichstellungsmechanismus gebe dem im anderen Mitgliedsstaat gestellten Antrag in den Fällen der Nichtangabe deutscher Zeiten keine die Verjährung unterbrechende Kraft.

Die Beklagte beruft sich insoweit auf das Urteil des BSG vom 13.12.1984 - Az.: 9 RV 60/83 -; SozR 1200 § 45 Nr. 5. Es müsse im Übrigen entgegen der Ansicht des Sozialgerichts davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine deutschen rentenrechtlichen Zeiten seinerzeit gegenüber dem israelischen Träger nicht erwähnt habe, da die israelischen Rentenantragsvordrucke seinerzeit keine Fragen nach ausländischen Arbeits- bzw. Versicherungszeiten enthalten hätten. Für etwaige Versäumnisse des israelischen Nationalversicherungsträgers habe die deutsche Rentenversicherung nicht einzustehen. Jedenfalls aber müsse sich der Kläger vorhalten lassen, dass er trotz Kenntnis seiner deutschen Zeiten nicht 1987, sondern erstmals 1997 bei dem deutschen Träger die Altersrente beantragt habe. Ergänzend legt die Beklagte die Kopie eines Merkblattes für das Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staate Israel - Ausgabe 1989 - vor.

Mit Bescheid vom 03.06.2002 hat die Beklagte das Altersruhegeld neu festgestellt (Höhe jetzt 143,54 EUR) und sich nunmehr ausdrücklich auf Verjährung berufen. In dem Bescheid heißt es auf S. 2 u.a.:

"Die Leistung wird längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird oder der Antrag auf Rücknahme des Bescheides gestellt worden ist (§ 44 Abs. 4 SGB X)."

Auf Seite 3 a wird ausgeführt:

"Nach Abwägung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles wird die Einrede der Verjährung bezüglich möglicher Rentenansprüche für die Zeit vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 erhoben.

Zwar hat der Versicherte am 06.09.1987 beim israelischen Versicherungsträger Altersrente aus der israelischen Rentenversicherung beantragt mit der Folge, dass der Antrag gemäß Artikel 27 DISVA ebenfalls beim deutschen Rentenversicherungsträger als gestellt gilt.

Dieser Antrag hat im vorliegenden Einzelfall aber nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung im Sinne des § 45 Abs. 3 SGB I geführt. Denn dieser Antrag hatte wegen der fehlenden Angabe deutscher Versicherungszeiten nicht die Qualität, die Verjährung zu unterbrechen. Voraussetzungen für einen Antrag im Sinne des § 45 Abs. 3 SGB I ist ein auf eine Sozialleistung gerichteter Antrag. Eine Antragstellung in diesem Sinne kann erst angenommen werden, wenn aus den bei der Antragstellung vorgelegten Unterlagen oder dem Vorbringen des Antragstellers erkennbar ist, dass auch Versicherungszeiten nach den deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegt sind und eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung überhaupt in Betracht kommen kann. Erst dann ist ein Anspruch im Sinne des § 45 Abs. 3 SGB I angemeldet und der Leistungsträger in der Lage, das Begehren zu prüfen.

Der Versicherte hatte eine Mitwirkungspflicht, die deutschen Zeiten gegenüber der israelischen Nationalversicherung anzugeben, damit letztere die Zeiten gegenüber dem zuständigen deutschen Rentenversicherungsträger übermitteln konnte. Wenn der Versicherte aber trotz Kenntnis seiner deutschen Zeiten diese seinerzeit nicht gegenüber der NAT angegeben hat, sondern erst 1997 im hiesigen Rentenverfahren, muss er sich die Folgen seiner unterlassenen Mitwirkung zurechnen lassen.

Von einem seinerzeitigen Versäumnis der Angabe der deutschen Zeiten gegenüber der israelischen Nationalversicherung kann vorliegend mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Dafür spricht zum Einen die Tatsache, dass die israelischen Rentenantragsvordrucke seinerzeit generell keine Frage nach ausländischen Arbeits- bzw. Versicherungszeiten enthielten. Zum Anderen hat die NAT trotz mehrfacher konkreter Anfragen einfach nicht geantwortet. Dies legt den Schluss eines seinerzeitigen Versäumnisses nahe.

Unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung aller berechtigten Interessen ist die Erhebung der Einrede der Verjährung bezüglich möglicher Rentenansprüche für die Zeit vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 vorliegend geboten."

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.08.2001 zu ändern und die Klage gegen den Bescheid vom 17.02.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1998 und gegen den Bescheid vom 03.06.2002 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte auch unter Änderung des Bescheides vom 03.06.2002 verurteilt wird dem Kläger Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 01.09.1987 zu zahlen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Er meint, der im September 1987 gestellte Antrag beim israelischen Versicherungsträger habe gegenüber der Beklagten eine verjährungsunterbrechende Wirkung entfalten. Die Beklagte habe es versäumt, dafür Sorge zu tragen, dass entsprechend den Vorschriften des Abkommens innerstaatliche israelische Anträge von Versicherten mit deutschen Versicherungszeiten an sie weitergeleitet würden. Auch in den Merkblättern würden die Betroffenen bewußt im Unklaren über die Rechtsfolgen der Antragstellung in Israel gelassen. Es werden nirgends auf die Bedeutung der Geltendmachung deutscher Versicherungszeiten schon im innerstaatlichen Antrag für den frühestmöglichen Bezug einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung hingewiesen. Insbesondere enthalte das israelische Antragsformular keine Abfragen für Zeiten vor dem 01.04.1954. Ältere Antragsformulare enthielten überhaupt keine Abfrage. Dies dürfe nicht zu Lasten des Klägers gehen. Die Berufung auf Verjährung sei deshalb rechtsfehlerhaft.

