L 6 V 63/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 (5,11) V 296/88
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 V 63/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.08.1997 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten sind die Anerkennung einer Crohn-Krankheit und neurologischer Ausfälle (u.a. Lähmungserscheinungen) als Wehrdienstbeschädigung (WDB) sowie die entsprechende Leistungsgewährung.

Der 1945 geborene Kläger war vom 00.00.1965 bis 00.00.1997 (Versetzung in den Ruhestand) Soldat der Bundeswehr im Fernmeldebereich. Nach seiner Beförderung zum Unteroffizier bzw. Stabsunteroffizier nahm er 1969 an weiteren Unteroffizierslehrgängen teil (u.a. Unteroffizierslehrgang B mit Einzelkämpferausbildung vom 07.01. bis 18.03.1969). Ab Oktober 1976 war er Offizier, zunächst Leutnant, dann Oberleutnant und zuletzt Hauptmann.

Im Oktober 1968 trat nach den Eintragungen in der Gesundheitskarte (G-Karte) ein beginnender periproktischer Abszess auf, der mit Salben und Rotlicht behandelt wurde. Die Behandlung wurde am 31.12.1968 abgeschlossen. In der Folgezeit finden sich in der G-Karte keine Eintragungen. Unter dem 04.12.1969 ist vermerkt: Magenschmerzen, Durchfälle, perianale Fistel. Zur weiteren Abklärung wurde der Kläger im Dezember 1969 im Bundeswehrkrankenhaus (BWK) A untersucht, wo er auch in der Folgezeit in den Jahren 1970 und 1971 mehrfach stationär behandelt wurde. Wegen noch bestehender Durchfälle und Fisteleiterungen kam es im November 1972 zu einer neuerlichen stationären Behandlung, diesmal im BWK I. Hier wurde wegen einer Crohn-Krankheit die operative Behandlung im N-Krankenhaus I veranlasst, die im Januar 1971 durchgeführt wurde.

Nachdem die Crohn-Krankheit in den Jahren zuvor keine wesentlichen Beschwerden mehr verursacht hatte, traten Anfang 1986 neuerliche Beschwerden auf. Unter dem 15.11.1986 ist in der G-Karte angegeben: Seit gestern starke Schmerzen über der Steißbeinspitze mit Zunahme beim Stuhlgang. Es erfolgte die sofortige Einweisung in das BWK I1 (Chirurgische Abteilung 15.01. bis 21.01.1986, Internistische Abteilung 21.01. bis 23.01.1986). Wegen verstärkt auftretender vom Steißbein ausgehender Taubheitsgefühle wurde der Kläger am 23.01.1986 in die Universitätsklinik N1 verlegt. Hier wurde ein subduraler Abszess (Eiteransammlung unter der Rückenmarkshaut) mehrfach operativ behandelt. Zunächst aufgetretene umfangreiche Lähmungserscheinungen nach Art einer Querschnittslähmung bildeten sich im Laufe des Jahres 1986 nach durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen bis auf Restsymptome (Lähmung der Fußhebung und Fußsenkung des linken Beines, Einschränkung der Hüftmuskulatur links sowie Taubheitsgefühl im Gesäß und Genitalbereich) zurück.

Nachdem im Juli 1986 ein WDB-Verfahren eingeleitet worden war, ließ die Beklagte den Kläger durch den Oberstabsarzt Dr. T untersuchen und begutachten (Gutachten vom 18.11.1986). Dr. T erachtete die Voraussetzungen einer Kannversorgung für die Crohn-Krankheit mit ihren Folgeerscheinungen für gegeben, weil der Kläger als Soldat körperlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Zur Klärung der körperlichen und psychischen Belastungen zog die Beklagte Auskünfte der Dienststelle bei und veranlasste eine psychiatrische Untersuchung des Klägers (Gutachten des Oberfeldarztes T1 vom 28.07.1987).

Nach Auswertung dieser Unterlagen lehnte es die Beklagte ab, die Gesundheitsstörungen: "chronische Darmerkrankung, operativ behandelt (Morbus Crohn), Reststörungen insbesondere am linken Bein nach inkompletter Querschnittslähmung durch mehrfach operativ behandelte Abszessbildung im Rückenmarkskanal" als Folge einer WDB anzuerkennen und einen entsprechenden Ausgleich zu gewähren. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die für die Anerkennung der Crohn-Krankheit erforderlichen Voraussetzungen seien auch im Rahmen einer Kannversorgung nicht erfüllt. Auch lasse sich aus der truppenärztlichen Behandlung kein WDB-Tatbestand ableiten (Bescheide vom 23.11.1987 und vom 11.11.1988).

