L 7 SB 97/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 7 SB 319/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 SB 97/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.05.2001 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 50 und der gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "erhebliche Beeinträchtigung in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G).

Mit Bescheid vom 06.10.1988 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 50 fest wegen

"1. Depressionen, psychovegetative Störungen,

2. Bronchitis, Hustenreiz,

3. Anämie, Kreislaufstörungen,

4. Wirbelsäulen-Syndrom,

5. Entfernung eines Brustknotens,

6. Schilddrüsenoperation,

7. Harninkontinenz bei Scheidensenkung."

Im März 1999 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Feststellung eines höheren GdB sowie die Gewährung des Nachteilsausgleiches "G". Sie trug u.a. vor, sie sei durch ihre Beschwerden im Halte- und Bewegungsapparat, insbesondere in der Wirbelsäule, erheblich beeinträchtigt. Das Zurücklegen längerer Wegstrecken sei ihr wegen der Schmerzen und einem erheblichen Anschwellen der Beine nicht mehr möglich. Nach Auswertung der beigezogenen Berichte der behandelnden Ärzte durch den Orthopäden H wies der Beklagte mit Bescheid vom 22.07.1999 den Antrag der Klägerin unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurück. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen sei nicht eingetreten. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" lägen nicht vor.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie führte u.a. aus, sie sei nicht in der Lage, selbstständig Wegstrecken ohne Begleitung zurückzulegen. Sie leide an einem häufigem Kollaps des labilen Kreislaufes, der mit häufigen Stürzen und ständigen Schwindel verbunden sei. Es träten regelmäßig Schwindelanfälle auf. Daraufhin veranlasste der Beklagte eine gutachterliche Untersuchung der Klägerin durch den Chirurgen Dr. N. Am 26.10.1999 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Mit der am 11.11.1999 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.

Das SG hat Gutachten von dem Oberarzt der Chirurgischen Klinik des St. K-Hospitals in E Dr. T, des Oberarztes der Medizinischen Klinik II des K-Hospital in E Dr. I und der Neurologin und Psychiaterin T1 eingeholt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gutachten vom 29.05.2000, 30.08.2000 und 24.10.2000 verwiesen.

Mit Urteil vom 28.05.2001 hat das SG Dortmund die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Einzel-GdB-Bewertungen der Gesundheitsstörungen sowie der Bewertung des Gesamtbehinderungszustandes der Klägerin mit einem GdB von 50 ist es den Feststellungen der im Verfahren gehörten Sachverständigen gefolgt. Das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" hat es verneint. Der Klägerin sei das Zurücklegen ortsüblicher Wegstrecken in zumutbarer Zeit (ca. 45 min.) zumutbar. Die bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen erfüllten nicht die in Nr. 30 Abs. 3 - 5 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1996 aufgeführten Regelbeispiele.

Gegen das am 15.06.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.07.2001 Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.05.2001 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.07.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 26.10.1999 zu verurteilen, bei ihr ab Antragstellung einen höheren GdB als 50 und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Klägerin hat trotz mehrmaliger Erinnerung und Fristsetzung eine Schweigepflichtentbindungserklärung nicht zu den Akten gereicht. Innerhalb der vom Senat gesetzten Frist hat die Klägerin keinen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt. Die Beteiligten sind nach § 153 Abs. 4 SGG angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Schwerbehindertenakten Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss gem. § 153 Abs. 4 SGG zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zuvor angehört worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" zu.

Gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, vorliegend der Bescheid vom 06.10.1988, zugunsten der Klägerin abzuändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u.a. nur dann nach Nr. 24 Abs. 2 der AP 1996, die wegen ihrer rechtsnormähnlicher Qualität für das Sozialgericht im Regelfall maßgebend sind (BSG, Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m.w.N.), u.a. wesentlich, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit dem des verbindlich festgestellten Gesundheitszustandes der Klägerin eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt. Der Hinzutritt von weiteren Gesundheitsstörungen führt nicht automatisch zu einer Höherbewertung des Gesamt-GdB. Bei einer Neufeststellung des GdB wegen der Änderung der Verhältnisse zu Gunsten der Betroffenen handelte es sich nicht um eine reine Hochrechnung des im bestandskräftigen Bescheid festgestellten Gesamt-GdB, sondern um die Neuermittlung des Gesamt-GdB unter Berücksichtigung der gegenseitigen Beeinflussung der verschiedenen Leiden. Dabei entfalten die dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid zugrundegelegten Einzel-GdB für die Funktionsbeeinträchtigungen keine Bindungswirkung.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist keine wesentliche Änderung in dem Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten, die eine Bewertung des Gesamtbehinderungszustandes mit einem höheren GdB als 50 rechtfertigt.

Im Funktionssystem "Psyche" besteht bei der Klägerin eine chronisch-reaktive Depression, die den Verlust der Eigeninitiative, einen kommunikativen Rückzug sowie ein somatisches Syndrom in Form von schneller Ermüdbarkeit, vermehrten Schlaf und muskulären Verspannungen zur Folge hat. Der Ansatz eines GdB von 30 für die funktionellen Auswirkungen der Depression durch die Sachverständige T1 stimmt mit den Erfahrungssätzen der AP 1996 überein, wonach eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, z.B. ausgeprägtere depressive Störungen, einen GdB von 30 bis 40 bedingt (Nr. 26.3 S. 60 AP 1996).

Hinzu tritt im Funktionssystem "Verdauung" eine Lactoseintoleranz mit dem Erfordernis der strikten Karenz gegenüber Nahrungsbestandteilen, welche Milchzucker enthalten, und einer Neigung zu Blähungen, die das Auftreten von Refluxbeschwerden als Folge der Refluxoesophagitis und der chronischen Gastritis verstärkt. Die Bewertung der Funktionsstörungen in dem Funktionssystem "Verdauung" mit einem GdB von 30 durch den Sachverständigen Dr. I ist unter Zugrundelegung der GdB-Bewertungen der AP 1996 noch vertretbar. Nach Nr. 26.10 bedingt eine Sprue ohne wesentliche Folgeerscheinungen unter die diätische Therapie einen GdB von 20 (Nr. 26.10 S. 98), eine chronische Gastritis einen GdB von 0 bis 10 (Nr. 26.10 S. 95) sowie eine Refluxkrankheit der Speiseröhre mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß einen GdB von 10 bis 30 (Nr. 26.10 S. 94). Nach anamnestischen Angaben der Klägerin treten bei ihr nach dem Essen Schmerzen am linken Oberbauch mit Ausstrahlung hinter das Brustbein auf, die durch Aufstoßen gelindert werden.

Desweiteren besteht bei der Klägerin eine Fallneigung, Schwindel und orthostatische Kreislauffehlregulation. Die Ursache der Fallneigung ist nicht geklärt. Die beiden Sachverständigen Dr. I und T1 setzen übereinstimmend für die Fallneigung einen GdB von 20 an. Diese GdB-Bewertung steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der AP 1996, wonach funktionelle kardiovaskuläre Syndrome, z.B. orthostatische Fehlregulation, mit stärkeren Beschwerden und Kollapsneigung einen GdB von 10 bis 20 (Nr. 26.9 S. 93) sowie Gleichgewichtsstörungen mit leichten Folgen - leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallschritte bei alltäglichen Belastungen - einen GdB von 20 (Nr. 26.5 S. 73) verursachen.

Im Funktionssystem "Rumpf" besteht bei der Klägerin ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Bandscheibenprotrusion im Bereich der Lendenwirbelsäule L 2/L 3 und S 1 sowie eine Spondylarthrose ohne Nachweis von Nervenreiz- oder Nervenwurzelkompressionssymptomatik, dem Auftreten von Bewegungseinschränkungen schweren Grades oder häufig rezidivierenden, Wochen anhaltenden ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen. Dem Funktionssystem "Rumpf" kann ein GdB von 20 beigemessen werden (Nr. 26.18 S. 140 AP 1996).

Die Harninkontinenz bei Scheidensenkung mit Dranginkontinenz und Nykturie verursacht einen GdB von 20 (Nr. 26.14 S. 117; Nr. 26.12 S. 110 AP 1996).

Im Funktionssystem "Beine" liegt bei der Klägerin ein geringfügig ausgeprägtes Krampfaderleiden ohne trophische Störungen, eine diskrete Schwäche der Hüftbeugung links, eine beginnende Polyneuropathie, eine beginnende Gonarthrose beider Kniegelenke und Coxarthrose beider Hüftgelenke mit endgradig schmerzhafter Bewegungseinschränkung sowie statische Fußbeschwerden bei Hallux-valgus-Deformität und Hammerzehbildung vor. Von den im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen ist weder das Vorliegen von dauernden nach den Erfahrungssätzen der AP 1996 relevanter Bewegungseinschränkungen der Gelenke der unteren Extremität, eine relevante Einschränkung der Belastbarkeit der Beine noch statische Auswirkungen stärkeren Grades als funktionelle Auswirkungen dieser Gesundheitsstörungen objektiviert worden. Auch unter Berücksichtigung der mit den Gesundheitsstörungen verbundenen Schmerzen ist das Funktionssystem "Beine" damit mit der Annahme eines GdB von 10 ausreichend bewertet (Nr. 26.9 S. 91; Nr. 26.3 S. 63; Nr. 26.18 S. 149/150, 151/152 und 153 AP 1996).