Der Senat hat zwei Anfragen an den israelischen Versicherungsträger gerichtet.

Mit Schreiben vom 22.12.2002 hat das National Insurance Institut mitgeteilt, dass bei der Antragstellung auf eine Altersrente ersichtlich gewesen sei, dass der Kläger wahrscheinlich Versicherungszeiten nach den deutschen Rechtsvorschriften erworben habe. Mit Schreiben vom 19.02.2003 hat das National Insurance Institut ergänzend ausgeführt, der Kläger habe bei der Antragstellung vom 06.09.1987 erwähnt, dass er Entschädigungszahlungen in Höhe von 500,00 DM erhalte.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass durch die Angabe der Entschädiungsleistungen nach dem BEG hinreichend auf das mögliche Vorhandensein von deutschen Rentenansprüchen hingewiesen worden sei. Die Beklagte ist dem gegenüber der Meinung, dass hierdurch keinerlei Bezug zu möglichen deutschen Versicherungszeiten hergestellt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte unter Einschluss der beigezogenen Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Vorprozessakte S 14 RJ 112/96 verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld bereits ab dem 01.09.1987, so dass auch der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzubeziehende Rentenbescheid vom 03.06.2002 im Hinblick auf den Rentenbeginn zu ändern ist.

Der Rentenanspruch des Klägers beurteilt sich gemäß § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - 6. Buch - (SGB VI) noch nach den bis zum 31.12.1991 geltenden Regelungen der Reichsversicherungsordnung (RVO). Er folgt unmittelbar aus den §§ 1248 Abs. 5 i.V.m. § 1290 Abs. 1 Satz 2 RVO. Der Kläger hat am 26.08.1987 sein 65. Lebensjahr vollendet und somit aufgrund der vorhandenen Versicherungszeiten (Ersatzzeiten, Beitragszeiten) ein Stammrecht auf Altersruhegeld erworben, ohne dass es einer Antragstellung bedurft hätte. Der Antragseinwand des § 99 Abs. 1 SGB VI gilt nicht, wenn das Recht auf Regelaltersrente vor dem 01.01.1992 entstanden ist (BSG, Urteil vom 02.08.2000 - Az.: B 4 AR 54/99 R - in SozR 3 - 2600 § 99 Nr. 5). Danach hat der Antrag bis Ende 1991 bei Rechten auf Regelaltersrente - anders als bei Rechten auf Altersrente, bei denen der Versicherungsfall des Alters aus anderen Gründen "gewillkürt" eingetreten ist - ausschließlich die verfahrensrechtliche Bedeutung einer Feststellbarkeits- und Erfüllbarkeitsbedingung. Weil unter der Geltung der RVO die Regelaltersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres nicht von einem Antrag abhängig war, hat der Kläger gemäß § 1290 Abs. 1 RVO grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungsbeginn ab dem 01.09.1987.

Unabhängig davon ist jedoch - wie die Beklagte selbst einräumt - der im September 1987 beim israelischen Versicherungsträger gestellte Antrag auf Gewährung einer israelischen Altersrente nach Maßgabe des Artikel 27 DISVA als Rentenantrag auf Gewährung einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung zu bewerten. Nach Absatz 2 Satz 1 des Artikel 27 DISVA gilt ein Antrag auf Leistungen nach Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaates auch als Antrag auf entsprechende Leistungen nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates. Dies gilt nicht, soweit der Antragsteller nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates den Zeitpunkt bestimmen kann, der für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen maßgebend sein soll. Diese Einschränkung ist jedoch hier nicht maßgebend, da durch diese Regelung dem Versicherten lediglich die Gestaltungsmöglichkeiten nach den §§ 1248 Abs. 5 und 6 RVO erhalten werden sollten und somit eine ausdrückliche Erklärung des Versicherten über eine Verschiebung des Versicherungsfalles auf einen späteren Zeitpunkt voraussetzen (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 12.06.1992 - L 1 An 34/89).

Die von der Beklagten für den Zeitraum vom 01.09.1987 bis 31.12.1992 erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.

Gemäß § 45 Abs. 1 SGB I verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dabei verjährt nicht das Stammrecht, sondern der einzelne auf eine zurückliegende Zeit entfallende Leistungsanspruch, der mit der Erfüllung aller Voraussetzungen des Rentenanspruchs entsteht. Dabei ist die Geltendmachung der Verjährung durch Einrede des Versicherungsträgers bis zur letzten Tatsacheninstanz möglich (vgl. BSGE 6, 57).