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger weiterhin die Auffassung vertreten, die Crohn-Krankheit und die Folgen der 1986 aufgetretenen Querschnittslähmungssymptomatik seien als WDB anzuerkennen. Er hat vorgetragen, dass die ersten Symptome der Crohn-Krankheit kurz nach der schweren dienstlichen Belastung während des Unteroffizierslehrganges B vom 07.01. bis 18.03.1969 aufgetreten seien. Hierzu hat er die schweren körperlichen Belastungen während dieses Lehrgangs und die damaligen extremen winterlichen Witterungsverhältnisse geschildert und hierzu auch verschiedene schriftliche Zeugenerklärungen vorgelegt. Zudem hat er gemeint, die Crohn-Krankheit sei zu spät festgestellt worden. Hierdurch habe sich das Krankheitsbild verschlimmert. Die 1986 aufgetretenen Lähmungserscheinungen stellten sich als Folge der Crohn-Krankheit dar und seien schon deshalb als WDB anzuerkennen. Zudem sei der Spinalabszess im BWK I1 falsch behandelt und zu spät erkannt worden. Wegen dieser ärztlichen Fehlbehandlung seien die Lähmungserscheinungen von der Art einer Querschnittslähmung überhaupt erst aufgetreten.

Der Kläger hat beantragt,

a) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.1987 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 11.11.1988 zu verurteilen, die Morbus-Crohn-Erkrankung mit ihren Folgeerscheinungen als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und Ausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen,

b) den Beigeladenen zu verurteilen, die Morbus-Crohn-Erkrankung mit den Folgeerscheinungen als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und eine Versorgungsrente zu zahlen.

Die Beklagte und der Beigeladene haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet und die Auffassung vertreten, Folgen einer WDB seien nicht anzuerkennen.

Das Sozialgericht hat zunächst ein coloproktologisches Sachverständigengutachten des Dr. B, Ltd. Arzt der Abteilung Chirurgie II (Coloproktologie) des St. K-Hospitals M, vom 23.01.1990 mit ergänzender Stellungnahme vom 17.02.1992 eingeholt. Hierin ist der Sachverständige insgesamt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen einer Kannversorgung formal erfüllt seien. Eine fehlerhafte ärztliche Behandlung lasse sich nicht feststellen.

Weiterhin ist ein fachinternistisches Gutachten des Prof. Dr. N2, Ltd. Arzt der Med. Klinik II des Klinikums M1, vom 14.10.1996 eingeholt worden. Nach der Beurteilung dieses Sachverständigen waren die vom Kläger angegebenen Belastungen während seines Dienstes bei der Bundeswehr nach ihrer Art und Schwere nicht ausreichend, um die Crohn-Krankheit auszulösen. Das erste sichere Symptom der Crohn-Krankheit sei die im Dezember 1969 aufgetretene Analfistel gewesen. Nach der Notfalleinweisung in das BWK I1 sei eine frühere und stärkere Antibiotika-Therapie zu fordern gewesen. Diese Verzögerung einer ausreichenden Antibiose sei jedoch nicht ursächlich für die subduralen Abszesse im Rückenmark. Die Diagnose der subduralen Abszedierung erscheine so früh wie möglich erfolgt zu sein. Eine verspätete Diagnostik und Verlegung sei nicht nachweisbar. Die verspätete und halbherzige Antibiose in I1 vor Verlegung in die Universitätsklinik N1 habe zu keinen nachweisbaren Verschlimmerungen geführt. Zwar müsse die Frage, ob hierdurch der Abszess größer geworden sei als mit eher begonnener, anderer Antibiose, vorsichtig bejaht werden. Eine Feststellung des Ausmaßes einer Verschlimmerung sei jedoch nicht nachzuvollziehen und wäre rein spekulativ.

Mit Urteil vom 29.08.1997 hat das Sozialgericht die Beklagte und den Beigeladenen verurteilt, einen Teil der seit Januar 1986 bestehenden Lähmungen als WDB anzuerkennen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.

Gegen dieses Urteil richten sich die von allen Beteiligten eingelegten Berufungen.

Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist weiterhin der Auffassung, die Crohn-Krankheit sei als WDB anzuerkennen. Hierzu behauptet er, bereits ab April 1969 wegen auftretender Durchfälle und Koliken vielfach den Sanitäter aufgesucht und ärztliche Behandlung in Anspruch genommen zu haben. Er vermute, dass das entsprechende Krankenblatt (bzw. G-Karte) verloren gegangen sei. Seine Beschwerden seien in einem zeitlichen Abstand von weniger als sechs Monaten nach dem Unteroffizierslehrgang B (07.01. bis 18.03.1969) aufgetreten. Da die Crohn-Krankheit selbst WDB sei, seien auch der im Zusammenhang hiermit 1986 aufgetretene Spinalabszess und dessen Folge als Schädigungsfolge anzuerkennen. Zudem sei der Spinalabszess im BKH I1 1986 unzureichend behandelt worden, so dass die Folgen der eingetretenen Querschnittslähmungssymptomatik auch schon deshalb eine WDB darstellten.

Der Kläger beantragt,

unter Zurückweisung der Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.08.1997 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.11.1987 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 11.11.1988 zu verurteilen, die Morbus Crohn Erkrankung mit ihren Folgeerscheinungen als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und Ausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen, den Beigeladenen zu verurteilen, die Morbus Crohn Erkrankung mit den Folgeerscheinungen als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und eine Versorgungsrente zu zahlen.

Die Beklagte und der Beigeladene beantragen,

unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.08.1997 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Sie sind zunächst der Auffassung, das Urteil könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil die vom Gericht anerkannte Schädigungsfolge "einen Teil der Lähmungserscheinungen" nicht bestimmt und nicht bestimmbar sei. Das Sozialgericht habe sich, soweit eine Verurteilung zur Anerkennung von Schädigungsfolgen erfolgt sei, zu Unrecht auf das Gutachten des Prof. Dr. N2 gestützt. Hiernach seien weder ein Behandlungsfehler noch eine hieraus folgende Verschlimmerung erwiesen. Im Übrigen sind die Beklagte und der Beigeladene der Auffassung, das die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben könne. Vielmehr habe das Sozialgericht den Sachverhalt insoweit tatsächlich und rechtlich richtig gewürdigt.

Im Berufungsverfahren ist auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. L, Chefarzt der Med. Klinik der Krankenanstalten H, vom 04.04.2001 eingeholt worden. Hiernach sind die ersten sicheren Symptome für die Crohn-Krankheit retrospektiv die am 04.12.1969 dokumentierten Symptome: Magenschmerzen, Durchfall, perianale Fistel gewesen. Insgesamt ist der Sachverständige zu der Beurteilung gelangt, dass die Crohn-Krankheit oder weitere hierauf zurückzuführende Gesundheitsstörungen nicht als schädigungsbedingt einzuschätzen seien. Auch eine frühzeitig eingesetzte Antibiotikatherapie im Januar 1986 im BWK I1 hätte die heute noch bestehenden neurologischen Ausfälle durch den Spinalkanalabszess nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verhindern können. Zusammengefasst bestehe keine zusätzliche MdE durch eine fehlerhafte Behandlung.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat weder Anspruch auf Ausgleichszahlungen für die Zeit als Soldat noch auf Versorgung für die Zeit nach Beendigung seines Dienstverhältnisses. Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass Folgen einer WDB nach § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) anerkannt werden.

Demgegenüber sind die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen begründet. Diese Beteiligten sind zu Unrecht verurteilt worden, "einen Teil der seit 1986 bestehenden Lähmungen "als WDB anzuerkennen.

Die angefochtenen Bescheide sind insgesamt nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Leistungsgewährung. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die als WDB geltend gemachten Gesundheitsstörungen den für einen Leistungsanspruch nach §§ 85 Abs. 1, 80 SVG i.V.m. §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) erforderlichen Mindestgrad einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 v.H. erreichen. Denn weder die Crohn-Krankheit noch die im Zusammenhang mit dem Spinalabszess im Jahre 1986 aufgetretenen Lähmungen können als Folge einer WDB nach § 81 Abs. 1 SVG anerkannt werden.

I.

Auch zur Überzeugung des Senats sind die zur Anerkennung der Crohn-Krankheit als Folge einer WDB erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

WDB ist nach § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Nach § 81 Abs. 6 Abs. 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil für die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, so kann mit Zustimmung des Bundesministers der Arbeit und Sozialordnung (BMA) die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden ("Kann-Versorgung", § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG).