Die Bewegungseinschränkungen der Schultergelenke sind von dem Sachverständigen Dr. T im Hinblick auf die von ihm festgestellten Bewegungseinschränkungen zutreffend mit einem GdB von 10 bewertet worden (Nr. 26.18 S. 143 AP 1996).

Die chronische Bronchitis bedingt ebenfalls nur einen GdB von 10 (Nr. 26.8 S. 82 AP 1996), da weder eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion noch das Auftreten von häufigen akuten Schüben oder eines sehr ausgiebigen Hustenauswurf objektiviert worden ist.

Die übrigen Gesundheitsstörungen "Fettstoffwechselstörungen, Zustand nach Schilddrüsenoperation und Entfernung der Gallenblase, Tinnitus, Gehschwäche (Starroperation), Hörminderung links und vasomotorische Kopfschmerzen" verursachen nach den Feststellungen der beiden Sachverständigen Dr. I und T1 keinen messbaren GdB. Diese Bewertung steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der AP 1996 zur GdB-Bewertung dieser Gesundheitsstörungen (Nr. 26.15 S. 119 und S. 120/121; Nr. 26.10 S. 102, Nr. 26.5 S. 69 und 74, Nr. 26.4 S. 63).

Der Gesamtbehinderungszustand der Klägerin ist mit der Annahme eines GdB von 50 ausreichend bewertet. Nach den AP 1996 ist, ausgehend von der schwerwiegendsten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und das es bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung anzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Vorgaben ist der GdB von 30 für das Funktionssystem "Psyche" im Hinblick auf die Funktionsbeeinträchtigungen in dem Funktionssystem "Verdauung" und der Fallneigung um 20 auf 50 zu erhöhen. Zu der Einschränkung der psychischen und körperlichen Belastungsfähigkeit sowie der Fähigkeit zur sozialen Kontaktaufnahme durch die chronische Depression tritt das Erfordernis der Einhaltung einer bestimmten Diät mit vermehrten Meteorismus sowie einer Einschränkung der Bewegungsfähigkeit auf Grund der nach Angaben des Ehemannes der Klägerin ein- bis zweimal wöchentlich auftretenden Fallneigung hinzu, die den Gesamtbehinderungszustand vergrößern.

Die Anhebung des GdB im Hinblick auf die Auswirkungen der Funktionsstörungen in den beiden Funktionssystemen "Rumpf" und "Harnorgane" ist über 50 hinaus nicht gerechtfertigt. Diese Funktionsbeeinträchtigungen führen nicht zu einer gravierenden Vergrößerung des Gesamtbehinderungszustandes. Die funktionellen Auswirkungen der Wirbelsäulenschäden überschneiden sich im Hinblick auf die Einschränkung der körperlichen Belastungsfähigkeit zumindest teilweise mit denen der chronischen Depression, da diese mit einem somatischen Syndrom in Form schneller Ermüdbarkeit, vermehrten Schlaf und muskulären Verspannungen verbunden ist. Ebenso ist das Erfordernis des Tragens von Vorlagen bei der Annahme eines GdB von 50 ausreichend mitberücksichtigt. Die übrigen Gesundheitsstörungen, die mit einem GdB von 10 bewertet sind, haben keine Vergrößerung des Gesamtbehinderungszustandes zur Folge.

Das SG hat zu Recht das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" bei der Klägerin verneint.