Der Senat lässt letztlich dahingestellt, ob die Verjährung hier durch den in Israel gestellten Antrag im Sinne des § 45 Abs. 3 SGB I unterbrochen worden ist und gegebenenfalls diese Unterbrechungswirkung durch Nichtbetreiben des Verfahrens im Sinne des über § 45 Abs. 2 SGB I entsprechend anwendbaren § 211 Abs. 2 BGB wieder entfallen ist.

Die angefochtenen Bescheide lassen nämlich jedenfalls die notwendigen Ermessungserwägungen vermissen, so dass sie schon aus diesem Grund rechtswidrig sind und nach § 35 Abs. 1 Satz 3, § 41 Abs. 1 Nr. 2, § 41 Abs. 2, § 42 Satz 1 SGB X aufgehoben werden müssen.

Ob und für welchen Zeitraum der Versicherungsträger die Verjährungseinrede erheben will, steht in seinem Ermessen nach §§ 45, 39 SGB I (ständige Rechtssprechung seit BSG Breithaupt 1969, 813). Dieser Verpflichtung, die Erhebung der Verjährungseinrede nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen, ist die Beklagte in dem Bescheid vom 17.02.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.1998 gar nicht und in dem während des Berufungsverfahrens erlassenen Bescheides vom 03.06.2002 nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Dabei deutet die auf Seite 2 des Bescheides vom 03.06.2002 offensichtlich als Textbaustein eingefügte Passage über eine zeitliche Leistungsbeschränkung für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme eines Bescheides gemäß § 44 Abs. 4 SGB X darauf hin, dass die Beklagte sich nicht darüber im Klaren war, dass hier allein die Verjährungsvorschrift des § 45 SGB I zum Tragen kommt. Wie das BSG bereits mehrfach entschieden hat, ist die Leistungsbegrenzung des § 44 Abs. 4 SGB X im Rahmen einer Erstfeststellung einer Leistung nicht anwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.1996 - Az.: 13 RJ 17/96 in SozR 3 - 1200 § 45 Nr. 6; BSG, Urteil vom 02.08.2000 a.a.O.). Aber auch die auf Seite 3 a nachgeschobenen Erwägungen stellen nach Ansicht des Senats keine ausreichende Ermessensausübung hinsichtlich der Verjährungseinrede dar. So werden hier letztlich nur wieder die Rechtsfragen abgehandelt, nämlich ob durch den Antrag in Israel die Verjährung unterbrochen worden und ggf. durch Nichtbetreiben des Verfahrens durch den Versicherten eine Unterbrechung der Verjährung bzw. deren Wirkung wieder entfallen ist. Letztlich heißt es dann nur, dass unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung aller berechtigten Interessen die Einrede der Verjährung als geboten angesehen wird. Dies hält der Senat angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles nicht für ausreichend. So hätte hier im Ermessenswege abgewogen werden müssen, dass der israelische Rentenversicherungsträger nach eigenem Bekunden aufgrund der Angabe von BEG-Entschädigungen davon ausgeht, dass deutsche Beitragszeiten in Frage kommen könnten. Ob diese Annahme schlüssig ist oder nicht, kann dahin gestellt bleiben, denn jedenfalls ging der israelische Versicherungsträger von der Möglichkeit deutscher Beitragszeiten aus. Dann hätte der israelische Versicherungsträger aber das in Israel eingeleitete Verfahren auch der Beklagten zur Kenntnis geben müssen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem DISVA. Hinzu kommt, dass der israelische Versicherungsträger - wie von der Beklagten selbst vorgetragen - in seinen damaligen Formularen überhaupt nicht nach deutschen Zeiten gefragt hat, obwohl der in Israel gestellte Antrag über die Fiktion des Artikel 27 DISVA auch als Antrag in Deutschland zu werten war. Letztlich ist die Zeitverzögerung somit auch durch den israelischen Versicherungsträgers mitverursacht worden. Versäumnisse des israelischen Versicherungsträgers hat sich die Beklagte wegen der Antragsfiktion im DISVA zuzurechnen. Sie hätte deshalb diese Versäumnisse in ihre Ermessungserwägung miteinbeziehen müssen. In Anbetracht dieser Umstände und auch vor dem Hintergrund der besonderen Anspruchssicherungsfunktion, die dem DISVA zwischen dem Staat Israel und der Bundesrepublik Deutschland zugrunde liegt, kann auch nicht von einer sogenannten Ermessensreduktion auf Null ausgegangen werden, die es der Beklagten erlaubt hätte, im vorliegenden Fall von Ermessenserwägungen abzusehen. Da die anzustellenden Ermessenserwägungen nicht vom Senat ersetzt werden können, erweisen sich die angefochtenen Bescheide bereits aus diesem Grund als rechtswidrig. Die Berufung der Beklagten konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

Für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG sieht der Senat vor dem Hintergrund, dass letztlich entscheidungserheblich nicht die von der Beklagten angesprochenen Rechtsfragen zu § 45 Abs. 3 SGB I waren, sondern die Entscheidung auf einer fehlerhaften Ermessensausübung im Einzelfall beruht, keinen Anlass.
Rechtskraft
Aus
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