Da die Entstehung einer Crohn-Krankheit in der medizinischen Wissenschaft weitgehend ungeklärt ist, wie von den Sachverständigen dargelegt und auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" 1996 (AP) in Ziffern 39, 107 ausgeführt, kommt eine Anerkennung nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG nicht in Betracht. Schon wegen der in der medizinischen Wissenschaft herrschenden Unsicherheiten lässt sich die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Dienst bei der Bundeswehr und dem Auftreten der Erkrankung nicht feststellen. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Anerkennung der Crohn-Krankheit im Wege der "Kann-Versorgung" nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG. Zwar hat der BMA allgemein seine Zustimmung zur Anerkennung der Crohn-Krankheit erteilt. Diese Zustimmung ist aber nicht einschränkungslos erteilt worden. Sie ist vielmehr an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die auch in die AP, die nach ständiger Rechtsprechung normähnliche Bedeutung haben ( u.a. Urteil des BSG vom 01.09.1999 - B 9 V 95/98 R -) übernommen worden sind (AP Ziffern 39, 107). Allgemein ist deshalb nicht die Zustimmung als solche geregelt; allgemein sind vielmehr die Voraussetzungen geregelt, unter denen im Einzelfall angenommen werden kann, dass sie erteilt ist. Die "Kann-Leistung" ist zu versagen, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt die in den AP aufgeführten Voraussetzungen für die Zustimmung nicht vorliegen. Denn die AP für die Begutachtung der einzelnen Krankheiten sind i.V.m. der allgemeinen Zustimmung lückenlos. Sie enthalten nicht nur die Festlegung des BMA, wann die Zustimmung erteilt wird, sondern auch die Festlegung, wann sie nicht erteilt wird (Urteil des BSG vom 10.11.1993 - 9/9a RV 41/92 - in SozR 3-3200 § 81 Nr. 9). Entscheidend ist daher, ob die nach den AP 1996 nach Ziff. 197 für eine "Kann-Versorgung" bei einer Crohn-Krankheit zu stellenden Anforderungen gegeben sind. Die AP 1996 kommen hier zur Anwendung, weil für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist. Im Übrigen entspricht Ziff. 107 der AP der Ziff. 106 der AP 1983.

Nach Ziff. 107 Abs. 4 AP (vergl. auch Ziff. 106 AP 1983) ist es wegen der noch weitgehend ungeklärten Ätiologie und Pathogenese der Crohn-Krankheit auch ungewiss, ob und inwieweit körperliche Belastungen oder Witterungseinflüsse, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind, die Resistenz herabzusetzen, Krankheiten, bei denen eine erhebliche Herabsetzung der Resistenz in Frage kommt, langdauernde, schwere, tief in das Persönlichkeitsgefüge eingreifende psychische Belastungen von ursächlicher Bedeutung für die Entstehung und den Verlauf dieser Darmkrankheit ist. Haben solche Umstände als Schädigungstatbestände vorgelegen, sind die Voraussetzungen für eine "Kann-Versorgung" als gegeben anzusehen, wenn die ersten Symptome der Darmkrankheit während der Einwirkung der genannten Faktoren oder längstens sechs Monate danach aufgetreten sind. Die hiernach nach den AP für die Anerkennung der Crohn-Krankheit des Klägers als Folge einer WDB erforderlichen Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht erfüllt. Denn jedenfalls lässt sich der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang von längstens sechs Monaten zwischen den genannten Schädigungstatbeständen und dem Auftreten der ersten Symptome der Erkrankung nicht nachweisen.

Unter Würdigung aller Umstände und insbesondere auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers kommen als Schädigungstatbestand i.S.d. Ziff. 107 AP allein die vom Kläger geschilderten Verhältnisse während des Unteroffizierslehrgangs B vom 07.01. bis 18.03.1969 (mit Einzelkämpferausbildung) in Betracht. Demgegenüber sind besondere physische oder psychische Belastungen während der beiden weiteren Unteroffizierslehrgänge im Jahre 1969 nicht erkennbar. Wie vom Kläger selbst angegeben, bestand die Tätigkeit während dieser Lehrgänge, an denen er als Ausbilder teilgenommen hat, im Wesentlichen in theoretischer Ausbildung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen sein Beruf als Soldat immer Spaß gemacht und er den Dienst nie als besondere Belastung empfunden hat. Allerdings war der Kläger während des Lehrgangs vom 07.01. bis 18.03.1969 unter Zugrundelegung seiner Schilderung insbesondere während der Einzelkämpferausbildung erheblichen insbesondere körperlichen Belastungen und extremen Witterungseinflüssen ausgesetzt. Da die besonders belastende Einzelkämpferausbildung nur 14 Tage dauerte, kann es zwar angesichts der medizinischen Ausführungen des Prof. Dr. N2 fraglich sein, ob diese Belastungen nach ihrer Dauer geeignet waren, die Resistenz i.S.d. Ziff. 107 Abs. 4 Satz 2 Buchstabe a AP herabzusetzen. Angesichts der Schwere der vom Kläger geschilderten Belastungen und der extremen winterlichen Witterungsverhältnisse spricht unter Würdigung der med. Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. L aber einiges dafür, dass die Gesamtumstände während des Lehrgangs und insbesondere während der Einzelkämpferausbildung geeignet gewesen sind, vorübergehend die Resistenz zu mindern. Diese Resistenzminderung könnte, wie von Prof. Dr. L dargelegt, sicherlich auch in den folgenden Wochen eine erhöhte Infektanfälligkeit bewirkt haben. Im Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob die Umstände während des Unteroffizierslehrgangs vom 07.01. bis 18.03.1969 tatsächlich geeignet waren, eine Herabsetzung der Resistenz in einem solchen Umfang, wie dies nach den AP erforderlich ist, zu bewirken.

Denn jedenfalls sind die ersten Symptome der Crohn-Krankheit nicht während der besonderen Belastungen während des Lehrgangs und auch nicht längstens sechs Monate danach aufgetreten. Nachgewiesen sind die ersten Symptome der Erkrankung erst im Dezember 1969 (Eintragungen in der G-Karte am 04.12.1969), also über 11 Monate nach Beendigung des Lehrgangs. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens und insbesondere aus den übereinstimmenden medizinischen Beurteilungen der Sachverständigen Prof. Dr. N2 und Prof. Dr. L. Hiernach sind retrospektiv die ersten sicheren Symptome für die Crohn-Krankheit die am 04.12.1969 dokumentierten Befunde, insbesondere also die perianale Fistel.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers sieht der Senat keinen Anlass, von den ihn überzeugenden Beurteilungen der Sachverständigen abzuweichen und entgegen dieser medizinisch begründeten Einschätzung anzunehmen, dass bereits vor dem 04.12.1969 die ersten Symptome der Darmerkrankung aufgetreten sind. Soweit der Kläger behauptet, er habe bereits wegen im April 1969 aufgetretener Durchfälle und Koliken ärztliche Hilfe in Anspruch genommen, bestehen bereits Bedenken, diese Angaben als glaubhaft (vgl. § 15 Verwaltungsverfahrensgesetz - Kriegsopferversorgung) anzusehen. Für die Zeit zwischen März 1969 (Ende des Lehrgangs) und Dezember 1969 sind in der G-Karte keinerlei ärztliche Behandlungen oder Beschwerden des Klägers dokumentiert. Dafür, dass die G-Karte unvollständig ist, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Abgesehen von der fehlenden Dokumentation folgen die Bedenken gegen die vom Kläger gemachten Angaben bereits aus seinen unterschiedlichen und mehrfach gewechselten Zeitangaben zum Auftreten der Beschwerden. So hat der Kläger gegenüber dem Sachverständigen Dr. B als Beginn der Beschwerden noch etwa Herbst 1969 angegeben. Später hat er diesen Zeitpunkt auf August/September bzw. April 1969 vorverlegt.

Unabhängig hiervon lässt die vom Kläger nach seinen Behauptungen bereits vor Dezember 1969 aufgetretene Beschwerdesymptomatik allein auf Grund der Angaben des Klägers keinen verlässlichen Rückschluss darauf zu, das es sich bei diesen Beschwerden um die ersten Symptome der Crohn-Krankheit gehandelt hat. Denn nach den Beurteilungen sämtlicher Sachverständigen ist die vom Kläger geschilderte Beschwerdesymptomatik jedenfalls nicht unbedingt und zwingend typisch für eine Crohn-Krankheit. Ein solcher verlässlicher Rückschluss auf eine Crohn-Krankheit ist erst aufgrund der Dokumentation der Beschwerden im Dezember 1969, insbesondere der aufgetretenen Perianalfistel, möglich.

Da die ersten Symptome der Crohn-Krankheit erst nach Ablauf des in Ziff. 107 AP genannten Sechsmonatszeitraums nachweisbar sind, sind die nach den AP für eine "Kannversorgung" erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Das Gutachten des zunächst gehörten Sachverständigen Dr. B rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere reicht die hierin angesprochene rein formale Betrachtungsweise der AP nicht aus. Die Crohn-Krankheit ist nicht schon deshalb Folge einer WDB, weil sie sich zeitlich und örtlich im Zusammenhang mit dem Dienst bei der Bundeswehr entwickelt hat. Dafür, dass die daneben erforderlichen und oben erörterten weiteren besonderen Voraussetzungen vorliegen, findet sich auch nach dem Gutachten des Dr. B kein Anhaltspunkt. Vielmehr hat auch dieser Sachverständige ausgeführt, dass die vom Kläger damals noch - anders als später - auf Herbst 1969 datierten Beschwerden, wie Koliken und Krämpfe, nicht beweisend für eine Crohn-Erkrankung sind.

Dahingestellt bleiben kann, ob die Crohn-Krankheit bereits vor 1972 hätte diagnostiziert und behandelt werden können. Denn auch eine etwaige verspätete Diagnosestellung rechtfertigt jedenfalls keine Anerkennung der Crohn-Erkrankung als Folge einer WDB. Maßgeblich hierfür ist, dass nach den überzeugenden übereinstimmenden Beurteilungen aller Sachverständigen die möglicherweise verspätete Diagnosestellung sich jedenfalls nicht wesentlich auf die 1986 aufgetretenen Komplikationen und das bei Antragstellung im Jahre 1986 vorhandene bzw. heutige Krankheitsbild ausgewirkt hat. Denn - wie von Prof. Dr. L überzeugend dargelegt - handelt es sich bei dem Morbus Crohn um eine schubweise und schicksalhaft verlaufende Krankheit. Durch medikamentöse und operative Therapie ist keine Heilung, sondern allenfalls eine Symptombehandlung zu erzielen. Somit hätten die damaligen und auch heutigen Therapieoptionen auch bei früherer Diagnosestellung mit Wahrscheinlichkeit den Krankheitsverlauf nicht wesentlich geändert.

Insgesamt kann die Crohn-Krankheit unter keinem Gesichtspunkt als Folge einer WDB anerkannt werden.

II.

Demgegenüber haben die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen Erfolg. Das Sozialgericht hat diese Beteiligten zu Unrecht verurteilt, "einen Teil der seit Januar 1986 bestehenden Lähmungen" als WDB anzuerkennen.

Eine Anerkennung der Folgen der im Zusammenhang mit dem Spinalabszess 1986 aufgetretenen Querschnittslähmungssymptomatik kommt - weil die Crohn-Krankheit keine WDB ist - nur unter dem Gesichtspunkt der truppenärztlichen Versorgung im BWK I1 in Betracht.

Zu den WDB im Sinne des § 81 Abs. 1 SVG gehören auch Schäden, die durch die truppenärztliche Behandlung von Soldaten bei der Bundeswehr verursacht worden sind. Wehrdiensteigentümlich ist, dass der Soldat den behandelnden Arzt grundsätzlich nicht frei wählen kann. Im Rahmen der ihm zustehenden freien Heilfürsorge besteht vielmehr der Zwang, sich ausschließlich von Ärzten der Bundeswehr behandeln zu lassen. Ist die truppenärztliche Versorgung wenigstens wesentliche (Mit)Ursache einer gesundheitlichen Schädigung eines Soldaten, sind die Anspruchsvoraussetzungen für eine Versorgung erfüllt, sofern die Schädigung nicht bei freier Arztwahl auch bei jeder anderen ärztlichen Versorgung eingetreten wäre (Urteil des BSG vom 12.04.2000 - B 9 VS 2/99 R - in SozR 3-1750 § 411 Nr. 1).

Damit ist für die Anerkennung der aufgrund des Spinalabszesses aufgetretenen Querschnittslähmungssymptomatik und der hieraus resultierenden Lähmungserscheinungen als Folge einer WDB zunächst erforderlich, dass zwischen der truppenärztlichen Behandlung im BWK I1 und der eingetretenen gesundheitlichen Schädigung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Nach der im sozialen Entschädigungsrecht herrschenden Theorie der "wesentlichen Bedingung" muss die truppenärztliche Behandlung also im Sinne einer zumindest annähernd gleichwertigen Bedingung für die eingetretene Querschnittslähmungssymptomatik ursächlich gewesen sein. Zur Überzeugung des Senats ist unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und insbesondere der medizinischen Beurteilungen der Sachverständigen ein solcher Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich. Denn wesentlich für die eingetretenen Lähmungserscheinungen ist allein der schicksalhaft entstandene Spinalabszess, nicht aber die truppenärztliche Behandlung im BWK I1.

Soweit das Sozialgericht wegen der von Prof. Dr. N2 angesprochenen und retrospektiv als verspätet erachteten Antibiosebehandlung, die auch Prof. Dr. L im Ergebnis bestätigt hat, "einen Teil der Lähmungserscheinungen" als Folge einer WDB angesehen hat, ist eine solche Anerkennung, die im Übrigen weder bestimmt noch bestimmbar ist, nicht gerechtfertigt. Denn die von Prof. Dr. N2 und Prof. Dr. L erörterte Antibiotikatherapie im BWK I1 spielt für die Entwicklung der Erkrankung und ihren späteren Verlauf unter Würdigung aller Umstände lediglich eine untergeordnete Rolle. Insgesamt ist nicht erkennbar, dass hierdurch der Spinalabszess und die hieraus resultierenden Lähmungserscheinungen wesentlich beeinflusst worden sind.

Zwar ist Prof. Dr. N2 zu der Beurteilung gelangt, dass die Frage, ob durch die von ihm als verspätet und halbherzig bezeichnete Antibiosebehandlung der Abszess größer geworden ist, als dies bei einer früheren anderen Antibiotikatherapie der Fall gewesen wäre, vorsichtig bejaht werden müsse. Gleichzeitig hat er aber darauf hingewiesen, dass eine Feststellung des Ausmaßes einer Verschlimmerung nicht nachzuvollziehen sei und rein spekulativ wäre.

Entscheidend ist, dass jedenfalls auch bei einer früheren Antibiotikatherapie der schicksalhaft eingetretene Spinalabszess nicht hätte verhindert werden können. Denn die möglicherweise nicht ausreichende Antibiosebehandlung war, wie auch von Prof. Dr. N2 dargelegt, jedenfalls nicht ursächlich für den am Rückenmark aufgetretenen subduralen Abszess. Nach der den Senat überzeugenden Beurteilung des Prof. Dr. L hätten die Erkrankung und die aufgetretenen Lähmungserscheinungen auch bei einer anderen Antibiosebehandlung keinen wesentlich anderen Verlauf genommen. Unter Würdigung der medizinischen Beurteilungen in ihrer Gesamtheit muss davon ausgegangen werden, dass sich das Krankheitsbild auch dann, wenn der Kläger nicht im BKW I1, sondern in einem anderen Krankenhaus behandelt worden wäre, nicht wesentlich anders entwickelt hätte.

Denn nach den Beurteilungen aller Sachverständigen ist weder eine verspätete Diagnose der subduralen Abszedierung noch eine zu spät erfolgte Verlegung in die Universitätsklinik N1 erkennbar. Das zeitgerecht durchgeführte Computertomogramm enthielt keine Hinweise auf den Spinalabszess. Es zeigte nur einen ausgedehnten Abszess hinter dem Rektum, der korrekt als abdominalchirurgisches Problem eingestuft worden ist. Soweit Prof. Dr. L andeutet, dass möglicherweise eine Myelographie zu diesem Zeitpunkt bereits die Abszessausdehnung aus dem Spinalkanal hätte nachweisen können, rechtfertigte diese vage Möglichkeit nicht den Schluss, dass die Erkrankung einen wesentlich günstigeren Verlauf genommen hätte, wenn der Kläger in einem Krankenhaus mit weiteren diagnostischen Möglichkeiten behandelt worden wäre. Insgesamt kann die truppenärztliche Behandlung daher nicht als ursächlich für den Krankheitsverlauf und die eingetretene Schädigung angesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, § 160 Abs. 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles.
Rechtskraft
Aus
Saved