Nach § 146 SGB IX ist in der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Organe oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder Andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Die ortsübliche Wegstrecke bemisst sich nach einer Wegstrecke von 2 km bei einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde (BSG, Urteil vom 10.12.1987, 9a RVs 11/87, BSGE 62, 273). Demnach liegt eine erhebliche Gehbehinderung vor, wenn eine Schwerbehinderte bei der Zurücklegung einer Gehstrecke von 2 km die Zeitdauer von ca. 30 min. wesentlich überschreitet. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beschreiben die AP 1996 Nr. 30 Abs. 3 - 5 Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (BSG, Urteil vom 13.08.1997, 9 RVs 1/96; Urteil vom 27.08.1998, B 9 SB 13/97 R). Dabei ist entscheidend, ob die bei der Betroffenen festgestellten körperlichen Regelwidrigkeiten mit denen von ihnen ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen die Bewegungsfähigkeit einer gedachten Person ebenso weit herabsetzen wie in den AP 1996 beispielhaft genannten Fällen. Erst dann ist nach dem Erfahrungswissen ärztlicher Sachverständigen, das sich in den AP 1996 niedergeschlagen hat, anzunehmen, dass eine Betroffene die Strecke von 2000 m nicht mehr in zumutbarem Zeitaufwand zurücklegen kann. Die Klägerin ist auf Grund einer orthopädischen oder inneren Gesundheitsstörung i.S.v. Nr. 30 Abs. 3 AP 1996 nicht in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr beeinträchtigt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, die er sich nach Prüfung zu eigen macht.

Auch treten bei der Klägerin keine Anfälle auf, die ihre Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Nach Nr. 30 Abs. 4 AP 1996 fallen unter dem Begriff "Anfälle" hirnorganische und hypoglykämische Anfälle von Zuckerkranken, also Anfälle, die mit Bewusstseinsverlust und Sturzgefahr verbunden sind (BSG, Beschluss vom 10.05.1994, 9 BVs 45/93), wobei die Anfälle in bestimmter Häufigkeit und überwiegend am Tage auftreten müssen. Bei der von den beiden Sachverständigen Dr. I und T1 beschriebenen Fallneigung der Klägerin handelt es sich nicht um ein Auftreten von Anfällen in bestimmter Häufigkeit i.S.v. Nr. 30 Abs. 4 AP 1996. Nach den anamnestischen Angaben der Klägerin sowie ihres Ehemannes bei den Sachverständigen ist zwar das ein- bis zweimalige wöchentliche Auftreten einer Fallneigung mit der Notwendigkeit vorübergehenden Haltesuchens und Hinsetzens verbunden, die Klägerin kann aber die Anzeichen einer Fallneigung erkennen und sich noch in eine sichere Lage begeben. Das gehäufte Auftreten von Stürzen mit Bewusstseinsverlust als Folge der Fallneigung ergibt sich weder aus den anamnestischen Angaben der Klägerin und ihres Ehemannes bei den Sachverständigen noch aus den beigezogenen ärztlichen Befundberichten.

Die funktionellen Auswirkungen der chronischen Depression begründen nicht die persönlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" nach § 146 SGB IX. Psychische Störungen rechtfertigen nur dann die Annahme des Nachteilsausgleiches "G", wenn sie eine Störung der Orientierungsfähigkeit, psychogene Gangstörungen oder Anfälle i.S.v. Nr. 30 Abs. 3 AP 1996 bewirken. Der Gesetzgeber hat in § 146 SGB IX abschließend aufgezählt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr begründen können. Psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nur mit sonstigen Beeinträchtigungen oder Störungen einhergehen, z.B. mit Verstimmungen, antriebsminderung und Angstzuständen, fallen nicht unter § 146 SGB IX (BSG, Beschluss vom 10.05.1994, 9 BVs 45/93).

Der Senat sieht keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Die Gutachten der im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. I, Dr. T und T1 sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar begründet. Sie beruhen auf einer eingehenden klinischen Untersuchung der Klägerin sowie einer kritischen Auswertung der beigezogenen ärztlichen Unterlagen. Sie stehen nicht im Widerspruch zu den in den beigezogenen ärztlichen Unterlagen dokumentierten Befunden. Für den Senat besteht kein Anhaltspunkt, an der Richtigkeit der Feststellungen der drei Sachverständigen zu zweifeln. Die Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keine Tatsachen vorgetragen, die Anlass zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung gegeben hätten. Desweiteren hat es die Klägerin trotz mehrmaliger Aufforderung und Hinweis auf ihre Obliegenheit zur Mitwirkung nach § 103 SGG unterlassen, dem Senat eine Schweigepflichtentbindungserklärung hinsichtlich ihrer behandelnden Ärzte zu übersenden, um eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen. Die sich daraus für die Sachverhaltsaufklärung ergebenden Nachteile hat die Klägerin nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast verfahrensrechtlich zu tragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved