L 4 (2) U 65/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 124/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 (2) U 65/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 39/03 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.10.2001 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung der Gefahrklasse für die Gefahrtarifperiode vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 nach Teil II Nr. 2 a des Gefahrtarifes 1998 (GT 98) streitig.

Die Klägerin betreibt neben einem Unternehmen im Bereich der Industriemontage auf Werkvertragsbasis ein Unternehmen auf dem Gebiet der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung im Bereich des Maschinen- und Stahlbaus. Seit 1986 ist sie im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Mit Bescheid vom 24.06.1997 veranlagte die Beklagte die Klägerin nach dem ab dem 01.01.1995 gültigen Gefahrtarif 1995 (GT 95) zu der Gefahrtarifstelle 23 mit der Gefahrklasse 1,60 und der Gefahrtarifstelle 24 zeitlich gestaffelt mit der Gefahrklasse 12,64 (1996) und 15,04 (1997 bis 1999), wobei sie die Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 24 um 20 % herabsetzte. Hinsichtlich der Herabsetzung nach Teil II Nr. 2 des GT 1995 stützte sie sich auf den von ihr 1995 aufgestellten Kriterienkatalog für zusätzliche modellhafte Arbeitsschutzmaßnahmen in Bezug auf die Gefahrtarifstelle 24 sowie eines Prüfberichts des Prärentionsstabes vom 17.02.1997.

Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss am 11.12.1997 den GT 98, der Grundlage für die Berechnung der Beiträge für die Zeit vom 01.01.1998 bis 31.12.2000 war. Teil II Nr. 2 lautet wie folgt:

"2 a. ergibt sich in Einzelfällen, dass wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise oder Betriebseinrichtung ein Unternehmen wesentlich geringeren oder höheren Gefährdungen unterliegt als die Unternehmen, für die die Gefahrklasse in Teil I berechnet ist, so kann die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die (in Teil I festgesetzte) Gefahrklasse um 10 bis 30 vom Hundert herabsetzen oder heraufsetzen. 2 b. die Einhaltung der vorgeschriebenen und üblichen Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und zur Abwehr von Gesundheitsgefahren begründet keine Herabsetzung der Gefahrklasse ..."

Mit Bescheid vom 24.06.1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin nach § 159 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) nach dem GT 98 zu der Gefahrtarifstelle 48 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten) mit der Gefahrklasse 0,57 und zu der Gefahrtarifstelle 49 (Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen) mit der Gefahrklasse 10,66. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte am 12.02.1999 als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage, S 6 U 64/99, wies das Sozialgericht (SG) Duisburg mit Urteil vom 21.03.2001 ab. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, L 15 U 102/01, wurde das Verfahren ruhend gestellt.

Im Oktober 1999 beantragte die Klägerin die Herabsetzung der Gefahrklasse für den Gefahrtarifzeitraum ab 1998. Nach Einholung einer Stellungnahme des Präventionsstabes vom 19.10.1999 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 01.03.2000 ab. Sie führte aus, eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise oder Betriebseinrichtung sei im Fall der Klägerin nicht erkennbar. Die vollständige Erfüllung der Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation im Sinne des sogenannten Kriterienkataloges, die für die Jahre 1995 bis 1997 für Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zur Förderung des Arbeitsschutzes als Indiz für eine Abweichung in Bezug auf die Gefahrengemeinschaft "gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung" fingiert worden sei, stelle im ab 01.01.1998 geltenden Gefahrtarif keinen Grund für eine Herabsetzung mehr da. Sinn und Zweck der Herabsetzungsregelung sei nicht, Arbeitsschutzmaßnahmen zu honorieren, sondern außergewöhnliche Risiken berücksichtigen zu können. Die Maßnahmen des Arbeitsschutzes würden nicht getroffen, um den Unternehmenszweck zu erfüllen. Sie gehörten damit nicht zur Betriebsweise und seien daher bei der Veranlagung nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die besondere Arbeitsschutzorganisation - unabhängig, ob sie in ein Qualitätsmanagementsystem eingebunden sei oder nicht - zwischenzeitlich von einer Vielzahl der Unternehmen der Unternehmensart "gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung" umgesetzt worden; sie sei daher bei Unternehmen der Unternehmensart "Zeitarbeit" üblich.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, ihr sei zum einen bereits mit Bescheid vom 04.06.1997 für den Zeitraum bis einschließlich 1999 eine 20%ige Herabsetzung gewährt worden, sodass ein Vertrauensschutz bestehe. Zum anderen weiche die Struktur ihres Unternehmens aufgrund der bereits umgesetzten umfangreichen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit erheblich von der der Gefahrgemeinschaft ab, weshalb eine Herabsetzung der Gefahrklasse um 30 % geboten sei. Die Entscheidung der Beklagten sei auch deshalb fehlerhaft, weil sie Ermessenserwägungen im Sinne von § 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht angestellt habe. Am 19.05.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen einer Gefahrklassenherabsetzung nach Teil II Nr. 2 a des GT 98 seien nicht erfüllt. Die übliche Betriebsweise eines Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens bestehe in der Überlassung von Arbeitskräften nach dem AÜG an Dritte auf fremde Unternehmen- oder Arbeitsstätten. Die Betriebsweise des Unternehmens der Klägerin entspreche im Wesentlichen dieser Betriebsweise, weiche somit nicht erheblich von der üblichen Betriebsweise ab.

Mit der am 08.06.2000 vor dem SG Duisburg erhobenen Klage hat die Klägerin die Neubescheidung ihres Herabsetzungsantrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts begehrt. Sie hat vorgetragen, bei ihr bestehe eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise von Arbeitnehmerüberlassungsfirmen. Sie überlasse Arbeitnehmer an Entleihbetriebe nicht nur unter Einhaltung der zwingenden gesetzlichen Vorschriften, sondern auch unter Umsetzung erheblicher Maßnahmen zum Arbeitsschutz. Die von ihr eingeführten Maßnahmen, wie z. B. Arbeitsplatzbesichtigung, Integration von Arbeitsschutzvereinbarungen im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sowie die Umsetzung weiterer Kriterien des Arbeitsschutzes stellten die Art und Weise dar, wie sie ihren Unternehmensgegenstand verwirkliche. Da die von ihr umgesetzten Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation nach eigener Auskunft der Beklagten nur bei maximal 20 % der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung eingeführt worden seien, ergebe sich aus der Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen bereits eine erheblich abweichende Betriebsweise. Jedenfalls sei ihr aus Vertrauensschutzgründen die in dem Bescheid vom 24.06.1997 ausgewiesene Herabsetzung für die Jahre 1998 und 1999 zu gewähren. Die Beklagte habe sich durch die ausdrückliche Angabe des Ermäßigungszeitraumes bis einschließlich 1999 in dem Bescheid vom 24.06.1997 mit Wirkung für die Zukunft gebunden. Eine zeitliche Begrenzung der Herabsetzung bis zum Ablauf des GT 95 sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Sie habe sich im Rahmen ihrer Angebotskalkulation darauf eingerichtet, auch in Zukunft die bislang gewährte Herabsetzung zu erhalten.

Die Beklagte hat dargelegt, dass die im GT 98 festgesetzten Gefahrklassen für alle Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung mit regelrechten Betriebsverhältnissen gelten, wobei die Einrichtungen und Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und Abwehr von Gesundheitsgefahren dabei dem Stand der Technik und den Unfallverhütungsvorschriften entsprechen (Teil II Nr. 1 S 4 des Gefahrtarifes) müssten, eine weitere oder andere Differenzierung innerhalb dieser Gefahrengemeinschaft sehe der Gefahrtarif grundsätzlich nicht vor. Die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften und das Vorhandensein guter Arbeitsschutzkonzepte seien für die Herabsetzung für die Gefahrklasse nicht maßgeblich. Die Unfallverhütung und der Arbeitsschutz würden im Rahmen der Vorschrift über Beitragszuschläge und -nachlässe und Prämien nach § 162 Abs. 1 und 2 SGB VII berücksichtigt. Sie habe insoweit in § 28 ihrer Satzung nur von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Erhebung von Zuschlägen Gebrauch gemacht; Nachlässe könnten daher nicht gewährt werden. Die Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Nr. 2a des GT 98 knüpfe an die Betriebsweise eines Unternehmens an, also an die Art und Weise, wie ein Unternehmen den Unternehmensgegenstand verwirkliche. Maßgeblich seien dafür die Betriebsabläufe und -einrichtungen sowie, die ausgeführten Verrichtungen (Produktionsverfahren und -techniken). Nicht zur Betriebsweise gehörten Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen, Organisation der Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente, persönliche Eigenschaften der im Unternehmen Tätigen sowie besondere Unfallverhütungsmaßnahmen oder die Einhaltung oder Missachtung von Arbeitsschutznormen. Im Herabsetzungsverfahren sollen ausschließlich extreme Risiken in Bezug auf die Betriebsweise im Sinne der Produktionsverfahren und der eingesetzten Betriebsmittel (Automatisierung) berücksichtigt werden. Die Regelungen über die Herabsetzungen sollten nur für ganz außergewöhnliche, extreme Ausnahmefälle gelten.

Mit Urteil vom 16.10.2001 hat das SG Duisburg die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 05.11.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08.11.2001 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, dass auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R, je ein Beitragsnachlass nach § 162 Abs. 1 SGB VII zu gewähren. Denn für das Beitragsausgleichsverfahren nach § 162 Abs. 1 SGB VII sei das Ausmaß der Unfallgefahren in einem bestimmten Betrieb maßgebend. Durch die von ihr eingeführten Arbeitsschutzmaßnahmen habe sich die Unfallgefahr in ihrem Betrieb wesentlich verringert. Dies müsse von der Beklagten beachtet werden.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 16.10.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2000 zu verurteilen, den Herabsetzungsantrag der Klägerin vom 05.10.1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte sowie der beigezogenen Akte des LSG NW L 15 U 102/01 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 01.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2000, in dem die Herabsetzung der Gefahrklasse abgelehnt worden ist. Der Veranlagungsbescheid vom 24.06.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1999 ist nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Gegen diesen Veranlagungsbescheid hat die Klägerin gesondert vor dem SG Duisburg Klage erhoben.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Herabsetzungsantrages durch die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu.

Die Voraussetzungen für die Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Nr. 2 a GT 98, der Satzungscharakter hat, sind nicht gegeben. Danach kann die Beklagte in Einzelfällen die Gefahrklasse um 10 - 30 von Hundert herabsetzen oder heraufsetzen, wenn wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise oder Betriebseinrichtung ein Unternehmen wesentlich geringeren oder höheren Gefährdungen unterliegt als die Unternehmen, für die die Gefahrklasse in Teil I berechnet ist. Die Verwirklichung besonderer Maßnahmen zum Arbeitsschutz stellt keine "von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise" im Sinne des Teil II Nr. 2 a GT 98 dar. Dies ergibt sich aus Teil II Nr. 2 b GT 98, wonach die Einhaltung der vorgeschriebenen und üblichen Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und zur Abwehr von Gesundheitsverfahren keine Herabsetzung der Gefahrklasse begründen. Damit stellt nach dem Willen der Beklagten als Satzungsgeber die Verwirklichung besonderer Maßnahmen des Arbeitsschutzes keine von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise dar.

Die Satzungsbestimmungen des Teil II Nr. 2 a und b GT 98 verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das in diesen Satzungsbestimmungen geregelte Verfahren zur Herauf- oder Herabsetzung der Gefahrklasse stellt eine Beitragsausgleichsmaßnahme i.S.v. § 162 Abs. 1 SGB VII dar (vgl. BSG, Urteile vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R; Beschluss vom 24.06.2003, B 2 U 91/03 B). Nach § 162 Abs. 1 SGB VII haben die Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Versicherungsfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 - 4 bleiben dabei außer Ansatz. (§ 162 Abs. 1 S. 4, S. 2 SGB VII), wobei die Satzung der jeweiligen Berufsgenossenschaft das Nähere bestimmt (§ 162 Abs. 1 S. 3 Halbsatz 1 SGB VII). Bei der näheren Ausgestaltung des gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Zuschlags-Nachlass-Verfahren hat die jeweilige Berufsgenossenschaft im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben einen weiten Gestaltungsspielraum. Ob das beschlossene Verfahren die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung ist, ist von den Gerichten nicht zu entscheiden (BSG, Urteil vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R). Dabei ist sowohl die Errichtung eines reinen Nachlass- oder Zuschlagsverfahrens als auch eines kombinierten Nachlass- und Zuschlagsverfahrens zulässig (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung, § 162 Rdnr. 5.1 ff; Ricke in Kasseler Kommentar, § 162 Rdnr. 8).

Die Beklagte hat im Geltungszeitraum des GT 98 ein kombiniertes Zuschlags- und Nachlassverfahren beschlossen. Dies ergibt sich aus den Bestimmungen in Teil II Nr. 2 a und b GT 98, der die Bewilligung der Herabsetzung der Gefahrklasse, also von Nachlässen, oder die Heraufsetzung der Gefahrklasse, also von Zuschlägen, vorsieht und aus § 28 der Satzung, wonach dem einzelnen Beitragspflichtigen unter Berücksichtigung der Kosten der anzuzeigenden Arbeitsunfälle Zuschläge zum Beitrag auferlegt werden, wenn im abgelaufenen Geschäftsjahr (Beitragsjahr) für einen freiwillig Versicherten oder dem Versicherten eines Unternehmens eine neue Unfallrente festgestellt wurde. Die in Teil II Nr. 2 a und b GT 98 aufgestellten Kriterien für die Gewährung eines Beitragsnachlasses - eine von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise, wobei die Einhaltung der vorgeschriebenen und üblichen Vorkehrungen zur Verhütung von Unfällen und zur Abwehr von Gesundheitsgefahren zur üblichen Betriebsweise gerechnet wird -, steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht im Widerspruch zu der mit dem Beitragsausgleichsverfahren nach § 162 Abs. 1 SGB VII verfolgten Zielsetzung. Zwar soll das Beitragsausgleichsverfahren nach § 162 Abs. 1 SGB VII mit Mitteln des Beitragsrechts positive Anreize für eine verstärkte Unfallverhütung durch den Unternehmer in seinen Betrieben bewirken. Deshalb ist bei den im Gesetz vorgesehenen Kriterien für die Höhe der Zuschläge und Nachlässe, nämlich die Zahl, die Schwere oder die Aufwendungen für die Versicherungsfälle - das tatsächliche objektive Unfallgeschehen als Folge der durch den Betrieb bedingten Gefahrenlage ausschlaggebend (BSG, Urteil vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R m.V.N.).

Die Voraussetzungen für eine Herabsetzung nach § 162 Abs. 1 SGB VII sind allerdings nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R m.b.N.), der sich der Senat anschließt, nur dann erfüllt, wenn in Abweichung von der für "normale" Unternehmen geltenden regelrechten Betriebsweise, guten Einrichtungen und allen üblichen und durch die Unfallverhütungsvorschrift angeordneten Schutzvorkehrungen bei einem einzelenen Unternehmen eine Betriebsweise vorhanden ist, die von der in dem betreffenden Gewerbezweig üblichen nicht unerheblich abweicht und zu einer von dem "normalen" Unternehmen nicht unwesentlich geminderten oder erhöhten Gefahrenlage führt. Damit gehörten die durch Unfallverhütungsvorschriften angeordneten Schutzvorkehrungen zu der üblichen Betriebsweise eines Unternehmens und rechtfertigen keine Herabsetzung der Beiträge nach § 162 Abs. 1 SGB VII. Dies folgt auch aus der Bestimmung des § 162 Abs. 3 SGB VII, wonach die Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der Wirksamkeit der von den Unternehmern getroffenen Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten und für die Verhütung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Prämien gewähren können. Das Prämiensystem des § 162 Abs. 3 SGB VII stellt ein vom Beitragsausgleichsverfahren nach § 162 Abs. 1 SGB VII unabhängiges Verfahren dar, das neben dem Beitragsausgleichsverfahren Anwendung findet und die Verbesserung der Prävention durch die Unternehmer bezweckt. Es soll die Vornahme von Präventionsmaßnahmen gefördert werden, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich weniger Unfälle eingetreten sind (Bereiter-Hahn/ Mehrtens, gesetzliche Unfallversicherung § 162 Rdnr. 10 f). Außer den in Teil II Nr. 2 a und b vorgesehenen Verfahren zur Herabsetzung der Gefahrklasse ist kein weiteres Nachlassverfahren i.S.v. § 162 Abs. 1 SGB VII in der Satz der Beklagten statuiert.

Ein Anspruch auf Herabsetzung der Gefahrklasse läßt sich auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Treu und Glauben ableiten. Ein Vertrauensschutz ergibt sich nicht aus der im Bescheid vom 26.04.1997 im Hinblick auf die von der Klägerin ergriffenen Arbeitsschutzmaßnahmen verfügte Herabsetzung der Gefahrklasse der Gefahrtarifstelle 24 nach dem GT 95. Eine Herabsetzungsentscheidung aufgrund eines bestimmten Gefahrtarifes erfolgt nur für die Geltungsdauer dieses Gefahrtarifes. Sie enthält keine Bindungswirkung für die nachfolgenden Zeiträume, in denen ein neuer Gefahrtarif gilt (BSG, Urteile vom 06.05.2003, B 2 U 7/02 R und B 2 U 17/02 R; Beschluss vom 24.06.2003, B 2 U 91/03 B). Die im Bescheid vom 26.04.1995 getroffene Herabsetzungsentscheidung entfaltet somit nur Bindungswirkung für den Geltungszeitraum des GT 95, also bis zum 31.12.1997. Desweiteren enthält der Bescheid vom 26.04.1997 keine Zusage über die Herabsetzung der Gefahrklasse zumindest bis zum 31.12.1999, vielmehr wird in diesem Bescheid nur eine Regelung über die Veranlagung der Klägerin im Geltungszeitraum des GT 95, also für die Zeit vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1997 getroffen.

Dahinstehen kann, ob der Klägerin ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über die Gewährung einer Prämie nach § 162 Abs. 3 SGB VII zusteht. Denn in dem angefochtenen Bescheid hat die Beklagte nur eine Entscheidung über die Herabsetzung der Gefahrklasse, also über die Gewährung eines Beitragsnachlasses nach § 162 Abs. 1 SGB VII getroffen. Auch hat die Klägerin weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren die Gewährung einer Prämie nach § 162 Abs. 3 SGB VII begehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved