L 4 (2) U 50/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 17 U 279/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 (2) U 50/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufungen der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.02.2002 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 14.05.1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 21.09.1998 verurteilt, an die Klägerinnen Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Unfalls des Versicherten W E am 03.04.1998 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des 1941 geborenen und am 00.00.1998 verstorbenen Versicherten W E. Die 1985 geborene Klägerin zu 2) ist die Stieftochter des Versicherten. Der Versicherte war als Berufskraftfahrer bei der Firma K H GmbH, S, J, beschäftigt. Seinen Wohnsitz hatte er in der P Straße 0, T.

Nach Beendigung seiner Arbeit verließ der Versicherte am Freitag, den 03.04.1998, um 15:00 Uhr die Arbeitsstätte. Gegen 15:30 Uhr verunglückte er mit seinem Motorrad auf der Hagener Straße/Höhe Brüninghausstraße, Kilometer 0,6 in Fahrtrichtung T. Der Versicherte verstarb an der Unfallstelle.

Am 06.04.1998 meldete die Arbeitgeberin den Unfall bei der Beklagten. Sie gab an, der Versicherte habe mit ihrer Genehmigung um 15:00 Uhr die Arbeitsstätte verlassen, um nach Hause zurückzukehren. Die Beklagte zog die Akte der Staatsanwaltschaft I (Az. 000) sowie Kartenmaterial bei und holte Auskünfte von der Arbeitgeberin und der Klägerin zu 1) über die gewöhnliche Wegstrecke des Versicherten ein. Die Klägerin zu 1) gab an, der Versicherte habe immer den direkten Weg gewählt, der für ihn aufgrund der Verkehrsverhältnisse am günstigsten gewesen sei. Er habe in der Regel ca. 30 Minuten gebraucht. Mit Bescheid vom 14.05.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen an die Klägerinnen aus Anlass des tödlichen Unfalls des Versicherten ab. Der Versicherte habe sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung, sondern auf einem Abweg befunden. Dies führe zum Erlöschen des Versicherungsschutzes, der in Hinblick auf die Unfallstelle auf der Hagener Straße frühestens mit der Rückkehr auf die B236 im Ortsbereich T wiederaufgelebt wäre. Aus welchen Gründen der Versicherte diesen Abweg gewählt habe, lasse sich nicht feststellen. Die bloße Möglichkeit oder gar Vermutung, dass der Versicherte sich auf dem Weg von der Arbeit nach Hause befunden habe, reiche für den Nachweis der anpruchsbegründenden Tatsachen nicht aus.

Dagegen legten die Klägerinnen Widerspruch ein. Sie trugen u. a. vor, der Versicherte habe am Mittag des Unfalltages die Klägerin zu 1) unterrichtet, dass er gegen 15:00 Uhr nach Hause fahren werde. Er sei wie gewöhnlich mit dem Motorrad nach Hause gefahren, wobei ihm verschiedene Strecken für Hin- bzw. Rückfahrt zur Verfügung gestanden hätten. Es handele sich um Ausweichstrecken, die vom Versicherten je nach Verkehrs- oder Witterungslage benutzt worden seien. Der Versicherte habe keinen anderen Grund gehabt, als nach Hause zu fahren, zumal am Unfalltag schlechtes Wetter geherrscht habe. Die Straßenverhältnisse seien freitags nachmittags wegen der Staulage auf den nahe gelegenen Autobahnen häufig angespannt gewesen. Deshalb habe der Versicherte, der Kenntnis von der Verkehrssituation und den Staus gehabt habe, für den Heimweg die Wegstrecke von J Richtung Ergste/ Westhofen/Wandhofen und dann nach T gewählt. Nach Einholung einer telefonischen Auskunft des Bearbeiters X bei der Verkehrsinspektion T wies die Beklagte am 21.09.1998 die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führt sie aus, die Unfallstelle liege nicht mehr auf einem der in Betracht kommenden Wegstrecken für den Nachhauseweg. Die Gründe für das Befahren der Hagener Straße ließen sich nicht mehr klären.

Mit den am 29.09.1998 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klagen (Az. S 17 U 279/98 und S 17 U 280/98) haben die Klägerinnen ihr Begehren weiterverfolgt. Ergänzend zu ihrem Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren haben sie geltend gemacht, es sei aufgrund der am Unfalltag herrschenden Straßen- und Witterungsverhältnisse nur die Annahme realistisch, dass der Versicherte die Wegstrecke gewählt habe, um Staus zu umgehen. Der von ihm gewählte Weg sei am Unfalltag und aufgrund der Verkehrssituation für ihn der schnellste und direkteste Weg gewesen. Der Versicherte habe keine Aktivitäten ohne vorheriger Absprache mit der Klägerin zu 1) unternommen. Bei dem Gespräch am Unfalltage habe er nicht erwähnt, dass er die Vornahme eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten mit der Rückkehr zur Wohnung verbinden wolle. Deshalb sei ausgeschlossen, dass der Versicherte sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf direktem Wege nach Hause befunden habe.

Zur Stützung ihres Begehrens haben die Klägerinnen Erklärungen von Herrn C, einem Arbeitskollegen des Versicherten, sowie von Herrn I, dem Bruder der Klägerin zu 1), über die Verkehrslage im Raum T/J zu den Akten gereicht.

Das SG hat Auskünfte von den Arbeitskollegen des Versicherten G, C, U und T eingeholt.

Mit Urteil vom 15.02.2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das am 19.06.2002 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen am 21.06.2002 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung tragen sie vor, die vom Versicherten am Unfalltag gewählte Fahrstrecke über Sümmern, Kalthof, Hennen, Rheinen, an der Kreuzung Ruhrbrücke weiter über die B236 Richtung Altena in Ergste auf die Ruhrtalstraße und dann auf die Hagener Straße Richtung P Straße betrage exakt 25,2 km. Es handele sich also um keinen erheblichen Umweg. Der Versicherte habe zwar eine längere, aber aufgrund der Verkehrslage - Staugefahr - die schnellste Wegstrecke genutzt. Unter der schnellsten Strecke verständen sie, wenn Stau auf der normalen Strecke herrsche, die Strecke ohne Ampeln und verkehrsberuhigte Zonen. Die Strecke, die der Versicherte befahren habe, könne teilweise mit 100 km/h gefahren werden, außerdem herrsche auf dieser Strecke normalerweise nur wenig Verkehr. Es sei zu berücksichtigen, dass wegen des Ferienwochenendes Stau auf allen Strecken um T geherrscht habe.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.05.2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14.05.1998 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 21.09.1998 zu verur- teilen, ihnen Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des tödlichen Unfalls des Versicherten W E am 03.04.1998 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Ein Nachweis des inneren Zusammenhanges zwischen der zum Unfall führenden Tätigkeit und der versicherten Tätigkeit sei auch unter Würdigung der Auskunft der Bezirksregierung Arnsberg nicht im Sinne eines Vollbeweises geführt worden. Bei den seitens der Kreispolizeibehörde Unna zuerst beschriebenen vier Fahrtrouten handele es sich um Streckenverläufe, die für einen ortskundigen Motorradfahrer nachvollziehbar geeignet seien, möglichst schnell aus dem Industriegebiet S in J nach T, P Straße 0 zu gelangen. Soweit von der Kreispolizeibehörde Unna weitere Fahrtrouten spekulativ in Betracht gezogen würden, handele es sich um Streckenverläufe, die gegenüber den zuvor benannten erhebliche Verlängerungen - bis über das Doppelte hinaus - aufweisen. Der Auffassung der Bezirksregierung Arnsberg, dass die Wahl der in Anlage 7 aufgezeichneten Fahrtstrecke - Sümmern-S, Am großen Teich, Hegestück, Barendorfer Straße (B233), Kalthofer Straße (L676), Leckingser Straße, Roterhaus Straße, Schälkstraße, Lethmather Straße (B236), Ruhrtalstraße (L 675), Hagener Straße (L673) über Westhofen in Richtung T (auf der sich der Unfallort des Versicherten befindet) - wegen der Staulage auf den anderen in Betracht kommenden Routen einen Zeitgewinn für den Versicherten versprochen habe, könne nicht gefolgt werden. Nach den Ausführungen der Kreispolizeibehörde Unna sei die Benutzung der als Strecke 2 aufgeführten Fahrtroute zumindest bis zum Einmündungsbereich der Straße "Zum Wellenbad" in die Unnaer Straße verkehrstechnisch unproblematisch gewesen. Mit einem baustellenbedingten Staubereich habe erst beim Linksabbiegen in die Unnaer Straße gerechnet werden müssen. Unterstellt, ein ortskundiger Motorradfahrer habe tatsächlich bei der Benutzung dieser Fahrtstrecke einen Verkehrsstau auf der Unnaer Straße vorgefunden, wäre es ihm alternativ leicht möglich gewesen, diesen Staubereich mit einer Durchfahrt des nahe gelegenen Ortsteiles Lichtendorf zu umfahren. Diese Wegstrecke wäre kürzer und vom Zeitaufwand geringfügiger gewesen als die von der Kreispolizeibehörde Unna unter Anlage 7 aufgezeigte Fahrmöglichkeit.

Der Senat hat die Akte der Staatsanwaltschaft I (Az. 000) beigezogen. Er hat ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 03.03.2003 über das Wetter am 03.04.1998 zwischen 13:00 Uhr und 16:00 Uhr in Dortmund/Witten/Unna/J/T/Westhofen, Auskünfte der Bezirksregierung Arnsberg vom 05.03.2003 und 27.08.2003 über mögliche Wegstrecken vom Industriegebiet S in J/Sümmern nach T, P Straße 0 und die Verkehrsverhältnisse im Großraum Dortmund/Unna/Witten/J am 03.04.1998 sowie eine Auskunft des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13.05.2003 über Verkehrsstörungen auf den Autobahnen A 1 und A 45 eingeholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akte der Staatsanwaltschaft I (Az. 512 Js 252/98) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung des Sents waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigen Berufungen sind begründet.

Den Klägerinnen steht ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach § 63 SGB VII gegenüber der Beklagten zu.

Nach § 63 SGB VII haben Hinterbliebene u.a. Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Dabei sind die anspruchsbegründenden Tatsachen - Tod des Versicherten und Versicherungsfall - voll, d. h. mit an Sicherheit grenzender, ernste und vernünftige Zweifel ausschließende Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.

Die Klägerinnen sind als Witwe bzw. als Stieftochter Hinterbliebene des am 03.04.1998 verstorbenen Versicherten i.S.v. § 63 SGB VII. Der Versicherte ist an den Folgen der beim Verkehrsunfall am 03.04.1998 erlittenen Verletzungen verstorben.

Entgegen der Auffassung des SG stellt der Verkehrsunfall am 03.04.1998 ein Arbeitsunfall des Versicherten nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII und damit ein Versicherungsfall nach § 7 Abs. 1 SGB VII dar.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz u.a. nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII begründenden Tätigkeit. Diesen Schutz erstreckt § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch auf das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, in einem inneren (sachlichen) Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit steht, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist gegeben, wenn die Zurücklegung des Weges der Aufnahme der versicherten Tätigkeit bzw. nach Beendigung dieser Tätigkeit dem Erreichen der Wohnung oder eines dritten Ortes dient. Bei der Feststellung des inneren Zusammenhanges zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten und der Betriebstätigkeit geht es um die Ermittlung der Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Es ist daher wertend zu entscheiden, ob das Handeln des Versicherten zur versicherten betrieblichen Tätigkeit bzw. zum Weg zur oder von der Arbeitsstätte gehört. Maßgeblich ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 39; BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 6). Dabei ist der Versicherte nicht ausschließlich auf dem entfernungsmäßig kürzesten Weg von und zu der Arbeit geschützt. Der von Versicherten eingeschlagene Weg, der nicht nur unbedeutend länger ist als der kürzeste Weg, ist als unmittelbarer Weg anzusehen, wenn die Wahl der weiteren Wegstrecke aus der durch objektive Gegebenheiten erklärbaren Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges von dem Ort der Tätigkeit nach Hause oder einem anderen, sogenannten dritten Ort, zuzurechnen wäre, etwa um eine verkehrstechnisch schlechte Wegstrecke zu umgehen oder eine weniger verkehrsreiche oder schneller befahrbare Straße zu benutzen. Ist demnach ein eingeschlagener Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit insbesondere weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger als der entfernungsmäßig kürzeste Weg, so steht auch dieser längere Weg unter Versicherungsschutz. Lässt sich allerdings nicht feststellen, ob der Umweg im inneren Zusammenhang mit dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gestanden hat oder nur geringfügig gewesen ist, besteht dagegen kein Versicherungsschutz (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 9 = NZS 2002, 161 mit weiteren Nachweisen).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sieht es der Senat als erwiesen an, dass es sich beim Verkehrsunfall des Versicherten um einen Wegeunfall i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gehandelt hat. Zwar liegt die Unfallstelle nicht auf dem direkten Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung des Versicherten. Der Versicherte befand sich jedoch zum Unfallzeitpunkt nicht auf einem unversicherten Umweg oder Abweg, sondern auf dem versicherten Nachhauseweg.

Der von dem Versicherten gewählte Weg von der Arbeitsstätte in J, S-Bach 0 zur P Strasse 0 in T stellte allerdings keine unbedeutende Verlängerung des Heimweges in dem Sinne dar, dass es auf die Gründe für die Wahl dieser Strecke nicht ankäme. Nach den Angaben der Kreispolizeibehörde M über die Verkehrsverhältnisse im Großraum T/J kommen als direkte Wegstrecke zwischen dem Industriegebiet S in J und der Wohnung des Klägers in der P Straße 0 in T vier Fahrtrouten in Betracht, deren Gesamtlänge zwischen 12,7 - 18,4 km variieren und die eine Fahrtzeit von 17 bis 23 Minuten erfordern. Die Fahrtroute 1 hat eine Länge von 18,4 km und erfordert eine Fahrtzeit von ca. 23 Minuten. Sie hat die Streckenführung über die Straßen Am Großen Teich, Hegestück, Ritterhausstraße, Bertingloher Straße, Gruländer Straße, Ardeyer Straße, Hauptstraße, Schwerter Straße, Unnaer Straße, Schützenstraße, Lohbacherstraße, P Straße. Die Fahrtroute 2 hat eine Länge von 15,1 km und erfordert eine Fahrtzeit von 22 Minuten. Sie verläuft über die Straßen Am Großen Teich, Sümmener Straße, Warendorfer Straße, Kalthofer Straße, Hennener Straße, Rheinener Straße, Ruhrtalstraße, Zum Wellenbad, Unnaer Straße, Schützenstraße, Lohbacher Straße, P Straße. Beide Fahrtstrecken stimmen hinsichtlich des letzten Teilstückes "Unnaer Straße, Schützenstraße, Lobergerstraße, P Straße" überein. Die Fahrtroute 3 mit einer Länge von 12,7 km und einer Fahrtzeit von ca. 17 Minuten über die Straßen Am Großen Teich, Sümmener Straße, Warendorfer Straße, Kalthofer Straße, Hennener Straße, Rheinener Straße, Iserlohner Straße, Bethuner Straße, Wittekindstraße, P Straße und die Fahrtroute 4 mit einer Länge von 13,3 km und einer Fahrtzeit ca. 18 Minuten über die Straßen Am Großen Teich, Sümmener Straße, Warendorfer Straße, Kalthofer Straße, Leckingser Straße, Refflingser Straße, Alte Poststraße, Rote-Haus-Straße, Iserlohner Straße, Bethuner Straße, Wittekindstraße, P Straße treffen auf der Iserlohner Straße zusammen und münden an der Ruhrbrücke Viligst in die Bethuner Straße. Als weitere Wegstrecke kommt die Fahrtroute 5 mit einer Länge von 20,1 km und einer Fahrtzeit von ca. 23 Minuten über die Straßen Am Großen Teich, Hegestück, Warendorfer Straße, Kalthofer Straße, Leckinser Straße, Rote-Haus-Straße, Schälkstraße, Lethmather Straße, Bethuner Straße, Witte-kindstraße, P Straße in Betracht, deren letztes Teilstück ab Ruhrbrücke Villigst mit den Fahrtrouten 3 und 4 übereinstimmt.

Die Unfallstelle auf der Hagener Straße liegt nicht auf den Fahrtrouten 1 - 5 sondern auf der Strecke über die Ruhrtalstraße und die Hagener Straße, mit der das Teilstück der Fahrtrouten 3 - 5 "Ruhrbrücke Villigst Bethuner Straße" (1,3 km) mit dem Ziel umfahren werden kann, über die Wittekindstraße die P Straße zu erreichen. Die Ausweichstrecke "Ruhrtalstraße, Hagener Straße" verlängert die Gesamtlänge der Fahrtroute 5 um 6 km sowie die Gesamtlänge der Fahrtrouten 3 und 4 ab Ruhrbrücke Villigst um 13,7 km. Dies lässt indes den inneren Zusammenhang zwischen dem Weg und der versicherten Tätigkeit nicht entfallen.

Ergibt sich im Einzelfall, dass der kürzeste Weg nach und von dem Ort der versicherten Tätigkeit aus objektiven, nicht rein privaten Gründen nicht genommen zu werden braucht, ein nicht unbedeutend längerer Weg grundsätzlich also noch unter dem Versicherungsschutz steht, kann dies zwar nicht dazu führen, dass der Versicherte dann unter Beibehaltung des Versicherungsschutzes einen beliebig langen anderen Weg benutzen darf. Vielmehr gilt für den konkret eingeschlagenen längeren Weg, dass er wesentlich der Zurücklegung des Weges nach und von dem Ort der Versichertentätigkeit zu dienen bestimmt sein muss und somit für die Wahl dieses Weges keine Gründe maßgebend sind, die wesentlich allein im privaten Lebensbereich des Versicherten zuzuordnen sind.

Bieten sich daher anstelle des kürzesten Weges mehrere zumutbare Wegealternativen an, ist zum Erhalt des Versicherungsschutzes in der Regel der nächstkürzere Weg zu wählen, wobei unbedeutende Umwege nicht ins Gewicht fallen. Ist aber der gewählte alternative Weg nicht unbedeutend länger als ein anderer alternative Weg, so steht ersterer Weg nur dann unter Versicherungsschutz, wenn die kürzere Alternative aus dem oben genannten Gründen nicht zum Erhalt des Versicherungsschutzes benutzt zu werden braucht, weil also insbesondere der gewählte Weg weniger zeitaufwändig, sicherer, übersichtlicher, besser ausgebaut oder kostengünstiger als die nicht gewählte alternative Strecke ist. Wegen der Besonderheiten des Straßen- und Wegenetzes, der unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten und der Vielfalt der Lebenssachverhalte, die bei der Wahl des Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit bedeutsam sind, lassen sich keine allgemeingültigen Regeln hinsichtlich der Länge des Weges, der in Anspruch genommenen Geh- oder Fahrzeit oder sonstiger einschlägiger Kriterien festlegen. Ob ein gewählter längerer Weg noch ein unmittelbarer i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. SGB VII ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Je länger und zeitaufwändiger der gewählte alternative Weg daher im Verhältnis zu einem kürzeren und weniger zeitaufwändigen alternativen Weg ist, umso höhere Anforderungen sind an den Nachweis zu stellen, dass der erforderliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg nach und vom Ort der Tätigkeit besteht (BSG, Urteil vom 24.06.2003, B U 40/02 R m.w.N. BSG, SozR 3 - 2700 § 8 Nr. 9 m.w.N.). Dabei ist bei der Beurteilung darauf abzustellen, wie sich die Lage dem Versicherten zur Zeit seiner Entscheidung vielleicht unvollständig und unter Zeitdruck darstellen konnte (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rnr. 201 m.w. N.).

Ausgehend von diesen Kriterien ist der Senat davon überzeugt, dass der Versicherte sich zum Unfallzeitpunkt weder auf der Fahrt zu einem unversicherten "dritten Ort" noch auf dem unversicherten Weg von einem "dritten Ort", das heißt, dem Ort einer unversicherten eigenwirtschaftlichen Betätigung, sondern auf dem versicherten Nachhauseweg befand. Dies sieht der Senat aufgrund der von der Arbeitsstätte bis zur Unfallstelle zurückgelegten Fahrtstrecke und der dafür benötigten Fahrtzeit als erwiesen. Der Versicherte hat nach den schriftlichen Angaben seiner Arbeitgeberin und seiner Arbeitskollegen am 03.04.1998 gegen 15:00 Uhr die Heimfahrt von der Arbeitsstätte aus angetreten. Der Unfall hat sich gegen 15:30 Uhr ereignet.

Angesichts der Entfernung der Unfallstelle von der Arbeitsstätte des Versicherten und den Angaben der Kreispolizeibehörde M über die Fahrtzeit für diese Strecke spricht nichts dafür, dass der Versicherte zuvor den Heimweg wegen einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit unterbrochen hat. Die Unfallzeit ist vielmehr unter Berücksichtigung der am 03.04.1998 herrschenden schlechten Wetterverhältnissen zeitlich mit einer Abfahrtszeit um 15:00 Uhr vereinbar. Im Großraum Dortmund/Witten/Unna/J/T, Westhofen hat es nach den Feststellungen des deutschen Wetterdienstes am 03.04.1998 in der Zeit zwischen 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr durchgehend mit leichter und zeitweise mäßiger Intensität geregnet, wobei die Niederschläge zeitweise schauerartigen Charakter gehabt haben und die horizontalen Sichtweiten örtlich zeitweilig durch den Regen, wahrscheinlich auch bis auf 6 km während des mäßigen Regens, herab gesetzt gewesen waren.

Der Senat sieht es ferner als erwiesen an, dass der Versicherte die Wegstrecke bis zur Unfallstelle und den sich anschließenden Weg wählte, um auf dem verkehrsmäßig günstigsten und schnellsten Wege von der Arbeitsstätte nachhause zu gelangen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Wahl dieses Weges Gründe maßgeblich waren, die wesentlich allein dem privaten Lebensbereich des Versicherten zuzuordnen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob er von der Fahrtroute 3, 4 oder 5 auf die Ausweichstrecke Ruhrtalstraße, Hagener Straße abgebogen ist. Welche dieser Fahrtrouten der Versicherte am Unfalltag nahm, ist unbekannt. Weder die Klägerinnen noch ein Arbeitskollege des Versicherten konnte dazu Angaben machen. Der Senat sieht trotz dieser Ungewissheit gute Gründe dafür, dass der Versicherte die Ausweichstrecke, auf der sich der Unfall ereignete, deshalb wählte, weil er sie angesichts der an diesem Tage herrschenden Verkehrsverhältnisse für die verkehrsgünstigere und weniger zeitaufwändige Strecke hielt.

Aufgrund der am 03.04.1998 bestehenden Verkehrs- und Wetterverhältnisse handelte es sich aus Sicht des Versicherten bei der Ausweichstrecke "Ruhrtal Straße/Hagener Straße" im Vergleich mit den Fahrtrouten 1 - 5 um eine weniger verkehrsreiche, schneller befahrbarere und weniger zeitaufwändigere Wegstrecke, auch wenn er bis zur Ruhrbrücke Villigst die Fahrtroute 3 oder 4 benutzte. Gegen die Benutzung der Fahrtrouten 1 und 2 spricht, ausgehend von den Angaben der Kreispolizei M, dass am 03.04.1998 auf der L673, Ortsdurchfahrt T (Schützenstraße), eine Großbaustelle im Bereich zwischen Grünstraße und Ortsausgang bestand, die in verkehrsstarken Zeiten regelmäßig zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen führte. Am Freitag, den 03.04.1998, dem Beginn der Osterferien im Land Nordrhein-Westfalen, kam es gegen 15:30 Uhr infolge des Berufs- und Umgehungsverkehrs zu Staus auf den Autobahnen. Nach Auskunft des Lagezentrums des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen sowie den zu den Akten gereichten Staumeldungen der Polizei vom 03.04.1998 bestand am 03.04.1998 in der Zeit zwischen 13:00 bis 19:00 Uhr auf der Autobahn A 1 zwischen dem Kreuz Dortmund/Unna und dem Westhofener Kreuz, das in unmittelbarer Nähe von T liegt, ein hohes Verkehrsaufkommen mit teilweisem Stau von 9 bis 10 km Länge in beiden Fahrtrichtungen. Ferner war ein hohes Verkehrsaufkommen mit teilweisem Stau auch bis zu 14 km Länge auf der Autobahn A 45 zwischen Hagen Süd und Westhofener Kreuz in Richtung Dortmund gemeldet. Infolge dessen geht der Senat unter Zugrundelegung der Erfahrungswerte der Kreispolizei M davon aus, dass das Verkehrsaufkommen im Großraum T durch Autofahrer, die die Staus auf den Autobahnen im Bereich des Westhofener Kreuz umgehen wollten, wesentlich erhöht war. Hinzu kommen die Verkehrsbehinderungen infolge der am Unfalltag bestehenden Großbaustelle im Verlauf der L 673 in der Ortsdurchfahrt T im Bereich zwischen der Grünstraße und dem Ortsausgang. Zwar war eine Umfahrung der Großbaustelle durch die Benutzung der in der Auskunft der Kreispolizei M vom 27.08.2003 aufgezeigten Ausweichstrecken "zum Wellenbad/Unnaer Straße/Buschkampweg/Sölder Straße/Römerstraße (Dortmund-Lichtendorf)/P Straße" möglich. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Benutzung dieser Ausweichstrecke jedoch nicht weniger zeitaufwändig als die Benutzung der Ausweichstrecke "Ruhrtalstraße/Hagener Straße", ausgehend von den Fahrtrouten 3 - 5, gewesen. Die Gesamtlänge und -dauer der Fahrtstrecken 1 und 2 wird durch die Benutzung der Ausweichstrecke auf 21,7 bzw. 18,4 km und 31 bzw. 30 Minuten verlängert. Auch ist auf den Fahrtrouten 3 und 4 durch die Verlagerung des überörtlichen Verkehrs aufgrund der Großbaustelle auf der Schützenstraße auf der Fahrtroute Iserlohner Straße/Bethuner Straße mit einem Rückstau im Bereich der Ruhrbrücke Villigst (Kreuzung Iserlohner Straße/Bethuner Straße) zu rechnen gewesen, was die Benutzung der Fahrtroute 5 nahelegte. Der Stau auf der Strecke Bethuner Straße/Wittekindstraße läßt sich nach Auskunft der Kreispolizeibehörde M durch die Strecke "Ruhrtalstraße/ Hagener Straße" umgehen. Der Versicherte war als Ortskundiger und aufgrund seiner Erfahrungen als Berufskraftfahrer mit der zu erwartenden Verkehrslage aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens auf den Autobahnen und den möglichen Ausweichstrecken vertraut. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit hatte er die Möglichkeit, am Freitag den 03.04.1998 den Verkehrsfunk zu hören und sich somit einen Überblick über die Verkehrslage zu verschaffen. Da die Großbaustelle auf der Schützenstraße schon 7 Tage bestand, hatte er auch Kenntnisse und Erfahrungen über die Auswirkungen dieser Großbaustelle auf die Verkehrslage. Daher ist für den Senat nachvollziehbar und verständlich, dass der Versicherte aufgrund seiner Kenntnisse als Ortskundiger und seiner Erfahrung als Berufskraftfahrer vorausschauend die Wegstrecke nach Hause wählte, die ein Fahren ohne Stau, also eine weniger verkehrsreiche und schnellere Heimfahrt erwarten ließ. Dies gilt auch, wenn unterstellt wird, dass der Versicherte nicht die Fahrtroute 5, sondern zunächst die Fahrtrouten 3 oder 4 bis zur Ruhrbrücke Villigst gewählt hat. Denn von der Ruhrbrücke Villigst an zu erwartende Stau auf der Bethuner Straße mit einer Gesamtlänge von 1,3 km konnte der Versicherte nur auf der Ausweichstrecke "Lethmather Straße, Ruhrtalstraße, Hagener Straße" mit einer Länge von 13,7 km umfahren. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellte dieser Stau für den Versicherten eine erhebliche Verkehrsbeeinträchtigung, insbesondere in Hinblick auf die schlechten Wetterverhältnisse, dar. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherte als Motorradfahrer die wartenden Kraftfahrzeuge im Stau hätte überholen können. Denn in einem solchen Verhalten hätte der Versicherte gegen Verkehrsvorschriften verstoßen und sich im Straßenverkehr gefährdend verhalten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Versicherte bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit, als Berufskraftfahrers auf den Besitz des Führerscheins angewiesen war. Vielmehr ist bei der Beurteilung der Frage, ob es sich bei der von dem Versicherten gewählten Wegstrecke um einen unmittelbaren Weg i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII handelte, von einem verkehrsgerechten Verhalten des Versicherten auszugehen. Schließlich legte die durch die Auskunft des Deutschen Wetterdienstes belegte Wetterlage am 03.04.1998 nahe, eine Wegstrecke zu wählen, die ein weniger zeitaufwändiges Heimkommen ohne Stau erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved